Wer zahlt die Gewerbesteuer?
Zur Struktur der Gewerbesteuerpflichtigen in Baden-Württemberg 2013
Die Gewerbesteuer ist die ertragreichste Steuerquelle der Gemeinden. So stammten im Jahr 2015 rund 41 % der gemeindlichen Steuereinnahmen Baden-Württembergs aus der Gewerbesteuer. 1 Mit der Festlegung ihres Hebesatzes können die Gemeinden zudem Standortpolitik betreiben, indem sie die Gewerbesteuerlast für die Gewerbesteuerpflichtigen bzw. Betriebsstätten der Gemeinde beeinflussen. Gleichzeitig ist der Gewerbeertrag stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig, die Einnahmen sind dadurch volatiler und wenig planbar für die Gemeinden.
Wer zahlt die Gewerbesteuer und in welchem Umfang? Zur Beantwortung dieser Fragen, wird die Statistik aus den Besteuerungsgrundlagen der Gewerbesteuerpflichtigen ausgewertet. Hier werden Angaben aus den Gewerbesteuermessbescheiden der Steuerpflichtigen zusammengefasst und bilden damit den Besteuerungsprozess ab. Die Statistik aus den Besteuerungsgrundlagen gibt als Vollerhebung Auskunft über die Verteilung des Steuermessbetrags über die Steuerpflichtigen, sowie deren Rechtsform, Wirtschaftszweig und regionale Verteilung und bietet so interessante Einblicke in die Struktur der Gewerbesteuerpflichtigen.
Gewerbeerträge und Steuermessbetrag stark konzentriert
Im Jahr 2013 wurde bei den rund 444 000 Gewerbebetrieben in Baden-Württemberg ein Steuermessbetrag (siehe i-Punkt) von insgesamt rund 1,6 Mill. Euro festgesetzt. Der Steuermessbetrag teilte sich allerdings sehr unterschiedlich auf die Gewerbesteuerpflichtigen auf. Bei 55 % der rund 444 000 Gewerbesteuerpflichtigen wurde ein Steuermessbetrag von Null festgesetzt. Diese Betriebe trugen beispielsweise aufgrund von Verlusten oder geringen Gewerbeerträgen in Kombination mit ausreichend hohen Freibeträgen nicht zum Steuermessbetrag bei.
Zudem war der festgesetzte Steuermessbetrag stark auf Gewerbebetriebe mit hohem Gewerbeertrag konzentriert. Steuerpflichtige mit einem Gewerbeertrag von 5 Mill. Euro und mehr vereinten gut die Hälfte (53,6 %) des festgesetzten Steuermessbetrags auf sich. Sie stellten dagegen nur 0,5 % der rund 199 000 Betriebe mit positivem Steuermessbetrag. Insgesamt dürfte dies sowohl die Struktur der Gewinne als auch die gesetzliche Ausgestaltung der Gewerbesteuer (beispielsweise Hinzurechnungen, Kürzungen) 2 reflektieren. Gut jeder dritte Gewerbesteuerpflichtige in dieser Größenklasse war zudem Organträger (376 Steuerpflichtige). Weitere 16,6 % des Steuermessbetrags wurden bei Betrieben mit einem Gewerbeertrag zwischen 1 und 5 Mill. Euro festgesetzt. Hingegen wurden nur 2,6 % des Steuermessbetrags bei Gewerbesteuerpflichtigen mit bis zu 50 000 Euro Gewerbeertrag festgesetzt, die 48,3 % der Gewerbesteuerpflichtigen mit positivem Steuermessbetrag stellten.
