:: 9/2005

Deutschland Online: Vernetzte Statistik

Die Deutschland-Online-Initiative hat in der amtlichen Statistik zu einer neuen Strategie beim Aufbau einer integrierten und elektronisch kommunizierenden Verwaltung geführt. Unter Federführung des Statistischen Bundesamtes schafft das Vorhaben »Amtliche Statistik« der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder einen optimierten Rahmen für die Umsetzung im föderalen System. Die einzelnen Maßnahmen zielen neben der allgemeinen Prozessoptimierung insbesondere auf eine Entlastung der Wirtschaft und der Bürger bei der Mitwirkung bei statistischen Erhebungen. Die Herausforderungen für die Statistik im Rahmen von eGovernment ergeben sich einerseits aus der föderalen Aufgabenteilung, andererseits aus den Möglichkeiten der modernen IuK-Technologie, die Zusammenarbeit effizient und medienbruchfrei zu gestalten. Durch konsequente Nutzung von Technik und Standards muss ein Netzwerk zwischen den beteiligten Verwaltungsebenen entstehen, in dem eine optimierte onlinegestützte Arbeitsteilung effizient möglich ist. Die Nutzung und Weiterentwicklung von technischen Standards und organisatorischen Modellen sind dafür unerlässliche Voraussetzung. Durch Transfer von IT-Lösungen und Know-how werden dabei Doppelentwicklungen in den beteiligten Verwaltungsebenen vermieden und die Einführungszeiträume für neue interne und externe Dienstleistungen verkürzt.

Im Rahmen von Deutschland-Online widmet sich die amtliche Statistik drei Schwerpunktprojekten: Online-Datenerhebung (IDEV) und Gewinnung statistischer Daten aus dem betrieblichen Rechnungswesen (eSTATISTIK.core), optimierte Kooperation bei der Statistikproduktion (PoKal) sowie Integration der Statistik in Verwaltungsprozesse von Ländern und Kommunen.

IDEV: Melden via Internet

Die Nutzung des Internet bei der Durchführung von statistischen Erhebungen eröffnet Bürgern und Unternehmen einen modernen Weg, mit der amtlichen Statistik günstig, zeit- und arbeitssparend zu kommunizieren. Mit dem Pilotprojekt w3stat hat das Statistische Bundesamt bereits im März 2000 den Meldeweg via Internet zu statistischen Erhebungen – zunächst nur für die Intrahandelsstatistik – eröffnet. Die Statistischen Landesämter, die einen Großteil der Statistiken durchführen, haben seither mit verschiedenen Pilotprojekten das Internet als Erhebungsmedium ebenfalls erfolgreich erprobt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Nutzung der Internettechnologie für die Datenerhebung im Statistischen Verbund« hat die in den Ämtern vorhandenen Ansätze und Verfahren gebündelt und ein deutschlandweit einheitliches und technisch hochwertiges System erarbeitet. Dieses System wird seit 1. Januar 2005 deutschlandweit unter dem Namen IDEV (Internetdatenerhebung im Verbund) produktiv eingesetzt und löst die bisherigen Pilotsysteme ab.

Mit IDEV beginnen die Statistischen Ämter die Prozesskette zur Erstellung einer Statistik bereits »an der Quelle« elektronisch. Daraus ergeben sich wesentliche Einsparpotenziale in der Statistikproduktion. Zugleich unterstützen viele der integrierten Funktionen die Auskunftgebenden bei der Arbeit und reduzieren so den Meldungsaufwand. Über die Datenmeldung hinaus ergibt sich ein Mehrwert für beide Seiten, zum Beispiel aus der Möglichkeit, Felder im Meldeformular melderspezifisch vorab auszufüllen und ausgefüllte Formulare online zu prüfen. Das Ausfüllen wird dem Befragten durch begleitende Online-Informationen, zum Beispiel Schlüsselverzeichnisse und Rechtsgrundlagen, zu den erhobenen Statistiken erleichtert. Ein Online-Änderungsdienst für Adressen, Ansprechpartner usw. und eine Erinnerungs-E-Mail kurz vor Meldetermin (Wake-up-Funktion) halten den Kontakt up to date. IDEV ist ein »Verbundverfahren«, das heißt, es wird von allen Statistischen Landesämtern und dem Bund eingesetzt. So konnte IDEV arbeitsteilig und preiswert erstellt werden. Der integrierte Formulargenerator ermöglicht nicht nur das wirtschaftliche Generieren von internetfähigen Erhebungsunterlagen, sondern auch das leichte Austauschen landesamtsspezifischer Bestandteile des Formulars, wie zum Beispiel des Logos. Ohne Mehraufwand kann daher eine einmal für die Interneterhebung entworfene Statistik in allen Statistischen Ämtern verwendet werden. Positiv aus Nutzersicht ist schließlich, dass alle Interneterhebungen künftig ein einheitliches Erscheinungsbild und eine identische Bedienoberfläche haben.

