Wirtschaftsentwicklung ausgewählter ostafrikanischer Länder im Vergleich mit Baden-Württemberg
Das Land Baden-Württemberg ist mit sogenannten Wirtschaftsrepräsentanzen an mehreren Standorten1 in der ganzen Welt vertreten. Geplant ist, dieses Netzwerk in Zukunft weiter auszubauen, um, »insbesondere [den] kleinen und mittelständischen Unternehmen beim Eintritt in neue Märkte oder bei konkreten Frage- oder Problemfällen bestmöglich [zu] unterstützen […]«. Die Wirtschaftsrepräsentanz für das Östliche Afrika mit Sitz in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens2, legt den Schwerpunkt auf die Märkte in Äthiopien, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda mit Branchenschwerpunkten in den Bereichen Automotive, Agrar- und Textilwirtschaft, Konsumgüter- und Nahrungsmittelverarbeitungsindustrie, Gesundheitswirtschaft, Erneuerbare Energien und Umwelttechnik sowie Tourismus. Die Länder dieser ostafrikanischen Region – insbesondere Äthiopien und Ruanda – wiesen in den vergangenen Jahren weltweit mit die höchsten Wirtschaftswachstumsraten auf. Die außerordentliche dynamische Entwicklung ist daher Grund genug, diese Länder in Bezug zu Baden-Württemberg zu stellen und in folgendem Beitrag näher zu beleuchten.
Äthiopien, Kenia, Ruanda, Tansania3 und Uganda liegen im östlichen Afrika (siehe Schaubild 1). Mit Ausnahme Äthiopiens sind diese Staaten zudem Mitglied der regionalen Wirtschaftsgemeinschaft »East Africa Community«4. Vier der fünf Staaten (Kenia, Tansania, Ruanda und Uganda) teilen sich außerdem mit Swahili dieselbe Amtssprache5. Zusätzlich wird in diesen vier Nationen auch Englisch als Amtssprache verwendet. Während in Ruanda neben Kinyarwanda auch Französisch als Amtssprache dient, wird in Äthiopien keine europäische Sprache in dieser Hinsicht anerkannt, Amharisch ist die einzige nationale Amtssprache.6 Die Hauptstadt Äthiopiens – als nördlichstes Land der in diesem Beitrag abgegrenzten ostafrikanischen Region – liegt gut 5 200 Kilometer (km) von Stuttgart entfernt. Nach Tansania (als südlichstes Land der Region), bzw. dessen Hauptstadt Dodoma, sind es über 6 600 km.7
Nach der Definition der Weltbank8 handelt es sich bei den Volkswirtschaften der Länder Äthiopien, Ruanda und Uganda um sogenannte »low-income-economies« und bei Kenia und Tansania um »lower-middle-in-come-economies«. Ausschlaggebend ist das Bruttonationaleinkommen pro Kopf (berechnet nach der »World Bank Atlas«-Methode9). Liegt dieses im Berichtsjahr 2021 bei 1 085 US-Dollar oder darunter, wird das entsprechende Land demnach zu den »low-income-economies« gezählt. Äthiopien wies 2021 einen Wert von 940 US-Dollar in jeweiligen Preisen auf, Kenia einen Wert von 2 080 US-Dollar, Tansania lag bei 1 100 US-Dollar, Ruanda und Uganda bei 840 bzw. 760 US-Dollar. Zur Einordnung: Für Deutschland wurde ein Wert von 51 660 US-Dollar ermittelt. Für Baden-Württemberg liegen für 2021 noch keine Daten für das Bruttonationaleinkommen (BNE) vor. Daher wurde das BNE pro Kopf (nach »World Bank Atlas«-Methode) für das Berichtsjahr 2020 errechnet, dieses belief sich auf 53 942 US-Dollar10 (48 050 US-Dollar für Deutschland insgesamt).
