Von Kuchen, Süßen, Grünkraut und Hasel – ein Blick auf die Gemeindenamen in Baden-Württemberg
Kuchen, Süßen, Grünkraut, Hasel. Was wie aus einer Rezeptsammlung daherkommt, ist tatsächlich nicht auf Papier, sondern auf den Ortsschildern in Baden-Württemberg zu lesen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Gemeindenamen im Ländle und gibt einen Einblick in die Bedeutung und den Ursprung eben dieser.
Zur Gemeindestruktur Baden-Württembergs
In Baden-Württemberg gibt es aktuell insgesamt 1 101 Gemeinden. Diese verteilen sich wie folgt: 785 Gemeinden und 316 Städte, darunter neun Stadtkreise (kreisfreie Städte) und 95 Große Kreisstädte.1 Außerdem gibt es zwei unbewohnte gemeindefreie Gebiete: den Gutsbezirk Münsingen im Landkreis Reutlingen und das gemeindefreie Gebiet Rheinau im Ortenaukreis.
Warum sich ein Blick auf die Gemeindenamen lohnt …
Bei genauerem Hinsehen lassen sich bei den Gemeindenamen2 durchaus Muster erkennen. So gibt es Ortsnamenendungen, die häufiger vorkommen als andere. Zudem treten Unterschiede auf was die regionale Verbreitung bestimmter Ortsnamen bzw. -endungen angeht, denn oftmals gehen die Ortsnamen auf bestimmte historische Siedlungsbewegungen zurück. So bildet die Namensgebung des frühen und hohen Mittelalters häufig auch heute noch die Grundlage der heutigen Ortsnamen, nur sehr wenige Namen reichen auf die römische und Eisenzeit zurück.3 Ortsnamen weisen vielfach auf ansässige Personengruppen oder auf auffällige Merkmale hin, durch die der Ort zu früheren Zeiten charakterisiert wurde oder ggf. auch heute noch wird.
Die Endungen der Ortsnamen
Bei der Analyse der Ortsnamenendungen4 wurden die in Baden-Württemberg am häufigsten auftretenden Endungen identifiziert. Acht der insgesamt 1 101 Gemeinden Baden-Württembergs wurden aufgrund von Doppelnamen zwei Endungen zugeordnet,5 insgesamt gibt es 35 Gemeinden mit Doppelnamen im Land.
Einschränkend sei darauf hingewiesen, dass sich über die Zeit auch Variationen bestimmter Endungen entwickelt haben, die in dieser Auszählung nicht berücksichtigt wurden. Die Endung »-ingen« beispielsweise könnte sich in manchen Namen auch in der Variation »-angen«, »-ungen« oder »-engen« wiederfinden. Da in den wenigsten Fällen der Entstehungszusammenhang zweifelsfrei geklärt werden kann, wurden die Ortsnamen in diesem Beitrag nur dann zu einer Endung gezählt, wenn sie dieser eindeutig zugeordnet werden konnten.
Endungen »-ingen« und »-heim« sind am häufigsten
Bei 20,7 % bzw. 230 Gemeinden Baden-Württembergs6 findet sich die Endung »-ingen« im Gemeindenamen. Damit ist diese Endung die am weitesten verbreitete Ortsnamenendung im Land. Überdies ist davon auszugehen, dass sie in Variationen auch noch in anderen Ortsnamen auftaucht, diese sind jedoch wie eingangs erwähnt in der genannten Zahl nicht enthalten (Schaubild 1).
Die Endung »-ingen« geht auf die Völkerwanderungszeit von ca. 375 bis 568 zurück. Sie war in allen germanischen Siedlungsgebieten verbreitet und bedeutet so viel wie »bei den Leuten des …«, das heißt, sie weist auf an diesem Ort ansässige Personengruppen hin.7 Laut Berger werden die Ortsnamen mit der Endung »-ingen« daher auch »Insassennamen« genannt. Herbertingen bedeutet folglich so viel wie »bei den Leuten des Herbert«. Zusätzlich zum Personenbezug können in den Ortsnamen andere Charakteristika des Ortes versteckt sein, zum Beispiel kann man Holzgerlingen mit »bei den Leuten im Holz« übersetzen, was auf das Vorhandensein von Wald bzw. die bedeutende Stellung des Rohstoffes Holz zu früheren Zeiten hinweist.
