Landtagswahlen in Baden-Württemberg im Rückblick
Wie unterschieden sich Männer und Frauen, Jüngere und Ältere in ihrem Wahlverhalten?
Über viele Jahrzehnte herrschten bei Landtagswahlen in Baden-Württemberg relativ eindeutige Mehrheitsverhältnisse. Die CDU gewann über Jahre fast alle Erstmandate, erhielt den größten Anteil gültiger Stimmen und stellte unangefochten den Ministerpräsidenten. Doch seit der Landtagswahl im Jahr 2011 haben sich diese lange Zeit stabilen Machtverhältnisse nachhaltig verschoben. Seit zwei Legislaturperioden steht nun an der Spitze der baden-württembergischen Regierung ein Ministerpräsident der GRÜNEN, seit 2016 stellt die CDU nicht mehr die größte Fraktion im Landtag und mit der AfD zog eine neue Partei in das Landesparlament ein.
Am 14. März 2021 wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt und nach heutiger Lage ist offen, wie die Mehrheitsverhältnisse danach aussehen werden. In Anbetracht dieser Umbrüche lohnt sich ein genauerer Blick auf das Wahlverhalten der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger in den letzten Jahrzehnten.
Anhand der Daten der Repräsentativen Wahlstatistik (siehe i-Punkt) kann das tatsächliche Wahlverhalten der baden-württembergischen Bevölkerung seit 1964 nach Altersgruppen und Geschlecht sowie die Zusammensetzung der Wählerschaft ausgewählter Parteien analysiert werden.1 Dabei zeigt sich, dass sowohl die Präferenz für eine bestimmte Partei als auch die grundsätzliche Entscheidung, an einer Landtagswahl teilzunehmen, zwischen Männern und Frauen sowie den verschiedenen Altersgruppen mitunter erheblich variiert.
Ältere Männer gehen häufiger wählen als ihre Altersgenossinnen
Vergleicht man die Wahlbeteiligung2 der Männer bei der Landtagswahl 1964 mit der der Frauen zeigt sich, dass deutlich mehr Männer als Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Während damals 70,6 % der wahlberechtigten Männer ihre Stimme abgaben, taten dies nur 64,9 % der wahlberechtigten Frauen. Besonders deutlich wird dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern bei den älteren Personen. Von den Männern im Alter von 70 und mehr Jahren gaben 72,4 % ihre Stimme ab. Die Frauen der gleichen Altersgruppe gingen 1964 deutlich seltener zur Wahl. Hier erreichte die Beteiligungsquote lediglich 53,9 % – eine Differenz von fast 20 Prozentpunkten. Zwar zeigten sich auch im Jahr 2016 weiterhin deutliche Unterschiede zwischen den Männern und Frauen ab 70 Jahren, allerdings in geringerem Ausmaß als vor gut 50 Jahren. Bei der Landtagswahl 2016 entschieden sich 73,3 % der wahlberechtigen Männer bzw. 62 % der Frauen im Alter von 70 und mehr Jahren für eine Stimmabgabe – ein Unterschied von gut 11 Prozentpunkten. Unabhängig vom Alter nahmen vor knapp 5 Jahren insgesamt 67,3 % der wahlberechtigten Baden-Württemberger und 64,6 % der Baden-Württembergerinnen an der Landtagswahl teil.
Ein Grund für die niedrigere Wahlbeteiligung älterer Frauen kann unter anderem darin gesehen werden, dass mehr Frauen als Männer ein besonders hohes Alter erreichen. Mit steigendem Alter werden körperliche Einschränkungen, die die Teilnahme an Wahlen beeinträchtigen können, wahrscheinlicher. Diese Überlegung erscheint plausibel, wenn man sich zum Vergleich die Wahlbeteiligung in der zweithöchsten Altersgruppe (60 bis 69 Jahre) anschaut. Bei der Landtagswahl 2016 lag die Wahlbeteiligung der Männer (75,2 %) und der Frauen (72,4 %) dieser Altersgruppe nur knapp 3 Prozentpunkte auseinander. Auch im Jahr 1964 fiel der Unterschied innerhalb dieser Altersgruppe – wenn auch deutlicher als 2016 – tendenziell geringer aus (Männer: 78,8 %; Frauen: 67,8 %) (Schaubild 1, Tabelle 1).