Die fünf hier im Fokus stehenden ostafrikanischen Länder erzielten im Jahr 2021 zusammen ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen von rund 341,1 Milliarden (Mrd.) US-Dollar, darunter entfielen allein auf Äthiopien knapp 111,3 Mrd. US-Dollar und auf Kenia gut 110,3 Mrd. US-Dollar.11 Baden-Württemberg wies im selben Jahr ein BIP von rund 634 Mrd. US-Dollar12 auf. In den fünf ostafrikanischen Ländern wurden 2021 über 134,2 Millionen (Mill.) Erwerbspersonen12 gezählt – darunter mit knapp 56,7 Mill. die meisten in Äthiopien – und eine Bevölkerungszahl in der Region von knapp 296,2 Mill. Menschen in 2021.13 Dabei wurden rund 120,3 Mill. allein in Äthiopien gezählt, das nach Nigeria bevölkerungsreichste Land in Afrika. In Baden-Württemberg wurden für 2021 rund 6 019 400 Erwerbspersonen14 ermittelt, bei einer Einwohnerzahl von 11 110 29515.
Auf den in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) geläufigeren Indikator BIP pro Kopf, soll der Vollständigkeit halber ebenfalls noch näher eingegangen werden. Die folgenden Werte sind zudem kaufkraftbereinigt, berücksichtigen also das unterschiedliche Preisniveau in den jeweiligen Ländern. Baden-Württemberg wies 2021 ein kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf in Höhe von 64 50516 internationale Dollar aus (Deutschland 57 881 int. Dollar). Kenia verzeichnete 2021 von den hier betrachteten ostafrikanischen Ländern den höchsten Wert (5 211 int. Dollar) mit relativ großem Abstand zu Tansania (2 836 int. Dollar), Äthiopien (2 548 int. Dollar), Uganda (2 468 int. Dollar) und Ruanda (2 460 int. Dollar) (Tabelle 1).
Deutlich niedrigeres BIP, aber hohe Wachstumsraten
Im »Vor-Corona-Jahr« 2019 belief sich die Wachstumsrate des weltweiten Bruttoinlandsprodukts preisbereinigt auf 2,8 % (gegenüber dem Vorjahr 2018). Die fünf Länder, die das Kerngebiet der Wirtschaftsrepräsentanz Baden-Württemberg für das Östliche Afrika bilden, lagen dabei deutlich über diesem Wert. So stieg das BIP preisbereinigt in Ruanda um 9,5 % gegenüber 2018 und in Äthiopien um 9 %. Somit wiesen diese beiden Länder 2019 weltweit die zweit- bzw. dritthöchsten Wachstumsraten auf.17 Auch in Uganda mit einem Plus von 7,8 %, in Tansania (+ 7 %) und in Kenia (+ 5,1 %) war das Wirtschaftswachstum sehr beachtlich. Zum Vergleich: Deutschland erzielte 2019 ein Wirtschaftswachstum von + 1,1 % und in Baden-Württemberg wurde sogar ein Rückgang von – 0,2 %18 verzeichnet (Schaubild 2). Auch im Zeitraum 2010 bis 2021 wird die wirtschaftliche Dynamik der Länder in der Region im Osten Afrikas deutlich. Mit Ausnahme der Berichtsjahre 2016 sowie 2010 und 2011, lag die Veränderungsrate des realen BIPs in Baden-Württemberg in der hier betrachteten Zeitreihe von allen Ländern jeweils am niedrigsten. Zu Beginn der Zeitreihe, 2010 und 2011, sind die hohen Wachstumsraten Baden-Württembergs als Nachholeffekte aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zu interpretieren, welche hierzulande 2009 mit einem Einbruch des BIPs von 9,8 % einherging.
