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Wandern immer mehr Deutsche aus?

Zur Entwicklung der Fortzüge aus Baden-Württemberg in das Ausland

Deutschland war in seiner Geschichte meistens Ein- und Auswanderungsland zugleich. In den vergangenen Jahren galt dies in besonderem Maße, wobei vor allem wegen der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015/2016 und den Schutzsuchenden aus der Ukraine seit Februar 2022 meist nur die Zuwanderung öffentlich wahrgenommen wurde. Dabei gerät allerdings oftmals aus dem Blick, dass bereits seit Jahren mehr deutsche Staatsangehörige das Land verlassen als zurückkehren.1

Im folgenden Beitrag soll deshalb skizziert werden, wie sich die Auslandsfortzüge der deutschen Bevölkerung aus Baden-Württemberg seit der Jahrtausendwende entwickelt haben und wohin diese Personen gezogen sind. Deutlich werden soll aber auch, dass die amtliche Wanderungsstatistik keine eindeutigen Aussagen darüber ermöglicht, ob es sich bei einem Fortzug in das Ausland tatsächlich um eine Auswanderung, also »das Verlassen des Heimatlandes auf Dauer«2, oder lediglich um einen zeitlich befristeten Auslandsaufenthalt handelt.

Die Zahl der Deutschen, die Baden-Württemberg in Richtung Ausland verlassen haben, lag im Jahr 2023 bei rund 27.100. Damit war die Zahl der »Auswandererinnen und Auswanderer« seit der Jahrtausendwende nur in den Jahren 2008, 2009 und 2022 noch etwas höher (Schaubild 1). Insgesamt haben seit dem Jahr 2000 rund 570.000 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger mit einer deutschen Staatsangehörigkeit den Wohnsitz ins Ausland verlegt.

Fortzug in das Ausland bedeutet nicht immer Auswanderung

Wie oft es sich bei den Fortzügen von deutschen Staatsangehörigen in das Ausland tatsächlich um dauerhafte Umzüge im Sinne einer Auswanderung handelt, kann allerdings mit der amtlichen Wanderungsstatistik nicht konkret beantwortet werden. Der Gesetzgeber sieht nämlich die Erfassung von Merkmalen, die Hinweise auf Dauer oder Motive eines Auslandsaufenthalts geben könnten, nicht vor.3 Hinzu kommt, dass es sich bei der Wanderungsstatistik um eine Fall- und nicht um eine Personenstatistik handelt; deshalb wird jeder Zu- beziehungsweise Fortzug von ein- und derselben Person als unabhängiges Ereignis gewertet.4

Es liegt nahe, dass ein Teil der Auslandsaufenthalte – etwa aus beruflichen Gründen – nur vorübergehend ist, und nach einer gewissen Zeit eine Rückkehr nach Deutschland folgt. Dafür sprechen die relativ vielen Zuzüge von Deutschen aus dem Ausland. So zogen im Jahr 2023 immerhin rund 15.800 und seit der Jahrtausendwende insgesamt 431.000 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus dem Ausland nach Baden-Württemberg (zurück). Der Wanderungsverlust lag damit im Jahr 2023 bei ca. 11.300 Personen, im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2023 betrug das gesamte Minus 139.000 Personen.

Anhand von Schaubild 2 wird darüber hinaus deutlich, dass das Gros der Wanderungsbewegungen und vor allem auch das der Abwanderung als Differenz zwischen Zu- und Fortzügen auf die Altersgruppe der 30- bis unter 60-Jährigen entfällt.5

Wie viele dieser Fortzüge sind tatsächlich auf Dauer angelegt? Anhand der Ergebnisse der amtlichen Wanderungsstatistik ist diesbezüglich immerhin eine grobe Schätzung möglich: Hierzu werden die »Rückkehrerinnen und Rückkehrer« respektive die Zuziehenden in das Verhältnis zu den Fortgezogenen gesetzt. Der Anteil des (negativen) Wanderungssaldos bezogen auf die Fortzüge wird dann als Abwanderung interpretiert. Da seit der Jahrtausendwende rund 139.000 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger per saldo aus dem Südwesten fortgezogen sind, könnte damit – bezogen auf das Fortzugsvolumen von 570.000 – etwa jeder vierte Fortzug in das Ausland eine auf Dauer geplante Auswanderung gewesen sein. Die Validität dieser Schätzung ist allerdings begrenzt (vgl. i-Punkt).

Was sind die beliebtesten »Auswanderungsziele«?