Auch in den niedrigeren Altersgruppen bestehen teilweise Unterschiede bezüglich der Wahlbeteiligung. Allerdings sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen mitunter verschwindend gering. Beispielsweise unterschied sich die Wahlbeteiligung im Jahr 2016 zwischen Frauen (55,8 %) im Alter von 18 bis 20 Jahren gegenüber der Beteiligungsquote der gleichaltrigen Männer (56 %) lediglich um 0,2 Prozentpunkte. Auch für 1964 kann für die unterste Altersgruppe (damals 21 bis 24 Jahre) nur ein geringer Unterschied zwischen der Wahlbeteiligung von Männern und Frauen festgestellt werden: 54,3 % der Männer gegenüber 54,8 % der Frauen beteiligten sich an der damaligen Landtagswahl.
Jüngere Wahlberechtigte verschenken Einflusspotenzial
Die jungen Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger nutzen ihr Recht zur Stimmabgabe deutlich seltener als die älteren Wahlberechtigten. Während die Beteiligungsquote der 60- bis 69-Jährigen bei der Landtagswahl im Jahr 1980 beispielsweise 80,8 % betrug, gaben im gleichen Jahr nur 59,2 % der Wahlberechtigten im Alter von 18 bis 20 Jahren ihre Stimme ab. Am deutlichsten fiel der Unterschied zwischen diesen beiden Altersgruppen im Jahr 2006 aus. Im Jahr mit der bisher insgesamt niedrigsten Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg nutzen nur 40,7 % der 18- bis 20-Jährigen gegenüber 64,2 % der 60- bis 69-Jährigen ihr Recht zur Stimmabgabe. Bedenkt man zusätzlich zur eher geringen Wahlmotivation der Jüngeren die Entwicklungen des demografischen Wandels, stehen immer weniger junge Wählerinnen und Wähler einer deutlich größeren und wahlfreudigeren Gruppe Älterer gegenüber. Dadurch gewinnen die höheren Altersgruppen sowohl relativ als auch absolut gesehen an Einflusspotenzial, während der Einfluss der Jüngeren weiter schwindet.
GRÜNEN werden häufiger von Jüngeren gewählt, CDU punktet bei der älteren Wählerschaft
Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren zeigen sich nicht nur bei der grundsätzlichen Entscheidung, an einer Landtagswahl teilzunehmen, sondern darüber hinaus auch bei der eigentlichen Wahlentscheidung. Während seit vielen Jahren insbesondere CDU, SPD und FDP deutlich häufiger von älteren Wählerinnen und Wählern ihre Stimmen erhalten, war die Gruppe der Jüngeren insbesondere in der Wählerschaft der GRÜNEN überdurchschnittlich vertreten. Bei dieser Betrachtung spielt auch der demografische Wandel eine entscheidende Rolle. Wenn mehr ältere Personen wahlberechtigt sind, ist es nur logisch, dass auch ihr Anteil innerhalb der Wählerschaften der einzelnen Parteien zunimmt. Allerdings zeigt die Betrachtung dieser Werte im Verhältnis zum Anteil einer bestimmten Altersgruppe an allen Wählerinnen und Wählern, dass bei einigen Parteien überdurchschnittlich viele Stimmen beispielsweise von den mindestens 60-Jährigen stammen.
