Methodik der Pflegevorausberechnung 2023

Eine Vorausberechnung ist keine Prognose. Vorausberechnungen liefern Aussagen darüber, wie sich eine Größe unter bestimmten Annahmen verändern würde (Wenn-Dann-Aussage).

Welche Annahmen liegen der Pflegevorausberechnung zugrunde?

Die Pflegevorausberechnung setzt auf den aktuellsten IST-Ergebnissen der amtlichen Pflegestatistiken für das Berichtsjahr 2021 auf (Stichtag 15. 12.). Für dieses Basisjahr 2021 wurden für jede regionale Einheit (Stadt- und Landkreise) differenzierte Pflegehäufigkeiten (Pflegequoten) nach Geschlecht, Alter und Versorgungsarten berechnet (Pflegequoten). Für das IST-Jahr 2021 wurde für die Ermittlung der Pflegequoten die jeweilige Zahl der Pflegebedürftigen auf die altersgleiche Bevölkerung gemäß der Bevölkerungsfortschreibung zum 31. 12. 2021 bezogen. Die Pflegequoten wurden für alle einzelnen Altersjahrgänge berechnet, lediglich die Personen im Alter von 99 und mehr Jahren wurden als Alters­gruppe zusammengefasst. Beim Pflegepersonal wurde für das Basisjahr 2021 für ambulante und sta­tionäre Einrichtungen auf regionaler Ebene die jeweilige Zahl der Pflegebedürftigen je Beschäftigten ermittelt.

Die Vorausberechnung erstreckt sich auf den Zeitraum 2022 bis 2060 auf der Landesebene und auf den Zeitraum 2022 bis 2040 auf der Ebene der Stadt- und Landkreise. Auf der Grundlage der Bevölke­rungsvorausberechnung mit Basisdaten zum 31.12.2020 auf der Landesebene1 bis zum Jahr 2060 und der Kreisebene2 bis zum Jahr 2040 (jeweils obere Variante) wurden mit Hilfe der regionalen Pflegequoten Pflegebedürftige bis 2060 bzw. bis 2040 vorausberechnet. Diesem methodischen Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass mit Ausnahme der demografischen Entwicklung alle übrigen Rahmenbedingungen aus dem Basisjahr 2021 wie die regio­nalen Pflegequoten nach Alter und Geschlecht und nach Versorgungsarten, der Begriff der Pflegebe­dürftigkeit sowie rechtliche Rahmenbedingungen konstant gehalten werden (Status-quo-Ansatz). Damit zeigen die Ergebnisse der Pflegevorausberechnung ausschließlich die Auswirkungen der demografi­schen Entwicklung (Alterungsprozess) auf das Pflegesystem.

Auf der Grundlage der auf diese Weise ermittelten Zahl der Pflegebedürftigen in den ambulanten und stationären Einrichtungen bis 2060 bzw. 2040 wurde über das jeweilige Verhältnis der Zahl der Pflegebedürftigen je Beschäftigten aus dem Basisjahr 2021 die Zahl der Beschäftigten in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen vorausberechnet. Damit wurde angenommen, dass die Betreuungsintensität bis zum Ende des jeweiligen Projektionszeitraums unverändert bleibt und sich auch am Arbeits­umfang der Beschäftigten (Voll- und Teilzeit) gegenüber 2021 nichts ändert. Dies bedeutet, dass künftige Möglichkeiten zur häuslichen Pflege durch Angehörige und weitere Hilfsangebote nicht betrachtet werden.

Welchen Aussagewert haben die Ergebnisse der Pflegevorausberechnung?

Pflegebedürftige

Wie hoch wäre die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2040 bzw. 2060, wenn man ausschließlich die demografische Entwicklung im Pflegesystem abbildet? Da das Pflegerisiko mit zunehmendem Lebensalter steigt, spielt insbesondere die Veränderung der älteren Bevölkerung bei der vorausberechneten Zahl der Pflegebedürftigen eine Rolle.

