Im Blickpunkt: Die Stadt Wangen im Allgäu
In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Wangen im Allgäu im Landkreis Ravensburg. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Wangen wie für jede andere Gemeinde des Landes interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.
Die Stadt Wangen im Allgäu im Südosten Baden-Württembergs ist nach Ravensburg die zweitgrößte Stadt des Landkreises Ravensburg. Sie bildet ein Mittelzentrum für die umliegenden Gemeinden. Der Mittelbereich Wangen umfasst den südöstlichen Bereich des Landkreises Ravensburg, die Gemeinden Achberg, Amtzell, Argenbühl, Kißlegg und die Stadt Wangen. Mit den Nachbargemeinden Achberg und Amtzell hat die Stadt eine Vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft. Wangen liegt am Rande des Westallgäus am nördlichen bzw. westlichen Ufer der Oberen Argen entlang des sanft ansteigenden Talhanges in der Drumlinlandschaft des Westallgäuer Hügellandes. Die Untere Argen fließt im Nordwesten Wangens und vereinigt sich südwestlich der Stadt in ca. 9 Kilometer (km) Entfernung vom Stadtzentrum, mit der Oberen Argen. Anfang der 1970er-Jahre wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Deuchelried, Niederwangen, Schomburg, Karsee, Neuravensburg und Leupolz eingemeindet.
Wangen liegt an der Bundesautobahn A 96 Lindau–Memmingen, an der Bundesstraße B 32 und der ehemaligen Bundesstraße B 18. Über die Autobahnausfahrten Wangen-West und Wangen-Nord ist das Stadtzentrum in nur wenigen Minuten zu erreichen. Der Bahnhof Wangen (Allgäu) liegt an der Bahnstrecke Kißlegg–Hergatz. Im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke München–Lindau–Zürich, die über Wangen läuft, wurde das Bahnhofsgelände umgebaut und modernisiert. Wangen ist durch Buslinien unter anderem mit Ravensburg und Tettnang verbunden. Der öffentliche Personennahverkehr im Stadtgebiet wird von sechs Buslinien bedient. Wangen gehört dem Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund an. Mit der Bundesstraße B 31 nach Lindau und der D 415 nach Colmar auf der französischen Seite ist Breisach gut an das überregionale Straßennetz angebunden.
Wangen wurde erstmals in einer Urkunde des Klosters St. Gallen im Jahr 815 als Wangun erwähnt. König Friedrich II. bestimmte in einer Urkunde 1217, dass die Schutzherrschaft von Wangen für immer in königlicher Hand bleiben sollte. Wangen hatte zu dieser Zeit offenbar bereits Stadtrechte. 1241 wurde die Reichsvogtei Wangen unter Konrad IV. an Schenk Rudolf von Tanne verpfändet, 1267, während der königslosen Zeit, an Berchtold von Falkenstein, Sankt-Galler Abt, weiterverpfändet, was die Wangener allerdings keineswegs widerspruchslos hinnahmen. Ab dem 15. Oktober 1281 unter Rudolf von Habsburg stand Wangen wieder unter königlicher Vogtei, am 10. Januar 1286 wurde es zur Reichsstadt erhoben. Wangen schloss sich 1349 dem Schwäbischen Städtebund an, 1362 außerdem dem Bund der Seestädte, der auch nach Auflösung des Städtebunds 1379 Bestand hatte und im Juli 1389 Truchsess Johannes II. von Waldburg gefangen nahm, nachdem dieser vergeblich versucht hatte, die Stadt einzunehmen. Zur Erinnerung an den Überfall und zum Dank für die Errettung aus der Gefahr wurde bis 1803 jährlich am 1. Januar eine Prozession um die Stadt abgehalten. Im 15. Jahrhundert war Wangen mit dem Seebund in eine Reihe weiterer Kriege und Fehden verwickelt, unter anderem den Appenzeller Krieg (1401 bis 1404) und die Städtekämpfe gegen Herzog Friedrich von Österreich (1415) und Graf Ulrich von Württemberg (1449). 1470 wurde der Seebund erneuert, doch bereits 1477 stellte sich Wangen per Vertrag unter den Schirm der Stadt St. Gallen. Unter Androhung der Reichsacht durch Kaiser Friedrich III. musste Wangen das Bündnis mit St. Gallen jedoch schon 1488 aufkündigen und sich dem bis 1534 bestehenden Schwäbischen Bund anschließen. 