Struktur und aktuelle konjunkturelle Entwicklung des Handwerks in Baden-Württemberg
Das Handwerk ist eine wichtige und verlässliche Säule der Wirtschaft und des Mittelstandes in Baden-Württemberg. Die Entwicklungen im Handwerk beeinflussen dabei nicht nur das wirtschaftliche Geschehen, sondern betreffen auch unseren persönlichen Lebensbereich, von den frischen Brötchen am Sonntagmorgen bis hin zu Reparaturen in den eigenen vier Wänden. Aufgrund der Vielfalt des Handwerks dürfte es niemanden geben, der nicht schon einmal auf die Leistungen des Handwerks angewiesen war.
Allerdings gibt es auch Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht. Die Coronapandemie traf mit ihren Maßnahmen zur Kontaktreduzierung einige Handwerke empfindlich. Nachdem Anfang 2023 die letzten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie eingestellt wurden, gibt es neue Herausforderungen wie die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe. Der demografische Wandel (die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter, die junge Generation umfasst zahlenmäßig weit weniger Personen), die auch auf Imageprobleme zurückzuführenden Schwierigkeiten des Handwerks bei der Gewinnung von Auszubildenden und der daraus resultierende Fachkräftemangel schlagen sich in insgesamt rückläufigen Beschäftigtenzahlen nieder, die den Gewerbezweigen zu schaffen machen.
Dieser Artikel betrachtet die konjunkturelle Entwicklung seit 2021 und geht auf die Strukturen des Handwerks ein.
Deutliche Umsatzsteigerungen
Die Handwerksunternehmen in Baden-Württemberg verzeichneten seit 20211 im Trend nominale Umsatzzuwächse (Schaubild 1).2 So. stieg der Umsatz von 2021 auf 2022 um 8,8 %. Die positive Umsatzentwicklung scheint sich auch im Jahr 2023 fortzusetzen. So lagen die Umsätze im Handwerk insgesamt nach vorläufigen Ergebnissen im 1. Quartal 2023 um 10,9 % über dem Wert des 1. Quartals 2022, im 2. Quartal 2023 lagen sie um 5,6 % über den Umsätzen des Vorjahreszeitraums. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich um nominale Werte handelt, das heißt, die Werte sind nicht inflationsbereinigt. Daher sind die positiven Veränderungsraten auch den Preissteigerungen geschuldet. Neben dem gestiegenen Preisniveau dürften die Steigerungen teilweise aber auch an Aufholeffekten nach der Coronapandemie liegen, war das Jahr 2021 noch von Maßnahmen zur Kontaktreduzierung geprägt.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie beeinflussten die Gewerbegruppen 2021 unterschiedlich stark, entsprechend fällt auch deren Zuwachs im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr unterschiedlich aus: Am größten fiel das Plus gegenüber 2021 im Handwerk für den privaten Bedarf aus (11,9 %). Zu diesem zählen unter anderem kontaktintensive Gewerbezweige wie »Friseure« und »Kosmetiker«. Am geringsten war das Plus im Gesundheitsgewerbe (3,1 %). Am aktuellen Rand im 2. Quartal 2023 nährten sich die beiden Handwerke in ihrer Umsatzentwicklung an. So verzeichnete das Handwerk für den privaten Bedarf ein Plus von 5,4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum, das Gesundheitsgewerbe ein Plus von 5,1 %.
Betrachtet man die Gewerbegruppen einzeln, sieht man, dass alle Handwerke jeweils gegen Ende des Jahres höhere Umsätze verzeichneten als zu Beginn des Jahres. Das Bauhauptgewerbe zeigte dabei die stärksten saisonalen Schwankungen. Hier lag der Umsatz im 4. Quartal am deutlichsten über dem Umsatz im 1. Quartal (die Messzahl lag im 4. Quartal 2022 bei 137,2 Messzahlenpunkten, im 1. Quartal 2023 bei 81,4 Punkten). Zum Bauhauptgewerbe zählen unter anderem die »Maurer und Betonbauer« und die Zimmerei. Auch der Umsatz im Ausbaugewerbe unterlag deutlichen saisonalen Schwankungen (die Messzahl lag im 4. Quartal 2022 bei 136,1 Messzahlenpunkten, im 1. Quartal 2023 bei 101,4 Punkten). Die Umsätze in den anderen Handwerken hingegen schwankten weniger stark.
