Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg 2022
Im Jahr 2022 blickte Baden-Württemberg auf das wärmste Jahr seit Messbeginn zurück1, mit 17 % weniger Regen als im Durchschnitt, 36 % mehr Sonnenstunden und einer Durchschnittstemperatur von 2,5 Grad Celsius mehr als im Mittel der internationalen Referenzperiode 1961 bis 1990. Ohne deutliche Verminderungen der Treibhausgas-Emissionen könnte die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um mehr als 5 Grad Celsius ansteigen, mit verheerenden Folgen für das Leben auf unserem Planeten.2 Laut Synthesereport vom Weltklimarat IPCC, der im März 2023 vorgestellt wurde, müssten die globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 halbiert werden, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Die EU möchte bis 2050 klimaneutral sein. Baden-Württemberg hat sich im Jahr 2021 mit dem Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität zu erreichen (i-Punkt »Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz«). Damit will das Land sogar 5 Jahre schneller sein als der Bund. Zudem wurden mit der Verabschiedung des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes Baden-Württemberg im Februar 2023 die sektoralen Zielwerte für die Sektoren Gebäude, Verkehr, Energiewirtschaft, Industrie, Abfall- und Abwasserwirtschaft und Landwirtschaft gesetzlich verbindlich festgeschrieben. Befindet sich Baden-Württemberg aktuell auf Kurs in Richtung Klimaneutralität? Im vorliegenden Beitrag wird die sektorale Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen im Land näher betrachtet.
Aktuell stagnieren die Emissionen auf Vorjahresniveau
Der überwiegende Teil der Treibhausgas-Emissionen ist auf die Verbrennung von Brennstoffen für die Stromerzeugung oder Wärmebereitstellung und auf die Verbrennung von Kraftstoffen zurückzuführen und damit energiebedingt. Auch die nicht verbrennungsbedingten Emissionen, wie zum Beispiel diffuse Emissionen aus Energiegewinnung und -verteilung werden unter energiebedingten Emissionen zusammengefasst. Auf die energiebedingten Emissionen entfallen aktuell etwa 88 % der Gesamtemissionen. Kohlendioxid ist mengenmäßig das bedeutendste Treibhausgas, auch unter energiebedingten Treibhausgas-Emissionen. Gemessen in CO2-Äquivalenten (CO2-Äq.) setzen sich die Treibhausgas-Emissionen im Land aus fast 90 % Kohlenstoffdioxid (CO2), 5,5 % Methan (CH4), 2,7 % Lachgas (N2O) und 1,9 % F-Gasen3 zusammen (Tabelle).
Im Jahr 2022 wurden in Baden-Württemberg nach ersten Schätzungen 72 Millionen (Mill.) Tonnen (t) Treibhausgase ausgestoßen. Damit bewegt sich der Treibhausgas-Ausstoß mit einem leichten Minus von 0,4 % etwa auf Vorjahresniveau. Dagegen war zwischen 2020 und 2021 eine deutliche Emissionszunahme zu verzeichnen. Im Jahr 2021 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 72,3 Mill. t Treibhausgase emittiert. Das waren 3,2 Mill. t beziehungsweise 4,6 % mehr als im von der Coronapandemie geprägten Jahr 2020. Damit wurde der seit 2017 anhaltende Abwärtstrend bei den Treibhausgasen unterbrochen (Schaubild 1). Langfristig betrachtet haben die Treibhausgas-Emissionen abgenommen, gegenüber dem Referenzjahr 1990 um knapp 21 %. Dabei nahmen die CO2-Emissionen um 16 % ab. Die N2O-Emissionen sanken um 22,1 %, die von F-Gasen um 11,1 %. Die CH4-Emissionen gingen seit 1990 am stärksten um 58 % zurück.
Welche Sektoren waren 2022 die größten Verursacher des Treibhausgas-Ausstoßes?
