Gesundheitsökonomische Kennzahlen für Baden-Württemberg
Überblick über die 2022 veröffentlichten Ergebnisse der Arbeitsgruppe »Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder«
Das Gesundheitswesen wird oft als Kostenfaktor angesehen, andererseits können von der Gesundheitswirtschaft jedoch auch erhebliche Wachstums- und Beschäftigungseffekte ausgehen. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltung bis ins höhere Lebensalter und ein allgemein steigendes Gesundheitsbewusstsein, werden vermutlich zu einem weiteren Anstieg der Gesundheitsausgaben beitragen. Und damit einhergehend auch ein zunehmender Bedarf an Gesundheitspersonal. Insbesondere in den Pflegeeinrichtungen des Gesundheitswesens dürfte das Beschäftigungswachstum stark zulegen. In Abgrenzung zum Gesundheitswesen, ermöglichen Indikatoren zur Bruttowertschöpfung und der Erwerbstätigkeit in der Gesundheitswirtschaft eine Einordnung in den volks- bzw. gesamtwirtschaftlichen Kontext. Dieser Beitrag stellt einige Indikatoren, die Mitte 2022 veröffentlicht wurden, vor.
Die Gesundheitswirtschaft zeigte eine verglichen mit der Gesamtwirtschaft dynamische Entwicklung im Berichtsjahr 2021 auf. Dies wird aus den Berechnungen des Wertschöpfungs-Erwerbstätigen-Ansatzes (WSE) der Arbeitsgruppe »Gesundheitsökonomische Gesamtrechnungen der Länder« ersichtlich.
Bruttowertschöpfung bei über 46 Milliarden Euro
Die Bruttowertschöpfung (BWS) der Gesundheitswirtschaft1 Baden-Württembergs belief sich im Jahr 20212 nominal auf über 46,3 Milliarden (Mrd.) Euro. Dies entsprach einem Anteil von 9,6 % der gesamtwirtschaftlichen BWS. Die Gesundheitswirtschaft wuchs hierzulande gegenüber dem Vorjahr preisbereinigt um 4,3 % und damit deutlich stärker als das Wirtschaftswachstum insgesamt für Baden-Württemberg im Jahr 2021 mit 3,4 % (Tabelle). Rund 60 % der BWS in der Gesundheitswirtschaft entfielen in den vergangenen Jahren auf den sogenannten Kernbereich der Gesundheitswirtschaft, welcher in etwa deckungsgleich mit dem Wirtschaftsabschnitt Q »Gesundheit- und Sozialwesen« der WZ 20083 ist. Dieser umfasst beispielsweise Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeheime oder auch ambulante soziale Dienste. Für 20194 konnte eine BWS in jeweiligen Preisen für diesen Kernbereich in Höhe von knapp 27,6 Mrd. Euro für Baden-Württemberg ermittelt werden. Gut 18,1 Mrd. Euro wurden in 2019 in den restlichen Branchen der Gesundheitswirtschaft erwirtschaftet. Hierzu werden beispielsweise die Pharmazie, die Herstellung von medizinischen Geräten, der Großhandel mit diesen Waren aber auch der Einzelhandel in Form von Apotheken, Augenoptiker und Ähnliche gezählt.
Zuwachs der Erwerbstätigenzahl um 3,2 %
Die Zahl der in der baden-württembergischen Gesundheitswirtschaft Erwerbstätigen stieg im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um rund 25 100 Personen (+3,2 %) auf gut 800 800 an. Demgegenüber nahm die Erwerbstätigenzahl in der Gesamtwirtschaft um knapp 5 000 ab (– 0,1 %), auf nun rund 6 307 000 Personen. Somit belief sich der Anteil der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft an der Gesamtwirtschaft im Jahr 2021 in Baden-Württemberg auf rund 12,7 %. Im Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit, für die in 2020 ein Rückgang gegenüber 2019 von – 1,1 % zu verzeichnen war, konnte in der Gesundheitswirtschaft Baden-Württembergs immerhin ein Beschäftigungsplus von 0,8 % erzielt werden. Knapp drei Viertel der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft waren 20205 dem Kernbereich (das heißt dem »Gesundheits- und Sozialwesen«) zugeordnet. Dies entsprach einer Erwerbstätigenzahl von 575 600, während rund 200 200 Personen in den übrigen Bereichen der Gesundheitswirtschaft einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Wie sich die Beschäftigung in den einzelnen Einrichtungen des Gesundheitswesens entwickelte, wird im Folgenden anhand der Ergebnisse der Gesundheitspersonalrechnung (GPR) dargestellt.6
Rund 797 000 Stellen in den Einrichtungen des Gesundheitswesens
Im Rahmen der Gesundheitspersonalrechnung der Länder wurden für das Berichtsjahr 20207 rund 796 600 Beschäftigungsverhältnisse im Gesundheitswesen8 Baden-Württembergs ermittelt. Gegenüber 2019 waren dies rund 10 800 Stellen mehr (+1,4 %). Prozentual lag der Beschäftigungszuwachs in Baden-Württemberg damit leicht über dem Bundesdurchschnitt (+1,3 %).