Volkswirtschaften vom globalen Krisenjahr 2020 unterschiedlich stark betroffen
In 2020 brach das weltweite BIP preisbereinigt um 3 % gegenüber 2019 ein, was zum größten Teil auf die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie zurückzuführen sein dürfte. In Baden-Württemberg verringerte sich das BIP preisbereinigt im Vergleich zu 2019 um 5,4 %.19 Während die Wirtschaftsleistung 2020 vor allem in Ruanda (– 3,4 %), Uganda (– 1,4 %) und auch in geringerem Maße in Kenia (– 0,3 %) ebenfalls abnahm, zeigte sich die Wirtschaft Äthiopiens 2020 mit einem starken Wachstum von + 6,1 % gegenüber 2019 relativ unbeeindruckt und erzielte damit weltweit erneut den dritthöchsten Wert. Auch in Tansania (+ 4,8 %) lag das BIP-Wachstum ebenfalls deutlich im Plus und damit weltweit auf Rang 5.20 Die Regierungen Äthiopiens und Tansanias entschieden sich – im Gegensatz zu Kenia, Ruanda, Uganda und Deutschland (und damit auch Baden-Württemberg) – im gesamten »Coronajahr« 2020 keinerlei verpflichtende und im Falle Tansanias auch keine empfohlenen21 Ausgangssperren (»Stay-at-home«-Maßnahmen)22 zu implementieren. Auch Arbeitsplatz- oder Betriebsschließungen (»work place closures«) gab es 2020 in Tansania nicht. Verpflichtende Schließungen für manche Wirtschaftssektoren oder bestimmte Berufsgruppen gab es zudem in Äthiopien und Kenia zwar auch, allerdings nicht in einem so hohen Umfang wie in Ruanda, Uganda und Deutschland.23 Das Jahr 2021 war dann weltweit von Nachholeffekten geprägt, so stieg das BIP gegenüber 2020 global preisbereinigt um 6 %, in Baden-Württemberg um 3,4 %. Dieser Effekt war tendenziell umso ausgeprägter, je stärker der Einbruch in 2020 ausfiel. So war in Ruanda mit + 10,9 % von den hier betrachteten Ländern das stärkste Wachstum in 2021 festzustellen, gefolgt von Kenia mit + 7,5 % und Uganda mit + 6,7 %. In Äthiopien und Tansania fiel das preisbereinigte Wirtschaftswachstum mit + 6,3 % bzw. + 4,9 % nur geringfügig höher als in 2020 aus.
Ostafrikanische Länder mit hohem Anteil des Agrarsektors an der Wirtschaftsleistung insgesamt
Als sogenannte »low- bzw. lower-middle-income-economies« weisen die fünf ostafrikanischen Länder gegenüber »high-income-economies« wenig überraschend mit gut 22 % in Kenia bis zu fast 38 % in Äthiopien vergleichsweise hohe Anteile der Wertschöpfung im Agrarsektor auf. Zum Vergleich: ähnlich hohe Beiträge der Landwirtschaft zur Wirtschaftsleistung insgesamt (von rund 36 % im Jahr 188024) wurden in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Nach über einem Jahrhundert, im Zeitraum 2010 bis 2021, lag der Anteil der Bruttowertschöpfung (in jeweiligen Preisen) des Agrarsektors in Baden-Württemberg (und auch in Deutschland insgesamt) gemessen am jeweiligen Bruttoinlandsprodukt der Gesamtwirtschaft auf einem konstant niedrigen Niveau zwischen 0,4 % und 0,6 % (bzw. 0,7 % und 0,9 % in Deutschland insgesamt). Über den gesamten Zeitraum 2010 bis 2021 relativ konstant, wenngleich auf einem deutlich höheren Niveau, zeigte sich auch die Bruttowertschöpfung (BWS) im Agrarsektor im Bezug zum BIP in den Ländern Ruanda (zwischen 23,5 % und 26,6 %) und Tansania (zwischen 25 % und 28,7 %). Die Bedeutung der BWS im Agrarsektor ist in Kenia demgegenüber vergleichsweise geringer, der zu Beginn der Zeitreihe etwas niedrigere Anteil stieg jedoch bis 2021 von knapp 18 % auf gut 22 %. Für Äthiopien wiederum kommt dem Agrarsektor bezüglich der BWS für das gesamtwirtschaftliche BIP noch eine außerordentlich große Rolle zu. Zwar sank der entsprechende Anteil von gut 41 % im Jahr 2010 auf lediglich rund 31 % im Jahr 2018, stieg dann jedoch bis 2021 erneut kräftig auf knapp 38 % an. Die große Bedeutung des Agrarsektors in diesem Land zeigt sich auch im Außenhandel: Von den insgesamt 5,9 Mill. Euro an Wareneinfuhren aus Äthiopien nach Baden-Württemberg in 2021, entfielen 4,7 Mill. Euro auf Erzeugnisse der Landwirtschaft (und Jagd).25 Während Kaffee das mit Abstand wichtigste Exportgut für Äthiopien ist, stellen die Getreidesorten Mais (9,4 Mill. Tonnen (t)), Teff26 (über 5,7 Mill. t) und Weizen (rund 5,5 Mill. t) die Agrarprodukte mit den höchsten Produktionsmengen in der äthiopischen Landwirtschaft dar.27 Uganda wies zu Beginn der Zeitreihe in 2010 nach Äthiopien noch den zweithöchsten BWS-Anteil im Agrarsektor aus, verzeichnete in 2021 mit 23,8 % allerdings den nach Kenia geringsten Anteil.
