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Zur Wohnsituation armutsgefährdeter Menschen in Baden-Württemberg

Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen des Menschen und beeinflusst die Lebensqualität. Wie sich die Wohnsituation für unterschiedliche soziale Gruppen in Baden-Württemberg gestaltet, zeigt dieser Artikel. Menschen mit Armutserfahrung sind von den steigenden Wohnkosten der letzten Jahre besonders betroffen. Die Mietbelastungsquote armutsgefährdeter Menschen lag 2022 bei 44,8 % (Gesamtbevölkerung 28,2 %). Dabei zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Personen, die als einkommensreich gelten, gaben durchschnittlich nur 13,8 % ihres Einkommens für Miete aus. Menschen in armutsgefährdeten Haushalten leben zudem in kleineren und häufiger überbelegten Wohnungen und können sich auch seltener Wohneigentum leisten. Ihnen standen 2022 pro Kopf durchschnittlich 43,9 Quadratmeter (m2) Wohnfläche zur Verfügung (Gesamtbevölkerung: 48,1 m2). Der Eigentümeranteil armutsgefährdeter Haushalte lag bei 29 % (Gesamtbevölkerung 48,1 %). Eine schlechtere Wohnsituation haben überdurchschnittlich auch Familien mit Kindern und hier Alleinerziehende im Besonderen. Weiterhin wird auf die Daten der Wohnungslosenstatistik und der Liga-Stichtagserhebung eingegangen, anhand derer das Ausmaß der Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg aufgezeigt wird.

Das Thema Wohnen ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Dabei wird das Recht auf angemessenen Wohnraum auch als Menschenrecht eingeordnet (siehe unter anderem Mahler und Wolff 2018).1 Galten zur Jahrtausendwende die wesentlichen Aspekte der Wohnungsfrage noch als gelöst, so stehen nun längst überwunden geglaubte Themen wie Wohnungsnot, Überbelegung oder Wohnen in vernachlässigten Beständen wieder auf der politischen Agenda (vgl. Holm 2019).

85 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg teilen die Einschätzung, dass bezahlbarer Wohnraum schwer zu finden ist, ein Drittel hält es für sehr schwer (vgl. Geldner 2023).2 In vielen Gebieten haben vor allem gestiegene Wohnkosten dazu beigetragen, dass immer größere Teile der Bevölkerung nur noch eingeschränkten Zugang zu Wohnraum haben, vor allem in Großstädten (vgl. Holm 2019). Besonders betroffen sind armutsgefährdete Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt häufig Ausgrenzung erfahren und wegen begrenzter finanzieller Ressourcen oft auf zu kleine, schlecht ausgestattete oder weit außerhalb des Stadt-/Ortskerns liegende Wohnungen ausweichen müssen (vgl. Heyn et al. 2013).

Dabei geht die Bedeutung von Wohnen über rein finanzielle Aspekte hinaus. Wohnungen sind zum einen Rückzugs- und Schutzraum. Sie bieten Intimität und Privatsphäre und die Möglichkeit, die eigene nähere Umgebung zu kontrollieren. Die Wohnqualität und Wohnlage können zudem Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit haben. Ein wichtiger Qualitätsaspekt ist barrierefreies bzw. behindertengerechtes Wohnen. Zum anderen hat auch die Wohnumgebung Auswirkungen auf den Zugang zu Infrastruktur oder das Sicherheitsgefühl. Ziel des vorliegenden Artikels ist es einen Überblick zu Wohnkosten und der Wohnsituation unterschiedlicher sozialer Gruppen in Baden-Württemberg zu geben, mit besonderem Fokus auf armutsgefährdete Menschen. Dabei wird auch des Thema Wohnungslosigkeit beleuchtet (siehe i-Punkt »Modulare Armutsberichterstattung«).

Aktuelle Daten zu Wohnkosten und Wohnsituation

Wohnkosten machen einen großen Teil der Ausgaben von Haushalten aus und variieren stark zwischen Haushalten unterschiedlicher Größe, Struktur und mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund. Wohnkosten sind Ausgaben, die relativ stabil sind und sich nicht ohne größeren zeitlichen, finanziellen und sonstigen Aufwand an veränderte Umstände (zum Beispiel Einkommensänderung, Änderung der familialen Situation) anpassen lassen (vgl. Elsas und Rinklake 2022). Wie viel Geld monatlich zur Verfügung steht, etwa für Konsum und allgemein gesellschaftliche Teilhabe, ist somit auch von den Wohnkosten abhängig. Die damit verbundenen Einschränkungen treffen vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen und verhindern auch die Möglichkeit, Geld anzusparen (vgl. Glanert-Strauch et al. 2020).