Höchste Zahl an Arbeitsplätzen in ambulanten Einrichtungen
Den ambulanten Einrichtungen des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg waren 2020 rund 300 900 Beschäftigungsverhältnisse zuzuordnen, rund 2 900 bzw. 1 % mehr als in 2019 (Schaubild 1). In der Gesundheitspersonalrechnung der Länder werden sechs ambulante Einrichtungsarten unterschieden: Arztpraxen (Allgemein- und Fachärzte), Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger medizinischer Berufe (unter anderem der Physio- und Psychotherapie, Heilpraktiker), Apotheken, Einzelhandel im Gesundheitswesen und die Einrichtungen der ambulanten Pflege. Unter allen ambulanten Einrichtungen, war in den Arztpraxen Baden-Württembergs mit rund 94 800 die höchste Anzahl an Arbeitsplätzen im Jahr 2020 zu verzeichnen (+0,5 % gegenüber 2019). Rund 70 500 Beschäftigungsverhältnisse zählte die Einrichtungsart »Praxen sonstiger medizinischer Berufe«, dies waren 1,5 % mehr als im Jahr zuvor. Mit rund 39 600 Arbeitsstellen entfielen zwar nur gut 13 % des Gesundheitspersonals in ambulanten Einrichtungen auf die ambulante Pflege. Allerdings fiel der Beschäftigungszuwachs gegenüber dem Vorjahr mit 4,7 % besonders hoch aus. Zudem nahm das Gesundheitspersonal in dieser Einrichtung allein zwischen 2015 und 2020 um 20,9 % zu, während das Plus für das Gesundheitspersonal insgesamt im selben Zeitraum um 7,8 % anstieg.
Stationäre und teilstationäre Einrichtungen mit hohem Personalzuwachs
In den stationären und teilstationären Einrichtungen Baden-Württembergs wurden 2020 rund 278 800 Arbeitsstellen verzeichnet, ein Plus von rund 7 000 Stellen (+2,6 %). Darunter entfielen allein auf die Einrichtungsart »Krankenhäuser« 162 500 Beschäftigungsverhältnisse. Im Vergleich zu 2019 waren dies rund 5 700 zusätzliche Stellen (+3,6 %). Der stationären und teilstationären Pflege wurden hierzulande gut 95 500 Arbeitsplätze zugeordnet, rund 1 700 mehr (+1,8 %) als 1 Jahr zuvor. Zwischen 2015 und 2020 nahm das Gesundheitspersonal in der stationären/teilstationären Pflege um 10,5 % zu, deutlich kräftiger verglichen mit dem Gesundheitspersonal insgesamt im selben Zeitraum (+7,8 %). Einen Beschäftigungsrückgang 2020 zum Vorjahr wurde dagegen für die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen festgestellt (– 1,8 %).
Hoher Beschäftigungsanteil in den Vorleistungseinrichtungen
In den Vorleistungseinrichtungen (unter anderem Medizintechnik und Pharmazie) Baden-Württembergs wurden im Jahr 2020 rund 121 100 Beschäftigungsverhältnisse ermittelt (+0,4 % gegenüber 2019). Damit waren über 15 % des gesamten baden-württembergischen Gesundheitspersonals 2020 den Vorleistungseinrichtungen zugeordnet. Den Vorleistungseinrichtungen kommt in Baden-Württemberg traditionell eine besondere Relevanz bezüglich der Beschäftigung im Gesundheitswesen zu. Im Bundesdurchschnitt lag der Anteil bei knapp 10 %. Im Ländervergleich wies 2020 lediglich Hessen einen noch höheren Anteil dieser Einrichtungsart als Baden-Württemberg auf.
Weitere Einrichtungsarten des Gesundheitspersonals
Auf die verbleibenden Einrichtungen des baden-württembergischen Gesundheitswesens entfielen 2020 rund 95 800 Arbeitsplätze (+0,5 % gegenüber 2019). Darunter knapp 24 600 Beschäftigungsverhältnisse in der Verwaltung, 10 700 Stellen in der Einrichtungsart »Rettungsdienste« und über 2 400 Stellen im Bereich Gesundheitsschutz. Sonstige Einrichtungen des Gesundheitswesens9 boten 58 100 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Unter dieser Einrichtungsart werden Beschäftigte ausgewiesen, die einen medizinischen Gesundheitsdienstberuf (ohne Tiermedizin), einen Beruf in der Altenpflege oder einen Beruf in der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik ausüben und nicht in einer der definierten Einrichtungen des Gesundheitswesens arbeiten.
Gesundheitsausgaben bei über 55,7 Millarden Euro
Die Gesundheitsausgabenrechnung beinhaltet auch die Ausgaben für Personal10, allerdings sind diese nicht gesondert ausgewiesen. Im Folgenden wird auf die Gesundheitsausgaben in Baden-Württemberg, aufgeschlüsselt nach Ausgabenträgern, näher eingegangen.