Im Produzierenden Gewerbe ist die kraftvollste Entwicklung der Wirtschaftsleistung im Zeitraum 2010 bis 2021 in Äthiopien zu beobachten. Während die Wertschöpfung 2010 in der äthiopischen Industrie gemessen am BIP insgesamt gerade einmal bei etwas über 9 % lag, wurde für 2018 ein Anteil von über 27 % ermittelt, was dem Niveau des entsprechenden Deutschlandwerts entsprach. Die höchste BWS im Produzierenden Gewerbe (einschließlich Baugewerbe) im Verhältnis zum gesamtwirtschaftlichen BIP wurde in 2021 verglichen mit Baden-Württemberg (knapp 35 %) allerdings in Tansania (rund 29 %) und Uganda (rund 27 %) erzielt. Gegenüber 2010 konnte Tansania den Anteil zudem noch um knapp 6 Prozentpunkte erhöhen. Die tansanische Industrie ist vor allem durch das Baugewerbe aber auch den Bergbau28 sowie im Verarbeitenden Gewerbe durch die Branchen »Herstellung von Getränken« und »Herstellung von Mahl- und Schälmühlenerzeugnissen sowie Stärke und Stärkeerzeugnissen«29 geprägt. In Uganda sind im Produzierenden Gewerbe neben dem Baugewerbe die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, die Herstellung von leichten Konsumgütern und Textilien sowie die Herstellung von Getränken, Strom und Zement von Bedeutung.30
Von den drei hier betrachteten Wirtschaftssektoren ist der Dienstleistungsbereich für Kenias Wirtschaft von besonderer Bedeutung. Geprägt ist dieser – gemessen an der Höhe der Wertschöpfung – von den Wirtschaftsabschnitten »Transport/Verkehr und Lagerei« sowie auch »Immobilien/Grundstücks- und Wohnungswesen« und »Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen«.31 Im Zeitraum 2010 bis 2021 lag die Spannweite der BWS-Anteile des kenianischen Dienstleistungsbereichs zwischen 54 % und 57 %. Mit Ausnahme der beiden Jahre 2020 und 2021 bewegten sich die Werte für Kenia somit sogar noch über jenen Baden-Württembergs. Auch für die ruandische Volkswirtschaft spielte der Dienstleistungsbereich (insbesondere der Wirtschaftsabschnitt »Groß- und Einzelhandel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen«32) eine relativ große Rolle, auch wenn der Wertschöpfungsanteil des Dienstleistungssektors am BIP von rund 50 % in 2010 auf knapp 48 % in 2021 leicht sank. Vor allem in Tansania, aber auch in Äthiopien, nahm die wirtschaftliche Bedeutung der Dienstleistungsbranchen – gemessen an deren BWS-Anteil am gesamtwirtschaftlichen BIP – zwischen 2010 und 2021 vergleichsweise stark ab (um 9 bzw. 5,5 Prozentpunkte) (Schaubild 3).