Im Jahr 2022 hatten die Sektoren Energiewirtschaft und Verkehr mit jeweils einem Anteil von 28 % den größten Anteil an den Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg. Weitere bedeutende Sektoren waren der Gebäudesektor mit 22 % und die Industrie mit 15 %. Die Landwirtschaft verursachte 2022 knapp 7 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen. Der Bereich Abfall- und Abwasserwirtschaft war 2022 für weniger als 0,5 % der Gesamtemissionen verantwortlich (Schaubild 2).
Steinkohle-Verstromung lässt Emissionen in der Energiewirtschaft ansteigen
2022 wurden im Sektor Energiewirtschaft 20,4 Mill. t CO2-Äq. ausgestoßen. Der Großteil der gesamten Emissionen in der Energiewirtschaft, ca. 72 %, entsteht bei der Stromerzeugung. Gegenüber 2021 sind die Treibhausgas-Emissionen des Sektors Energiewirtschaft um knapp 10 % gestiegen. Der Anstieg fiel allerdings deutlich geringer aus als im Vorjahr (2021: 36 % gegenüber 2020). Wie auch schon im Jahr 2021 war der verstärkte Einsatz von Steinkohle4 für die Stromerzeugung in den Kraftwerken für die allgemeine Versorgung erneut der Haupttreiber für den Emissionsanstieg in der Energiewirtschaft. Ursächlich für die sprunghafte Zunahme der Steinkohleverstromung im Jahr 2021 (gegenüber 2020) waren vor allem die gestiegene Stromnachfrage aufgrund der wirtschaftlichen Erholung nach der Coronapandemie sowie die gestiegenen Erdgaspreise. 2022 war die hohe Nachfrage nach Steinkohle anders als 2021 primär auf die Auswirkung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf die europäischen Energiemärkte zurückzuführen. Im Jahr 2022 wurde in Baden-Württemberg vermehrt Steinkohle eingesetzt, um die zunächst reduzierten und seit Ende August 2022 vollständig weggefallenen Gasimporte aus Russland zu kompensieren und damit zur Sicherung der Stromversorgung im Land und im europäischen Ausland beizutragen. Trotz der Energiekrise 2022 kamen die Kohlekraftwerke in Baden-Württemberg allerdings nicht so stark zum Einsatz wie zwischen 2020 und 2021. Milde Witterung, rückläufige Stromnachfrage, eingeschränkte Transportmöglichkeiten von Kohle im Sommer aufgrund von Niedrigwasser und nicht zuletzt die spürbar gestiegene Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verhinderten eine noch stärkere Zunahme der Emissionen aus Steinkohle gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2022 lag der Steinkohleanteil an der Bruttostromerzeugung in Baden-Württemberg bei knapp 32 % (2021: 29 %; 2020: 20 %). Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stieg im Jahr 2022 in Baden-Württemberg von 18,3 auf 19,6 Terawattstunden (TWh) um 7 % an. Damit kletterte der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 2022 auf 36 %.5
Aktuell liegen die Emissionen aus der Stromerzeugung über dem Wert des Referenzjahres 1990 (+2,3 %). Der Haupttreiber dieser Entwicklung war die merklich gestiegene Stromerzeugung in den Steinkohlekraftwerken. Die Wettbewerbssituation für Steinkohle hat sich in den letzten 2 Jahren durch den Preisanstieg bei Erdgas deutlich verbessert. Das Schaubild 3 zeigt, dass insbesondere zwischen 2017 und 2020 in Baden-Württemberg eine deutliche Emissionsabnahme im Energiesektor zu verzeichnen war (–7 Mill. t). Ursächlich dafür waren vor allem die gestiegenen CO2-Preise sowie die niedrigen Marktpreise für Erdgas. Diese Effekte ließen den Betrieb von Kohlekraftwerken unwirtschaftlich werden. Dadurch hat sich die Struktur der Stromerzeugung zugunsten der emissionsärmeren Gaskraftwerke beziehungsweise der erneuerbaren Energien verschoben. Das anhaltend niedrige Preisniveau für die CO2-Zertifikate zwischen 2013 und 2017 hatte kaum Anreize zur Investition und zum Betrieb klimaverträglicher Alternativen geboten. Ab Mitte 2018 zeigte die Reform des europäischen Emissionshandels Wirkung. Zwischen 2017 und 2019 haben sich die CO2-Zertifikatspreise mehr als vervierfacht. Allerdings war 2021 entgegen der Entwicklung in den letzten Jahren ein kräftiger Emissionsanstieg zu beobachten. Trotz der stark gestiegenen CO2-Preise 2021 stiegen die Emissionen aus der Stromerzeugung gegenüber 2020 um 57 % an, da der Preisanstieg für Erdgas sogar den starken Anstieg der CO2-Zertifikate- und Steinkohlepreise überkompensierte. Somit hat die Steinkohle in der Einsatzreihenfolge der Kraftwerke im Vergleich zu anderen Energieträgern am meisten profitiert.