IDEV wurde auf der Basis reiner Java-Technologie realisiert. Ein wesentliches Element für die Integration der Meldungen in nachfolgende Arbeitsschritte ist die Annahme von länder- und statistikübergreifenden Meldungsdateien im XML-Format.

Ausblick

Die Umstellung auf Online-Verfahren erfordert nicht nur die Lösung der IT-Probleme. Vielmehr muss in den Statistischen Ämtern vielfach der gesamte Prozess zur Erstellung einer Statistik fachlich und technisch umorganisiert werden. Das Potenzial der standardisierten XML-basierten Meldungsformate lässt sich nur voll nutzen, wenn die Verfahren für die Weiterverarbeitung der Daten entsprechend angepasst sind.

Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor ist die Annahme des Verfahrens durch die Unternehmen. Die bisherigen Erfahrungen stimmen optimistisch: Allein in der Intrahandelsstatistik melden monatlich über 20 000 Firmen rund 6 Mill. Meldesätze über Internet an das Statistische Bundesamt. Insgesamt liegt die Nutzung der Internetmeldewege durch die Unternehmen zurzeit jedoch in der Regel noch unter 20 %, was eine Verbesserung der Zusammenarbeit dringend notwendig macht.

Das Statistische Bundesamt bietet inzwischen 14 onlinefähige zentrale Statistiken über IDEV an (Abbildung). Die Landesämter werden ihre dezentralen Internetanwendungen ab 2005 umstellen, sodass ein flächendeckend einheitliches Angebot auf der Basis von IDEV entsteht. Es wurden nach Effizienzgesichtspunkten zunächst 23 Statistiken ausgewählt, die der statistische Verbund bis Ende 2005 realisieren kann. Bis 2007 folgen weitere 27. Der Zugang zu den Online-Erhebungen ist den Unternehmen über das Gemeinsame Statistikportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (www.statistik-portal.de) möglich.

eSTATISTIK.core: Statistik und Rechnungswesen verbinden

Zwischen den automatisierten Verfahren der Wirtschaft und der Statistik müssen neue elektronische Verbindungen geschaffen werden. Da die von der amtlichen Statistik erhobenen Daten im Grundsatz zumeist von den Unternehmen in deren EDV und Datenbanken gespeichert sind, kommt es darauf an, einen automatisierten und für alle Akteure günstigen Weg zu finden, die relevanten Daten zu extrahieren und möglichst an eine bundesweit einheitliche – virtuelle – Annahmestelle der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zu senden. Ein solches Verfahren verspricht vor allem bei periodisch zu meldenden Berichten einen hohen Effizienzgewinn, denn die bei den Unternehmen entstehenden Prozessdaten stehen in elektronischer Form für weitere Geschäftsprozesse zur Verfügung, also auch potenziell für die Gewinnung von statistischen Daten. Dies gilt insbesondere für das betriebliche Rechnungswesen. Der Zugriff auf Informationen und der Austausch von Daten findet inzwischen standardmäßig über das Internet statt. Das Verfahren eSTATISTIK.core verbindet diese Entwicklungen und bezieht die IT-Verfahren in den Unternehmen und Verwaltungen über das Internet direkt in den statistischen Erhebungsprozess ein. Die relevanten Daten können sozusagen auf »Knopfdruck« gewonnen und automatisch an die amtliche Statistik übermittelt werden. Durch diese Datenintegration wird der Aufwand bei den Auskunftgebenden minimiert.

eSTATISTIK.core wird gemeinsam von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder bereitgestellt. Das Verfahren umfasst eine zentrale Dateneingangsstelle zur Annahme von statistischen Rohdaten, standardisierte XML-Formate für den Datenaustausch und Software für die Erzeugung und Lieferung der Daten. Die Dateneingangsstelle nimmt via Internet Datenlieferungen an und verteilt diese nach einer ersten Prüfung an das zuständige Statistische Amt. Die Auskunftgebenden haben somit die Möglichkeit, alle statistischen Meldungen nur noch an eine einzige Stelle zu schicken. Die Übermittlung der Daten erfolgt auf Basis von XML-Formaten, die im Rahmen von XÖV standardisiert werden.