Dynamischer Arbeitsmarkt mit großem Potenzial
Die Entwicklung der Erwerbspersonen, also der Erwerbstätigen zuzüglich der Erwerbslosen, fiel im Zeitraum 2010 bis 2021 in den hier ausgewählten fünf ostafrikanischen Ländern deutlich dynamischer aus als in Baden-Württemberg. In Anbetracht des im Vergleich deutlich niedrigeren Bevölkerungswachstums hierzulande, ein wenig überraschendes Ergebnis. In Uganda erhöhte sich die Zahl der Erwerbspersonen von 2010 bis 202133 um rund 50 %, dies stellte die höchste Wachstumsrate der Ländergruppe dar. Aber auch Äthiopien und Tansania wiesen einen relativ kräftigten Zuwachs mit rund 42 % bzw. knapp 40 % auf. In Baden-Württemberg stieg die Zahl der Erwerbspersonen im selben Zeitraum um gut 10 %34 (Schaubild 4).
Die Erwerbslosenquoten (Anteil erwerbsloser Personen an Anzahl der Erwerbspersonen35) bewegten sich im Zeitraum 2010 bis 2021 in den hier betrachteten ostafrikanischen Ländern teilweise unterhalb jenen Baden-Württembergs. Im Vergleich zum »Vorkrisenjahr« 2019, war in allen Ländern eine Erhöhung der Erwerbslosenquote festzustellen. In 2019 lag die Quote in Tansania mit 2,2 % am niedrigsten, knapp vor Baden-Württemberg (2,4 %). Es folgten in aufsteigender Reihenfolge Deutschland insgesamt (3,1 %), Äthiopien (3,2 %), Uganda (3,6 %), Kenia (5 %) und Ruanda (12,4 %). Im Jahr 2021 wiesen erneut Tansania (2,7 %) und Baden-Württemberg (3,1 %) die geringsten Quoten aus. Der Zuwachs in Prozentpunkten zwischen den Jahren 2021 und 2019 fiel in Tansania und Deutschland relativ geringfügig aus (+ 0,5 Prozentpunkte), in Ruanda dagegen vergleichsweise hoch (+ 0,9 Prozentpunkte) (Tabelle 2).
Die Erwerbstätigenquote (Erwerbstätige im Alter von 15 Jahren und älter im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung) bewegte sich in den hier betrachteten Ländern auf deutlich höherem Niveau als in Baden-Württemberg oder Deutschland insgesamt. Eine Ursache hierfür dürfte vor allem die höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen in diesen Ländern sein. Ein weiterer Faktor dürfte der, zumindest in einigen dieser Länder, höhere Anteil jüngerer Erwerbstätiger (im Alter von 15 bis 24 Jahre) sein, da Personen dieser Altersgruppe nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil tertiäre Bildungseinrichtungen besuchen. Zudem ist der Bevölkerungsanteil dieser Altersgruppe in den afrikanischen Ländern auch deutlich höher. Während die Erwerbstätigenquote 2021 in Baden-Württemberg bei 61,3 %36 lag, betrug die Spannweite der entsprechenden Anteilswerte der Länder im Osten Afrikas zwischen 65,6 % in Uganda und 81,1 % in Tansania.37 Auffallend ist, dass die Erwerbstätigenquoten in den fünf ostafrikanischen Ländern in 2021 gegenüber 2010 gesunken sind (zwischen knapp 2 und gut 4 Prozentpunkten), während sich diese in Baden-Württemberg um 3 Prozentpunkte erhöhte. Dies dürfte hauptsächlich darin begründet sein, dass die Erwerbstätigenentwicklung hinter dem Bevölkerungszuwachs zurück bleibt. Unterschiede zeigen sich auch – wie bereits oben angedeutet – an der Erwerbstätigenquote der Frauen, die in allen fünf ostafrikanischen Ländern höher als in Baden-Württemberg bzw. Deutschland ausfällt. Der höchste Wert wurde mit 81 % im Jahr 2021 in Ruanda verzeichnet, gefolgt von Tansania mit 76,9 %. Uganda wies 2021 mit 61,8 % den geringsten Anteil der ostafrikanischen Ländergruppe auf. Baden-Württemberg verzeichnete einen Anteil der weiblichen Erwerbstätigen an der gesamten weiblichen Bevölkerung (15 Jahre und älter) von 56,3 % im Jahr 2021.