Bei der Landtagswahl 2016 wiesen die Wählerschaften von CDU, SPD und FDP einen überdurchschnittlichen Anteil älterer Wählerinnen und Wähler auf. Insgesamt kamen 43,1 % der Stimmen für die Christdemokraten, 45,1 % der SPD-Stimmen und 45,3 % der FDP-Stimmen von den mindestens 60 Jahre alten Wählerinnen und Wählern. In der Wählerschaft der GRÜNEN machte diese Gruppe dagegen nur einen Anteil von knapp einem Drittel (33,2 %) aus. Die AfD erhielt sogar nur 29,3 % ihrer Stimmen von den 60-Jährigen und Älteren. Insgesamt waren 37 % aller Wählerinnen und Wähler mindestens 60 Jahre alt. Im Jahr 1980 war der Anteil der Wählerinnen und Wählern im Alter ab 60 Jahren mit 27,2 % noch deutlich geringer. Für die CDU-Wählerschaft lässt sich auch bei der damaligen Landtagswahl eine ähnliche Tendenz wie 2016 feststellen. Mit einem Anteil von 30,6 % war die Gruppe der Wählerinnen und Wähler im Alter von 60 und mehr Jahren in der Wählerschaft der CDU leicht überrepräsentiert. Die Wählerschaft von SPD und FDP wies damals mit 25,6 % bzw. 22,5 % hingegen noch einen unterdurchschnittlichen Anteil älterer Wählerinnen und Wähler auf (Tabelle 2, Schaubild 2).
In der Wählerschaft der GRÜNEN, die 1980 erstmals zu einer Landtagswahl antraten, war der Anteil der höchsten Altersgruppe nochmal deutlich geringer. Lediglich 10,6 % der Stimmen für die damals noch neue Partei kamen von Personen im Alter von 60 und mehr Jahren. Stattdessen erhielten die GRÜNEN 32,6 % ihrer Stimmen von den 18- bis 24-Jährigen. Über die Jahre nahm auch bei den GRÜNEN der Anteil der jüngeren Wählerinnen und Wähler immer weiter ab, während die Partei immer mehr ihrer Stimmen von den höheren Altersgruppen erhielt. Es kann vermutet werden, dass viele Wählerinnen und Wähler relativ konstant immer wieder die gleiche Partei wählen und sozusagen mit »ihrer« Partei altern. Dadurch würde der Anteil älterer Wählerinnen und Wähler bei länger etablierten Parteien automatisch zunehmen. Eine andere Vermutung könnte auch sein, dass jüngere Menschen tendenziell risikofreudiger sind und daher eher bereit sind »neue« Parteien zu wählen. Diese Überlegungen können allerdings nicht anhand der Daten der Repräsentativen Wahlstatistik geprüft werden. Gegen die Annahme der risikofreudigeren Wahlentscheidung Jüngerer spricht allerdings, dass die AfD, welche 2016 erstmals bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg angetreten ist, aus der Gruppe der Wählerinnen und Wähler im Alter von 18 bis 24 Jahren deutlich weniger Unterstützung erhielt als die etablierten Parteien. Leidglich 5,7 % der Stimmen für die AfD stammten aus dieser Altersgruppe. Insgesamt kamen 6,9 % aller gültigen Stimmen von den jüngsten Wählerinnen und Wählern. Dagegen konnte die Partei insbesondere bei den Wählerinnen und Wählern zwischen 45 und 59 Jahren punkten. Insgesamt stammten 35,5 % der AfD-Stimmen aus dieser Altersgruppe. Nur in der Wählerschaft der GRÜNEN war diese Altersgruppe noch stärker vertreten (36 %).
GRÜNE zunächst bei Männern beliebter, heute bei Frauen
Analysiert man die Stimmabgabe der baden-württembergischen Wählerinnen und Wähler getrennt nach Geschlecht, zeigen sich ebenfalls je nach Partei Unterschiede im Wahlverhalten der betrachteten Gruppen (Schaubild 3).
