:: 8/2007

Die Ehe- und Sittengesetzgebung des Kaisers Augustus

Wie erfolgreich oder erfolglos sind Versuche des Staates, auf Familienplanungen Einfluss zu nehmen? Was wäre, wenn heute noch per Gesetz bestimmt würde, dass die Bürger von einem bestimmten Alter an verheiratet zu sein haben, wenn man nicht empfindliche Nachteile in Kauf nehmen will? Vor gut 2000 Jahren hat der römische Kaiser Augustus versucht, die Moral seiner Untertanen mit solchen Gesetzen zu verbessern.

Bei der Ehe- und Sittengesetzgebung handelt es sich um ein ganzes Gesetzespaket, mit dem Kaiser Augustus zwischen 23 und 9 n.  Chr. den Versuch unternahm, die Moral vor allem der oberen Schichten zu verbessern.

Zum einen war dies die lex Iulia de adulteriis coercendis, ein Gesetz über die staatliche Sanktionierung von Ehebruch, und zum anderen die lex Iulia de maritandis ordinibus und die lex Papia Poppaea, eingebracht im Auftrag des Kaisers von den Konsuln des Jahres 9 n.  Chr., Papius und Poppaeus, Gesetze über den Heiratszwang in den einzelnen Ständen.

Das waren ganz massive Einschnitte in die Privatsphäre der römischen Bürger, mit denen Augustus gravierenden Missständen entgegenwirken wollte, die seiner Ansicht nach der Erneuerung des Staates entgegenstanden. Insbesondere zielte er mit dieser Gesetzesserie auf die tatsächlich immer lockerer werdende Moral in den Oberschichten (Senatoren und Ritter), eine Lockerung, die sich vor allen Dingen in einer zunehmenden Unlust zu Eheschließungen – bei gleichzeitiger Wahrnehmung intensiver außerehelicher Beziehungen – und einem damit einhergehenden drastischen Rückgang der Geburten artikulierte.

Per Gesetz wurde den Römern nun eine Ehepflicht verordnet. So mussten Männer zwischen 25 und 60 Jahren und Frauen zwischen 20 und 50 Jahren den Nachweis erbringen, dass sie gerade eine offizielle Ehe führten. Konsequenterweise wurde per Gesetz die Scheidung praktisch unmöglich gemacht, Wiederverheiratung nach dem Tod des Ehepartners galt als Pflicht.

Wer nicht verheiratet war oder wer keine Kinder aufweisen konnte, wurde schwerstens bestraft, zum Beispiel mit dem Entzug der Erlaubnis, ein Theater aufsuchen zu dürfen (was für einen Römer wirklich hart war) oder mit dem Verbot, testamentarische Erbschaften anzunehmen. Nichtverheiratete wurden bei der Vergabe öffentlicher Ämter bewusst benachteiligt. Im Gegenzug wurden diejenigen, die drei oder mehr Kinder hatten, bei der Stellenvergabe bevorzugt.

In der Realität wurde dieser weitreichende Versuch des Staates, in die Familienpolitik einzugreifen, ein Reinfall. Dies konnte alles flächendeckend gar nicht kontrolliert werden, und viele Heiratsunwillige behalfen sich damit, dass sie eine Scheinehe eingingen. Wer im fernen Syrien, Spanien oder Nordafrika hatte schon von der Verordnung des Kaisers gehört oder wäre bereit gewesen, diese zu befolgen? Außerdem war Augustus selbst nicht das glaubwürdigste Vorbild – seine Ehe mit Livia blieb kinderlos. Wasser auf die Mühlen der zahlreichen Kritiker der Gesetze war auch der Umstand, dass die Konsuln des Jahres 9 n. Chr., die Augustus die letzte verschärfte Version der Gesetze hatte durchbringen lassen, notorische Junggesellen waren.

Die Ehe- und Sittengesetzgebung des Augustus war Teil einer umfassenden Restaurationspolitik, mit der er den Eliten der Gesellschaft wieder ein festes, letztlich der römischen Macht zugute kommendes Fundament verschaffen wollte. Demografische Überlegungen als solche spielten hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Nach antiker Auffassung hing die Stärke, Bedeutung und Dauerhaftigkeit eines Staates entscheidend von der moralischen Verfassung seiner Bürger ab.