Wasser verteuert sich deutlich, aber nicht so stark wie andere Lebensbereiche
Die durchschnittlichen Trinkwasser- und Abwassergebühren in Baden-Württemberg stiegen zwischen 2022 und 2023 so stark wie in den letzten Jahrzehnten nicht. Die Teuerung lag jedoch unter der Inflationsrate. Die Trinkwasser- und Abwassergebühren beeinflussen die aktuellen Lebenshaltungskosten daher weniger stark als die Teuerung zum Beispiel in den Bereichen Nahrungsmittel und Haushaltsenergie.
Die im Folgenden verwendeten Daten stammen aus einer Landesstatistik, die im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg seit 1991 jährlich zum Stichtag 1. Januar durchgeführt wird. Befragt werden im Wesentlichen die Gemeinden als Aufgabenträger für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (i-Punkt).
Überwiegend einheitliche Tarifstruktur im Land
2023 kostet das Trinkwasser aus dem öffentlichen Netz (»Leitungswasser«) im Landesdurchschnitt 2,44 Euro je Kubikmeter (EUR/m³). Hinzu kommt in fast allen Gemeinden des Landes – 1 082 von 1 101 Gemeinden – eine verbrauchsunabhängige Grundgebühr für die von den Gemeinden bereitgestellte Versorgungsinfrastruktur und die Nutzung des Hauswasserzählers. Die Grundgebühr orientiert sich überwiegend an der Größe des Hauswasserzählers, einzelne touristisch geprägte Gemeinden erheben sie je Wohneinheit. Die durchschnittliche haushaltsübliche Grundgebühr beläuft sich auf jährlich rund 58 Euro. Die nach dem Trinkwasserbezug bemessene Schmutzwassergebühr liegt bei 2,11 EUR/m³ und die Gebühr für die Einleitung des Niederschlagwassers in die öffentliche Kanalisation bei 0,51 Euro je Quadratmeter (EUR/m²) gebührenwirksame Fläche. Eine Grundgebühr für die Abwasserentsorgung erheben lediglich 64 Gemeinden (Tabelle 1).1
Die getrennte Gebührenfestlegung für Schmutz- und Niederschlagswasser – auch als gesplittete Abwassergebühr bezeichnet – löste ab 2010 die bis dahin verbreitete Einheitsgebühr weitestgehend ab, die sich ausschließlich nach der bezogenen Trinkwassermenge richtet. Die gesplittete Gebühr ermöglicht die Verteilung der Kosten für die Sammlung und Behandlung des Schmutz- und Niederschlagswassers nach der tatsächlichen Inanspruchnahme der Entsorgungsinfrastruktur, da die Niederschlagswassergebühr die Größe und den Versiegelungsgrad der Grundstücke berücksichtigt. Die gebührenwirksame Fläche ist dabei die an die öffentliche Kanalisation angeschlossene befestigte oder überbaute Fläche, die mit einem Abflussfaktor – zum Beispiel Standarddach Faktor 1, Gründach Faktor 0,5 – multipliziert wird. 2023 erheben 1 073 Gemeinden eine gesplittete Abwassergebühr. Im Land verbleiben noch 28 Gemeinden mit Einheitsgebühr, die 0,6 % der Einwohnerinnen und Einwohner repräsentieren. Es ist davon auszugehen, dass diese Gemeinden homogen bebaut sind, auf den Grundstücken Schmutzwasser und eingeleitetes Niederschlagswasser im ähnlichen Verhältnis anfallen und die Notwendigkeit der Gebührensplittung damit nicht gegeben ist.
Grundgebühr für Trinkwasser steigt stärker als andere Gebührenbestandteile
Die durchschnittlichen Trinkwasser- und Schmutzwassergebühren zogen zwischen 2022 und 2023 zum Stichtag 1. Januar um jeweils 0,11 EUR/m³ oder 4,7 % (Trinkwasser) bzw. 5,5 % (Schmutzwasser) an. Die Niederschlagswassergebühr erhöhte sich um 4 % und die Grundgebühr für Trinkwasser um knapp 9 %. Die Inflationsrate lag im selben Zeitraum bei 8,5 %.