Bevorzugtes Zielland war im Jahr 2023 – wie bereits in den Vorjahren – die Schweiz. In das südliche Nachbarland zogen per saldo rund 5.100 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus Baden-Württemberg. Es folgten mit deutlichem Abstand Wanderungsverluste gegenüber Österreich (ca. –1.000) sowie Frankreich (ca. –600) und Spanien (ca. –500). Auch die Vereinigten Staaten zählten im vergangenen Jahr zu den beliebtesten »Auswanderungszielen«; per saldo zogen über 400 deutsche Staatsangehörige aus dem Südwesten in die USA (Schaubild 3). Dagegen sind weltweit nur aus vier Staaten per saldo Deutsche in nennenswertem Umfang aus dem Ausland zugezogen: Gegenüber der Türkei, Brasilien, Israel und Argentinien lag der positive Saldo im Jahr 2023 jeweils bei mindesten 50 Personen.

Der geschätzte Anteil der Auswanderungen an den Fortzügen ist bei den einzelnen Zielstaaten sehr unterschiedlich: Während es sich seit der Jahrtausendwende bei etwa der Hälfte der Fortziehenden in die Schweiz bzw. nach Österreich um eine dauerhafte Auswanderung handeln könnte, ist dies bei Fortzügen in die Vereinigten Staaten nur bei etwa jedem fünften und nach Frankreich sogar nur bei jedem achten Fortzug zu vermuten (vgl. i-Punkt). Bei Fortzügen in die USA und nach Frankreich dürften somit kurzfristige Studien- oder Arbeitsaufenthalte dominieren.

Erstaunlich groß sind diese Unterschiede zwischen den Zielstaaten bezüglich der geschätzten Auswanderung vor allem dann, wenn diese nach Altersgruppen betrachtet wird: So ist beispielsweise bei Fortzügen in die Schweiz der Anteil der Ausgewanderten an den Fortzügen vor allem im erwerbsfähigen Alter relativ hoch, während sie bei den Älteren praktisch keine Rolle spielt. Ganz anders dagegen bei Fortzügen beispielsweise nach Ungarn, die vor allem bei Älteren überdurchschnittlich oft mit einer Auswanderung verbunden sein dürften – wohl auch deshalb, weil das Land zunehmend zu einem »Geheimtipp« für auswanderwillige deutsche Rentnerinnen und Rentner geworden ist.6

Auswanderung in die Schweiz im Fokus

Mehr als die Hälfte der Wanderungsverluste bei der deutschen Bevölkerung entfiel seit der Jahrtausendwende auf Fortzüge in die Schweiz, weshalb die Wanderungsverflechtung mit dem südlichen Nachbarland etwas detaillierter betrachtet wird. Schaubild 4 zeigt einerseits, dass zwar in jedem Jahr seit der Jahrtausendwende mehr Deutsche per saldo in die Schweiz fort- als von dort zugezogen sind; andererseits macht es aber auch deutlich, dass das Niveau der Fortzüge und auch das der Zuzüge in diesem Zeitraum recht unterschiedlich war.

So lag der negative Wanderungssaldo in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts nicht einmal halb so hoch wie zuletzt. Als Grund dafür, dass damals relativ viele Deutsche aus der Schweiz nach Baden-Württemberg zurückzogen, wurde unter anderem die damalige starke Aufwertung der Schweizer Währung genannt, die die dortige Wirtschaft belastet hatte.7 Hinzu kam, dass die Schweizerinnen und Schweizer bei einer Volksabstimmung im Jahr 2014 mehrheitlich für eine Begrenzung der Zuwanderung ins Land stimmten.8 Dies habe, so der Züricher Volkswirtschaftsprofessor Jan-Egbert Sturm, das Gefühl gestärkt, in der Schweiz nicht willkommen zu sein.9

Dass in den letzten Jahren die Zahl der Fortzüge in die Schweiz wieder gestiegen und die der Rückkehrerinnen und Rückkehrer nach Deutschland gesunken ist, ist möglicherweise auf die nachlassende Wirkung der Masseneinwanderungsinitiative von 2014 zurückzuführen.10 Ganz entscheidend für diesen Trend sei aber auch die Rekordzahl neuer Arbeitsplätze.11 Schließlich machen generell – neben der Landschaft und dem überwiegend deutschsprachigen Raum – auch weiterhin hohe Löhne und – je nach Kanton – niedrigere Steuern als in der Bundesrepublik einen Umzug in die Schweiz zusätzlich attraktiv.12 Weitere mögliche Faktoren für die seit dem Jahr 2020 deutlich steigende Abwanderung in die Schweiz könnten die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage in Baden-Württemberg und in Deutschland sein; beispielsweise lag die Inflation in den Jahren 2022 und 2023 in Deutschland bei bis zu 7 %, in der Schweiz dagegen bei unter 3 %.