Ausblick

Das Hauptproblem bei der Umsetzung des Verfahrens ist die automatische Gewinnung der statistischen Daten bei den Auskunftgebenden. Hier sind vor allem die Hersteller von betriebswirtschaftlicher Software (ERP) gefordert. Es sind Statistikmodule zu realisieren, die Statistikdaten aus den Geschäftsprozessen zusammenstellen und übermitteln. Um den Softwareherstellern die Realisierung und Integration solcher Module in ihre Software zu erleichtern, stellt eSTATISTIK.core Software zur Verfügung, die diese Aufgabe unterstützt. Dabei arbeiten die Statistischen Ämter mit der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV) zusammen. Das Ziel ist, möglichst viele Unternehmen für die Integration, aber vor allem für die Nutzung des Verfahrens zu gewinnen. Zu den Mitgliedsunternehmen der AWV gehören unter anderem über 70 Softwareunternehmen. Einige namhafte Hersteller unterstützen dieses Vorhaben, sodass über eSTATISTIK.core bereits im Laufe des dritten Quartals 2005 erste Meldungen für die Vierteljährliche Verdiensterhebung und den Monatsbericht im Verarbeitenden Gewerbe eingehen werden. Ziel ist es, den Kreis der Softwareanbieter zu erweitern und das Verfahren für weitere Wirtschaftsstatistiken anzubieten.

PoKal: Wege zur optimierten Kooperation

Seit Anfang 2003 beschreiten die Statistischen Ämter von Bund und Ländern neue Wege bei ihrer Zusammenarbeit und insbesondere ihrer Statistikproduktion, um ihre Prozesskosten zu reduzieren sowie die Qualität, insbesondere die Aktualität, zu erhöhen. Unter Beachtung der föderalen Struktur wird die Zusammenarbeit um Wettbewerbselemente ergänzt. Im Vordergrund steht das Ziel, die Wirtschaftlichkeit des statistischen Systems zu verbessern und gleichzeitig durch Entlastung der Befragten die Akzeptanz zu erhöhen. Im Rahmen des Projekts PoKal (Projekt optimierte Kooperation in der amtlichen Statistik) soll eine verbesserte Arbeitsteilung und optimierte Kooperation zwischen den Statistischen Ämtern nach dem Prinzip »Einer für alle« erprobt werden. Dazu sind die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu entwickeln bzw. weiter zu konkretisieren. Es werden projektübergreifende Lösungen für die Leistungsverrechnung, den Datenschutz, die Vertragsgestaltung und die Pilotfinanzierungen benötigt.

Derzeit sind die zur Statistikaufbereitung benutzten IT-Verfahren im Regelfall in allen Statistischen Ämtern, das heißt dezentral, implementiert. Optimierte Kooperation soll durch aufgabenbezogene Konzentration von Arbeiten erreicht werden: Ein Statistisches Amt erledigt als Aufbereitungszentrum Arbeiten im Auftrag anderer Ämter und übernimmt so die Rolle eines IT-Anbieters im Statistikverbund. Selbstverständlich behalten dabei die Statistikämter weiterhin Online-Zugang zu ihren Daten. Der Zugriff soll über das TESTA-Netz erfolgen, an das mittlerweile alle Länder angeschlossen sind. In sechs Pilotprojekten werden zurzeit die neuen Methoden der Kooperation auf ihre Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit getestet. Federführung und Verantwortung für die Durchführung liegt in verschiedenen Statistischen Ämtern:

  • mDAMAST (Baugewerbestatistiken; Baden- Württemberg)
  • zBASIS (Bevölkerungsstatistiken; Mecklenburg-Vorpommern)
  • BIFI (Binnenfischereistatistik; Bayern)
  • FiPS (Finanz- und Personalstatistiken; Brandenburg)
  • GVneu (Gemeindeverzeichnis; Statistisches Bundesamt)
  • URS-zentral (Unternehmensregister; Statistisches Bundesamt).