Langsame Emissionsabnahme im Gebäudesektor
Die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors sind vor allem durch den Energieverbrauch für die Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme bestimmt und unterliegen somit relativ starken jährlichen witterungsbedingten Schwankungen. Die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors sind 2022 zum zweiten Mal in Folge gesunken. Der Rückgang betrug gegenüber dem Vorjahr 5,4 %. Wesentliche Gründe für den Rückgang waren die im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich milde Witterung während der Heizperiode sowie die Einsparbemühungen bei Gas zur Abwendung der Versorgungskrise infolge der Gasknappheit. Die stark gestiegenen Erdgaspreise haben die Einsparung beim Erdgas zusätzlich verstärkt. 43 % der bewohnten Wohnungen in Baden-Württemberg werden mit Gas und rund 34 % mit Öl beheizt. Die oben beschriebenen Effekte haben nach vorläufigen Schätzungen im Vergleich zum Vorjahr den Erdgasverbrauch des Sektors Gebäude um fast 16 % reduziert. Gleichzeitig wurde in Baden-Württemberg trotz der kräftigen Preiserhöhungen deutlich mehr Heizöl abgesetzt. Aus Sorge vor Energieknappheit haben die Verbraucherinnen und Verbraucher die knappen Tankbestände nach geringeren Heizölkäufen im Jahr 2021 wieder aufgefüllt. Dabei ist zu beachten, dass für die Emissionsbilanzierung im Gebäudesektor gemäß der IPCC-Richtlinie die Absatzstatistiken herangezogen werden. Aus diesem Grund wirkte sich der gestiegene Heizölabsatz 2022 emissionssteigernd aus. Der tatsächliche Heizölverbrauch dürfte aufgrund der günstigen Witterung niedriger liegen. Daher können die Schlüsse über den tatsächlichen Energieverbrauch sowie über die Wirksamkeit von Energiesparmaßnahmen frühestens anhand der Ergebnisse des darauffolgenden Jahres gezogen werden. Temperaturbereinigt6 wären die Treibhausgas-Emissionen um knapp 9 % gestiegen. Das bedeutet, dass bei kühlerer Witterung im Jahr 2023 die Emissionen wieder steigen könnten.