Vorwiegend selbstständig Erwerbstätige
Charakteristisch für die hier betrachteten ostafrikanischen Länder ist zudem die sehr hohe Selbstständigenquote, was hauptsächlich auf die hohe Erwerbstätigenzahl in der Landwirtschaft zurückzuführen ist. Während die Selbstständigen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger) in Baden-Württemberg einen Anteil von 8,1 %38 aller Erwerbstätigen aufwiesen, lag dieser Wert im selben Jahr in Äthiopien mit 85,6 % am höchsten, gefolgt von Tansania mit 84,9 %. Kenia wies mit 62,1 % den niedrigsten Anteil selbstständiger Erwerbstätiger innerhalb der ostafrikanischen Ländergruppe auf. Im Zeitverlauf zwischen 2010 und 2021 zeigte sich jedoch für alle Länder – einschließlich Baden-Württemberg – eine stetige Abnahme der Selbstständigenquote, die in Ruanda mit minus 10,2 Prozentpunkten am deutlichsten ausfiel.39
Traditionell hohe Bedeutung des Agrarsektors für Erwerbstätigkeit nimmt ab
Wie schon zuvor bei der Betrachtung der Bruttowertschöpfung deutlich wurde, ist der Agrarsektor für die hier betrachteten ostafrikanischen Länder von hoher Bedeutung für die jeweilige Volkswirtschaft. Noch deutlicher zeigt sich dies bei der Erwerbstätigkeit. Während in Baden-Württemberg der Anteil zwischen 1,3 % im Jahr 2010 und 0,9 % im Jahr 2021 lag, wiesen die ostafrikanischen Länder – mit Ausnahme Kenias – über den gesamten Zeitraum einen Beschäftigtenanteil der Landwirtschaft von über 50 % aus. Allerdings nahm der Anteil der Erwerbstätigen im Landwirtschaftssektor in allen Ländern im Zeitverlauf ab. Am deutlichsten wird dies in Ruanda: Mit über 79 % hatte das Land im Jahr 2010 den höchsten Erwerbstätigenanteil in der Landwirtschaft aufzuweisen, im Jahr 2021 mit nur noch knapp 55 % den zweitniedrigsten. Auch in Äthiopien reduzierte sich dieser Anteil von rund 74 % auf knapp 64 % zwischen 2010 und 2021 relativ stark. In Kenia war die Bedeutung des Agrarsektors für die Erwerbstätigkeit bereits 2010 von den hier betrachteten ostafrikanischen Ländern mit einem Anteil von rund 40 % am niedrigsten, 2021 verringerte sich dieser weiter auf 33 %. Der Anteil der in den Dienstleistungsbereichen tätigen Personen ist im Gegenzug in Kenia von den hier betrachteten Ländern am höchsten. Im Zeitraum 2010 bis 2021 zeigte sich eine stetige Zunahme des Erwerbstätigenanteils von 47 % auf über 51 %. Ruanda (+ 11,7 Prozentpunkte) und in geringerem Maße Äthiopien (+ 7,8 Prozentpunkte), wiesen die stärksten Anstiege des Erwerbstätigenanteils in diesem Sektor im beobachteten Zeitraum auf. Im Produzierenden Gewerbe waren 2021 in Ruanda (18,7 %) und Kenia (15,7 %) relativ hohe Anteile festzustellen. 2010 wies Ruanda noch den unter den fünf ostafrikanischen Ländern niedrigsten Anteilswert mit 5,7 % aus.40 Zum Vergleich: In Baden-Württemberg blieb der Anteil relativ konstant, mit 34,9 % im Jahr 2010 und 35,4 % im Jahr 2021 (Schaubild 5).
