Verfahrensumstellung in der Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung in Baden-Württemberg
Vom kombinierten Ansatz mit Probeschnitten zum reinen Volldruschverfahren
In den letzten Jahren haben die Themen Ernährungssicherheit und landwirtschaftliche Produktion aufgrund von Ereignissen wie der Coronapandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie vermehrten Wetterextremen infolge des Klimawandels an Bedeutung gewonnen. Die amtliche Statistik bestimmt die Ernte wichtiger Feldfrüchte im Rahmen der Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung (BEE), bei der jährlich die Erträge ausgewählter Stichprobenfelder exakt bestimmt werden. In Baden-Württemberg wurde in der Vergangenheit ein kombinierter Ansatz aus Probeschnitten und Volldruschen praktiziert. Seit 2023 wird das Volldruschverfahren bei allen beprobten Fruchtarten angewandt.
Was ist die BEE?
Die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung dient der exakten objektiven Ertragsbestimmung ausgewählter landwirtschaftlicher Feldfrüchte. In ihrer jetzigen Form werden in Baden-Württemberg die Getreidearten Winterweizen, Winter- und Sommergerste, Hafer, Triticale und Körnermais sowie die Ölfrucht Winterraps beprobt (Schaubild). In Verbindung mit der Bodennutzungshaupterhebung, die jährlich die Anbauflächen der Feldfrüchte ausweist,1 kann dann mit den Hektarerträgen die jeweilige landesweite Erntemenge hochgerechnet werden. Damit liefert die BEE wertvolle Daten über die landwirtschaftliche Produktion für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und alle Interessierten und dient zum Beispiel als Grundlage zur Erstellung von Versorgungsbilanzen2. Die Erntemengen weiterer Fruchtarten sowie die kleinräumige Angabe auf Kreisebene erfolgt mithilfe der freiwilligen Ernteberichterstattung (EBE) (i-Punkt »Exkurs Ernteberichterstattung«).
Neben den Erträgen werden im Rahmen der BEE auch verschiedene Qualitätsparameter analysiert. In Baden-Württemberg werden Kornproben aller Fruchtarten am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) auf ihren Feuchtegehalt, sowie Auswuchs3 und Besatz4 untersucht. Zusätzlich werden bei Winterweizen und Winterraps vom Max-Rubner-Institut in Detmold die Backqualität bzw. Ölgehalt sowie unerwünschte Stoffe wie Mykotoxine analysiert.5
Rechtlicher Rahmen
Rechtliche Grundlage der Erhebung ist § 47 des Agrarstatistikgesetzes (AgrStatG). In Verbindung mit dem Bundesstatistikgesetz (BStatG) § 15 ergibt sich im AgrStatG § 93 die Auskunftspflicht der Inhaberinnen und Inhaber oder Leitende der landwirtschaftlichen Betriebe. Des Weiteren stellen die Gesetze sicher, dass die Untersuchungsergebnisse nur für statistische Zwecke verwendet werden dürfen. Außerdem regeln sie die Geheimhaltung der Einzeldaten und somit den Datenschutz der Auskunftsgebenden. Für die Planung und Durchführung der Erhebung gibt es zusätzlich die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Besonderen Ernteermittlung vom 23. Juli 1997.
Auf europäischer Ebene gilt die Verordnung (EG) Nr. 543/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Statistik der pflanzlichen Erzeugung. Hier wird zum Beispiel die Lieferverpflichtung der Mitgliedstaaten zu Informationen über die pflanzliche Erzeugung an das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) geregelt.
Eine Besonderheit der BEE liegt darin, dass die Erhebung nicht allein von den statistischen Ämtern durchgeführt wird. Die Federführung für die Erhebung liegt beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Für die Durchführung inklusive Vor- und Nachbereitung ist beim BMEL ein Sachverständigenausschuss mit allen involvierten Parteien gebildet worden: Mindestens einmal pro Jahr tagen und beraten Vertreterinnen und Vertreter des BMEL, der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, des Max-Rubner-Instituts, der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, der jeweils zuständigen Obersten Landesbehörden und des Verbandes der Landwirtschaftskammern6 zur Methodik und Weiterentwicklung der Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung.