Die Rolle der Organschaften
Für die Gewerbesteuer wird eine Organschaft, das heißt ein Organträger und eingegliederte Organgesellschaften, als ein Steuerpflichtiger veranlagt. Die Gewerbeerträge werden für Organgesellschaften separat festgestellt und dann dem Organträger zugerechnet. Dies bietet Unternehmen und deren verbundenen Töchtergesellschaften die Möglichkeit unter den Voraussetzungen der §14 bis §17 KStG beispielsweise Gewinne und Verluste zu verrechnen und so die Steuerbelastung im Vergleich zu einer separaten Veranlagung zu senken. Damit spielen Organschaftsbeziehungen eine wichtige Rolle in der Steuerplanung von Unternehmensgruppen – auch der Blick in die Statistik bestätigt dies. Unter den Gewerbesteuerpflichtigen gab es 2013 insgesamt 1 793 baden-württembergische Organträger, deren Organgesellschaften in und außerhalb Baden-Württembergs einen konsolidierten Gewerbeertrag von rund 6,4 Mrd. Euro erzielten, was einem Anteil am gesamten festgesetzten Gewerbeertrag von 15 % entspricht.
Neben den konsolidierten Ergebnissen der Organschaft werden seit 2010 auch die Besteuerungsgrundlagen aller in Baden-Württemberg ansässigen Organgesellschaften separat ausgewertet. Hier finden sich alle in Baden-Württemberg ansässigen Organgesellschaften, auch wenn deren Organträger nicht in Baden-Württemberg sitzt. Insgesamt gab es 2013 in Baden-Württemberg 4 287 Organgesellschaften, bei denen ein nicht konsolidierter Gewerbeertrag von rund 15 Mrd. Euro festgesellt wurde. Dies war ein Anstieg im Gewerbeertrag von 12,8 % im Vergleich zu 2012 (13,3 Mrd. Euro).
Zerlegungen auf 90 320 Betriebsstätten in Baden-Württemberg
Wurde der Steuermessbetrag für den Gewerbesteuerpflichtigen festgesetzt, wird anschließend der Gewerbesteuermessbetrag zerlegt, wenn Gewerbebetriebe mehrere Betriebsstätten3 in verschiedenen Gemeinden unterhalten. Der Steuermessbetrag des Gewerbebetriebs wird in der Regel auf jede Betriebsstätte nach deren Anteil an den Arbeitslöhnen aufgeteilt. Dies ist notwendig, da der Steuermessbetrag derjenigen Gemeinde zusteht, in der die Betriebsstätte angesiedelt ist. Zudem wendet die entsprechende Gemeinde ihren Hebesatz auf ihren Zerlegungsanteil an, um das Jahressteuersoll für diese Betriebsstätte zu bestimmen (siehe auch i-Punkt). Auch Organgesellschaften gelten als Betriebsstätten des Organträgers und werden ebenfalls zerlegt. In Baden-Württemberg hatten 2013 rund 25 000 baden-württembergische Steuerpflichtige mehrere Betriebsstätten in Baden-Württemberg oder in einem anderen Bundesland. Insgesamt gab es in Baden-Württemberg 90 320 Betriebsstätten, welche aber nicht nur von baden-württembergischen Steuerpflichtigen stammten, sondern auch zu Steuerpflichtigen aus anderen Bundesländern gehörten. Bei den restlichen 419 306 Gewerbesteuerpflichtigen wurden reine Festsetzungen durchgeführt, das heißt diese Gewerbesteuerpflichtigen hatten neben dem Unternehmenssitz keine weitere Betriebsstätte.
Einzelgewerbetreibende häufigste Rechtsform
Schaubild 2 stellt die Steuerpflichtigen, deren abgerundeten Gewerbeertrag und Steuermessbetrag nach Rechtsformgruppen dar. Hier gibt es große Unterschiede: Einzelgewerbetreibende stellten mehr als die Hälfte der Steuerpflichtigen (56,1 %), ihr Anteil am Steuermessbetrag lag unterproportional bei 12,7 %. Dies liegt daran, dass sie im Durchschnitt deutlich niedrigere Gewinne und Gewerbeerträge erzielen als Personen- oder Kapitalgesellschaften. Zudem werden für Einzelgewerbetreibende und Personengesellschaften Freibeträge gewährt, da Geschäftsführergehälter – im Vergleich zu Kapitalgesellschaften – nicht gewinnmindernd abgezogen werden können. 12,8 % der Gewerbesteuerpflichtigen waren Personengesellschaften und Ähnliche, 28 % des Steuermessbetrags wurde bei ihnen festgesetzt. Kapitalgesellschaften und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften stellten jeden dritten Gewerbesteuerpflichtigen (29 %) und zudem knapp 55 % des Steuermessbetrags. Dies dürfte damit zu erklären sein, dass diese Rechtsformen häufig für große Unternehmen verwendet werden und so auch in der Regel eine deutlich höhere Besteuerungsgrundlage besitzen.