Die Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors stammen zum überwiegenden Teil (75 % im Jahr 2022) aus dem Bereich »private Haushalte«7. Die Emissionen der privaten Haushalte sind seit 1990 nur langsam gesunken. Zwischen 1990 und 2022 nahmen die Emissionen um 15,4 % ab. Langfristig betrachtet waren im Sektor private Haushalte jedoch Fortschritte bei der Energieeffizienz zu erkennen. Die besseren energetischen Standards bei Neubauten, die Fortschritte bei der Energieeffizienz im Gebäudebestand sowie der umweltfreundlichere Energiemix haben zu einer Reduktion der spezifischen Emissionen pro Wohnfläche beigetragen. Beispielweise wurde in Baden-Württemberg das emissionsintensive Heizöl zunehmend durch emissionsärmeres Erdgas substituiert. Zudem gab es insbesondere in Neubauten eine deutliche Zunahme bei der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Im Jahr 2022 wurden die Bauvorhaben überwiegend mit Heizungen geplant, die über Umweltthermie (73,5 %) betrieben werden. Im Gegenzug war die Anzahl an neuen Wohngebäuden, die primär mit Gas betrieben werden, weiter rückläufig.8 Ölheizungen spielen in Neubauten gar keine Rolle mehr. Im Gebäudebestand ist jedoch Erdgas neben Heizöl nach wie vor der meist verwendete Brennstoff. Die temperaturbereinigten Treibhaugas-Emissionen der privaten Haushalte je Quadratmeter (m²) Wohnfläche gingen seit 1990 um gut 40 % zurück. Die absoluten Treibhausgas-Emissionen haben dagegen mit 12 % Reduktion deutlich schwächer abgenommen (Schaubild 4). Das ist vor allem auf die wachsende Bevölkerung und auf die steigende Wohnfläche je Bewohnerin und Bewohner zurückzuführen, was zu einem höheren Energieverbrauch pro Kopf führt. Die Menschen in Baden-Württemberg wohnen häufiger in Ein-Personen-Haushalten. Zwischen 1990 und 2022 ist die Wohnfläche pro Person von 36,3 m² auf 46,7 m² je Person um fast ein Drittel (29 %) gestiegen.9 In Baden-Württemberg nahm die Bevölkerung zwischen 1990 und 2022 um knapp 15 % zu.
Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrs knapp unter dem Niveau des Jahres 1990
Der größte Anteil der Verkehrsemissionen10 entfällt mit ca. 99 % auf den Straßenverkehr. Im Verkehrssektor waren seit 1990 keine signifikanten Emissionsrückgänge zu verzeichnen, abgesehen vom Jahr 2009, das maßgeblich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt war sowie vom Pandemiejahr 2020. Bis zum Jahr 2020 war der Verkehrssektor lange der einzige Sektor, der seine Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 nicht reduzieren konnte. Die Pandemie hat die Treibhausgas-Emissionen im Verkehr kräftig gedrückt. Aktuell liegen die verkehrsbedingten Emissionen knapp unter dem Niveau des Jahres 1990 (–0,7 %). Die Emissionen im Straßenverkehr liegen allerdings immer noch oberhalb der Emissionen des Jahres 1990 (+1,3 %).
Der Verkehrssektor stieß im Jahr 2022 Treibhausgas-Emissionen in Höhe von ca. 20,2 Mill. t aus. Damit wurden 2022 nur geringfügig mehr Treibhausgase emittiert (+0,4 %) als im Vorjahr. Das Emissionsniveau liegt weiterhin deutlich unter dem Niveau von vor der Coronapandemie (2019: 22,1 Mill. t CO2-Äq.; 2020: 19,8 Mill t CO2-Äq.) Im Gegensatz zu den Jahren 2020 und 2021 war der Verkehrssektor 2022 nur noch wenig von der Coronapandemie beeinflusst. Nur das Arbeiten von zu Hause aus blieb trotz Aufhebung der Homeoffice-Pflicht Ende März 2022 weiterhin beliebt.