Methodik
Zur Grundgesamtheit der BEE in Baden-Württemberg gehören alle landwirtschaftlichen Betriebe, die die Mindesterfassungsgrenzen der Bodennutzungshaupterhebung7 erreichen und die jeweilige Fruchtart(en) mit mindestens 0,5 Hektar (ha) anbauen. Die genauen Voraussetzungen werden im Qualitätsbericht der BEE erläutert.8 Im Frühjahr wird aus der Grundgesamtheit im Statistischen Landesamt für jede Fruchtart zufällig eine Stichprobe mithilfe eines mathematisch-statistischen Modells gezogen. Die Stichprobenziehung ist so konzipiert, dass durch eine repräsentative Verteilung der Betriebe am Ende ein landesweiter Durchschnittsertrag je Feldfrucht errechnet werden kann. Die ausgewählten Betriebe werden informiert und wählen ein zufälliges Stichprobenfeld mit der vorgesehenen Fruchtart aus, sofern sie diese in dem betreffenden Jahr anbauen. Hierbei werden sie von Erhebungsbeauftragten unterstützt, die für ein bestimmtes Gebiet, meist den Landkreis, zuständig sind und als Bindeglied zwischen Statistischem Landesamt und den Auskunftsgebenden fungieren. Zu den Aufgaben der Erhebungsbeauftragten gehört neben der Feldauswahl das Begleiten des Drusches mit Entnahme und Versand der Kornprobe an das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg.
Deutschlandweit werden jährlich ca. 2 300 Probeschnitte und 4 300 Volldrusche bei Getreide, ca. 900 Volldrusche bei Winterraps und ca. 700 Proberodungen bei Kartoffeln durchgeführt. In Baden-Württemberg wurden im Probeschnittverfahren 2022 um die 550 Probeschnitte und knapp 400 Volldrusche durchgeführt. Seit 2023 wird vollständig auf Probeschnitte verzichtet und es werden jährlich fast 600 Volldrusche bei den beprobten Fruchtarten durchgeführt (Tabelle 1).
Volldrusche
Beim Volldrusch wird das gesamte Erntegut der ausgewählten Fläche exakt verwogen und eine Kornprobe an das LTZ geschickt. Hierfür nutzen die Betriebe hofeigene oder öffentliche Waagen, auf denen der/die Anhänger erst ohne, dann mit dem Erntegut gewogen werden. Aus dem Ertrag des Feldes sowie des Feuchtegehalts der Körner wird der Ertrag pro Hektar für den normierten Feuchtigkeitsgehalt von 14 % (Getreide) bzw. 9 % (Raps) bestimmt. Aus allen Erträgen je Fruchtart wird dann ein Mittelwert für das ganze Land errechnet. Über Multiplikation mit der Anbaufläche jeder Fruchtart aus der Bodennutzungshaupterhebung kann dann die Erntemenge bestimmt werden.
Probeschnitte – Rechnen mit Korrektiven
Bislang wurde in Baden-Württemberg bei Winterweizen, Hafer, Triticale und Körnermais das Probeschnittverfahren angewandt. Bei diesem Verfahren werden kurz vor der Ernte auf dem ausgewählten Feld (5 x 1 m2 entlang der Felddiagonalen) die ganzen Pflanzen (Stroh und Korn) innerhalb eines Messrahmens manuell geerntet und an das LTZ geschickt. Dort erfolgt das Ausdreschen der Körner und die Bestimmung des Gewichts. Anhand der Erntemenge der Probeschnitte sowie der Kornfeuchte wird anschließend im Statistischen Landesamt der Hektarertrag für den normierten Feuchtigkeitsgehalt von 14 % (Getreide) bzw. 9 % (Raps) errechnet.
Um Ernte- oder Randflächenverluste zu berücksichtigen, wird auf einem Teil der Probeschnittflächen (Unterstichprobe) zusätzlich ein Volldrusch mit Verwiegung durchgeführt, um den Ertrag exakt zu bestimmen. So kann der Unterschied zwischen Probeschnittertrag und Volldruschertrag analysiert werden. Aus der Ertragsdifferenz werden dann sogenannte Korrektive (k) berechnet. (Bei einem 5-prozentigen Ernteverlust ist k = 0,95). Letztendlich kann der Landes-Bruttoertrag um das arithmetische Mittel aller Korrektive einer Fruchtart korrigiert werden.
Die genaue Ertragsberechnung im Probeschnittverfahren kann in der Technischen Anleitung zur BEE9 oder im Erntebericht des BMEL von 202210 nachgelesen werden.
Bei der BEE handelt es sich in Ländern mit Probeschnittverfahren um ein dreistufiges Stichprobenverfahren mit den Auswahlstufen landwirtschaftlicher Betrieb (1), Feld (2) und Probefläche (3). In Ländern mit reinem Volldruschverfahren reduziert sich durch den Wegfall der Probefläche die Anzahl der Stufen auf zwei.
Vor- und Nachteile Probeschnitte vs. Volldrusche
Probeschnitte liefern frühzeitig erste Einblicke in die Ernte, da sie vor dem Drusch durchgeführt werden. Dies ist zum einen bei spät reifenden Kulturarten und zum anderen in Jahren mit verzögerter Ernte, zum Beispiel durch Kühle und/oder Nässe von Vorteil, da dann rechtzeitig genug Daten für die erste Ernteschätzung Mitte bis Ende August vorliegen. In diesem Zeitraum liegt jährlich der erste Daten-Liefertermin an das Statistische Bundesamt, das dann die bundesweite erste Ernteschätzung veröffentlicht. Probeschnitte sind außerdem für die Auskunftsgebenden aufwandsärmer, da keine externe Waage angefahren werden muss.