1552 löste Kaiser Karl V. die Zünfte auf und gab der Stadt eine neue Rats- und Gerichtsverfassung mit aller Macht für das Patriziat der Stadt. Im Dreißigjährigen Krieg hatte Wangen ab 1622 unter Truppendurchzügen und Einquartierungen zu leiden, ab 1628 herrschte hier auch die Pest. Nach 1631 flüchtete bei mehreren schwedischen Überfällen ein Großteil der Einwohner vorübergehend nach Bregenz. Nachdem die Schweden 1634 aus der Gegend abgezogen waren, verursachte 1635 und 1636 abermals die Pest viele Todesfälle. 1646 und 1647 kam es erneut zu Kampfhandlungen und Plünderungen in Wangen. Im Rahmen der Mediatisierung verlor Wangen 1803 den Status einer Reichsstadt und wurde zunächst Teil des Kurfürstentums Bayern. Nach dem Grenzberichtigungsvertrag von 1810 zwischen dem Königreich Bayern und dem Königreich Württemberg wurde Wangen Sitz des gleichnamigen württembergischen Oberamts. 1934 wurde das Oberamt Wangen in Kreis Wangen umbenannt und 1938 im Zuge der Verwaltungsreform zum erweiterten Landkreis Wangen umgeformt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel die Stadt in die Französische Besatzungszone und kam somit 1947 zum neu gegründeten Land Württemberg-Hohenzollern, welches 1952 im Land Baden-Württemberg aufging. Der Landkreis Wangen bestand bis zu dessen Auflösung und Eingliederung in den Landkreis Ravensburg am 1. Januar 1973.
Wangen hat eine Gemarkungsfläche von 10 135 Hektar (ha). Davon werden fast 62 % landwirtschaftlich genutzt. Damit liegt diese Flächennutzungsart über dem Landesdurchschnitt. Die Waldfläche beträgt gut 20 % und liegt unter dem Niveau des Landes (38 %). Mehr als 14 % der Fläche sind besiedelt oder dienen als Verkehrsfläche, hier wird das Landesmittel annähernd erreicht.
Am 31. Dezember 2019 lebten 26 917 Personen in Wangen. Mit 266 Personen je Quadratkilometer (km2) entspricht die Besiedelungsdichte den ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt unter dem Landesdurchschnitt (311). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2009 und 2019 negativ. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 1,3 % abgenommen. Sie lag damit unter der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Wangen betrug 44,6 Jahre und lag damit über dem Landesdurchschnitt von 43,6 Jahren. Fast 12 % der Einwohner von Wangen hatten 2019 einen ausländischen Pass. Der Ausländeranteil in Wangen lag damit unter dem Landesdurchschnitt von fast 16 %.
Die Entwicklung des Wohnungsbestandes in Wangen ist positiv. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2019 nahm der Wohnungsbestand um 6,3 % zu und lag damit noch über dem sehr positiven Landesniveau. Die Werte für baureifes Land lagen in dem Zeitraum zwischen 2016 und 2018 mit 157 Euro je Quadratmeter (EUR/m2) um 36 EUR/m2 niedriger als die im Landesdurchschnitt ermittelten Werte. Fast 67 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 48 m2 je Einwohner lag der Wert in Wangen über dem Landesdurchschnitt.
Architektonisch fallen im Stadtbild von Wangen zahlreiche historische Bauwerke auf: Trotz der Stadtbrände von 1539, 1793 und 1858, denen jeweils ganze Straßenzüge zum Opfer fielen, bildet die Altstadt ein malerisches, geschlossenes Ensemble mit Gebäuden vom frühen Mittelalter bis zum späten Barock. Die Stadtpfarrkirche St. Martin gehört zu den ältesten Baudenkmälern der Stadt. Die Kirchenschiffe bekamen im 15. Jahrhundert ihre heutige Form. Am Ende der Herrenstraße steht das Frauentor, heute auch Ravensburger Tor genannt, das Wahrzeichen der Stadt. Das 1472 erstmals erwähnte, vermutlich ältere Tor erhielt seine heutige Form im Jahr 1608. Der Bau zeigt ein einheitliches Renaissancegepräge mit charakteristischen Ecktürmchen. Das Rathaus wurde im 15./16. Jahrhundert (Teile davon früher) erbaut und 1719/1721 barock umgebaut. Sehenswert ist auch der Fidelisbäck, eine über 500 Jahre alte Bäckerei mit angeschlossener Gaststube, vor allem wegen der umfangreichen Fassadenmalereien von Toni Schönecker. Das Haus Sigerist ist ein gotischer Treppengiebelbau. Das Ritterhaus, ein Werk des Klassizismus, wurde von Franz Anton Bagnato errichtet.