Lagen die durchschnittlichen monatlichen Wohnkosten in Baden-Württemberg, inklusive Energie und Instandhaltungskosten 2005 noch bei 701 Euro, sind diese auf durchschnittlich 1.069 Euro im Jahr 2022 gestiegen (siehe Schaubild 1). Vor allem bei Heizöl, aber auch bei Gas und Strom, gab es seit 2020 zeitweise einen deutlichen Preisanstieg, wie Daten des Verbraucherpreisindex für Baden-Württemberg zeigen (siehe Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2023a; Faden-Kuhne und Escher 2023). In Baden-Württemberg konnten es sich 2022 über 600.000 Menschen nicht leisten, ihre Wohnung angemessen zu heizen (5,7 %). Im Vergleich zum Vorjahr hat sich dieser Anteil verdoppelt (2021: 2,4 %) (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2023b) (i-Punkt »Die Armutsgefährungsquote«).

Steigende Wohnkosten betreffen vor allem Mieterhaushalte. Etwa 12 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg lebte 2022 in Haushalten, die durch Wohnkosten überbelastet waren.3 Die durchschnittliche Mietbelastungsquote4 armutsgefährdeter Menschen in Baden-Württemberg lag 2022 bei 44,8 % (siehe Schaubild 2). Das bedeutet, fast die Hälfte des verfügbaren Einkommens muss allein für die Bruttokaltmiete aufgewendet werden. Seit 2014 ist die Mietbelastungsquote um gut 4 Prozentpunkte gestiegen (2014: 40,5 %). Bei Menschen, die von Einkommensarmut betroffen sind (weniger als 50 % des Medians des Äquivalenzeinkommens), lag die Mietbelastung in Baden-Württemberg durchschnittlich bei 46,5 %. Auch Personen, deren Einkommen etwas über der Armutsschwelle lag (70 % Schwelle), hatten eine überdurchschnittlich hohe Mietbelastung (41,3 %). Im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Mietbelastung in der Gesamtbevölkerung bei 28,2 %. Personen, die als einkommensreich5 gelten, gaben nur 13,8 % ihres Einkommens für Miete aus (siehe Schaubild 2).

Hinsichtlich der durchschnittlichen Mietbelastung armutsgefährdeter Menschen gibt es in Baden-Württemberg auch regionale Unterschiede (siehe Schaubild 3). So unterscheidet sich die Mietbelastungsquote um 10 Prozentpunkte zwischen der Region mit der geringsten Mietbelastung in Schwarzwald-Baar-Heuberg (38,8 %) und der Region mit der höchsten Mietbelastung (Neckar-Alb: 48,8 %). Bundesweit ist die Mietbelastung in der Tendenz vor allem in (groß)städtischen Gebieten besonders hoch (vgl. Holm 2019; Spellerberg und Giehl 2019).

Die Wohnkosten beeinflussen, welche Wohnung bezahlbar ist und haben damit direkte Auswirkungen auf die Wohnverhältnisse und die Wohnqualität. Dazu zählen die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, ebenso die Wohnausstattung. Auf diese wird nun eingegangen, da sie für das Zusammenleben in der Wohnung und allgemein für die Wohn- und Lebensqualität von entscheidender Bedeutung sind (vgl. Spellerberg und Giehl 2019).

Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche Wohnungsgröße der Haushalte in Baden-Württemberg 78,2 m2. Pro Kopf lag die durchschnittliche Wohnfläche bei 48,1 m2. Dabei standen pro Wohnung durchschnittlich 2,9 Zimmer zur Verfügung. Der Eigentümeranteil lag bei 48,2 % (siehe Tabelle).

Bei armutsgefährdeten Haushalten besaßen dagegen 29 % Wohneigentum. Die durchschnittliche Wohnfläche je Haushaltsmitglied lag für armutsgefährdete Haushalte bei 43,9 m2 verteilt auf durchschnittlich 2,6 Zimmer je Wohnung.