Das Verfahren mit Probeschnitten beinhaltet jedoch auch Nachteile. Das Zeitfenster zwischen Probeschnitt und Volldrusch auf derselben Fläche darf nicht zu groß sein, da sich sonst die Probeschnitt- und Volldruscherträge stark unterscheiden und die Korrektive größer ausfallen. Wenn in der Zeit zwischen Probeschnitt und Volldrusch ein Wetterereignis wie zum Beispiel Starkregen die Ernte (teilweise) vernichtet, fallen auch die Korrektive entsprechend höher aus und führen zu Ungenauigkeiten in der landesweiten Erntebestimmung. Außerdem werden Probeschnitte zum großen Teil im Hochsommer händisch durchgeführt – eine aufwändige sowie von den Erhebungsbeauftragten teilweise unterschiedlich sorgfältig erledigte Aufgabe. Das Ausdreschen der Körner an einem alten Standmähdrescher forderte zudem regelmäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten, was ebenfalls für die Abschaffung der Probeschnitte sprach.
Da die Ernte aufgrund des Klimawandels im Jahr immer weiter nach vorne rückt, liegen zum ersten Ergebnistermin Ende August in der Regel schon ausreichend Volldruschdaten vor, um einen Einblick in die Ernte zu erlangen. Aus diesem Grund sowie der vereinfachten Datenerfassung ohne Qualitätsminderungen sowie der Vereinheitlichung über alle Fruchtarten hinweg hat das Statistische Landesamt Baden-Württemberg seit 2023 die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung auf das reine Volldruschverfahren umgestellt.
In kühleren oder nassen Jahren mit verzögerter Ernte muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Erträge zwischen den Ergebnisveröffentlichungen noch stärker verändern können.
Resümee nach einem Jahr
Das Erntejahr 2023 war gekennzeichnet von einer anfänglichen Hitzeperiode vor und zu Beginn der Ernte. Die Wintergerstenernte konnte noch eingefahren werden, bevor eine länger anhaltende Regenphase weitere Drusche verzögerte. Dies führte dazu, dass sich Erträge sowie die Qualität der restlichen Fruchtarten deutlich verschlechterten. Fruchtarten, über die zum ersten Ergebnis erst wenige Daten vorlagen, veränderten ihren Ertrag nach dem Regen noch deutlich bis zum zweiten Ergebnis im September. Davon waren vor allem die Sommer-Getreidearten Sommergerste und Hafer betroffen (Tabelle 2). Veränderungen zwischen vorläufigem und endgültigem Ergebnis sind jedoch nichts Ungewöhnliches und auch im Probeschnittverfahren üblich. Die BEE 2023 konnte trotz der ungewöhnlichen Wetterbedingungen erfolgreich mit fast allen vorgesehen Volldruschen durchgeführt werden. Auch im Jahr 2024 wird die BEE deshalb im reinen Volldruschverfahren durchgeführt.
Aussicht: Weitere Änderungen in der BEE
Bislang werden in der BEE die Erträge insgesamt, also sowohl von konventionellen als auch von ökologisch bewirtschafteten Betrieben ausgewiesen, da bei der Stichprobenziehung die Art der Bewirtschaftung nicht unterschieden wird.
Aufgrund des steigenden öffentlichen und politischen Interesses an ökologischer Landwirtschaft sollen Erträge und Erntemengen laut EU-Verordnung11 ab 2025 getrennt nach konventionell und ökologisch dargestellt werden. Hierfür wird künftig eine getrennte Stichprobe je Anbauart gezogen. Da Fruchtarten wie Mais, Gerste oder Raps nur in geringem Umfang ökologisch produziert werden, werden dafür in der BEE keine ökologischen Stichproben gezogen werden. Lediglich bei den Kulturen Winterweizen, Hafer, Triticale (sowie in anderen Bundesländern Roggen und Kartoffeln) werden ab 2025 Öko-Erträge in der BEE erhoben. Die ökologischen Erträge anderer Kulturen werden durch die freiwillige Ernteberichterstattung abgedeckt.
Mit den methodischen und fachlichen Änderungen wird die Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung aktuellen Anforderungen wie Vereinfachung und Vereinheitlichung angepasst und modernisiert. So soll eine zeitgemäße unabhängige und korrekte Bestimmung der Getreide- und Rapsernte in Baden-Württemberg sichergestellt werden.