Laut Gesundheitsausgabenrechnung der Länder (GARdL) fielen in Baden-Württemberg im Jahr 202011 über 55,7 Mrd. Euro an Gesundheitsausgaben an. Dies entsprach einer Zunahme um nominal 5,9 % gegenüber 2019, welche damit unter der Wachstumsrate von 6,5 % für Deutschland insgesamt lag. Für Baden-Württemberg war dies der höchste Zuwachs gegenüber dem Vorjahr seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008 und übertraf damit die Veränderungsraten von jeweils 5,0 % in den Berichtsjahren 2015 und 2019. Die Gesundheitsausgaben werden in der GARdL für acht verschiedene Träger12 ausgewiesen.
Gesetzliche Krankenversicherung mit größtem Ausgabenanteil
Mit knapp 29,8 Mrd. Euro entfielen im Jahr 2020 über 53 % der gesamten Gesundheitsausgaben auf den Träger »Gesetzliche Krankenversicherung« (GKV). Gegenüber 2019 stieg das Ausgabenvolumen in Baden-Württemberg für diesen Träger um 3,5 %, prozentual betrachtet also deutlich weniger stark als die Gesundheitsausgaben insgesamt (5,9 %). Bezogen auf die Bevölkerung, lagen die Pro-Kopf-Ausgaben der GKV hierzulande mit 2 682 Euro bundesweit am niedrigsten. Zu erklären dürfte dies unter anderem auch damit sein, dass in Baden-Württemberg verglichen mit den anderen Bundesländern, die Private Krankenversicherung eine relativ größere Rolle spielt und daher im Gegenzug weniger Ausgaben auf die Gesetzliche Krankenversicherung entfallen.
Ausgaben der Privaten Haushalte leicht rückläufig
Die zweithöchsten absoluten Ausgaben entfielen in Baden-Württemberg 2020 mit über 8 Mrd. Euro auf den Träger »Private Haushalte (und private Organisationen ohne Erwerbszweck)«. Entgegen dem allgemeinen Trend – bezogen auf die Gesundheitsausgaben in Baden-Württemberg – wurde hier jedoch ein Rückgang der Ausgaben um 1,5 % verzeichnet (Schaubild 2). Die einzig weitere negative Veränderungsrate der Ausgaben zum Vorjahr wurde für diesen Träger im Jahr 2013 ermittelt, was auf die damalige Abschaffung der Praxisgebühr zurückzuführen sein dürfte.
Massiver Ausgabenanstieg bei der Sozialen Pflegeversicherung
Über 5,5 Mrd. Euro trug 2020 die Soziale Pflegeversicherung (SPV) zu den Gesundheitsausgaben insgesamt in Baden-Württemberg bei. Damit stellte dieser Träger den drittgrößten Ausgabenanteil. Die SPV hatte 2020 allerdings ein besonders hohes Ausgabenwachstum vorzuweisen (+12,7 % gegenüber 2019). Zudem stiegen die diesem Träger zugewiesenen Ausgaben allein zwischen 2015 und 2020 um 73,5 %, während sich die Gesundheitsausgaben hierzulande insgesamt im selben Zeitraum um 26,9 % erhöhten. Zum ersten Mal seit Beginn der Zeitreihe ab dem Berichtsjahr 2008 übertraf das Ausgabenvolumen der SPV im Jahr 2020 jenes der Privaten Krankenversicherung.
Ausgaben der Privaten Krankenversicherung wuchsen unterdurchschnittlich
Knapp 5,3 Mrd. Euro an Gesundheitsausgaben waren 2020 hierzulande der Privaten Krankenversicherung (PKV) zuzuordnen. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich dieser Betrag mit 2,2 % unterdurchschnittlich. Traditionell weist der Ausgabenträger PKV in Baden-Württemberg einen hohen Anteil an den Gesamtausgaben auf, in 2020 betrug dieser 9,4 %, was im Ländervergleich zusammen mit Bayern der höchste Wert darstellte. Dies muss im Zusammenhang mit dem relativ geringen Ausgabenanteil der GKV hierzulande betrachtet werden.
Öffentliche Haushalte und weitere Ausgabenträger
Die noch verbleibenden Ausgabenträger »Öffentliche Haushalte« mit über 3,3 Mrd. Euro im Jahr 2020, »Arbeitgeber« mit knapp 2,3 Mrd. Euro, »Gesetzliche Unfallversicherung« mit gut 0,8 Mrd. Euro und »Gesetzliche Rentenversicherung« mit knapp 0,7 Mrd. Euro werden im Schaubild 2 hier unter »Sonstige« mit insgesamt gut 7,1 Mrd. Euro subsumiert. Gegenüber dem Vorjahr belief sich das Ausgabenplus der »Sonstigen« auf 26,5 %. Diese hohe Zuwachsrate ist dabei auf den außerordentlichen Ausgabenanstieg im Träger »Öffentliche Haushalte« zurückzuführen mit einem Plus von rund 1,5 Mrd. Euro zum Vorjahr. Die Gebietskörperschaften finanzieren unter anderem gesundheitsrelevante Leistungen der Sozialhilfe und den öffentlichen Gesundheitsdienst. Dieser Ausgabenträger beinhaltete im Jahr 2020 auch »coronabedingte« Mittel aus dem Gesundheitsfonds. Dabei handelte es sich größtenteils um Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser.