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Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttolöhne und -gehälter in den Dienstleistungsbereichen 1991 bis 2023

Zu den heiß diskutierten Themen in Ostdeutschland zählt der immer noch bestehende Abstand zu Westdeutschland beim Lohn- und Gehaltsniveau. Im Rahmen der Untersuchungsreihe »Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich« konnte anhand von Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen festgestellt werden, dass 1991, also im ersten Jahr nach der Wiedervereinigung, die Bruttolöhne und -gehälter gesamtwirtschaftlich in Baden-Württemberg mehr als doppelt so hoch waren wie in Thüringen. Die damals fast 11 600 Euro je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer (AN) umfassende Lohn- und Gehaltslücke konnte im Zuge eines beachtlichen Aufholprozesses bis 1993 auf gut 8 400 Euro je AN verringert werden, blieb aber bis 2023 mit knapp 8 500 Euro je AN ungefähr auf diesem Level. Der in Thüringen seit 1991 im Vergleich zu Baden-Württemberg kräftigere Anstieg der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter hat damit die absolute Differenz nicht verringert, wohl aber relativ gesehen zu einer Entspannung geführt: Die auf den Wert Baden-Württembergs bezogene Lohn- und Gehaltslücke Thüringens ist von 51,5 % im Jahr 1991 auf 18,3 % im Jahr 2023 zurückgegangen.1

Deutlich ausgeprägter sind die Unterschiede zwischen beiden Ländern im Produzierenden Gewerbe. In diesem Bereich konnte Thüringen trotz überproportionaler Lohn- und Gehaltszunahmen zwischen 1991 und 2023 die Lücke zu Baden-Württemberg nicht schließen, sie hat sich innerhalb dieser 32 Jahre sogar von gut 15 200 auf knapp 16 600 Euro je AN erhöht und war damit 2023 fast doppelt so hoch wie im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt; auch bei relativer Betrachtung war die Abschwächung mit 59,4 % im Jahr 1991 auf 29,6 % im Jahr 2023 erheblich geringer. Ursächlich für diese Entwicklung war vor allem das Verarbeitende Gewerbe, wo Thüringen – wie alle ostdeutschen Flächenländer – historisch bedingt nach wie vor erhebliche strukturelle Nachteile aufweist. Beim Baugewerbe, wo technologische Unterschiede deutlich geringer sind, hat die Lohn- und Gehaltslücke dagegen absolut und relativ spürbar abgenommen.2

Dienstleistungsbereiche insgesamt

  • Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer

Eine merkliche Verringerung der Lohn- und Gehaltsabstände ist auch bei den grundsätzlich personalintensiveren Dienstleistungsbereichen zu beobachten. Im Durchschnitt aller privaten und öffentlichen Dienstleister hat sich die Abweichung der Bruttolöhne und -gehälter zwischen Baden-Württemberg und Thüringen im Zeitraum 1991 bis 2023 von 8 801 auf 4 677 Euro je AN reduziert. Wie Schaubild 1 zeigt, hat der Rückgang vor allem in den ersten 3 Jahren (1991 bis 1993) stattgefunden, als sich die Lücke von 8 801 über 7 500 auf 5 844 Euro je AN und damit um 2 957 Euro je AN vermindert hat. Relativ betrachtet, also bezogen auf den Wert Baden-Württembergs, hat die Lücke von 43,9 % über 35,2 % auf 26,8 % abgenommen (Tabelle 1, oberer Block). In den beiden Folgejahren 1994 und 1995 wurde die 5 000er-Marke mit 5 566 bzw. 5 139 Euro je AN ebenfalls noch übertroffen. Nach 1995 hat sich der Lohn- und Gehaltsabstand Thüringens – mit insgesamt leicht abnehmender Tendenz – in einer Bandbreite zwischen 4 500 und 5 300 Euro je AN bewegt und 2023 bei 4 677 Euro je AN eingependelt. Bezogen auf das Lohn- und Gehaltsniveau Baden-Württembergs hat sich der Unterschied bis 2023 auf 11,7 % und damit um fast drei Viertel gegenüber 1991 (43,9 %) verringert.

Die nach 1995 ziemlich konstanten Lohn- und Gehaltsunterschiede sind die Folge einer in diesem Zeitraum recht parallelen Entwicklung Baden-Württembergs und Thüringens beim absoluten Lohn- und Gehaltsniveau, wie aus Schaubild 1 deutlich hervorgeht. Demgegenüber haben die Bruttolöhne und -gehälter unmittelbar nach der Wiedervereinigung, also von 1991 bis 1995, in Thüringen +6 169 Euro je AN erheblich stärker zugenommen als in Baden-Württemberg mit +2 507 Euro je AN (Tabelle 1). Bedingt durch das niedrigere Ausgangsniveau ist der prozentuale Anstieg in Thüringen mit +102,7 % zwischen 1995 und 2023 bzw. +213,9 % zwischen 1991 und 2023 deutlich kräftiger ausgefallen als in Baden-Württemberg mit +77,2 % bzw. +99,4 %. Auch im Zeitraum 2000 bis 2023 hat Thüringen mit +87,8 % Baden-Württemberg mit +71,5 % noch überboten (Tabelle 1). Im Vergleich zum Niveau in Deutschland insgesamt hat Thüringen 1991 noch einen Abstand von 39,1 % hinnehmen müssen, bis 2023 wurde er kontinuierlich auf 11 % reduziert. Umgekehrt hat Baden-Württemberg den gesamtdeutschen Wert 1991 um 7,1 % übertroffen, 2023 nur noch um 0,8 %. Schließlich ist, wie Schaubild 1 erkennen lässt, Thüringen bei den Pro-Kopf-Löhnen und -gehältern nur 1991 leicht über dem Durchschnittsniveau der ostdeutschen Flächenländer geblieben, wogegen Baden-Württemberg bis 2002 den Durchschnitt der westdeutschen Länder ohne Berlin knapp verfehlt und danach stets übertroffen hat.

  • Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die Daten des Arbeitskreises »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« erlauben auch eine Analyse der je geleisteten Arbeitsstunde gezahlten Bruttolöhne und -gehälter und damit des Einflusses unterschiedlicher Arbeitszeiten, allerdings erst ab dem Jahr 2000.3 Danach sind die Bruttolöhne und -gehälter in den Dienstleistungsbereichen zwischen 2000 und 2023 in Thüringen je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ASt) noch deutlicher angestiegen als je Kopf der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie eine Gegenüberstellung der Zahlen im unteren und im oberen Block von Tabelle 1 zeigt: Einer Zunahme um 112,6 % (von 12,81 auf 27,23 Euro je ASt) in Thüringen stand ein Zuwachs in Baden-Württemberg um 73,7 % (von 18,23 auf 31,66 Euro je ASt) gegenüber; bezogen auf die Anzahl der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer waren es wie ausgeführt +87,8 % und +71,5 % und damit vor allem in Thüringen merklich weniger. Demzufolge hat sich die relative Lohn- und Gehaltslücke bei der Betrachtung je Arbeitsstunde zwischen 2000 und 2023 rascher verringert (von 29,7 % auf 14 % und damit um 15,7 Prozentpunkte) als je Beschäftigten (von 19,4 % auf 11,7 % und damit um 7,7 Prozentpunkte).

Beim Indikator »Deutschland = 100« offenbaren sich ebenfalls bemerkenswerte Abweichungen: Für Baden-Württemberg errechnet sich bei Bezugnahme auf die geleisteten Arbeitsstunden für 2000 mit 105,4 % eine höhere Relation als je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer mit 101,5 %, allerdings erfolgte danach eine Angleichung beider Indikatoren in Richtung 101 %. Umgekehrt verhält es sich in Thüringen, wo die Vergleichswerte mit Bezug auf die geleisteten Arbeitsstunden (2000: 74,1 %; 2023: 87,1 %) durchweg niedriger ausgefallen sind als je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer (81,8 % und 89 %), allerdings auch hier mit tendenzieller Angleichung. Ursächlich für diese unterschiedlichen Gegebenheiten bzw. Entwicklungen ist eine nach wie vor höhere individuelle Arbeitszeit in Thüringen, beispielsweise wegen tariflicher Vereinbarungen oder weniger Teilzeitarbeit. Tatsächlich haben die in Dienstleistungsbereichen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2000 in Baden-Württemberg 1 278,6 ASt je AN gearbeitet, in Thüringen dagegen 1 466,5 ASt je AN und damit 187,9 ASt je AN mehr oder, bezogen auf den Wert Baden-Württembergs, satte 14,7 %. 2023 war der Unterschied mit 1 262,6 zu 1 296 ASt je AN schon deutlich geringer, der Abstand ist auf 33,4 ASt je AN oder 2,7 % geschrumpft.

Das bei den Dienstleistungsbereichen in Baden-Württemberg für 2000 gemessene Niveau (18,23 Euro je ASt) wurde in Thüringen bereits 2014 (18,37 Euro je ASt) erreicht und damit früher als im Produzierenden Gewerbe (2018) und in der Gesamtwirtschaft (2016). Oder in einer anderen Vergleichsrechnung: Mit dem für 2023 ermittelten Niveau von 27,23 Euro je ASt hat Thüringen mit einem ähnlich hohen Wert von Baden-Württemberg (27,36 Euro je ASt) im Jahr 2019 gleichgezogen, beim Produzierenden Gewerbe hat Thüringen 2023 gerade mal das vergleichbare Niveau Baden-Württembergs zum Jahr 2009 erreicht. Das insoweit raschere Aufholen Thüringens bei den Dienstleistungen dürfte vor allem mit den dort höheren Tarifbindungen zusammenhängen, nicht zuletzt im Öffentlichen Dienst.

Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation

  • Gesamtbereich

Der Bereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation umfasst überwiegend privat durchgeführte Dienstleistungen, gewichtige Ausnahmen sind der Öffentliche Personennahverkehr, die Deutsche Bahn sowie die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Der Bereich gehört zu den größeren Dienstleistern: Sein Anteil an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aller Dienstleistungsbereiche lag in Baden-Württemberg 1991 bei 40,4 %, 2000 bei 37,2 % und 2023 bei 35,8 %; in Thüringen sind die Anteilswerte in diesen Eckjahren um 4 bis 5 Prozentpunkte niedriger ausgefallen, und zwar 1991 mit 35,5 %, 2000 mit 33,2 % und 2023 mit 30,9 %. In beiden Ländern hat sich damit das Gewicht innerhalb der Dienstleistungsbereiche verringert.

Im gesamten Zeitraum 1991 bis 2023 lagen die in diesem Dienstleistungsbereich gezahlten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer in Baden-Württemberg ziemlich genau auf dem Niveau der Dienstleistungen insgesamt, in Thüringen dagegen darunter, wie ein Vergleich der Tabellen 1 und 2, erster Block zeigt. Dementsprechend war die Lohn- und Gehaltslücke beider Länder bei diesem Wirtschaftsbereich höher als im Durchschnitt aller Dienstleister, und sie hat in der Tendenz zugenommen. So hat der Lohn- und Gehaltsabstand bei den Dienstleistungen insgesamt zwischen 1991 und 2000 von 8 801 auf 4 520 und damit um beachtliche 4 281 Euro je AN abgenommen und sich dann bis 2023 in einer Bandbreite von 4 700 bis 5 300 Euro je AN bewegt (Schaubild 1). Demgegenüber erfolgte bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation zwischen 1991 und 2000 zwar auch eine Abnahme von 9 679 auf 6 258 und damit um immerhin 3 421 Euro je AN, danach jedoch ein Anstieg bis 2023 um 4 092 auf 10 350 Euro je AN, womit der Wert von 1991 in Höhe von 9 679 Euro je AN sogar wieder übertroffen wurde (Schaubild 2). Demzufolge hat der Abstand auch relativ gesehen, also bezogen auf die Werte Baden-Württembergs, von 1991 bis 2023 bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation deutlich schwächer abgenommen, nämlich von 49,9 % auf 25,6 %. Der Rückgang erfolgte recht kontinuierlich, unterbrochen lediglich durch einen leichten Anstieg zwischen 2000 und 2010 (Tabelle 2).

Die absolute Lohn- und Gehaltslücke hat sich also nach 2000 ausgeweitet, obwohl die Bruttolöhne und -gehälter bis 2023 in Thüringen mit +83,7 % etwas stärker zugenommen haben als in Baden-Württemberg mit +78,7 %; verantwortlich hierfür ist auch hier die niedrigere Ausgangsbasis in Thüringen. Im Gesamtzeitraum 1991 bis 2023 war der Wachstumsunterschied mit +210,5 % gegenüber +108,9 % noch ausgeprägter, im Wesentlichen bedingt durch ein zwischen 1991 und 1995 in Thüringen deutlich kräftigeres Wachstum als in Baden-Württemberg: absolut +5 696 im Vergleich zu +2 348 Euro je AN bzw. prozentual +58,6 % gegenüber +12,1 %. Wie in der Gesamtwirtschaft und bei den Dienstleistungsbereichen insgesamt haben also Thüringen und die anderen ostdeutschen Flächenländer in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung besonders viel an Boden gewonnen (Schaubild 2). Dadurch hat sich bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation auch der Abstand Thüringens zum bundesdeutschen Durchschnitt verringert, von 45,7 % im Jahr 1991 über 27,6 % im Jahr 1995 auf 22 % im Jahr 2023. Baden-Württemberg hatte den Durchschnitt 1991 um 8,4 % übertroffen, 1995 nur noch um 2,1 % und 2023 um 4,3 %. Im Vergleich zu Westdeutschland ohne Berlin wurden in Baden-Württemberg von 1991 bis 2001 geringere Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter gezahlt, danach höhere mit durchaus wachsendem Abstand. Thüringen blieb dagegen im gesamten Zeitraum hinter den ostdeutschen Flächenländern zurück; vor allem in Sachsen und in Brandenburg wurden durchweg höhere Löhne und Gehälter erzielt.

  • Teilbereiche

Der Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« stellt auch Ergebnisse für einzelne Teilbereiche zur Verfügung, in diesem Falle für Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe einerseits sowie Information und Kommunikation andererseits, allerdings nur für die Jahre 2000 bis 2022. Der Teilbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewebe kann überdies für die Jahre 2008 bis 2022 noch für drei Unterbereiche näher untersucht werden.