Äußerst positive Entwicklung der Tourismusbranche bis 2019
Abschließend soll noch kurz auf die Entwicklung des internationalen Tourismus in den jeweiligen Ländern eingegangen werden. Die Tourismusbranche litt besonders unter dem von der Coronapandemie geprägten Jahr 2020. Für Äthiopien, Deutschland und Baden-Württemberg sowie Uganda liegt die Zahl der Ankünfte ausländischer Touristinnen und Touristen für das Jahr 2020 vor. Im Vergleich zu 2019 kamen 2020 in Äthiopien rund 36 % weniger Gäste aus dem Ausland. Die Zahl der Ankünfte brach in Baden-Württemberg um gut 63 % ein, in Deutschland und Uganda um jeweils rund 69 %. Die Entwicklung des Tourismus war im Zeitraum 2010 bis 2019 dabei insbesondere in Ruanda, Äthiopien und Tansania besonders dynamisch. Während die Anzahl der Ankünfte ausländischer Touristinnen und Touristen in Baden-Württemberg im Jahr 2019 mit über 5,4 Mill. um 54 % höher als im Jahr 2010 lag, war im gleichen Zeitraum ein Anstieg in Ruanda um 145 % auf gut 1,6 Mill., in Tansania um 95 % auf über 1,5 Mill. und in Äthiopien um 74 % auf gut 0,8 Mill. zu verzeichnen (Schaubild 6). In Kenia zeigte sich eine nur relativ schwach ausgeprägte Entwicklung. Zwischen 2010 und 2019 konnte hier ein moderater Zuwachs von 27 % verzeichnet werden. Die durch den internationalen Tourismus erzielten Einnahmen entsprachen 2019 in Ruanda 6,1 %42 des Bruttoinlandprodukts (in jeweiligen Preisen), vor Tansania und Uganda mit Anteilen von 4,3 % bzw. 4 % des BIPs. Zum Vergleich: In Deutschland waren dies 1,5 % (entsprechende Daten für Baden-Württemberg liegen nicht vor). Der wirtschaftliche Einbruch der Tourismusbranche im Jahr 2020 wird zudem an den Ländern, für die aktuelle Daten vorliegen, deutlich: In Ruanda entsprachen die Einnahmen aus dem internationalen Tourismus 2020 nur noch einem Anteil von 2,1 % des jeweiligen BIPs, in Uganda fiel dieser Anteil auf 1,4 % und in Äthiopien verringerte sich dieser Wert von 3,7 % in 2019 auf 2,1 % in 2020 (Tabelle 3).
Fazit
Die wirtschaftliche Entwicklung der hier im Beitrag näher betrachteten ostafrikanischen Region ist beachtlich. Das Wirtschaftswachstum der fünf Länder Äthiopien, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda, gemessen an den Wachstumsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts, lag insbesondere ab 2012 teils deutlich höher als in Baden-Württemberg. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Wirtschaftsleistung in den fünf ostafrikanischen Ländern der Region nach wie vor auf einem relativ niedrigen Niveau bewegt. So lag die Wirtschaftsleistung bzw. das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Jahr 2021 in Baden-Württemberg beispielsweise um das Zwölffache höher als in Kenia und bis um das 26-fache höher als in Ruanda und Uganda. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in der Struktur der Volkswirtschaften: Vor allem der Landwirtschaftssektor ist für die Wertschöpfung in der ostafrikanischen Region – allen voran in Äthiopien – von ungleich höherer Bedeutung verglichen mit Baden-Württemberg. Der Beitrag zur Wirtschaftsleistung des Produzierenden Gewerbes nahm in den ostafrikanischen Ländern allerdings im Zeitverlauf 2010 bis 2021 – mit Ausnahme Kenias – merklich zu. Die Beschäftigungsanteile weiteten sich in der Region dabei nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungssektor im beobachteten Zeitraum teilweise erheblich aus. Hierzu leistete die – zumindest bis 2019 – positive Entwicklung des Tourismus ebenfalls einen wesentlichen Beitrag. Die Zuwachsrate der Anzahl der Ankünfte ausländischer Touristinnen und Touristen zwischen 2010 und 2019 fiel in der ostafrikanischen Region – insbesondere in Tansania und Ruanda – mehrheitlich stärker aus als in Baden-Württemberg.