Auch bei Haushalten, in denen mindestens ein Haushaltsmitglied einen Migrationshintergrund hat, war der Anteil von Wohneigentümern mit 37 % im Vergleich zu 48,2 % in der Gesamtbevölkerung vergleichsweise gering wie auch die durchschnittliche Wohnfläche pro Haushaltsmitglied (38,5 m2).

Die durchschnittliche Wohnungsgröße von Lebensformen ohne Kinder lag mit 72,1 m2 und durchschnittlich 2,7 Zimmern je Wohnung etwas unter der durchschnittlichen Wohnungsgröße und der durchschnittlichen Anzahl der Zimmer in der Gesamtbevölkerung. Familien lebten erwartungsgemäß in größeren Wohnungen. Sie bewohnten im Schnitt 94,5 m2, verteilt auf durchschnittlich 3,6 Zimmer. Sowohl bei Paarfamilien als auch bei Alleinerziehenden nimmt die Wohnungsgröße mit steigender Kinderzahl zu (siehe Tabelle).

Dabei ist fast jede zweite alleinerziehende Person armutsgefährdet (42,5 %, 2022) unter anderem deshalb, da diese wegen ihrer Lebenssituation in der Ausübung ihres Berufes oft eingeschränkt sind.6 Aufgrund ihrer schlechteren finanziellen Situation ist die anteilige Belastung durch Wohnkosten bei Alleinerziehenden überproportional hoch (vgl. FaFo 2024b) und die Wohneigentumsquote besonders gering (siehe Tabelle).

Allerdings ist die Größe der Wohnung allein wenig aussagekräftig. Setzt man die Wohnungsgröße in Relation zur Anzahl der Haushaltsmitglieder, so zeigt sich, dass Familien deutlich weniger Wohnfläche pro Kopf zur Verfügung stand als Lebensformen ohne Kinder (29,4 m2 im Vergleich zu 55,2 m2). Darüber hinaus sinkt die verfügbare Wohnfläche pro Kopf mit zunehmender Kinderzahl. Im Durchschnitt hatte jedes Familienmitglied in Paarfamilien in Baden-Württemberg etwa 25,8 m2 Wohnfläche zur Verfügung. Bei Paarfamilien mit zwei und mehr Kindern waren es 22,9 m2. Kinderreiche Familien leben demnach in stärker beengten Wohnverhältnissen als kleinere Familien oder Lebensformen ohne Kinder. Bei Alleinerziehenden zeigt sich dies vor allem in der geringeren Zimmerzahl, die ihnen im Vergleich zu Paarfamilien zur Verfügung steht (3,3 versus 3,7). Da sich ihr Bedarf an Zimmern (vor allem einzelnen Schlafzimmern) nicht von dem einer Paarfamilie unterscheidet, ist diese geringere Zimmeranzahl ein Hinweis auf ihre stärker beengte Wohnsituation und geringere Wohnqualität.

Gerade die Zimmeranzahl ist ein wichtiger Indikator für Wohnqualität. Gibt es nicht genügend Zimmer für alle Haushaltsmitglieder in einer Wohnung, dann gilt diese als überbelegt.7 Die Überbelegung einer Wohnung lässt aufgrund fehlender Rückzugsmöglichkeiten kaum Privatheit zu und kann Stress erzeugen, was zu Konflikten führen kann. Gerade bei Kindern kann dies negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung haben (vgl. Heyn et al. Grade 2013). Insgesamt lebten 8,6 Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen (10,5 %). In Baden-Württemberg war der Anteil mit 11,8 % noch etwas höher, wobei dort vor allem armutsgefährdete Haushalte von Überbelegung betroffen waren (26,1 %; im Vergleich nicht armutsgefährdete Haushalte 10,0 %) (Mikrozensus 2022). Weitere Risikogruppen diesbezüglich sind Alleinerziehende und Erwachsene mit einem ausländischen Pass (vgl. Statistisches Bundesamt 2022).

Neben der objektiv messbaren Wohnungsgröße ist die subjektive Einschätzung der Wohnungsgröße ein wichtiger Indikator für die Wohnqualität. Im Jahr 2020 bewerteten 29,3 % der armutsgefährdeten Haushalte in Baden-Württemberg die eigene Wohnung als etwas zu klein oder als viel zu klein (im Vergleich zu 17,7 % in der Gesamtbevölkerung). Gleichzeitig empfanden etwa 11 % aller Haushalte in Baden-Württemberg die eigene Wohnung als etwas zu groß. Dieses Gefühl äußerten armutsgefährdete Haushalte nicht (siehe Schaubild 4).