Die zwischen Baden-Württemberg und Thüringen existierende Lohn- und Gehaltslücke im Teilbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe ist von 2000 bis 2005 recht kräftig von 5 477 auf 6 348 Euro je AN angestiegen und hat sich danach bis 2022 in einer Bandbreite von 6 000 bis 6 900 Euro je AN bewegt – für einzelne Eckjahre wird dies durch Zahlen in Tabelle 2, mittlerer Block, verdeutlicht. Für die relative Lücke, also bezogen auf den Wert von Baden-Württemberg, hat sich zwischen 2000 und 2022 eine Verringerung von 25,7 % auf 19,7 % eingestellt, die Verbesserung aus Thüringer Sicht ist also stärker ausgefallen als im Gesamtbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation mit einem nur leichten Rückgang von 27,6 % auf 25,6 %. Demgegenüber hat sich der Lohn- und Gehaltsabstand beim Teilbereich Information und Kommunikation erheblich kräftiger ausgeweitet, absolut von 8 565 auf 22 487 Euro je AN (und damit auf mehr als das Zweieinhalbfache) und relativ von 26,9 % auf 31,1 % (Tabelle 2, unterer Block). Dass dieser enorme Anstieg bei Information und Kommunikation im Gesamtbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation nicht stärker durchgeschlagen hat, ist dem Umstand zu verdanken, dass die bei Information und Kommunikation beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg 2000 nur 13,2 % und 2022 nur 14,2 % des Gesamtbereichs ausgemacht haben, in Thüringen sogar lediglich 8,1 % bzw. 8,5 %.

Die rasante Ausweitung der Lohn- und Gehaltslücke im Teilbereich Information und Kommunikation ist letztlich darauf zurückzuführen, dass dort der Zuwachs der Bruttolöhne und -gehälter je AN zwischen 2000 und 2022 in Baden-Württemberg mit +126,1 % stärker ausgefallen ist als in Thüringen mit +112,7 %. Immerhin konnten beide Länder auf ein überproportionales Wachstum ihrer Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter zurückblicken, gemessen am gesamtdeutschen Durchschnitt hat Baden-Württemberg in diesen 12 Jahren von 90,4 % auf 104,8 % zugelegt, Thüringen von 66,1 % auf 72 %. Nach wie vor schneiden Bayern und Hessen im Westen sowie Brandenburg und Sachsen im Osten aufgrund jeweils stärkerer Verankerung bei Medien, Funk und Fernsehen besser ab. Im Teilbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe hatte dagegen Thüringen beim Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer um +65 % im Vergleich zu Baden-Württemberg mit +52,6 % die Nase vorne. Der Vorsprung gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnittswert blieb dadurch in Baden-Württemberg 2000 und 2022 unverändert bei 3,9 %, in Thüringen hat sich der Rückstand von 27,8 % auf 16,6 % verringert.

Abschließend sei noch auf einige Hintergründe der Lohn- und Gehaltslücke zwischen Baden-Württemberg und Thüringen im Teilbereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe hingewiesen. Zwischen 2008 und 2002 hat sie sich absolut von 6 708 auf 6 400 Euro je AN und relativ von 27,7 % auf 19,7 % verringert. Im gemessen an der Beschäftigtenzahl größten Unterbereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen hat sich dagegen eine Ausweitung des Abstands von 8 963 auf 9 960 Euro je AN ergeben, relativ gesehen ist die Lücke von 33,6 % auf 27,6 % unterproportional zurückgegangen. Demgegenüber hat sich die Differenz bei Verkehr und Lagerei von 2 703 auf 1 394 Euro je AN fast halbiert, verbunden mit einem Rückgang der relativen Lücke von 11,5 % auf 4,3 %. Beim Gastgewerbe hat sich der Unterschied von 2 483 auf 830 Euro je AN und damit auf ein Drittel verringert, relativ sogar von 17,5 % auf 4,1 %. Auffallend ist, dass sich die Lohn- und Gehaltslücke sowohl bei Verkehr und Lagerei als auch beim Gastgewerbe ab 2015 merklich geschlossen hat – ab dem Jahr also, in dem der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, der naturgemäß in den ostdeutschen Ländern stärker zu Buche geschlagen hat.

Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen

  • Gesamtbereich

Auch beim Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen überwiegt das Angebot privater Dienstleistungen; bedeutende Ausnahmen finden sich in der universitären Forschung sowie im Kreditwesen mit den Zentralbanken, dem Sparkassensektor, den öffentlichen Bausparkassen und Kreditinstituten, die öffentliche Kreditaktionen durchführen wie die baden-württembergische L-Bank oder die Thüringer Aufbaubank. Der Bereich gehört eher zu den weniger gewichtigen Dienstleistern, ist aber besonders dynamisch: Der Anteil an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aller Dienstleistungsbereiche lag in Baden-Württemberg 1991 noch bei 16,2 %, 2000 schon bei 20,1 % und 2023 dann bei 21,5 %; in Thüringen hat der Bereich zwar kräftiger aufgeholt, blieb aber mit 11,1 % im Jahr 1991, 16,2 % im Jahr 2000 und 19,2 % im Jahr 2023 hinter Baden-Württemberg zurück.

Die im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer verdienten Bruttolöhne und -gehälter haben in Baden-Württemberg im gesamten Zeitraum 1991 bis 2023 den Durchschnitt aller Dienstleistungsbereiche stets um ein Zehntel bis ein Fünftel übertroffen, sie sind aber in Thüringen nur in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung überdurchschnittlich hoch ausgefallen, nämlich von 1991 bis 1997. Diese Konstellation wird aus einem Vergleich der Tabellen 1 und 3, erster Block, deutlich. In der Folge war die Lohn- und Gehaltslücke zwischen beiden Ländern bei diesem Dienstleistungsbereich durchweg höher als im Durchschnitt aller Dienstleister und hat vor allem nach 2000 überproportional zugenommen, und zwar stärker als bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation. Dies wird anschaulich durch eine Gegenüberstellung der Schaubilder 1 bis 3 unterstrichen und durch die Zahlen in Tabelle 3 erhärtet. Zwar erfolgte zwischen 1991 und 2000 ein Rückgang der Lücke von 10 283 auf 8 118 und damit um 2 165 Euro je AN, danach ging es jedoch recht steil nach oben, bis 2023 um 6 453 auf 14 571 Euro je AN; das sind außerdem 4 288 Euro je AN oder 41,7 % mehr als 1991.

Eine so große Verschärfung des Lohn- und Gehaltsabstands wurde nicht einmal im Verarbeitenden Gewerbe gemessen, wo sich der Zuwachs zwischen 1991 und 2023 auf 2 285 Euro je AN oder 13,9 % belaufen hat. Auch relativ betrachtet, also bezogen auf das Lohn- und Gehaltsniveau von Baden-Württemberg, war die Entspannung mit einer Verminderung von 43,8 % auf 30,6 % geringer als in allen anderen Wirtschaftsbereichen (Tabelle 3).

Die Vergrößerung der absoluten Lohn- und Gehaltslücke nach 2000 ist umso bemerkenswerter, als sich die Bruttolöhne und -gehälter bis 2023 in Thüringen mit +87,9 % – basisbedingt – sogar etwas stärker ausgeweitet haben als in Baden-Württemberg mit +85,1 %. Im Gesamtzeitraum 1991 bis 2023 war der Wachstumsunterschied mit +150 % gegenüber +102,5 % noch größer, im Wesentlichen aufgrund eines zwischen 1991 und 1995 in Thüringen deutlich kräftigeren Wachstums als in Baden-Württemberg: Absolut waren es +5 091 im Vergleich zu +2 935 Euro je AN und prozentual +38,5 % gegenüber +12,5 %. Genau wie in der Gesamtwirtschaft oder bei den Dienstleistungsbereichen insgesamt hat also der Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen in Thüringen nach der Wiedervereinigung zunächst stark aufgeholt (Schaubild 3), konnte diesen Prozess aber im Anschluss nicht fortsetzen. Dies lässt sich auch daraus ersehen, dass in diesem Bereich die Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter Thüringens zwischen 1991 und 1995 überproportional zugenommen und die Relation zu Deutschland insgesamt von 59,7 % auf 71,2 % gesteigert haben, sich danach aber insoweit nicht mehr verbessern konnten und 2023 mit 70,9 % einen praktisch unveränderten Wert erreicht haben. Baden-Württemberg hatte den bundesdeutschen Durchschnitt 1991 um 6,2 % überragt, 1995 nur noch um 2,9 % und 2023 um 2,1 % (Tabelle 3).

Im Vergleich zu Westdeutschland ohne Berlin wurden in Baden-Württemberg über die Jahre hinweg zumeist geringfügig niedrigere Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter gezahlt, nur zwischen 2012 und 2020 etwas höhere. Thüringen blieb ab 1992 im gesamten Zeitraum hinter den ostdeutschen Flächenländern zurück, besonders deutlich ab 1997 (Schaubild 3); erneut haben vor allem Sachsen und Brandenburg besser abgeschnitten.

  • Teilbereiche

Im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen können drei Teilbereiche mit Daten für 2000 bis 2022 untersucht werden, sie sind in Tabelle 3 im zweiten bis vierten Block zusammengestellt. Der weitaus größte und gleichzeitig besonders dynamische Teilbereich wird durch die Unternehmensdienstleister repräsentiert, er hat als einziger Teilbereich in beiden Ländern 2022 mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt als 2000: Der Anteil der Beschäftigten am Gesamtbereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen hat zwischen 2000 und 2022 in Baden-Württemberg von 67,5 % auf 79,1 % zugenommen, in Thüringen sogar von 73,7 % auf 84,2 %. Rückläufig waren dagegen die Anteilswerte aufgrund eines allgemeinen Personalabbaus bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern, in Baden-Württemberg von 25,8 % auf 15,3 % und in Thüringen von 16,1 % auf 8,8 %. Im Grundstücks- und Wohnungswesen waren 2022 in Baden-Württemberg mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt als 2000, dennoch haben die Quoten von 6,7 % auf 5,6 % abgenommen; in Thüringen hat ein stetiger Abbau des Personalbestands stattgefunden und zu einer Verringerung der Anteilswerte von 10,2 % auf 7 % geführt.

Beim Grundstücks- und Wohnungswesen fällt auf, dass dort in Thüringen in allen Jahren ab 2000 höhere Löhne und Gehälter gezahlt wurden als in Baden-Württemberg (Tabelle 3, dritter Block). Der Abstand war in den ersten 2000er-Jahren besonders hoch (2004 waren es 7 959 Euro je AN oder 44,8 % bezogen auf den Wert von Baden-Württemberg), ab 2015 hat sich dann eine kontinuierliche Verringerung bis auf 2 028 Euro je AN oder 6,2 % im Jahr 2022 ergeben. Eine wesentliche Ursache für dieses erstaunliche Phänomen dürfte in der Struktur der jeweiligen Immobilienwirtschaft zu sehen sein. So haben öffentliche und genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften – mit zumeist gut bezahlten Beschäftigten – in Thüringen und allen ostdeutschen Ländern ein viel stärkeres Gewicht als in Baden-Württemberg mit einem deutlich höheren Anteil an selbstgenutzten Häusern bzw. Wohnungen. Tatsächlich war der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Gesamtzahl der erwerbstätigen Personen 2000 im Immobilienwesen in Thüringen mit 94 % signifikant höher als in Baden-Württemberg mit 85 %. 2022 lagen beide Länder mit jeweils knapp 92 % aber schon auf gleicher Höhe; dies mag auch die genannte Verringerung der Lohn- und Gehaltsabstands erklären, der letztlich auf eine in Baden-Württemberg mit +91,5 % gegenüber Thüringen mit +49,4 % deutlich stärkere Ausweitung der Bruttolöhne und -gehälter zurückzuführen ist. Die höchsten Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter wurden in den drei Stadtstaaten und in Hessen mit dem Sitz großer Wohngesellschaften und Immobilienunternehmen erzielt, weshalb die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer im Grundstücks- und Wohnungswesen in Thüringen bis 2017 den Bundesdurchschnitt nur leicht übertroffen und danach unterboten haben; in Baden-Württemberg blieb diese Relation in allen Jahren unter 100 %, allerdings mit steigender Tendenz.

Durchweg unter dem bundesdeutschen Niveau lagen die von den Finanz- und Versicherungsdienstleistern ausgezahlten Bruttolöhne und -gehälter je AN sowohl in Baden-Württemberg als auch in Thüringen (Tabelle 3, zweiter Block); hier hatten die Länder Hessen, Hamburg, Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen mit ihren Finanzzentren einen deutlichen, im Laufe der Jahre sogar zunehmenden Vorsprung. Allerdings hat Baden-Württemberg mit seinen durchaus renommierten Bank- und Versicherungsunternehmen bei der Relation Deutschland = 100 % erheblich besser abgeschnitten (2000: 95,7 %; 2022: 90,8 %) als Thüringen (78,9 % bzw. 70,9 %). Auch war die Zunahme der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter zwischen 2000 und 2022 in Baden-Württemberg mit +55,6 % größer als in Thüringen mit +47,5 %. Demzufolge hat die Lohn- und Gehaltslücke von 2000 bis 2022 nicht nur absolut von 6 698 auf 13 001 Euro je AN stetig zugenommen, sich also fast verdoppelt, sie ist auch relativ zum Niveau Baden-Württembergs in der Tendenz angestiegen, und zwar von 17,6 % im Jahr 2000 auf 21,9 % im Jahr 2022.

Auch beim umfangreichsten Teilbereich, den Unternehmensdienstleistern, hat sich der Abstand der Bruttolöhne und -gehälter zwischen Baden-Württemberg und Thüringen von 2000 bis 2022 vergrößert, und zwar von 8 033 auf 13 851 Euro je AN (Tabelle 3, vierter Block). Bemerkenswerterweise hat bis 2018 ein recht stetiger Anstieg auf 14 413 Euro je AN stattgefunden, anschließend hat sich eine leicht darunter liegende Größenordnung eingespielt. In allen Jahren des Zeitraums 2000 bis 2022 erreichte die Lohn- und Gehaltslücke bei den Unternehmensdienstleistern ziemlich genau das Niveau des Gesamtbereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen, was auch auf das genannte hohe Gewicht der Unternehmensdienstleister innerhalb des Gesamtbereichs zurückzuführen ist. Die relative, auf den Wert Baden-Württembergs bezogene Lohn- und Gehaltslücke ist bei den Unternehmensdienstleistern von 36,9 % im Jahr 2000 zunächst auf 40 % bis 43 % angestiegen, hat sich dann aber ab 2016 stetig bis auf 32,9 % im Jahr 2022 verringert. Wie Tabelle 3 weiter zeigt, hat der Umfang der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter bei den Unternehmensdienstleistern das Niveau des Gesamtbereichs in beiden Ländern stets unterschritten, dagegen waren die Zunahmen überproportional hoch und in Thüringen mit +105,3 % etwas stärker als in Baden-Württemberg mit +93,2 %. Thüringen konnte seinen Rückstand zum Bundesdurchschnitt von 32,1 % auf 29,6 % geringfügig verringern, Baden-Württemberg hat seinen Vorsprung von 7,6 % auf 4,9 % leicht abgebaut.

Die Ausweitung der Lohn- und Gehaltslücke bei den Unternehmensdienstleistern ist vor allem auf den Unterbereich Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleister zurückzuführen, zu dem beispielsweise Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Verwaltung und Führung von Unternehmen, Architektur- und Ingenieurbüros, Forschung und Entwicklung, Werbung und Marktforschung gehören. Dieser Unterbereich hat in den Jahren 2008 und 2022 in Baden-Württemberg jeweils zur Hälfte, in Thüringen aber nur zu etwa einem Drittel zum Beschäftigtenstand der Unternehmensdienstleister beigetragen. Zwischen 2008 und 2022 hat sich die Lohn- und Gehaltslücke von 14 841 auf 19 987 Euro je AN und damit um über ein Drittel vergrößert, bezogen auf das Niveau Baden-Württembergs hat sich nur eine leichte Verringerung von 42,1 % auf 35,5 % ergeben. Sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht war der Abstand Thüringens zu Baden-Württemberg damit größer als im gesamten Teilbereich Unternehmensdienstleister. Deutlich geringer war der Abstand beim Unterbereich Sonstige Unternehmensdienstleister mit so unterschiedlichen Dienstleistungen wie Vermietung von beweglichen Sachen, Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften, Reisebüros, Wach- und Sicherheitsdienste, Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau. Bei den Sonstigen Unternehmensdienstleistern wurden deutlich geringere Bruttolöhne und -gehälter erzielt als bei den Freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern, in Baden-Württemberg sind sie im Betrachtungszeitraum je AN nicht einmal halb so hoch ausgefallen, in Thüringen erreichten sie drei Fünftel bis zwei Drittel. Die Lohn- und Gehaltslücke belief sich bei den in Thüringen überdurchschnittlich stark vertretenen Sonstigen Unternehmensdienstleistern im Jahr 2008 auf absolut 3 914 und 2022 auf 3 127 Euro je AN, relativ hat sie sich von 23,9 % auf 11,5 % mehr als halbiert. Auch in diesem Unterbereich war ab 2015 in Thüringen ein besonders ausgeprägter Anstieg der Löhne und Gehälter und damit eine merkliche Verringerung des Abstands zu Baden-Württemberg zu beobachten.

Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte

  • Gesamtbereich

Der Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte ist überwiegend auf den Bedarf privater Personen und Haushalte ausgerichtet. Gemessen am Beschäftigtenstand ist er der größte der drei Dienstleistungsbereiche, der Anteil an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aller Dienstleistungsbereiche belief sich in Baden-Württemberg 1991 auf 43,7 % und 2000 sowie 2023 auf 42,7 %, in Thüringen 1991 auf 53,4 %, 2000 auf 50,6 % und 2023 auf 49,9 %. Im Gegensatz zu den beiden anderen Dienstleistungsbereichen waren damit Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte in Thüringen stärker vertreten als in Baden-Württemberg. Die leichten Anteilsverluste in beiden Ländern erklären sich vor allem durch die Dynamik des Bereichs Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen.

Bei der Gegenüberstellung beider Länder sind zwei Aspekte besonders auffällig: Zum einen sind die Bruttolöhne und -gehälter in diesem Bereich seit 1991 in Baden-Württemberg stets unter dem Niveau des gesamten Dienstleistungsbereichs geblieben, aber in Thüringen darüber (Tabelle 4 im Vergleich zu Tabelle 1). Auch im Vergleich zum Lohn- und Gehaltsniveau bei Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation (Tabelle 2) haben Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte in Baden-Württemberg in den meisten Jahren etwas schlechter, dagegen in Thüringen durchgehend und außerdem deutlich besser abgeschnitten. Zum anderen hat die insoweit recht gute Bezahlung in Thüringen dazu geführt, dass die in diesem Dienstleistungsbereich beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 2011 auf höhere Bruttolöhne und -gehälter zurückblicken konnten als in Baden-Württemberg, 2022 und 2023 im Übrigen auch je Arbeitsstunde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wie Schaubild 4 und Tabelle 4 eindrucksvoll zeigen, hat 1991 noch ein Abstand zugunsten Baden-Württembergs in Höhe von 7 513 Euro je AN bzw. beachtlichen 38,8 % bestanden. Er hat sich danach deutlich verringert, schon 1994 war er mit 3 688 Euro je AN bzw. 17,5 % weniger als halb so hoch. Nach weiteren, stetigen Verminderungen wurde dann 2011/2012 der Kipppunkt erreicht, der Vorsprung Baden-Württembergs (149 Euro je AN bzw. 0,6 %) hat sich in einen Vorsprung Thüringens (–61 Euro je AN bzw. –0,2 %) gedreht. Mindestens genauso bemerkenswert ist die anschließende, kontinuierliche Ausweitung des Thüringer Vorsprungs bis auf –3 658 Euro je AN oder –10,3 % im Jahr 2023.

Diese erstaunliche Umkehr der Lohn- und Gehaltslücke ist auf die überdurchschnittliche Zunahme der Bruttolöhne und -gehälter in Thüringen zurückzuführen, wo sich zwischen 1991 und 2023 ein Wachstum von 11 850 auf 39 342 Euro je AN oder um 232 % ergeben hat. Demgegenüber ist der Anstieg in Baden-Württemberg von 19 363 auf 35 684 Euro je AN und damit um 84,3 % erheblich geringer ausgefallen – das sind nur gut ein Drittel des prozentualen Wachstums in Thüringen. Wie aus Tabelle 4 weiter hervorgeht, waren die Zunahmen in Thüringen in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung besonders ausgeprägt, 1992 mit +21,7 % und 1993 mit +16,4 % sogar zweistellig. Aber auch beim Anstieg zwischen 2000 und 2023 hatte Thüringen mit +89,8 % gegenüber Baden-Württemberg mit +56,9 % die Nase deutlich vorne. Entsprechend der genannten Entwicklung der Lohn- und Gehaltslücke lag Thüringen zunächst unter dem Niveau von Deutschland insgesamt (1991 um 35,4 %), hat den Rückstand schrittweise verringert und ab 2012 in einen Vorsprung umgekehrt, der bis 2023 auf 6,4 % angewachsen ist. Demgegenüber hat sich für Baden-Württemberg 1991 noch ein Vorsprung gegenüber dem bundesdeutschen Niveau um 5,5 % ergeben; er hat sich danach tendenziell verkleinert und ab 2013 in einen Rückstand gedreht, der bis 2023 auf 3,5 % angewachsen ist. Weiterhin erwähnenswert ist, dass die in diesem Bereich gezahlten Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter in Thüringen bis 2000 den Durchschnitt der anderen ostdeutschen Flächenländer zumeist leicht unterschritten, danach aber stets übertroffen haben (Schaubild 4). Demgegenüber ist Baden-Württemberg in allen Jahren hinter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder zurückgeblieben; neben Berlin war die Bezahlung vor allem in den beiden anderen Stadtstaaten sowie in Hessen und in Bayern besser.

  • Teilbereiche

Worauf ist diese erstaunliche Situation im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte zurückzuführen? Wichtige Hinweise gibt eine Betrachtung der beiden Teilbereiche für die Jahre 2000 bis 2022 (Tabelle 4, zweiter und dritter Block). Den gemessen an der Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer größeren und gleichzeitig dynamischeren Teilbereich stellen Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit dar: Zwischen 2000 und 2022 hat die Anzahl der Beschäftigten in Baden-Württemberg um 32,5 % und in Thüringen um 3,7 % zugenommen, die entsprechenden Anteile am Gesamtbereich haben sich in Baden-Württemberg von 78,7 % auf 81,2 % erhöht, in Thüringen sogar von 82,4 % auf 86,6 %. Für Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte wurde in Baden-Württemberg eine deutlich geringere Zunahme der Beschäftigung um 13,1 % ermittelt, für Thüringen sogar eine Abnahme um 25 % und in der Folge ein in Baden-Württemberg geringerer Anteilsverlust von 21,3 % auf 18,8 % als in Thüringen von 17,6 % auf 13,4 %.

Aufgrund des stärkeren Personalbestands des Teilbereichs Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit verwundert es nicht, dass er die Gegebenheiten des Gesamtbereichs maßgeblich mitbestimmt. Dies betrifft, wie aus Tabelle 4 hervorgeht, insbesondere Umfang und Entwicklung der Lohn- und Gehaltslücke: Von 2000 bis 2011 (Gesamtbereich) bzw. bis 2013 (Teilbereich) wurde ein positiver, aber jeweils abnehmender Abstand zugunsten Baden-Württembergs und danach ein jeweils positiver und deutlich zunehmender Abstand zugunsten Thüringens gemessen. Im Teilbereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit belief sich aus baden-württembergischer Sicht die Lohn- und Gehaltslücke im Jahr 2000 auf 2 990 Euro je AN oder 12,1 %, im Jahr 2022 auf –2 385 Euro je AN oder –6,5 %. Beim Wachstum der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer blieb der Teilbereich mit +48,6 % in Baden-Württemberg und +80 % in Thüringen jeweils hinter dem Gesamtbereich mit +56,9 % bzw. +89,8 % zurück. Bei der Relation zum Niveau Deutschland insgesamt = 100 % lagen die Werte des Teilbereichs in Baden-Württemberg zumeist etwas über, in Thüringen etwas unter denjenigen des Gesamtbereichs.

Der deutlich kleinere Teilbereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte hat in den meisten Jahren ähnlich abgeschnitten wie der Teilbereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit. Insbesondere haben die Pro-Kopf-Löhne und Gehälter Thüringens ab 2013 auch dort das Niveau Baden-Württembergs übertroffen, und zwar noch deutlicher (Tabelle 4). So hat in diesem Teilbereich die Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Thüringens 2022 beachtliche 2 499 Euro je AN oder 10,7 % des Werts von Baden-Württemberg betragen. Allerdings hatte Thüringen bereits in den Jahren 2000 bis 2002 einen Vorsprung eingefahren, beispielsweise 2000 mit 614 Euro je AN oder 4 %; nur zwischen 2003 und 2012 wurde für Baden-Württemberg ein Vorsprung ermittelt. Spiegelbildlich dazu stellt sich die Situation beider Länder bei der Relation Deutschland = 100 % dar. Erreicht wurde der 2022 hohe Vorsprung Thüringens durch eine gegenüber 2000 mit +62,5 % größere Steigerung der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter als in Baden-Württemberg mit +52,7 %.

Beide Teilbereiche haben also sowohl beim Wachstum der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter zwischen 2000 und 2022 als auch beim Vorzeichen der Lohn- und Gehaltslücke in den meisten Jahren recht ähnlich abgeschnitten. Die Hintergründe dieser Gleichartigkeit sind jedoch fundamental verschieden; dies zeigt eine nähere Untersuchung beider Teilbereiche anhand der Tabellen 5 und 6, wo Strukturdaten von jeweils drei Unterbereichen für die Jahre 2008 bis 2022 zusammengestellt sind.

Aus Tabelle 5 lässt sich zunächst ersehen, dass innerhalb des Teilbereichs Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit im Unterbereich Gesundheits- und Sozialwesen in beiden Ländern die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt waren, und zwar mit zunehmender Tendenz. Allerdings war das Lohn- und Gehaltsniveau im Gesundheits- und Sozialwesen, das vor allem bei den Arzt- und Zahnarztpraxen eine hohe Selbstständigenquote aufweist, unter allen drei Unterbereichen mit Abstand am niedrigsten. Weil aber in diesem Unterbereich die in Baden-Württemberg beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchweg höhere Bruttolöhne und -gehälter erzielen konnten als ihre Thüringer Kolleginnen und Kollegen, wurde der Vorsprung Thüringens im Teilbereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit ab 2014 bzw. im Gesamtbereich ab 2012 (Tabelle 4) erheblich gedämpft. Dass der Vorsprung Baden-Württembergs bei Gesundheits- und Sozialwesen zwischen 2008 und 2022 deutlich abgeschmolzen ist (von 1 183 auf 146 Euro je AN bzw. von 5,2 % auf 0,5 %), ist auch auf den ab 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn zurückzuführen, von dem die Thüringer Beschäftigten überdurchschnittlich profitiert haben.

In den beiden anderen Unterbereichen waren im Untersuchungszeitraum sowohl in Baden-Württemberg als auch in Thüringen erheblich weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt als im Gesundheits- und Sozialwesen, ab 2015 waren es zusammengenommen weniger als die Hälfte des gesamten Teilbereichs Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit. Das Lohn- und Gehaltsniveau war dagegen jeweils überdurchschnittlich hoch. Beim Unterbereich Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung wurden in allen Jahren seit 2008 in Thüringen brutto höhere Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter gemessen als in Baden-Württemberg, und dies in zunehmendem Ausmaß: Zwischen 2008 und 2022 ist der Vorsprung Thüringens von 312 auf 5 972 Euro je AN oder – bezogen auf das baden-württembergische Niveau – von 1 % auf 14,3 % angewachsen. Im Unterbereich Erziehung und Unterricht, wozu das gesamte Vorschul-, Schul- und Hochschulwesen gehört, war die Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Thüringens 2022 mit 4 879 Euro je AN oder 12 % ähnlich ausgeprägt. Allerdings hat sich ein Vorsprung Thüringens erst ab 2012 eingestellt, davor hatte Baden-Württemberg die Nase vorn, 2008 mit einem Vorsprung von 2 446 Euro je AN oder 8 %.

Was ist die Ursache für die in Tabelle 5 dargelegte Situation in diesen beiden Dienstleistungsbereichen? Da in beiden Unterbereichen der öffentliche Dienst entweder ganz oder teilweise dominiert, spielt zunächst die 2008 bei den unteren und 2010 auch bei den oberen Entgeltgruppen erfolgte vollständige Tarifangleichung der Ostgehälter an das Westniveau eine entscheidende Rolle. Ab 2015 erfolgte dann auch eine schrittweise Angleichung der Jahressonderzahlungen. Dass dann aber in Ostdeutschland bzw. in Thüringen auch noch höhere Bruttolöhne und -gehälter erzielt wurden als in Westdeutschland bzw. in Baden-Württemberg, erklärt sich durch verschiedene Faktoren. Der wohl wichtigste ist in der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zu sehen. Nach den Ergebnissen der Personalstandstatistik arbeiten in Thüringen deutlich mehr Beschäftigte im Öffentlichen Dienst in Vollzeit: 2021 waren es dort im Landesbereich 72,4 % und im kommunalen Bereich 59,9 % und damit signifikant mehr als in Baden-Württemberg mit 60,5 % bzw. 56,4 %.4 Verstärkt durch die in Thüringen nach wie vor etwas längere Wochenarbeitszeit hat dies dazu geführt, dass nach den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen die im gesamten Teilbereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit Beschäftigten 2022 in Thüringen mit 1 326 ASt je AN länger gearbeitet haben als in Baden-Württemberg mit 1 265,6 ASt je AN, das ist ein Unterschied von 60,4 ASt je AN oder 4,7 %. Folgerichtig war die in Tabelle 5 nachgewiesene Lohn- und Gehaltslücke je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer zugunsten Thüringens mit 2 385 Euro je AN oder 6,5 % prozentual deutlich umfangreicher als je geleisteter Arbeitsstunde mit 0,48 Euro je ASt oder 1,7 %. Ein weiterer Faktor ist der in Baden-Württemberg im Vergleich zu Thüringen höhere Anteil der Beamtinnen und Beamten: 2021 waren es im Landesbereich 57,5 % gegenüber 48,5 %, im kommunalen Bereich 10,5 % gegenüber 7,1 %. Dies ist insoweit von Relevanz, als in den meisten vergleichbaren Entgelt- und Besoldungsgruppen Beamtinnen und Beamte brutto weniger verdienen als Angestellte oder Arbeiterinnen und Arbeiter.5 Schließlich ergibt sich aus einer Auswertung der Altersstruktur in der Personalstandstatistik ein im Osten höheres Durchschnittsalter, was eine entsprechend umfangreichere Entlohnung nach sich zieht. Bei diesen wesentlichen Einflüssen des Öffentlichen Dienstes verwundert es im Übrigen nicht, dass bei Erziehung und Unterricht – mit einem nennenswerten Anteil privater Einrichtungen – die Umkehr der Lohn- und Gehaltslücke zu­gunsten Thüringens später erfolgte als im Unterbereich Öffentliche Verwaltung, Ver­teidigung, Sozialversicherung und nicht so ausgeprägt war.

Im Teilbereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte war das jährliche Arbeitsvolumen 2022 in Thüringen mit 1 144,9 ASt erheblich umfangreicher als in Baden-Württemberg mit 999 ASt und damit um 145,9 ASt oder beachtliche 14,6 %. Dies hat nun zu folgenden Effekten geführt: In Thüringen wurde in diesem Teilbereich je geleisteter Arbeitsstunde 2022 mit 22,72 Euro je ASt weniger verdient als in Baden-Württemberg mit 23,48 Euro je ASt, die entsprechende Lohn- und Gehaltslücke je Arbeitsstunde zugunsten Baden-Württembergs lag bei 0,76 Euro je ASt oder 3,2 %. Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsvolumina bestand demgegenüber bei der Betrachtung je Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer eine satte Lücke zugunsten Thüringens in Höhe von 2 499 Euro je AN oder 10,7 % (Tabelle 6). Tatsächlich wurden im Teilbereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte seit 2013 in Thüringen höhere Bruttolöhne und -gehälter gezahlt als in Baden-Württemberg. Die Ursachen hierfür sind bei diesem Anbieter privater Dienstleistungen jedoch komplett andere als beim Teilbereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit.

Nach Tabelle 6 wurden im Gegensatz dazu in allen drei Unterbereichen von Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte in Baden-Württemberg mehr Löhne und Gehälter pro Person ausbezahlt als in Thüringen: Bei Kunst, Unterhaltung, Erholung, wozu Theater, Museen, Archive und Bibliotheken, botanische und zoologische Gärten, Spiel-, Wett- und Lotteriewesen oder Dienstleistungen des Sports gehören, hat die entsprechende Lohn- und Gehaltslücke zwischen 2008 und 2022 sogar deutlich von 1 090 auf 4 435 Euro je AN bzw. von 5,5 % auf 13,2 % zugenommen. Bei den Sonstigen, anderweitig nicht genannten Dienstleistern – mit so unterschiedlichen Bereichen wie politische und wirtschaftliche Interessenvertretungen, kirchliche und religiöse Einrichtungen, Reparatur von Datenverarbeitungsgeräten und Gebrauchsgütern, Friseur- und Kosmetiksalons oder Bestattungswesen – war der Abstand Baden-Württembergs zu Thüringen 2008 mit 4 544 Euro je AN oder 20,3 % besonders hoch, hat sich dann aber bis 2022 deutlich auf 123 Euro je AN oder 0,4 % verringert. Beim Unterbereich Private Haushalte mit Hauspersonal, in dem Beschäftigte wie zum Beispiel Dienstpersonal, Haus­meister/-innen, Köchinnen und Köche, Gärtnerinnen und Gärtner, Hauslehrer/-innen oder Babysitter für private Haushalte tätig sind, war die Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Baden-Württembergs ebenfalls rückläufig, bezogen auf das baden-württembergische Niveau aber besonders umfangreich: Absolut hat sich zwischen 2008 und 2022 eine Verminderung von 2 222 auf 973 Euro je AN, prozentual von 29,7 % auf 10,8 % ergeben. Dabei ist davon auszugehen, dass die nach 2015 deutliche Zunahme der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter in Thüringen um 23,7 % auch hier auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zurückzuführen ist.