Verarbeitendes Gewerbe mit Abstand wichtigster Wirtschaftszweig
Der festgesetzte Steuermessbetrag wurde zu einem guten Drittel (32,8 %) bei Gewerbetreibenden mit wirtschaftlichem Schwerpunkt4 im Verarbeitenden Gewerbe festgesetzt. Mit 11 699 Euro liegt der durchschnittliche Steuermessbetrag dreimal so hoch wie der Durchschnitt über alle Wirtschaftszweige von 3 670 Euro. Damit ist der Steuermessbetrag in Baden-Württemberg insgesamt stark vom Verarbeitenden Gewerbe abhängig.
An zweiter Stelle liegt der Handel5. Mit 16,1 % ist dessen Anteil am Steuermessbetrag jedoch nur halb so groß wie im Verarbeitenden Gewerbe. Zudem lag der durchschnittliche Steuermessbetrag bei 2 906 Euro, also knapp einem Viertel im Vergleich. Darauf folgt der Wirtschaftszweig Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mit einem Anteil von 15,4 % am Steuermessbetrag, der Steuermessbetrag je Steuerpflichtigem ist mit 10 828 Euro jedoch ähnlich hoch wie im Verarbeitenden Gewerbe.
Zwei weitere steuerlich wichtige Wirtschaftszweige sind Information und Kommunikation sowie freiberufliche6, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen. Der Wirtschaftszweig Information und Kommunikation steuerte 9,6 % zum festgesetzten Steuermessbetrag bei, hatte mit 9 098 Euro je Steuerpflichtigem zudem den dritthöchsten durchschnittlichen Steuermessbetrag. Die Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen spielte mit 7,7 % des Steuermessbetrags zudem eine überraschend große Rolle. Im Durchschnitt lag jedoch der Messbetrag mit 2 627 Euro recht niedrig.
Rhein-Neckar-Kreis hat höchsten Steuermessbetrag
Regional gesehen ergaben sich die mit Abstand höchsten Steuermessbeträge im Rhein-Neckar-Kreis (130 Mill. Euro) gefolgt vom Stadtkreis Stuttgart (121 Mill. Euro). Zum ersten Mal seit 2010 (der Beginn der jährlichen Erhebung der Statistik) hat der Rhein-Neckar-Kreis damit den Stadtkreis Stuttgart in absoluten Zahlen überholt. Mit einigem Abstand folgte der Kreis Ludwigsburg (76 Mill. Euro) mit dem dritthöchsten Betrag. Die niedrigsten Steuermessbeträge verzeichnete der Landkreis Calw (13 Mill. Euro) sowie der Stadtkreis Baden-Baden (10 Mill. Euro).
Der Steuermessbetrag je Betriebsstätte7 war mit 5 275 Euro ebenfalls im Rhein-Neckar-Kreis am höchsten. Es folgten Biberach (4 747 Euro) und Ulm (4 574 Euro), während der Stadtkreis Stuttgart hier nur Rang 6 belegte. Insgesamt hatten zwölf Kreise einen deutlich überdurchschnittlichen Steuermessbetrag von 3 600 Euro und mehr. Dazu zählten beispielsweise auch die Landkreise Rottweil, Tuttlingen und Biberach. In acht Kreise lag der durchschnittliche Steuermessbetrag unter 2 400 Euro, so beispielsweise die Landkreise Calw und Ravensburg. Diese regionalen Ergebnisse für Kreis- und Gemeindeebene finden Sie auch im Internetangebot des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg in der Regionaldatenbank.