Neben der Wohnungsgröße ist auch die Wohnausstattung ein wichtiger Aspekt von Wohnqualität. Qualitätsmängel in der Wohnung, wie undichte Fenster oder Schimmel, stellen ein Gesundheitsrisiko dar und haben negative Auswirkungen auf die Wohnzufriedenheit. Armutsgefährdete Menschen sind besonders häufig gesundheitsschädigenden Wohnbedingungen ausgesetzt. In Baden-Württemberg berichteten 2020 armutsgefährdete Haushalte häufiger als der Durchschnitt aller Haushalte von einer fehlenden Doppelverglasung der Fenster oder einer fehlenden Wärmedämmung ihres Wohngebäudes (zum Beispiel an der Fassade, dem Dach oder der Kellerdecke) (vgl. FaFo 2024b). Solche Mängel führen auch zu erhöhten Nebenkosten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Wohnausstattung ist die Möglichkeit, barrierefrei zu wohnen. Eine nicht barrierefreie Wohnung kann bei gesundheitlichen, behinderungsbedingten oder pflegebedingten Beeinträchtigungen ein selbstständiges Leben erschweren und den Verbleib in der eigenen Wohnung verhindern (vgl. FaFo 2024a). Dies gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Menschen mit Behinderungen. Diese sind überproportional häufig von Armut betroffen (vgl. Anacker 2020). Die Forschung zeigt, dass gerade Menschen, die armutsgefährdet sind, seltener Zugang zu barrierefreiem Wohnen haben (vgl. Nowossadeck et al. 2023).

Wohnungslosigkeit

Neben den genannten Einschränkungen im Wohnen besteht für armutsgefährdete Menschen auch die Gefahr, wohnungslos zu werden. In Baden-Württemberg gibt es eine beträchtliche Anzahl sogenannter Wohnungsnotfälle.8 Es folgt ein Überblick zu wichtigen Eckzahlen, zu Wohnungslosigkeit. Als wohnungslos gelten Personen, die über keine eigene mietrechtlich abgesicherte Wohnung (oder Wohneigentum) verfügen und nicht institutionell untergebracht sind. Dazu zählen unter anderem Personen ohne jegliche Unterkunft, Personen in Behelfsunterkünften (zum Beispiel Wohnwagen, Gartenlauben etc.), Personen, die vorübergehend bei Bekannten/Verwandten untergekommen sind, Personen, die vorübergehend auf eigene Kosten in einer gewerbsmäßigen Behelfsunterkunft leben (zum Beispiel Hotel) (vgl. BAGW 2011). Hinzu kommen Personen, die ohne eigene mietrechtlich abgesicherte Wohnung (oder Wohneigentum) sind, aber institutionell untergebracht sind (vgl. BAGW 2011).

Wohnungslosigkeit birgt dabei die Gefahr einer weiterführenden Abwärtsspirale.9 Ohne festen Wohnsitz sinken die Chancen einen Arbeitsplatz zu finden, ohne festes Einkommen ist es wiederum schwierig eine Wohnung zu finden und zu finanzieren. Wohnungslosigkeit geht häufig mit einer Stigmatisierung und einem Abbruch der Beziehungen zu Familie, Freunden und Bekannten einher. Die Lebensbedingungen wohnungsloser Personen und ihr teilweise unzureichender Zugang zu medizinischer Versorgung stellen außerdem häufig ein Gesundheitsrisiko dar (vgl. Onapa unter anderem 2022; Gerull 2014).

Das Ausmaß an Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg kann mithilfe einer amtlichen Statistik für wohnungslose Personen, die von den Kommunen oder freien Trägern (übergangsweise) untergebracht werden (§§ 1 bis 7 WoBerichtsG), dargestellt werden.10 Ende Januar 2023 waren in Baden-Württemberg 76.510 Personen entweder nach den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder oder aber im Rahmen von Maßnahmen nach den §§ 67 ff. SGB XII untergebracht. 64.515 Personen (84 %) der Ende Januar 2023 in Baden-Württemberg institutionell untergebrachten Menschen hatten eine ausländische Staatsangehörigkeit, 39.195 Personen (51 %) waren männlich und 35.235 (46 %) weiblich (vgl. FaFo 2024b). Ungefähr ein Drittel der institutionell untergebrachten Menschen waren Kinder unter 18 Jahren (24.295 Personen), etwas weniger als jeder Zehnte (8,5 %) war im Alter zwischen 18 und 25 Jahre. Knapp ein Viertel (23,0 %) war zwischen 25 und 40 Jahre und ein weiteres Viertel (22,7 %) zwischen 40 und 60 Jahre alt. Die Altersgruppe über 60 Jahre machte knapp ein Zehntel aus (9,4 %) (vgl. FaFo 2024b).