Zwischen 2008 und 2012 wurde also für den gesamten Teilbereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte eine niedrigere Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Baden-Württembergs gemessen als für jeden seiner drei Unterbereiche, und ab 2013 wurde sogar eine Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Thüringens ermittelt, obwohl in Baden-Württemberg in jedem Unterbereich höhere Löhne und Gehälter gezahlt wurden als in Thüringen. Ausschlaggebend für diese recht kuriose Situation sind strukturelle Effekte, die beim Unterbereich Private Haushalte mit Hauspersonal besonders deutlich zu Buche schlagen. Dort hat das Lohn- und Gehaltsniveau stets unter demjenigen in den beiden anderen Unterbereichen gelegen (Tabelle 6): 2008 hat es in Baden-Württemberg nur 36,3 % des Niveaus von Kunst, Unterhaltung, Erholung bzw. 33,5 % des Niveaus der Sonstigen Dienstleistungen erreicht, in Thüringen waren es mit 27 % bzw. 29,6 % noch weniger. Bis 2022 sind die Unterschiede sogar größer geworden, in Baden-Württemberg ist das Lohn- und Gehaltsniveau der Privaten Haushalte im Vergleich zu den beiden anderen Unterbereichen auf 27,1 % bzw. 29,7 % gefallen, in Thüringen auf 27,4 % bzw. 26,6 %. Entscheidend ist nun, dass der deutlich schlechter entlohnte Unterbereich Private Haushalte in Thüringen durchweg weniger zu den Bruttolöhnen und -gehältern des Landes beigetragen als in Baden-Württemberg: 2008 betrug der Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Teilbereich in Thüringen 14,7 % und damit erheblich weniger als in Baden-Württemberg mit 35,9 %, 2022 waren es 17,5 % gegenüber 35,1 % (Tabelle 6). Allein dadurch wurde der Umfang der Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter im gesamten Teilbereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, Sonstige Dienstleister, Private Haushalte durch die Privaten Haushalte mit Hauspersonal aufgrund ihrer jeweils geringen Entlohnung in Baden-Württemberg erheblich stärker gedämpft als in Thüringen.

Lohn- und Gehaltslücke: Zusammenfassung

Nach wie vor besteht bei den Bruttolöhnen und -gehältern ein großer Abstand zwischen West- und Ostdeutschland. Beispielsweise hat sich für Thüringen trotz deutlich überproportionaler Lohn- und Gehaltssteigerungen der Rückstand zu Baden-Württemberg im Verarbeitenden Gewerbe zwischen 1991 und 2023 von 16 479 auf 18 764 Euro je AN vergrößert, obwohl in den 1990er-Jahren zunächst eine Entspannung eingetreten ist. Erheblich besser stellt sich die Situation bei den Dienstleistungsbereichen dar, wo die Lücke insbesondere von 1991 bis 1995 deutlich von 8 801 auf 5 139 Euro je AN zurückgegangen ist und in den Folgejahren tendenziell weiter abgenommen hat; 2023 betrug der Abstand noch 4 677 Euro je AN. Relativ betrachtet, also bezogen auf den Wert von Baden-Württemberg, hat sich die Lücke von 43,9 % auf 11,7 % verringert, das ist ein Rückgang um fast drei Viertel.

Diese Entspannung aus der Sicht Thüringens hat sich jedoch nicht auf alle Dienstleistungsbereiche erstreckt, sie ist vielmehr überwiegend dem öffentlichen Dienst zu verdanken. Verantwortlich hierfür sind vor allem die inzwischen vollständige Tarifangleichung der Ostgehälter an das Westniveau, ein höherer Anteil Thüringens an Vollzeitbeschäftigten und ein größerer Anteil Baden-Württembergs an Beamtinnen und Beamten, deren Bruttogehälter in der Regel niedriger sind als diejenigen von Angestellten in vergleichbaren Entgeltgruppen. Im Ergebnis hat dies dazu geführt, dass im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte der Vorsprung Baden-Württembergs von 7 513 Euro je AN im Jahr 1991 kontinuierlich zurückgegangen ist und sich ab 2012 in einen Vorsprung Thüringens gedreht hat, der bis 2022 auf 3 124 und bis 2023 auf 3 658 Euro je AN angewachsen ist. 2022 war der Abstand zugunsten Thüringens bei den Unterbereichen Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung mit 5 972 Euro je AN sowie bei Erziehung und Unterricht mit 4 879 Euro je AN naturgemäß überdurchschnittlich groß. Dagegen hatte Baden-Württemberg beim öffentlich und privat organisierten Gesundheits- und Sozialwesen (146 Euro je AN), bei Kunst, Unterhaltung und Erholung (4 435 Euro je AN), bei den Sonstigen Dienstleistern (123 Euro je AN) und bei den Privaten Haushalten mit Hauspersonal (973 Euro je AN) durchgehend die Nase vorne.

Bei den beiden anderen, überwiegend privat erbrachten Dienstleistungsbereichen stellt sich die Situation ganz anders dar. Dort hat sich nach 1991 bis ungefähr 2000 zunächst eine Verringerung des baden-württembergischen Vorsprungs ergeben, der dann bis 2023 wieder mächtig angewachsen ist. So hat sich die Lohn- und Gehaltslücke im Bereich Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation zwischen 1991 und 2023 von 9 679 auf 10 350 Euro je AN erhöht, allerdings relativ betrachtet von 49,9 % auf 25,6 % fast halbiert. Überdurchschnittlich groß war der Abstand bei Information und Kommunikation, für 2022 wurden 22 487 Euro je AN ermittelt. Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen blieb mit 9 960 Euro je AN nur knapp unter dem Bereichsdurchschnitt. Während in diesen beiden Unterbereichen die Lohn- und Gehaltslücke zugunsten Baden-Württembergs zuletzt noch zugenommen hat, konnte für die beiden anderen Unterbereiche ein merklicher Rückgang festgestellt werden, nicht zuletzt aufgrund des 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohns: 2022 wurden entsprechende Lohn- und Gehaltsabstände für Verkehr und Lagerei in Höhe von 1 394 Euro je AN und für das Gastgewerbe in Höhe von 830 Euro je AN errechnet.

Noch umfangreicher war die Ausweitung der Lohn- und Gehaltslücke im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen mit einer Zunahme zwischen 1991 und 2023 von 10 283 auf 14 571 Euro je AN; auch die Abnahme der relativen Lücke war in diesem Zeitraum (von 43,8 % auf 30,6 %) recht schwach ausgeprägt. Am höchsten war der Vorsprung Baden-Württembergs 2022 bei den Freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern mit 19 987 Euro je AN. Wie in diesem Unterbereich, so hat sich auch bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern der Abstand zuletzt wieder merklich bis auf 13 001 Euro je AN erhöht. Rückläufig war dagegen der Vorsprung Baden-Württembergs bei den Sonstigen Unternehmensdienstleistern mit 2022 noch 3 127 Euro je AN. Beim Grundstücks- und Wohnungswesen wurden bemerkenswerterweise in Thüringen aufgrund der zahlreichen öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften pro Kopf höhere Löhne und Gehälter gezahlt als in Baden-Württemberg, 2022 belief sich der Abstand zugunsten Thüringens auf 2 028 Euro je AN.

1 Münzenmaier, Werner: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttolöhne und -gehälter 1991 bis 2022, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2024, S. 24–37.

2 Münzenmaier, Werner: Baden-Württemberg und Thüringen im Vergleich: Bruttolöhne und -gehälter im Produzierenden Gewerbe 1991 bis 2023, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2024, S. 29–39.

3 Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 1, Länderergebnisse Band 2, Arbeitnehmerentgelt, Bruttolöhne und -gehälter in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2023, Berechnungsstand August 2023/Februar 2024, Fellbach, März 2024.

4 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg wächst weiter. Fast 17 000 Beschäftigte mehr als im Vorjahr. Pressemitteilung 95/2022 vom 28.04.2022. Thüringer Landesamt für Statistik: Personalentwicklung des öffentlichen Dienstes in Thüringen im Jahr 2021. Pressemitteilung 87/2022 vom 05.05.2022.

5 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie: Vergleich Tarif/Besoldung.