Die GRÜNEN wurden in ihrer Anfangszeit tendenziell häufiger von Männern als von Frauen gewählt. Bei der Landtagswahl 1980 entschieden sich 5,7 % der Männer für die GRÜNEN, gegenüber 4,5 % der Frauen. Gegen Ende der 1980er-Jahre wandelt sich dieses Verhältnis zunehmend. Während 1988 der Anteil der GRÜNEN-Wählerinnen und -Wähler fast identisch ausfiel (Männer: 7,5 %; Frauen 7,4 %), war die Partei seit der Landtagswahl 1992 bei den Wählerinnen konstant erfolgreicher als bei den Wählern. 2016 entschieden sich 32,8 % der Frauen, die ihre Stimme abgegeben hatten, für die GRÜNEN, aber nur 27,6 % der Männer.
Dagegen war die CDU konstant bei den Baden-Württembergerinnen erfolgreicher als bei den Baden-Württembergern. Seit 1964 entscheiden sich anteilig mehr Frauen als Männer für die Wahl der CDU. Beispielweise gaben bei der Landtagswahl im Jahr 1964 50,4 % der Wählerinnen gegenüber 41 % der Wähler ihre Stimme den Christdemokraten. Über die Jahre näherten sich die Werte zwar tendenziell an, dennoch schnitt die CDU stets bei Frauen etwas besser ab als bei Männern. Bei der Landtagswahl 2011 fiel der Abstand zwischen dem Stimmenanteil, den die CDU bei den Frauen (39,3 %) erhielt und dem, den sie bei den Männern (38,7 %) verbuchte, besonders gering aus. Im Jahr 2016 war der Abstand dagegen wieder etwas deutlicher. Insgesamt entschieden sich 28,3 % der Frauen und 25,6 % der Männer für die CDU.
Für die SPD lässt sich keine so klare Aussage treffen. Zwar gaben bei der Landtagswahl 1964 mit 31,4 % deutlich mehr Männer als Frauen (27,2 %) ihre Stimme den Sozialdemokraten. Allerdings unterschieden sich die Stimmenanteile, die die SPD in den folgenden Jahren von den Wählerinnen bzw. den Wählern erhielt, nur geringfügig. Seit 1992 schnitt die Partei zudem bei den Frauen fast durchgängig besser ab als bei den Männern. Die einzige Ausnahme bildet dabei die Landtagswahl 2011, bei der 23,4 % der Wähler bzw. 22,9 % der Wählerinnen für die SPD stimmten.
Im Falle der FDP lassen sich an dieser Stelle ebenfalls keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen. Zwar schnitt die FDP tendenziell bei den Wählern etwas besser ab als bei den Wählerinnen, allerdings fielen die Unterschiede eher gering aus.
Da die AfD 2016 erstmal zu einer Landtagswahl in Baden-Württemberg angetreten ist, kann hier kein Vergleich zu früheren Landtagswahlen erfolgen. Der Blick auf die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik 2016 zeigt, dass die AfD deutlich häufiger von Männern (18,7 %) als von Frauen (11,6 %) gewählt wurde. Ob diese Verteilung auch bei kommenden Wahlen bestehen bleiben wird, bleibt abzuwarten.
Informationsangebot des Statistischen Landesamtes zur Landtagswahl 2021
Rund um die Landtagswahl am 14. März 2021 wird das Statistische Landesamt Baden-Württemberg vielfältige Informationen zur Verfügung stellen. In der Wahlnacht wird das Tabellenangebot auf der Homepage laufend mit den neuesten Ergebnissen aktualisiert. Zusätzlich stehen die Ergebnisse in den Formaten XML und CSV zum Download bereit. Grundsätzlich können alle Tabellen des Internetangebots als CSV-Dateien heruntergeladen und bei Bedarf weiterverarbeitet werden. Im Wahlnachtbericht, der am Morgen nach der Wahl auch als PDF-Datei erscheinen wird, werden zusätzliche Tabellen und Schaubilder zur Verfügung gestellt, die die Ergebnisse der Landtagswahl 2021 in anschaulicher Weise präsentieren und analysieren sowie eine regionalstatistische Perspektive auf die Wahlergebnisse ermöglichen. Die Ergebnisse der Repräsentativen Wahlstatistik zur Landtagswahl 2021 werden voraussichtlich im Frühsommer 2021 veröffentlicht.