Betrachtet man die regionale Verbreitung dieser Endung in Baden-Württemberg, fällt auf, dass diese Endung verstärkt im südlichen Baden-Württemberg und in der Mitte des Landes verbreitet ist: 49 Gemeinden in der Region Stuttgart enden auf »-ingen«, gefolgt von der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg (29 Gemeinden), den Regionen Neckar-Alb und Donau-Iller (jeweils 28 Gemeinden) und der Region Hochrhein-Bodensee mit 25 Gemeinden.
Auf Ebene der Landkreise hat der Alb-Donau-Kreis in der Region Donau-Iller die meisten Gemeinden, die auf »-ingen« enden (20 Gemeinden), gefolgt vom Kreis Tuttlingen mit 17 Gemeinden.
126 Gemeinden bzw. 11,4 % aller Gemeinden des Landes enden auf »-heim«. Diese Namensgebung war vermutlich ebenfalls zur Zeit der Völkerwanderung gebräuchlich, an welche sich eine erste große Landnahme anschloss, in der insbesondere Gegenden mit fruchtbaren Böden besiedelt wurden. Im Gegensatz zu den Insassennahmen auf »-ingen« werden diese Namen als »Siedlungsnamen« bezeichnet: Die Endung »-heim« wird als Hinweis darauf verstanden, dass an diesem Ort bereits ein Heim bzw. eine Siedlung vorhanden war. Diese Endung ist eher im mittleren und nördlichen Baden-Württemberg verbreitet, vor allem in der Region Stuttgart und in der Region Rhein-Neckar (jeweils 20 Gemeinden) sowie in der Region Heilbronn-Franken mit 19 Gemeinden. Im Kreisvergleich hat der Kreis Ludwigsburg die meisten Orte mit dieser Endung, nämlich 15 an der Zahl, gefolgt vom Rhein-Neckar-Kreis mit 14 Gemeinden.
Interessanterweise schließen sich laut Berger8 die Ortsnamen auf »-ingen« und »-heim« in ihrer Verbreitung meist gegenseitig aus, was auch in der nahezu komplementären Verteilung auf der Kartendarstellung deutlich wird (Schaubild 2). Es kam durchaus vor, dass Orte zur Zeit der Völkerwanderung sowohl eine Ortsbezeichnung mit »-ingen« als auch mit »-heim« besaßen; über die Zeit blieben in einigen Gegenden die Bezeichnungen auf »-ingen«, in anderen Gegenden die auf »-heim« bestehen.
Eine vergleichbare Bedeutung wie »-heim« haben auch die Endungen »-hausen« und »-hofen«. Sie weisen ebenfalls darauf hin, dass an diesem Ort bereits jemand zuhause bzw. ein Hof angesiedelt war. 55 Gemeinden bzw. 5 % der Gemeinden enden in Baden-Württemberg auf »-hausen«, das Suffix »-hofen« findet sich in zehn Gemeindenamen. So geht der Name der im Kreis Ludwigsburg liegende Gemeinde Erdmannhausen beispielsweise auf »Ercka[n]mereshausen« zurück, was so viel bedeutete wie die Häuser/die Siedlung des Erkanmar.9 Der Stadtteil Königshofen der Doppelstadt Lauda-Königshofen im Main-Tauber-Kreis wurde in frühen Schriften aus dem Jahr 846 als »Chuningeshofe« bezeichnet, was auf die Lage an einem Königshof hinweist.10
Hinweise auf Topografie im Ortsnamen
Typische Ortsnamenendungen in Baden-Württemberg, welche nach topografischen Gegebenheiten gebildet wurden, sind »-bach«, »-berg« und »-stein«. 80 Gemeinden des Landes bzw. 7,2 % enden auf »-bach«, was auf das Vorhandensein eines Fließgewässers schließen lässt. Die Endung »-berg« findet sich in 51 Gemeindenamen wieder, man kann nächstliegend davon ausgehen, dass diese Orte an einem Punkt liegen, der »hoch, erhaben« ist.11 Ein Blick auf die Karte bestätigt dies: Gemeinden mit der Endung »-berg« sind insbesondere im Schwarzwald sowie im Bereich des mittleren Albvorlands, des Schurwalds und Welzheimer Walds sowie im Odenwald zu finden. In etwa dasselbe drückt die Endung »-stein« aus, welche sich in 15 Gemeindenamen im Land wiederfindet. Als Beispiel sei hier die Gemeinde Lichtenstein genannt, welche bei der Gemeindereform 1975 aus den drei Gemeinden Holzelfingen, Honau und Unterhausen entstand. Die Gemeinde wurde in diesem Zuge nach dem auf der Gemarkung liegenden gleichnamigen Schloss benannt: Der Name des Schlosses Lichtenstein setzt sich zusammen aus dem Adjektiv »licht«, also »hell, strahlend«, und der Endung »-stein«, was auf die Höhenlage auf einem Fels hinweist.12
Bad und St.