Beschäftigte

Wie viele Beschäftigte wären für die Versorgung der Zahl der Pflegebedürftigen bis 2040 bzw. 2060 notwendig, wenn eine beschäftigte Person in ambulanten bzw. stationären Pflegeeinrichtungen genauso viele Pflegebedürftige versorgt wie im Basisjahr 2021 und der Arbeitsumfang der Beschäftigten (Vollzeit, Teilzeit) im Basisjahr 2021 konstant bliebe?

Welche Annahmen liegen der verwendeten Bevölkerungsvorausberechnung zugrunde?

Für Bevölkerungsvorausberechnungen müssen insbesondere Annahmen zur Geburtenhäufigkeit, zur Lebenserwartung und zum Wanderungsgeschehen getroffen werden. Diese Vorgaben werden üblicherweise auf der Basis der aktuellen Entwicklungen dieser Einflussfaktoren festgelegt, es sei denn, es sind aufgrund besonderer Ereignisse »Strukturbrüche« zu erwarten.

Geburtenhäufigkeit

Es wurde für den gesamten Vorausberechnungszeitraum eine durchschnittliche Kinderzahl je Frau von 1,56 angenommen, was dem Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020 entspricht. Es wurde damit unterstellt, dass die Corona-Pandemie mittel- und langfristig die Geburtenhäufigkeit nicht beeinflussen wird.

Lebenserwartung

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bevölkerungsvorausberechnung Ende 2021 hatte ein neugeborenes Mädchen die Aussicht auf eine Lebenserwartung von durchschnittlich etwas mehr als 84 Jahren, bei den Jungen waren es knapp 80 Jahre.

Auch künftig dürfte die Lebenserwartung der Menschen in Baden-Württemberg etwa durch medizini­sche Fortschritte weiter ansteigen. Allerdings hat sich der Anstieg der Lebenserwartung – und zwar bereits vor der Corona-Pandemie – in den vergangenen Jahren verlangsamt. Ob diese Abschwächung durch die Pandemie zusätzlich verstärkt wird, ist derzeit noch offen. Vor diesem Hintergrund wurde unterstellt, dass der künftige Anstieg bei der Lebenserwartung schwächer als in den vergangenen Jahr­zehnten ausfallen wird. Es wurde »nur noch« eine Zunahme der Lebenserwartung bis zum Jahr 2060 um knapp 4 Jahre bei den Männern und um gut 3 Jahre bei den Frauen angenommen.

Migration

Während auf der Landesebene drei Migrationsvarianten berechnet wurden (Hauptvariante, untere Variante und obere Variante), wurde die Bevölkerungsvorausberechnung auf der Ebene der Stadt- und Landkreise ausschließlich für die obere Variante durchgeführt. Bei der oberen Variante wurde der Fokus vor allem darauf gerichtet, dass Baden-Württemberg künftig wieder stärker auf Zuwanderung angewie­sen ist, da das Erwerbspersonenpotenzial spürbar sinkt und vor allem im kommenden Jahrzehnt stark besetzte Jahrgänge (Babyboomer-Generation) aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden. Diese Variante impliziert außerdem, dass sich der Südwesten wirtschaftlich eher günstig entwickeln und des­halb für Arbeitssuchende vor allem aus den EU-Staaten attraktiv bleiben wird. Des Weiteren wurde unterstellt, dass die EU ihre derzeit eher restriktive Flüchtlingspolitik wieder etwas lockert, sodass die Zahl der Flüchtlingszahlen auch aufgrund des Klimawandels (»Klimaflüchtlinge«) wieder ansteigen könnte.

Für die obere Variante wurde angenommen, dass die Wanderungsgewinne von 20 000 Personen im Jahr 2021 auf 40 000 bis 2030 stetig ansteigen und danach auf diesem Niveau verharren werden. Bis zum Jahr 2060 läge der gesamte Wanderungsgewinn dann bei 1,52 Mill. oder im Jahresdurchschnitt bei 38 100.