Aufgrund der Dominanz der Schweiz als Zielgebiet für »Auswandererinnen und Auswanderer« ist es wenig erstaunlich, dass die Abwanderung von Deutschen aus den Landkreisen am Hochrhein – nämlich Konstanz, Lörrach und Waldshut – am höchsten lag. Lediglich die Landeshauptstadt Stuttgart hatte Wanderungsverluste in einer ähnlichen Größenordnung zu verkraften (Tabelle). Bei den genannten südbadischen Landkreisen entfielen im Jahr 2023 jeweils über drei Viertel der gesamten Abwanderung deutscher Staatsangehöriger auf Fortzüge in die Schweiz.

Berufliche Gründe dominieren bei einer Auswanderung

Warum und mit welchen Qualifikationen Menschen in das Ausland abwandern, kann, wie bereits angesprochen, mithilfe der amtlichen Wanderungsstatistik nicht beantwortet werden. Allerdings liegen Ergebnisse zu den Wanderungsmotiven sowie zum Qualifikationsniveau der Abgewanderten aus der German Emigration und Remigration Panel Study (GERPS)13 vor. Demnach wandern überwiegend Akademikerinnen und Akademiker ins Ausland aus. Drei Viertel der ausgewanderten Deutschen hatten einen Hochschulabschluss, wohingegen dieser Anteil in der nicht-mobilen Bevölkerung nach dem Sozio-ökonomischen Panel nur bei etwa 25 % liegt.14

Was die Motive für Auswanderungen betrifft, so hat sich unter anderem gezeigt, dass vor allem berufliche Gründe eine Rolle spielen. Außerdem berichteten viele Ausgewanderte in der Befragung, dass sie mit dem Auslandsaufenthalt neue Erfahrungen sammeln wollen oder eine Lebensstilveränderung beabsichtigen.15 Familiäre Gründe werden zu 21 % genannt. Dagegen ist nur für eine kleinere Minderheit von 17 % die Unzufriedenheit mit ihrem Leben in Deutschland ein zentrales Auswanderungsmotiv.

Fazit und Ausblick

Wandern immer mehr Deutsche aus? Diese Frage kann mithilfe der amtlichen Wanderungsstatistik nicht eindeutig beantwortet werden, da Fortzüge in vielen Fällen wohl nur für eine befristete Zeit geplant sind. Statistiken der EU-Statistikbehörde Eurostat und des Bundesamts für Statistik in der Schweiz, die Angaben zur Zahl der Deutschen mit einem Wohnsitz im europäischen Ausland enthalten, deuten allerdings darauf hin, dass Deutsche tatsächlich häufiger als früher im Ausland eine neue Heimat gefunden haben. So nimmt beispielsweise die Zahl der Deutschen mit Wohnsitz in der Schweiz seit Jahren zu. Etwa 316.000 deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger hatten Anfang 2023 ihren Wohnsitz im Nachbarland. In Österreich lebten Anfang 2023 rund 225.000 deutsche Staatsangehörige. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr fiel mit 3,7 % sogar noch höher aus als bei der Schweiz.16

Mit welcher künftigen Entwicklung ist bei der »Auswanderung« bzw. den Fortzügen von deutschen Staatsangehörigen in das Ausland zu rechnen? »Wanderungen kommen zustande, wenn ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen außerhalb ihrer Region bessere Lebenschancen wahrnehmen und diese in einer Zielregion zu finden glaubt. Ausbildungs-, arbeitsplatz- und familienorientierte Motive stehen hierbei im Vordergrund«, so die Definition von Josef Schmid et al, emeritierter Professor an der Universität Bamberg.17 Das bedeutet, dass – wie auch die zeitliche Entwicklung der Fortzüge in die Schweiz gezeigt hat – die Einschätzung der Bevölkerung vor allem bezüglich ihrer beruflichen Perspektiven in Baden-Württemberg im Vergleich zu derjenigen in den möglichen Auswanderungsländern für einen Umzug entscheidend sein wird. Das Ziel, durch einen Umzug »bessere Lebenschancen wahrzunehmen«, ist aber umfassender. »Angesichts steigender Energiekosten, Steuern und Sozialabgaben, Bürokratie und Modernisierungsstau ist damit zu rechnen, dass künftig noch mehr Bundesbürger ihre Zukunft anderswo sehen.«, so die Einschätzung von Anja Georgia Graw-Bärwalde.18

1 Sternberg, Jan Philipp: Auswanderung, in: bpd.de vom 14.05.2018, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/dossiermigration/247684/auswanderung/ (Abruf: 20.11.2024).