Da das Verfahren IDEV mandantenfähig und länder- und statistikübergreifend konzipiert ist, werden bei der Online-Datenerhebung bereits die wesentlichen Forderungen aus den neuen Kooperationsformen erfüllt. Es ist zum Beispiel möglich, dass ein Statistisches Amt einige oder alle Statistiken für ein oder alle Statistischen Ämter »hostet«, das heißt die Betreuung und den gesamten Betrieb für dieses Verfahren durchführt.

Ausblick

Die Pilotprojekte sollen bis Ende 2006 abgeschlossen sein. In den beteiligten Pilotbereichen wird eine erste Bündelung von Aufgaben bund- und länderübergreifend möglich. Damit wird die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit der Statistischen Ämter im Softwareentwicklungs-Verbund zu einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Kooperation auf dem gesamten Feld der Statistikproduktion weiterentwickelt.

Die Erfahrungen mit PoKal werden für die Vorbereitung der künftigen Organisation der Zusammenarbeit der Statistischen Ämter genutzt. Das Ziel ist ein Geschäftsmodell, nach dem ein Statistisches Amt zentral Arbeiten für andere Ämter übernehmen kann, sofern dies effizient ist. Neben der Softwareentwicklung und dem IT-Betrieb sind solche Verfahren auch bei der fachstatistischen Betreuung und Bearbeitung denkbar. Wie die ebenenübergreifende Zusammenarbeit formal zu regeln ist, ist zurzeit noch weit gehend offen. Es sind Rechtsfragen berührt, die nicht auf den Bereich der amtlichen Statistik beschränkt sind und im Rahmen der Initiative Deutschland-Online behandelt werden. Hier könnten kurzfristige Ergebnisse wesentlich zum Projekterfolg von PoKal beitragen.

Standards: Verwaltungsebenen verbinden

Durch Schaffung gemeinsam definierter Standards können Bund, Länder und Kommunen effiziente Kommunikations- und Transaktionsstrukturen aufbauen. Daher werden im Rahmen der Deutschland-Online-Vorhaben zum Thema XML-Standardisierung in der Verwaltung (XÖV) XML-basierte Datenaustauschverfahren eingeführt, die auf einer einheitlichen Architektur (OSCI) aufsetzen. Die amtliche Statistik möchte künftig statistische Daten durch Anbindung an die Datenaustauschverfahren der Fachverwaltungen von Kommunen und Ländern gewinnen. Dafür können Statistikmodule zur Verfügung gestellt werden, die an die Schnittstellen des XÖV-Vorhabens angepasst sind. Diese Module nutzen XML-Standardtechnologie und lassen sich durch den Einsatz von OSCI einfach in die Verfahren integrieren. Im Ergebnis entsteht auch bei der statistischen Datengewinnung in den Ländern und Kommunen ein automatisches, medienbruchfreies und standardisiertes IT-Verfahren, das vollständig in die Verwaltungsprozesse integriert ist und damit den Aufwand für Statistikmeldungen insbesondere in den Kommunen minimiert.

Ausblick

Im Zusammenhang mit dem Deutschland-Online-Vorhaben im Meldewesen, mit dem XML-Austauschformat XMeld, laufen Vorüberlegungen für ein Projekt zur Integration der Statistikmeldung. Darauf aufbauend ist ein ähnliches Vorgehen beim Deutschland-Online-Vorhaben BAföG beabsichtigt. Die eigentliche Herausforderung bei der Integration der Anforderungen der Statistik ist jedoch nicht die Bereitstellung der Statistikmodule. Vielmehr müssen zunächst die fachlichen Grundlagen geschaffen werden, da in den Datenaustauschverfahren und -formaten die für die Statistik notwendigen Services meist noch nicht berücksichtigt sind. Die Statistischen Ämter bieten daher die Mitarbeit kompetenter Fachstatistiker in den Arbeitsgruppen der jeweiligen Vorhaben an. Bei den Vorhaben zum Meldewesen, BAföG und Sozialwesen findet bereits eine solche Zusammenarbeit statt. Andere Vorhaben mit statistikrelevanten Daten können folgen.