Insgesamt sind die Fahrleistungen im Straßenverkehr trotz hoher Kraftstoffpreise und trotz Homeoffice-Nutzung gegenüber 2021 um 4,5 % auf knapp 85 Milliarden (Mrd.) Kilometer gestiegen. Vor der Coronapandemie im Jahr 2019 lagen die Fahrleistungen noch bei 95,3 Mrd. Kilometern. Dabei haben die Fahrleistungen der Diesel-Pkw gegenüber 2021 um 2,1 % zugenommen. Demgegenüber stiegen die Jahresfahrleistungen der Otto-Pkw deutlich stärker um 6,8 % an. Dieselautos verlieren in Deutschland und Baden-Württemberg immer mehr an Bedeutung (Schaubild 4). Der Aufwärtstrend für Elektroautos hat sich auch 2022 fortgesetzt. Der Bestand an Pkw mit elektrischem Antrieb hat sich in Baden-Württemberg gegenüber 2021 nahezu verdoppelt.11 Die Fahrleistungen von Elektrofahrzeugen im Land sind 2022 im Vergleich zum Vorjahr kräftig um fast 70 % angestiegen. Der Anteil dieser Fahrzeugkategorie an den gesamten Jahresfahrleistungen in Baden-Württemberg liegt allerdings noch bei nur 1,3 %. Während die Fahrleistungen des Personenverkehrs (Pkw, Busse, Krafträder) um 4,5 % stiegen, war im Güterverkehr nur ein leichter Zuwachs von 1,1 % zu verzeichnen. Der Verkehr mit leichten Nutzfahrzeugen nahm dabei um 3 % zu, wohingegen die Fahrleistungen der schweren Nutzfahrzeuge sogar um 1,3 % zurückgingen. Dies war der stärkste Rückgang im Lkw-Verkehr seit dem Einbruch der Fahrleistungen im April 2020 infolge der Coronapandemie. Diese Entwicklung im Güterverkehr ist auf die rückläufige Industrieproduktion zurückzuführen. Wirtschaftliche Aktivität erzeugt und benötigt Verkehrsleistungen. Es besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen den Lkw-Fahrleistungen und Indizes zur wirtschaftlichen Aktivität, insbesondere der industriellen Produktion.
Bei der Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen zeigt sich der gleiche Sachverhalt wie bei den Jahresfahrleistungen (Schaubild 5). Im Pkw-Verkehr, der Hauptquellgruppe der Verkehrsemissionen, stiegen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Vorjahr 2021 um 4,3 % an. Im Güterverkehr war ein Rückgang von insgesamt 5,7 % zu verzeichnen. Dabei nahmen die Emissionen bei schweren Nutzfahrzeugen kräftig um fast 11 % ab. Die leichten Nutzfahrzeuge verzeichneten dagegen eine Emissionszunahme von 10,7 %.
Die Emissionen im sonstigen Verkehr sind gegenüber dem Vorjahr um 4,3 % gestiegen. Die Anstiege waren nur im Flugverkehr zu beobachten. Zwar wurden 2022 deutlich mehr Inlandsflüge registriert, im Vergleich zu 2019 liegt die Zahl der innerdeutschen Flüge aber weiterhin weit unter dem Niveau vor der Pandemie. Diese Entwicklung dürfte mit der zunehmenden Konkurrenzfähigkeit der Bahn durch preiswertere Bahntickets aber auch dem gestiegenen Umweltbewusstsein der Bevölkerung zusammenhängen.12 Die Inlandsflüge wirken sich allerdings nur geringfügig auf den Gesamtausstoß im Verkehr aus. Der Anteil des innerdeutschen Flugverkehrs an den verkehrsbedingten Gesamtemissionen liegt aktuell deutlich unter 0,1 %.