Die Zahl der Beschäftigten im Handwerk insgesamt war im betrachteten Zeitraum leicht rückläufig (Schaubild 2).3 2022 waren 0,8 % weniger Personen im baden-württembergischen Handwerk beschäftigt als im Vorjahr. Dabei waren die einzelnen Gewerbegruppen unterschiedlich stark vom Rückgang der Beschäftigtenzahlen betroffen: das Beschäftigungsniveau im Bauhauptgewerbe pendelte im Rahmen der üblichen saisonalen Schwankungen und hielt 2022 das Beschäftigungsniveau des Vorjahres. Das Ausbaugewerbe verzeichnete sogar ein leichtes Plus von 0,1 % gegenüber dem Vorjahr. Zum Ausbaugewerbe zählen unter anderem die Elektrotechnik, Installation, Heizungsbau und das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegen.
Alle anderen Gruppen verzeichneten dagegen Beschäftigtenrückgänge. Besonders stark war der Rückgang gegenüber 2021 mit 3,2 % in den Handwerken für den privaten Bedarf. Auch das Lebensmittelgewerbe verzeichnete 2 % weniger Beschäftigte als im Vorjahr. Zum Lebensmittelgewerbe zählen unter anderem personalintensive Gewerke wie Bäckereien und Fleischereien.
Struktur des Handwerks
Daten zur Struktur des Handwerks liefert die jährlich stattfindende Handwerkszählung. Diese ergab 2021 rund 77 000 Handwerksunternehmen in Baden-Württemberg, knapp 68 000 davon gehörten dem zulassungspflichtigen Handwerk an, gut 9 000 dem zulassungsfreien. Zulassungsfrei bedeutet, dass man keinen Meistertitel benötigt, um ein solches Handwerksunternehmen zu betreiben. Die Zahl der im Handwerk tätigen Personen insgesamt lag bei rund 778 000, wovon der Großteil, mit knapp 668 000 Personen, im zulassungspflichtigen Handwerk beschäftigt war, rund 110 000 im zulassungsfreien.
Der Umsatz, der im Handwerk insgesamt erzielt wurde, lag bei 107,6 Milliarden (Mrd.) Euro. Den Großteil davon erwirtschafteten die zulassungspflichtigen Handwerke. Sie erzielten 2021 Umsätze in Höhe von 101,7 Mrd. Euro – rein rechnerisch waren das 152 283 Euro je Person. Im zulassungsfreien Handwerk wurde ein Umsatz von 5,9 Mrd. Euro erwirtschaftet. Der Pro-Kopf Umsatz lag hier folglich bei 53 457 Euro und betrug damit nur rund ein Drittel des Pro-Kopf Umsatzes des zulassungspflichtigen Handwerks.
Größe der Betriebe sehr heterogen
Von den rund 77 000 Handwerksunternehmen zählte das Ausbaugewerbe mit über 30 000 Unternehmen die meisten Handwerksbetriebe. Diese machten 2021 39,6 % aller Handwerksunternehmen in Baden-Württemberg aus. Mit deutlichem Abstand waren die Handwerke für den privaten Bedarf die zweitgrößte Gruppe (17,4 % aller Handwerksunternehmen). Mit einem Anteil von 15,4 % belegten die Handwerke für den gewerblichen Bedarf den dritten Platz. Sie zählten rund 12 000 Betriebe im Jahr 2021. Mit 3,3 % hatte das Gesundheitsgewerbe den kleinsten Anteil an allen Handwerksunternehmen.
Handwerksunternehmen aus dem Bereich des Lebensmittelgewerbes gab es zwar im Verhältnis zu den anderen Gewerbegruppen relativ wenige (Anteil von 4,3 % an allen Handwerksunternehmen), dafür handelt es sich bei diesen Betrieben tendenziell um größere Betriebe mit durchschnittlich 26 tätigen Personen (Schaubild 3). Zum Vergleich: Auf Landesebene beschäftigte ein Handwerksunternehmen in Baden-Württemberg durchschnittlich zehn tätige Personen. Auch die Handwerke für den gewerblichen Bedarf beschäftigten mit durchschnittlich 17 Personen im Vergleich zu den anderen Unternehmen relativ viele Personen. Zu den Handwerken für den gewerblichen Bedarf zählen unter anderem Gebäudereinigung, Feinwerkmechanik und Metallbau. Die kleinsten Betriebe waren in den Handwerken für den privaten Bedarf verortet. Diese beschäftigten im Schnitt vier Personen.