Nicht nur die Endungen der Gemeindenamen sind interessant, auch die Anfänge der Gemeindenamen sind einen Blick wert. 24 Gemeinden im Land tragen den vorangestellten Namenszusatz »Bad«, welcher auf das Vorhandensein eines Heilbades hinweist. Dieser Namenszusatz wird vom Staat nur dann verliehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.13 Aber auch der Gemeindename Baden-Baden zeugt von der großen Bedeutung des »Bades« an diesem Ort: Der Name »Baden-Baden« geht ursprünglich auf die Römer zurück, die Baden-Baden vor über 2000 Jahren gegründet haben.14 Aufgrund der dort vorkommenden Heilquellen wurde die römische Siedlung »Aquae« bzw. Bad genannt. Über die Zeit entwickelte sich daraus der heutige Name »Baden-Baden«.
Das dem Namen vorangestellte »St.« taucht bei den folgenden sechs baden-württembergischen Gemeinden auf: St. Blasien, St. Georgen im Schwarzwald. St. Johann, St. Leon-Rot, St. Märgen und St. Peter. Ausgeschrieben Sankt, von mittelhochdeutsch sancte, was so viel wie heilig bedeutet, verweist dieser Zusatz auf die Bedeutung einer heiligen Person an diesem Ort. Hierbei spielt häufig die Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche eine Rolle. Die Gemeinde St. Peter beispielweise geht auf das gleichnamige Benediktinerkloster »St. Peter auf dem Schwarzwald« zurück, welches um das Jahr 1093 gegründet wurde. Erst allmählich entwickelte sich um das Kloster herum das Dorf St. Peter.15
Kürzester Gemeindename – längster Gemeindename
Der kürzeste Gemeindename in Baden-Württemberg besteht tatsächlich aus nur zwei Buchstaben. Es handelt sich hierbei um die Gemeinde Au im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Mit 25 Zeichen, die Leerzeichen nicht mitgezählt, haben die Gemeinde Hirschberg an der Bergstraße im Rhein-Neckar-Kreis und die Stadt Müllheim im Markgräflerland im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald die längsten Namen. Der durchschnittliche Gemeindename im Land ist knapp 11 Zeichen lang.
Und zum Schluss – Kuriose Namen
Wie zu Beginn des Beitrags angerissen, gibt es durchaus kuriose Gemeindenamen in Baden-Württemberg. Neben den bereits genannten Gemeindenamen Kuchen, Süßen, Grünkraut und Hasel sollen zum Schluss auch die Folgenden nicht unerwähnt bleiben, wobei die Aufzählung keinesfalls als vollständig zu betrachten ist: Boms, Engen, Singen, Freiamt, Schwendi, Wüstenrot, Küssaberg, Billigheim, Muggensturm, Steinmauern, Gammelshausen sowie Großrinderfeld.
Fazit
Die Namenkunde, auch Onomastik genannt, beschäftigt sich unter anderem mit der Herkunft und Bedeutung von Ortsnamen. Die Namen geben Hinweise die Entstehungszeit der ursprünglichen Siedlung, auf topografische Gegebenheiten und regionale Besiedelungsgänge in eben diesem Gebiet. Interessant sind vor allem die Endungen der Ortsnamen, aber auch vorangestellte Namensbestandteile wie Bad oder Sankt geben Hinweise auf besondere natürliche Gegebenheiten vor Ort und auf den Entstehungszusammenhang.