Industriesektor: 42 % weniger Emissionen seit 1990
Der gesamte Treibhausgas-Ausstoß der Industrie in Baden-Württemberg betrug im Jahr 2022 10,8 Mill. t CO2-Äq. Fast 65 % der industriellen Treibhausgas-Emissionen waren 2022 energiebedingt (i-Punkt »Sektorabgrenzung für den Industriesektor«). Gegenüber dem Vorjahr sanken die gesamten Treibhausgas-Emissionen der Industrie deutlich um 1,2 Mill. CO2-Äq. (–10,3 %) – und damit auf das niedrigste Niveau seit 2009 (Schaubild 6). Dabei sanken die energiebedingten Emissionen der Industrie gegenüber 2021 um 9,6 %. Im Verarbeitenden Gewerbe war eine Emissionsabnahme von 13,3 % zu verzeichnen. Die seit dem Jahr 2021 anhaltenden Lieferengpässe bei wichtigen Vorleistungsgütern, steigende Energiepreise und Unsicherheiten bei der Versorgung mit Erdgas dämpften die Industrieproduktion in Baden-Württemberg deutlich. Fast ein Drittel des Endenergieverbrauchs im Verarbeitenden Gewerbe entfällt auf Erdgas. Für den Emissionsrückgang waren vor allem Produktionseinbußen in jenen Industriezweigen verantwortlich, die besonders unter den stark gestiegenen Erdgaspreisen zu leiden hatten. Das betraf am stärksten die Papierindustrie, Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln und die Herstellung von Roheisen und Stahl. Insgesamt waren bei den energiebedingten Emissionen seit 1990 deutliche Rückgänge zu beobachten. Der Ausstoß an energiebedingten Treibhausgasen hat sich durch Energieeffizienzmaßnahmen und Brennstoffsubstitution zwischen 1990 und 2022 halbiert. Der Anteil der fossilen Energieträger am Endenergieverbrauch der Industriebetriebe ist insgesamt zwischen 1990 und 2022 von 61 % auf 42 % gefallen. Dabei sank besonders kräftig der Verbrauch an Steinkohle (–85 %). Gleichzeitig stieg der Stromverbrauch um 18 %. Der Anteil erneuerbarer Energieträger am Endenergieverbrauch der Industrie hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt. Allerdings hatten die erneuerbaren Energieträger mit einem Anteil von knapp 9 % im Jahr 2022 eine noch vergleichsweise geringe Bedeutung am Energiemix der Industrie.
Die prozessbedingten CO2-Emissionen (i-Punkt »Sektorabgrenzung für den Industriesektor«) sind im Vergleich zum Vorjahr um 12 % zurückgegangen. Dazu trug in erster Linie der Konjunkturabschwung im Baugewerbe sowie die Stilllegung einer Anlage zur Produktion von Zementklinker aus betriebstechnischen Gründen bei. Gegenüber dem Referenzjahr 1990 haben die prozessbedingten Emissionen um 19,5 % abgenommen. Im Gegensatz zu den energiebedingten Emissionen lassen sich die prozessbedingten CO2-Emissionen aufgrund der Zusammensetzung der Rohstoffe (vor allem Kalkstein) und deren chemischer Reaktionen im Brennprozess kaum vermeiden und technisch bisher nur schwer reduzieren.
Die F-Gas-Emissionen gingen gegenüber 1990 um 11 % zurück. Um den Einsatz der F-Gase und die damit verbundenen Emissionen weiter zu reduzieren, gilt seit dem 1. Januar 2015 eine neue F-Gas-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 517/2014), die den Einsatz von alternativen Stoffen anreizen soll. Ziel ist, Emissionen der klimawirksamen Fluorkohlenwasserstoffe in der EU bis zum Jahr 2030 schrittweise um 70 % gegenüber 1990 zu verringern. Die F-Gas-Verordnung zeigt Wirkung. Die Emissionen konnten gegenüber 2015 um 30 % reduziert werden.
Landwirtschaft: Hauptquelle bei Methan- und Lachgas-Emissionen
Die Landwirtschaft emittiert mit Abstand am meisten Methan und Lachgas verglichen mit anderen Sektoren. 58 % der landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen entfallen auf Methan, weitere 31,4 % auf Lachgas und fast 10,7 % auf Kohlendioxid. Im Vergleich zu CH4- und N2O-Emissionen fallen die CO2Emissionen mengenmäßig weniger ins Gewicht. Die CO2-Emissionen resultieren hauptsächlich aus Anwendung von Harnstoff- und Kalkdünger sowie aus dem Kraftstoffverbrauch im landwirtschaftlichen Verkehr. Die Rinder- und Milchkuhhaltung ist für die Hälfte der CH4-Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich.
