:: 202/2016

Pressemitteilung 202/2016

Jugendämter nehmen fast 8 400 junge Menschen in Obhut

Inobhutnahmen bei unbegleiteter Einreise aus dem Ausland vervierfacht

In akuten Krisensituationen werden Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zu ihrem Schutz von Jugendämtern in Obhut genommen. Sie werden dann vorläufig in einer Einrichtung oder bei einer geeigneten Person untergebracht. Neben Unterkunft und Verpflegung stehen sozialpädagogische Beratung und Unterstützung im Vordergrund der Schutzmaßnahme.

Ein solches Eingreifen der Jugendämter war nach Feststellung des Statistischen Landesamtes im Jahr 2015 in Baden‑Württemberg für 8 367 Kinder und Jugendliche notwendig (2014: 4 601 Kinder). Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme um 82 Prozent oder 3 766 Kinder. Damit hat sich der seit 2005 ansteigende Trend im Jahr 2015 deutlich verstärkt. Der Zuwachs bei den Inobhutnahmen 2015 resultiert mit einem Anteil von 98 Prozent fast vollständig aus den unbegleiteten Einreisen minderjähriger Kinder und Jugendlicher aus dem Ausland.

Eine solche unbegleitete Einreise war 2015 in 4 912 Fällen (59 Prozent aller Inobhutnahmen) der Anlass für die Inobhutnahme. Damit hat sich die Zahl der Schutzmaßnahmen, die aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland notwendig wurden, im Vergleich zum Vorjahr (2014: 1 227) vervierfacht. In 41 Prozent der Fälle lagen andere Gründe für das Eingreifen der Jugendämter vor, wie z. B. Überforderung der Eltern oder eines Elternteils (19 Prozent aller Maßnahmen), Beziehungsprobleme (7 Prozent), Anzeichen von Misshandlung (6 Prozent) und von Vernachlässigung (5 Prozent).

In der Geschlechter- und Altersverteilung zeigen sich große Unterschiede zwischen den jungen Menschen, die aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland in Obhut genommen wurden und den Kindern und Jugendlichen, bei denen der Anlass der Inobhutnahme ein anderer war. 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die ohne Begleitung aus dem Ausland kamen, waren männlich und zwischen 14 und 18 Jahren alt. Bei jungen Menschen, die aufgrund anderer Anlässe in Obhut genommen wurden, lag dagegen der Anteil der Mädchen bei 55 Prozent und der Anteil der Jüngsten (unter 12 Jahre) bei knapp einem Drittel.

In 4 050 Fällen (48 Prozent) wurden die Inobhutnahmen durch soziale Dienste oder die Jugendämter veranlasst. Die Polizei hat bei einem Viertel der betroffenen Kinder und Jugendlichen (2 074 Fälle) zuerst auf die Problemsituation aufmerksam gemacht. Auf eigenen Wunsch wurden 1 126 junge Menschen unter den Schutz des Jugendamts gestellt.

Gut vier Fünftel der Kinder und Jugendlichen wurden vorübergehend in einer Einrichtung (6 314) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform (576) untergebracht, knapp ein Fünftel (1 477) fand Schutz bei einer geeigneten Person.

Die Zahl der Inobhutnahmen in den Stadt- und Landkreisen weist große Unterschiede auf. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die Kreise in sehr unterschiedlichem Ausmaß von Schutzmaßnahmen aufgrund unbegleiteter Einreise von Minderjährigen betroffen waren. Während in sechs Landkreisen weniger als 20 Kinder oder Jugendliche, die ohne Begleitung aus dem Ausland kamen, in Obhut genommen werden mussten, waren in den Stadtkreisen Karlsruhe 982, Stuttgart 713 und Freiburg 370 solcher Fälle zu verzeichnen, so dass sich 42 Prozent der Inobhutnahmen aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland auf die genannten 3 Stadtkreise konzentrierten.

Schaubild 1: Vorläufige Schutzmaßnahmen unter 18-Jähriger in Baden-Württemberg 2005 bis 2015
Schaubild 1: Vorläufige Schutzmaßnahmen unter 18-Jähriger in Baden-Württemberg 2005 bis 2015
Tabelle 1
Vorläufige Schutzmaßnahmen unter 18-Jähriger
in Baden-Württemberg 2005 bis 2015
JahrSchutzmaßnahmen
(Inobhutnahmen und Herausnahmen)
20051.658
20061.861
20072.106
20082.736
20092.744
20103.027
20113.346
20123.617
20133.809
20144.601
20158.367
Tabelle 2
Vorläufige Schutzmaßnahmen von Kindern und Jugendlichen in den Stadt- und Landkreisen
Baden-Württembergs 2015
StadtKreis (SKR),
Landkreis (LKR),
Land
InsgesamtAlter von … bis unter … JahrenGeschlechtAnlass der Maßnahme
unter 1414–18männlichweiblichunbegleitete Einreise aus dem Ausland
Anzahl
Baden-Württemberg8.3671.8266.5416.2212.1464.912
Stuttgart (SKR)88883805776112713
Böblingen (LKR)1415685677434
Esslingen (LKR)33388245199134124
Göppingen (LKR)1171998813655
Ludwigsburg (LKR)15247105906256
Rems-Murr-Kreis (LKR)2376417313010771
Heilbronn (SKR)17676100888836
Heilbronn (LKR)2215416711810352
Hohenlohekreis (LKR)35629251014
Schwäbisch Hall (LKR)1004159633717
Main-Tauber-Kreis (LKR)851867681759
Heidenheim (LKR)411526271419
Ostalbkreis (LKR)2153118417837167
Baden-Baden (SKR)67958511649
Karlsruhe (SKR)1.2681771.0911.091177982
Karlsruhe (LKR)14330113786551
Rastatt (LKR)511536312021
Heidelberg (SKR)172421301205266
Mannheim (SKR)599191408428171304
Neckar-Odenwald-Kreis (LKR)3011192289
Rhein-Neckar-Kreis (LKR)193491441177693
Pforzheim (SKR)1746810612054112
Calw (LKR)19712712
Enzkreis (LKR)832063592441
Freudenstadt (LKR)562036322419
Freiburg im Breisgau (SKR)52182439417104370
Breisgau Hochschwarzwald (LKR)137617663746
Emmendingen (LKR)42735271523
Ortenaukreis (LKR)3546029428767247
Rottweil (LKR)33112226724
Schwarzwald-Baar-Kreis (LKR)801664611946
Tuttlingen (LKR)1324785874555
Konstanz (LKR)151341171084380
Lörrach (LKR)2054216317827143
Waldshut (LKR)481236361227
Reutlingen (LKR)2064815815452107
Tübingen (LKR)1213190932885
Zollernalbkreis (LKR)1973915815938150
Ulm (SKR)1521214013715132
Alb-Donau-Kreis (LKR)732053522134
Biberach (LKR)59114852750
Bodenseekreis (LKR)841173711362
Ravensburg (LKR)932271781554
Sigmaringen (LKR)832360691453