Betrachtet man die untergebrachten Wohnungslosen nach der Dauer (siehe Schaubild 5), die sie bereits in einer solchen Unterbringung leben, zeigt sich, dass gut ein Drittel (37 %, 28.305 Personen) bereits seit 2 Jahren oder länger institutionell untergebracht ist. Dabei gibt es einen deutlichen Unterschied je nach Staatsangehörigkeit. Ausländische Personen befinden sich lediglich zu 23,1 % in länger andauernder Unterbringung. Das ist auf die hohe Anzahl der seit Kurzem erst im Land befindlichen ukrainischen Geflüchteten zurückzuführen. Deutsche institutionell untergebrachte Personen sind zu 57,8 % in länger andauernder Unterbringung. Auch die Zahlen der amtlichen Statistik zeigen: Es ist schwer, diese Lebenslage zu überwinden und eine institutionelle Unterbringung wird selten so schnell in ein eigenes Mietverhältnis überführt, wie es wünschenswert wäre.

Kinder und ihre Familien stellen eine große Gruppe der ordnungsrechtlich untergebrachten Wohnungslosen dar, die in den letzten Jahren zugenommen hat (vgl. Busch-Geertsema 2019). Unter allen institutionell untergebrachten Wohnungslosen in Baden-Württemberg waren 24.295 Kinder, 8.350 davon in 2 Jahre oder länger andauernder Unterbringung. Die hohe Anzahl von Kindern in der Gruppe der institutionell untergebrachten Wohnungslosen zeigt, dass auch Familien eine Risikogruppe sind. Die Daten weisen darauf hin, dass ausländische Familien hier besonders gefährdet sind.11 61,3 % der ausländischen institutionell untergebrachten Wohnungslosen sind Paare oder Alleinerziehende mit Kindern. Bei deutschen institutionell untergebrachten Wohnungslosen sind hingegen 62 % alleinstehend (siehe Schaubild 6).

Insbesondere Kinder und Jugendliche können, wenn ihre Familie wohnungslos ist, durch eine länger andauernde Unterbringung häufig nicht mehr wie gewohnt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Ein selbstbestimmt gestaltetes Familienleben ist in einer ordnungsrechtlichen Unterkunft stark eingeschränkt oder nicht mehr möglich.

Die Stichtagserhebung der Liga der freien Wohlfahrtspflege e. V. (Liga) »Menschen in sozialer Ausgrenzung und Wohnungsnot« erfasst jährlich die Zahl der Personen, die Angebote der Wohnungslosenhilfe und Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg in Anspruch genommen haben. Zum Stichtag 29. September 2023 wurden 12.688 Menschen in den Diensten und Einrichtungen der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe beraten und unterstützt. Das ist ein neuer Höchststand seit Beginn der Stichtagserhebung. Männer waren weitaus häufiger vertreten als Frauen (71 % versus 29 %). Aber der Anteil von Frauen ist im Zeitverlauf gestiegen (2012 waren beispielsweise lediglich 26 % der Hilfesuchenden Frauen). 2023 war knapp jede zehnte hilfesuchende Person (8,3 %) jünger als 25 Jahre. Knapp die Hälfte (46,2 %) der Hilfesuchenden war zwischen 25 und 50 Jahre alt und ein weiteres Viertel (22,0 %) war zwischen 50 und 59 Jahren alt. Die Altersgruppe der Personen, die älter als 60 Jahre waren, machte einen Anteil von 21,4 % aus.