Das Ausbaugewerbe beschäftigte die meisten Personen
Von den rund 778 000 tätigen Personen arbeiteten die meisten im Ausbaugewerbe. Mit rund 224 000 tätigen Personen arbeiteten 28,8 % aller im Handwerk Beschäftigen in dieser Gewerbegruppe. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag im Ausbaugewerbe bei 77,4 %, der Anteil der geringfügig entlohnt Beschäftigten bei 8,5 %. Etwas weniger tätige Personen, nämlich rund 202 000 Personen, zählten die Handwerke für den gewerblichen Bedarf, das entspricht 25,9 % aller im Handwerk tätigen Personen. Von diesen waren 75,7 % sozialversicherungspflichtig und 18,2 % geringfügig entlohnt beschäftigt. Auf Platz 3 der Gewerke mit den meisten tätigen Personen lag das Bauhauptgewerbe. Dort arbeiteten rund 112 000 Personen und somit 14,4 % aller tätigen Personen. In dieser Gewerbegruppe war der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit 86,4 % am höchsten und der Anteil an geringfügig entlohnt Beschäftigten mit 5,8 % am niedrigsten.
Auch in der Produktivität unterscheiden sich die Handwerke
Das Kraftfahrzeuggewerbe war mit Abstand das produktivste Gewerbe, wenn es um den Umsatz pro tätiger Person geht (Schaubild 4). Dort war der Umsatz pro tätiger Person mit 283 250 Euro pro Jahr am höchsten.4 Auf Rang 2 befand sich 2021 das Bauhauptgewerbe. Dort erwirtschaftete eine tätige Person im Durchschnitt 185 059 Euro pro Jahr an Umsatz. Platz 3 belegte 2021 das Ausbaugewerbe (128 992 Euro). Zu den Handwerken, in denen pro Person der geringste Umsatz erzielt wurde, gehörten das Gesundheitsgewerbe (88 818 Euro pro tätige Person) sowie die Handwerke für den privaten Bedarf (51 805 Euro). Im Durchschnitt über alle Handwerke erwirtschaftete eine tätige Person 139 641 Euro pro Jahr.
In den Stadtkreisen ist die Dichte an Handwerksunternehmen geringer
Bezüglich der räumlichen Verteilung der Handwerksbetriebe lässt sich feststellen, dass in den Stadtkreisen Baden-Württembergs 2021 weniger Handwerksbetriebe je 1 000 Personen verortet waren als in den weniger dicht besiedelten Landkreisen (Schaubild 5). So gab es in der kreisfreien Stadt Heidelberg mit 4,2 Handwerksunternehmen je 1 000 Personen die wenigsten Handwerksbetriebe pro Einwohnerin und Einwohner. Gefolgt wird dieser Wert von Stuttgart, wo 4,9 Handwerksunternehmen auf 1 000 Personen kamen. Freiburg im Breisgau zählte 5,0 Handwerksunternehmen pro 1 000 Personen, Ulm 5,3, Karlsruhe und Böblingen jeweils 5,6. Auch Mannheim zählte mit 5,9 weniger als sechs Handwerksbetriebe pro 1 000 Personen.
Dafür befanden sich in den Ballungsgebieten – gemessen an der Anzahl ihrer tätigen Personen – eher größere Betriebe.5 So befanden sich die größten Betriebe 2021 mit durchschnittlich 14 tätigen Personen in Stuttgart, Heidelberg, im Ortenaukreis und in Ulm.
In den weniger dicht besiedelten Landkreisen gab es 2021 mehr Handwerksunternehmen pro 1 000 Personen. Die meisten davon waren im Zollernalbkreis zu finden, wo es neun Handwerksbetriebe pro 1 000 Personen gab. An zweiter Stelle lag der Landkreis Sigmaringen (8,8 Betriebe pro 1 000 Personen), gefolgt vom Landkreis Schwäbisch Hall, mit 8,2 Handwerksbetrieben pro 1 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Fazit und Ausblick
Das Handwerk in Baden-Württemberg hat die Coronapandemie vergleichsweise gut überstanden. Die Zahlen der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung, die die konjunkturelle Entwicklung darstellen, beschreiben seit dem 1. Quartal 2021 eine insgesamt positive Umsatzentwicklung über alle Gewerbegruppen hinweg, die zum aktuellen Rand hin aber verstärkt auf Preissteigerungen zurückgehen dürften.
Hinzu kommen weitere Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht. Dazu zählt zum Beispiel der Fachkräftemangel, der sich in sinkenden Beschäftigtenzahlen widerspiegelt. Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Gewerbegruppen. Einige Gewerbegruppen, wie zum Beispiel das Lebensmittelgewerbe oder die Handwerke für den privaten Bedarf sind stärker vom Rückgang der Beschäftigtenzahlen betroffen als andere Gewerke.
Wie sich das Handwerk weiter entwickelt, werden die Zahlen der Handwerkszählung 2022, die nächstes Jahr im Herbst veröffentlicht werden, sowie die Ergebnisse der Handwerksberichterstattung, die vierteljährlich die konjunkturelle Entwicklung des Handwerks darstellt, zeigen.