Der Blick zurück zeigt, dass in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre die verbrauchsbezogenen Trink- und Abwassergebühren sogar stärker als im aktuellen Zeitraum zulegten, darunter Abwasser (damals Einheitsgebühr) noch mehr als Trinkwasser, zum Beispiel zwischen 1992 und 1993 um annähernd 15 %. Der Bau zentraler Kläranlagen, Fortschritte in der weitergehenden Abwasserbehandlung und die Klärschlammentsorgung erforderten hohe Investitionen in die Infrastruktur, die über Gebühren mitfinanziert wurden. Die Inflationsrate lag zwischen 1992 und 1993 bei rund 4 %. Die verbrauchsbezogenen Gebühren bewegten sich seit Mitte der 1990er-Jahre und die Niederschlagswassergebühr seit ihrer Einführung im Jahr 2010 stets in der Größenordnung der Inflationsrate.2
Eine Sonderentwicklung nimmt die Grundgebühr für Trinkwasser, da sie sich seit rund 15 Jahren im Landesdurchschnitt stärker erhöht als die verbrauchsabhängige Trinkwassergebühr und zudem in fast allen Jahren den Verbraucherpreisindex übertrifft. Der Grund für die Verschiebung des Gewichts in Richtung der vom Verbrauch unabhängigen Grundgebühr könnte darin zu suchen sein, die Kostenstruktur für Gewinnung, Bezug, Aufbereitung und Verteilung des Trinkwassers klarer in der Gebührenstruktur abzubilden. So machte 2022 die Grundgebühr für Trinkwasser auf Basis einer Modellrechnung im Landesdurchschnitt lediglich gut 10 % der Kundenrechnung aus und dementsprechend entfielen knapp 90 % auf den Wasserverbrauch (Näheres zur Modellrechnung im nächsten Kapitel).3 Im Gegensatz dazu handelt es sich – im fast umgekehrten Verhältnis – bei knapp 80 % der den Wasserversorgungsunternehmen entstehenden Kosten um Fixkosten für das Vorhalten der Versorgungseinrichtungen und lediglich gut 20 % dieser Gestehungskosten sind verbrauchsabhängig. Der Großteil der Fixkosten wird damit durch verbrauchsabhängige Gebühren und nicht durch Grundgebühren gedeckt.4
Mit der fiktiven Jahresrechnung die Entwicklung einschätzen
Für die Kalkulation der Gebühren gilt das Prinzip der Kostendeckung, die Gemeinden sind jedoch flexibel in der Gestaltung der Tarifstruktur. Günstige verbrauchsbezogene Gebühren können mit hohen Grundgebühren ausgeglichen werden und umgekehrt. Um die Entwicklung der Verbraucherkosten für Trinkwasser und Abwasser beurteilen zu können, sind alle Tarifbestandteile in einer Modellrechnung zu vereinigen. Einzelne Tarifbestandteile im Zeitverlauf darzustellen eignet sich dazu nur bedingt, weil das unterschiedliche Gewicht der verbrauchs- und flächenabhängigen Gebühren und der Grundgebühren an den gesamten Verbraucherkosten dabei nicht adäquat berücksichtigt wird.
Die Modellrechnung stellt auf eine für das Land repräsentative Durchschnittsperson ab. Durch Multiplikation der Gebührenbestandteile mit dem Durchschnittswert je Einwohnerin und Einwohner für den jährlichen Trinkwasserverbrauch, die anteilige Grundgebühr und die gebührenwirksame Fläche entsteht für jeden Gebührenbestandteil ein additiver Jahreswert. Die Summe dieser Einzelwerte ist die fiktive Jahresrechnung für Trinkwasser und Abwasser. Eine ausführliche Methodenbeschreibung für die fiktive Jahresrechnung wurde veröffentlicht.5
Steigende Energiepreise machen den Gemeinden zu schaffen
Daten für die fiktive Jahresrechnung liegen ab 2011 vor.6 Die Teuerungsrate für Trinkwasser und die Inflationsrate bewegten sich bis 2021 im niederen einstelligen Bereich. Die Teuerungsrate für Abwasser entwickelte sich noch verhaltener. In den vergangenen 2 Jahren setzte sich die Inflationsrate deutlich von den Wassergebühren ab, indem sie zuletzt bei 8,5 % lag und sich die Jahresrechnung für Trinkwasser um gut 5 % auf 119 Euro je Person und für Abwasser um 4 % auf 131 Euro je Person verteuerte (Schaubild 1). Die Gebührenentwicklung ist zwar von den gemeindeindividuellen Rahmenbedingungen für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung abhängig, der seit 2021 im Vergleich zu den Vorjahren starke und zudem parallele Anstieg der Jahresrechnung für Trinkwasser und Abwasser weist jedoch auf übergeordnete, alle Gemeinden betreffende Preistreiber hin.
Einzelne Gemeinden, mit denen im Rahmen der Plausibilitätsprüfungen der Meldedaten Kontakt aufgenommen wurde, sehen die hohen Energiepreise für die Teuerungen verantwortlich. Tatsächlich erfordern die Gewinnung und Aufbereitung des Trinkwassers, der Betrieb von Pumpen zur Verteilung im Netz und die Abwasserfortleitung und -reinigung einen hohen Energieeinsatz. Der Strompreisindex als Teilbereich des Energiepreisindex nahm zwischen Januar 2022 und Januar 2023 um rund 26 % zu, nachdem er bereits im Vorjahr um 7 % anstieg.7
Ein weiterer Kostenfaktor dürften die steigenden Baukosten für die Herstellung, Reparatur und Sanierung der Trinkwasser- und Abwasserinfrastruktur sein. Der Index für Bauleistungen an Ortskanälen im Februar 2023 änderte sich gegenüber dem Vorjahresquartal um 12,6 %, womit sich die Teuerungen des Vorjahres fortsetzten.8 Auch steigende Personalkosten, hervorgerufen durch die Verknappung des Fachpersonals im Bereich des Handwerks, wirken sich auf die Bauleistungspreise aus.9
Gebührenentwicklung in den Gemeinden höchst unterschiedlich …
Die Gebührenentwicklung in den Gemeinden kann erheblich von der durchschnittlichen Gebührenentwicklung im Land abweichen. So blieben die Gebühren für Trinkwasser, Schmutz- und Niederschlagswasser zum 1. Januar 2023 in gut der Hälfte der Gemeinden im Vergleich zum Vorjahr unverändert. In einem kleinen Teil der Gemeinden verringerten sich die Gebühren sogar. Da die Gebühren nach dem Kostendeckungsprinzip kalkuliert werden, sind zu viel erhobene Gebühren in den Folgejahren gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern auszugleichen.10 Aktuell bestehende Unterschiede zwischen den Gemeinden können sich damit künftig aufheben oder sogar umkehren.
Die Trinkwassergebühr verteuerte sich in 40 % der Gemeinden, bei der Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühr waren es mit 35 % bzw. 28 % etwas weniger Gemeinden (Tabelle 2). In den meisten dieser Gemeinden – beim Trinkwasser in 25 % und beim Schmutzwasser und Niederschlagswasser in gut 20 % der Gemeinden des Landes – erhöhten sich die Gebühren sogar um mehr als die Inflationsrate von 8,5 %. In früheren Jahren war die Preisdynamik schwächer und deutlich mehr Gemeinden konnten die Gebührenhöhe konstant halten und auf Erhöhungen verzichten.
Eine Sonderstellung nimmt wiederum die Grundgebühr für Trinkwasser ein. Obwohl sie sich im Landesdurchschnitt deutlich stärker erhöhte als die übrigen Gebührenbestandteile, veränderte sie sich zwischen 2022 und 2023 in 80 % der Gemeinden nicht. In lediglich 17 % der Gemeinden erhöhte sich die Grundgebühr; in rund 13 % der Gemeinden des Landes übertraf die Teuerung die Inflationsrate. In einigen Gemeinden, 25 an der Zahl, veränderte sich die Grundgebühr kräftig und lag, in der Regel von einem niederen Niveau ausgehend, sogar um rund das Zwei- bis Siebenfache über dem Vorjahr.
… und ebenfalls die Gebührenhöhe
Auch die aktuelle Gebührenspanne in den Gemeinden ist groß. Unterschiedliche, oft wenig beeinflussbare lokale Faktoren bestimmen den Aufwand für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung und damit die Gebührenhöhe. Hierzu gehören zum Beispiel die Ergiebigkeit und Qualität der Wasservorkommen vor Ort, gewässerspezifische Anforderungen an die Abwasserreinigung, die Siedlungsdichte und die Topografie im Siedlungsgebiet. Beim Trinkwasser liegen die niedrigste Gebühr bei 0,32 EUR/m³ und die höchste Gebühr bei 5,35 EUR/m³. Die Gebührenspanne beim Schmutzwasser reicht von 0,44 EUR/m³ bis 6,21 EUR/m³ und beim Niederschlagswasser von 0,00 EUR/m² (eine Gemeinde hat die Niederschlagswassergebühr temporär ausgesetzt) bis 1,43 EUR/m² (Tabelle 1).
Die Gründe für die große Gebührenspanne sind nicht im Einzelnen aus der Erhebung der Wasser- und Abwassergebühren ableitbar. Es lässt sich jedoch zeigen, dass sich die Gemeindegröße, gemessen an der Einwohnerzahl, auf den für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erforderlichen Aufwand und damit auf die Gebührenbelastung auswirken kann. Bei den die Verbraucherkosten dominierenden Gebührenbestandteilen – die Verbrauchsgebühr für Trinkwasser und die Schmutzwassergebühr – sind beim Trinkwasser der über die Einwohnerinnen und Einwohner gewichtete und der ungewichtete Durchschnitt identisch, während beim Schmutzwasser der gewichtete Wert kleiner ist als der ungewichtete (Tabelle 1). Große Gemeinden haben damit tendenziell günstigere Schmutzwassergebühren als kleinere Gemeinden. Rund ein Viertel der Gemeinden übertreffen mit einer Gebühr von 3 EUR/m³ und mehr deutlich den Landesdurchschnitt für die Schmutzwassergebühr, wobei in diesen Gemeinden lediglich ein Zehntel der Einwohnerinnen und Einwohner lebt. Dagegen sind beim Trinkwasser die Verhältnisse ausgeglichener (Tabelle 3).
Gegebenheiten vor Ort entscheiden über die Gebührenhöhe
In kleinen Gemeinden erfordert sowohl der Kläranlagen- als auch der Kanalbetrieb einen höheren Aufwand je angeschlossene Einwohnerin und angeschlossenen Einwohner. Während zum Beispiel die spezifische Kanallänge im Landesdurchschnitt – die Daten stammen aus dem Jahr 2019 – auf 7 Meter je Einwohnerin und Einwohner kommt, sind es in Großstädten rund 3 Meter und in kleineren Ortschaften bis zu 45 Meter. Die Herstellung und Unterhaltung der Abwasserinfrastruktur ist daher in kleinen Gemeinden aufwendiger als in Städten, wodurch die Abwassergebühr tendenziell mit abnehmender Gemeindegröße zunimmt. Zudem hängt der Aufwand für die Abwasserentsorgung und die damit einhergehende Belastung für die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler weniger als beim Trinkwasser von den naturräumlichen Gegebenheiten ab, wodurch sich keine größeren zusammenhängenden Regionen mit ähnlicher Gebührenbelastung ausbilden (Schaubild 2).
Das Trinkwasser kann im städtischen Bereich aufgrund der kurzen Wege wirtschaftlich verteilt werden, andererseits kann es der hohe Wasserbedarf erforderlich machen, die örtlichen Wasservorkommen zu ergänzen, indem Wasser zugekauft und eine redundante Versorgungsstruktur geschaffen wird. In kleinen Gemeinden entstehen zwar wie beim Abwasser hohe spezifische Infrastrukturkosten, möglicherweise können jedoch die örtlichen Grundwasservorkommen den Wasserbedarf decken. Der Zusammenhang zwischen Gemeindegröße und Trinkwassergebühr ist daher nicht im selben Umfang wie beim Abwasser gegeben (Schaubild 4). Beim Trinkwasser wirken sich ausreichende Wasservorkommen vor Ort, wie sie in der Oberrheinebene und in Oberschwaben zu finden sind, offenbar günstig auf die Verbraucherkosten aus (Schaubild 3).11
Wasser ist dennoch preiswert
Die Trinkwasser- und Abwassergebühren haben sich zwischen 2022 und 2023 (Stichtag jeweils 1. Januar) zwar deutlich verteuert, dennoch kostet ein Kubikmeter qualitativ gutes und allzeit verfügbares Trinkwasser aus dem öffentlichen Netz einschließlich der Schmutzwassergebühr in Baden-Württemberg durchschnittlich 4,55 EUR/m³ und damit weniger als einen halben Cent je Liter. In der Gesamtschau, also einschließlich der Grundgebühr und der Niederschlagswassergebühr, erhöht sich die fiktive Jahresrechnung für Trinkwasser und Abwasser zwischen 2022 und 2023 um rund 5 %. Daraus ergibt sich auf Basis der Modellrechnung für 2023 eine Mehrbelastung um durchschnittlich rund 12 Euro je Person. Angesichts der massiven Preissteigerungen für Haushaltsenergie und Nahrungsmittel12, die sich zwischen Januar 2022 und Januar 2023 in einer Inflationsrate von 8,5 % äußerten, ist die Teuerung der öffentlichen Leistungen im Wasserbereich – stets bezogen auf das Landesmittel – noch als moderat einzuschätzen.