Die Chance auf eine Beschäftigung in Wangen hat in den vergangenen 10 Jahren zugenommen. So hatten hier 2019 rund 12 414 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Dies sind fast 27 % mehr als 2009. Langfristig betrachtet lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2019 um 2 909 höher als 1999. Gut 42 % aller Arbeitsplätze in Wangen liegen heute noch in dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes und nehmen damit eine dominierende Position wie in vielen anderen Kommunen des Landes ein.
Der Schuldenstand je Einwohner in Wangen belief sich auf 398 Euro im Jahr 2019 und lag damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 1 030 Euro je Einwohner. Auch die Steuerkraftmesszahl je Einwohner und die Steuerkraftsumme je Einwohner lagen im Jahr 2019 unter dem Landesniveau.
Kulturell hat Wangen seinen Einwohnern und Besuchern einiges zu bieten. In Wangen wird die schwäbisch-alemannische Fasnet gefeiert. Treibende Kraft in der Kernstadt Wangen ist die Wangener Narrenzunft Kuhschelle weiß-rot mit ihren Narrenfiguren Aneweible, Flachsnarr und Spindelnarr. Sie gehört der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte an. Vor Beginn der Sommerferien findet das Kinder- und Heimatfest statt. Das Kinderfest, das erstmals 1832 urkundlich erwähnt wurde, entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Volksfest auch für Erwachsene. Zum Programm gehören Aufführungen eines Märchenstücks durch Jugendliche beim »Kinderfesttheater« sowie ein Umzug durch die Wangener Altstadt mit über 4 000 Mitwirkenden. Wangen ist auch eine Hochburg der Blasmusik, in allen Ortschaften gibt es mindestens eine Musikkapelle, die kirchliche Anlässe im Ort musikalisch umrahmt, bei Festen traditionelle und moderne Blasmusik spielt und in Konzerten symphonische Blasmusik zum Besten gibt. Die Stadtkapelle Wangen, die neben der Konzerttätigkeit auch regelmäßig an Wettbewerben teilnimmt, konnte 2012 beim Deutschen Orchesterwettbewerb in ihrer Kategorie den ersten Platz erringen und war daher deutscher Meister. Für kulturelle Veranstaltungen gibt es die Hägeschmiede mit einem Mehrzwecksaal für Kleinkunstprogramme und einem Tanzsaal für Ballett sowie die Stadthalle Wangen für Konzerte, Theater, Versammlungen, Vorträge, Tanzbälle und anderes. Das Heimatmuseum in der Eselmühle zeigt »hinter dem laufenden Mühlrad« originale Einrichtungen der traditionsreichen Mahlmühle. Es beherbergt ferner eine Sammlung zur Geschichte der Stadt Wangen, eine Sammlung mechanischer Musikinstrumente, ein Käsereimuseum, ein Museum zur Fasnacht in Wangen und das Deutsche Eichendorff-Museum mit Gustav-Freytag-Museum. Seit 1951 veranstaltet die Stadt jährlich in Verbindung mit dem Wangener Kreis und der Stiftung Kulturwerk Schlesien Ende September die Wangener Gespräche. Sie sind Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen ehemals Vertriebenen und Einheimischen. Sie wollen das Kennenlernen der östlichen Nachbarvölker fördern und Impulse geben für das kulturelle Leben Deutschlands. Im Rahmen dieser Tagungen wird alljährlich der Eichendorff-Literaturpreis verliehen. Wangen im Allgäu ist zudem Luftkurort und bietet seinen Gästen viel Gelegenheit für Aktivitäten. Wander- und Radwege, Loipen, Spielplätze sowie das Sommerferienprogramm »Wangener Sommer«, geführte Wanderungen und Sommerabendkonzerte sind nur einige Beispiele. Das mögen die Hauptgründe dafür sein, dass es 2019 zu 3 426 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner in Wangen kam.