Zwar bieten die Daten der Wohnungslosenstatistik und der Liga-Stichtagserhebung eine Annäherung an das Ausmaß der Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg. Die tatsächliche Zahl wohnungsloser Menschen dürfte jedoch deutlich höher liegen, denn Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Hilfe in Anspruch nehmen, werden nicht erfasst. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da sie häufiger auch für längere Zeit bei Freunden und Bekannten unterkommen und so nicht im Hilfesystem ankommen (vgl. Eichler and Holz 2014).12

In Zeiten, in denen es schwierig ist, eine neue Wohnung zu finden, sollte alles dafür getan werden, dass die alte Wohnung erhalten bleibt. Um zu verhindern, dass es überhaupt zur Wohnungslosigkeit kommt, gibt es daher in einigen Kommunen Beratungsangebote, die Menschen unterstützen, die mit der Miete in Verzug kommen, weil sie diese nicht mehr bezahlen können.13

In dem vorliegenden Artikel wurde ein Überblick zu Wohnkosten und der Wohnsituation unterschiedlicher sozialer Gruppen in Baden-Württemberg gegeben, mit besonderem Fokus auf armutsgefährdete Menschen. Gerade für diese Gruppen ist es schwierig, auf dem angespannten Wohnungsmarkt überhaupt eine Wohnung zu finden. Da es nicht ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt, entscheiden schlussendlich die persönlichen Präferenzen der Vermietenden darüber, wer in eine Wohnung einziehen darf. Diese eingeschränkte Zugänglichkeit des Wohnungsmarkts kann sich in eine Form von Diskriminierung für bestimmte Gruppen übertragen (vgl. Meksem 2021, Gille et al. 2024). Dies trifft besonders häufig einkommensärmere Haushalte, Menschen mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Studierende und People of Color sowie wohnungslose Menschen (vgl. Claus and Sommer 2021, Gille et al. 2024). Die gestiegenen Lebenserhaltungskosten haben die Lage zudem weiter verschärft, wie auch die aktuellen Zahlen zu Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg zeigen.

1 Das Menschenrecht auf Wohnen ist Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard, wie es in Artikel 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) verbrieft ist. Nähere Informationen unter https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/wirtschaftliche-soziale-und-kulturelle-rechte/recht-auf-wohnen (Abruf: 31.01.2024).

2 Diese repräsentative Umfrage wurde durch das Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt, im Auftrag der Tageszeitungen in Baden-Württemberg.

3 Von einer Überbelastung wird dann ausgegangen, wenn die Wohnkostenbelastung (Anteil der Bruttowarmmiete am Haushaltsnettoeinkommen) 40 % übersteigt (vgl. EUROSTAT 2024).

4 Die Mietbelastungsquote eines Haushalts bezeichnet den Anteil am Haushaltsnettoeinkommen, der für die Bruttokaltmiete aufgebracht werden muss.

5 Als einkommensreich gilt hier, wer über mehr als das Doppelte, also 200 %, des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen der Gesamtbevölkerung verfügt. Der Median der Äquivalenzeinkommen lag in Baden-Württemberg 2022 bei 2.094 Euro.

6 Fast die Hälfte der Alleinerziehenden stand 2022 in Baden-Württemberg in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis (vgl. Escher und Velimsky 2023).

7 Eine Wohnung gilt als überbelegt, wenn es mindestens einen der folgenden Räume nicht gibt: einen Gemeinschaftsraum, einen Raum pro Paar, das in dem Haushalt lebt, einen Raum pro weiterer Person ab 18 Jahren, einen Raum für zwei Kinder unter 12 Jahren, einen Raum für zwei Kinder desselben Geschlechts zwischen 12 und 17 Jahren, einen Raum je Kind zwischen 12 und 17 Jahren, wenn sie unterschiedlichen Geschlechts sind. Siehe https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Soziales-Lebensbedingungen/ Ueberbelegung.html (Abruf: 31.01.2024).

8 Ausführlicher bei (FaFo 2024b).

9 Wie ein Weg in die Wohnungslosigkeit im Einzelfall aussehen kann, zeigt ein Erfahrungsbericht eines Betroffenen (siehe FaFo 2024).

10 Zum Stichtag 31.01.2022 hat das Statistische Bundesamt erstmals die Erhebung durchgeführt, zum Stichtag 31.01.2023 ein zweites Mal (momentan aktuellste Zahlen).

11 Die Statistik zeigt außerdem, dass generell die Mehrheit (69 %) der in institutioneller Unterbringung lebenden Personen Ausländerinnen und Ausländer sind.

12 Ausführlicher zum Thema verdeckte Wohnungslosigkeit bei (FaFo 2024b).

13 Für einen Überblick über solche Angebote und Handlungsempfehlungen (siehe FaFo 2024b).