2 Huss, Elmar: Thema »Auswanderung« – Auch viele Münchner suchen das Weite, in: Münchner Statistik, 4. Quartalheft 2006, S. 17, https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:a02e07e6-424a-4845-ba18-4a4283249981/mb060404.pdf (Abruf: 20.11.2024). Allerdings existiert keine Legaldefinition des Begriffs »Auswanderung«; vgl. Migrationsbericht der Bundesregierung, Migrationsbericht 2019, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.), S. 126, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Migrationsberichte/migrationsbericht-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=19 (Abruf: 20.11.2024)

3 Cornelius, Ivar: Fortzüge ins Ausland: Wandern immer mehr Deutsche aus?, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2007, S. 15.

4 Simon, Silvia: Deutsche am Schweizer Arbeitsmarkt, in: wirtschaftsdienst.eu, Heft 3/2011, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2011/heft/3/beitrag/deutsche-am-schweizer-arbeitsmarkt.html (Abruf: 20.11.2024).

5 Die Autoren danken Herrn Ingolf Girrbach für die umfangreichen Auswertungen der Wanderungsstatistik.

6 Vom Feriendomizil zum Altersruhesitz: Deutsche Rentner zieht es nach Ungarn, in: suedwestfalen-nachrichten.de vom 19.04.2023, https://www.suedwestfalen-nachrichten.de/verschiedenes/deutsche-rentner-zieht-es-nach-ungarn/ (Abruf: 20.11.2024).

7 Franken-Schock und Fremdenfeindlichkeit: 7.000 Deutsche kehren Schweiz den Rücken, in: focus.de vom 23.07.2015, https://www.focus.de/politik/ausland/zahl-der-auswanderer-steigt-relativ-stark-franken-schock-und-auslaender-hass-7000-deutsche-kehren-der-schweiz-den-ruecken_id_4835587.html (Abruf: 20.11.2024).

8 Volksabstimmung: Schweizer stimmen gegen mehr Zuwanderung, in: zeit.de vom 09.02.2014, https://www.zeit.de/politik/ausland/2014-02/schweiz-volksabstimmung-einwanderung (Abruf: 20.11.2024).

9 Franken-Schock und Fremdenfeindlichkeit: 7.000 Deutsche kehren Schweiz den Rücken, a. a. O.

10 Zuwanderung in die Schweiz – Die Deutschen sind zurück, in: blick.ch vom 22.12.2023, https://www.blick.ch/politik/zuwanderung-in-die-schweiz-die-deutschen-sind-zurueck-id19267456.html (Abruf: 20.11.2024).

11 Ebenda.

12 Graw-Bärwalde, Anja Georgia: Trend zum Auswandern ist ungebrochen – wohin es die Deutschen zieht, in: focus.de vom 17.01.2024, https://www.focus.de/finanzen/news/steuern-energiekosten-buerokratie-tschuess-deutschland-der-trend-zum-auswandern-ist-ungebrochen_id_259561442.html (Abruf: 20.11.2024).

13 German Emigration und Remigration Panel Study (GERPS), in: bib.bund.de, https://www.bib.bund.de/DE/Forschung/Surveys/GERPS/german-emigration-and-remigration-panel-study.html (Abruf: 20.11.2024).

14 Erlinghagen, Marcel: Auswanderung aus Deutschland, in: bpb.de vom 23.08.2024, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/deutschland/550949/auswanderung-aus-deutschland/ (Abruf: 20.11.2024).

15 Ebenda.

16 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 26.08.2024: Schweiz bleibt beliebtestes europäisches Auswanderungsziel der Deutschen, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/08/PD24_N043_12.html (Abruf: 20.11.2023).

17 Wanderung, in: wirtschaftslexikon.gabler.de, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/wanderung-50041#:~:text=Wanderungsmotive%3A%20Wanderungen%20kommen%20zustande%2C%20wenn,Motive%20stehen%20hierbei%20im%20Vordergrund. (Abruf: 17.09.2024).

18 Trend zum Auswandern ist ungebrochen – wohin es die Deutschen zieht, in: focus.de vom 17.01.2024, a.a.O.