Im Jahr 2022 hat der Sektor Landwirtschaft knapp 4,7 Mill. t CO2-Äq. emittiert und war damit für 6,6 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg verantwortlich. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 gingen die Treibhausgas-Emissionen insgesamt nur leicht um 1,2 % zurück. Gegenüber 2021 nahmen die Methan-Emissionen um 1,2 % ab. Hauptgrund dafür war erneut der Rückgang der Tierzahlen. Auch im Jahr 2022 erreichten die Schweinebestände einen neuen Tiefstand. Dagegen blieben die Rinderbestände gegenüber 2021 nahezu konstant.
Bei der Nutzung landwirtschaftlicher Böden war eine geringfügige Abnahme der N2OEmissionen um rund 0,8 % zu verzeichnen. Dabei waren insbesondere die aus der Stickstoffdüngung resultierenden N2O-Emissionen rückläufig. Der Mineraldüngerabsatz fiel aufgrund von spürbaren Preissteigerungen geringer als im Vorjahr aus. Zudem hatte die trockene Witterung im Sommer 2022 einen Einfluss auf die Ausbringung von Dünger.
Seit 1990 sind die gesamten Emissionen in der Landwirtschaft um fast 22,5 % zurückgegangen. Haupttreiber hierfür war der Rückgang der CH4-Emissionen durch die sinkenden Tierzahlen bei Rindern. Insgesamt sind die landwirtschaftlichen CH4-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 26,5 % gesunken. Bei den N2O-Emissionen ist gegenüber 1990 ebenfalls ein Rückgang zu beobachten. Durch die reduzierte Stickstoffdüngung haben die Emissionen um 19,2 % gegenüber 1990 abgenommen. Und durch den Rückgang des Tierbestandes gingen die N2O-Emissionen aus dem Wirtschaftsdüngermanagement um ein Drittel (–33 %) zurück.
In den letzten Jahren ein stark rückläufiger Emissionstrend in der Abfallwirtschaft
Die gesamte Emissionsentwicklung des Sektors Abfallwirtschaft wird überwiegend durch die Methan-Emissionen aus der Abfalldeponierung bestimmt. Die Methan-Emissionen aus Deponien zeigen seit Jahren eine stark rückläufige Tendenz. Gegenüber dem Referenzjahr 1990 wurden über 97 % der Emissionen aus Deponien reduziert. Ausschlaggebend für diesen außerordentlich starken Rückgang war das seit 2005 geltende vollständige Verbot der Ablagerung organischer Abfälle auf Deponien zusammen mit der sukzessiven Aufbringung gasdichter Oberflächenabdichtungen mit integrierter Gaserfassung und thermischer Verwertung der Deponiegase. Insgesamt sanken die Emissionen des Sektors Abfall- und Abwasserwirtschaft gegenüber 1990 um 93,3 %. Allerdings hat der Sektor Abfall- und Abwasserwirtschaft mit knapp 0,5 % nur einen geringen Anteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Baden-Württemberg. Im Jahr 2022 wurden vom Sektor insgesamt 0,3 Mill. t CO2-Äq. ausgestoßen.
Fazit
Die erhöhte Steinkohle-Verstromung machte im Jahr 2022 die spürbaren Emissionsrückgänge in den Sektoren Industrie und Gebäude zunichte und ließ die Gesamtemissionen mit 72 Mill.t CO2-Äq. auf Vorjahresniveau stagnieren, trotz vergleichsweise niedrigeren Energieverbrauchs. Bis jetzt konnten in Baden-Württemberg gegenüber 1990 18,8 Mill. t CO2-Äq. –20,7 %) reduziert werden. Für die verbleibenden 8 Jahre bis 2030 müssten noch weitere 40,2 Mill. t (56 %) gegenüber 1990 vermieden werden, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Die aktuelle Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen zeigt, dass für die angestrebte Treibhausgasreduktion bis 2030 (i-Punkt »Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz«) in allen Bereichen mit Ausnahme des Sektors Abfall- und Abwasserwirtschaft deutliche Einsparungen erforderlich sind. Die größten Emissionsreduktionen seit 1990 verzeichnen aktuell die Sektoren Abfallwirtschaft und Abwasserbehandlung (–93,3 %), Industrie (–42,2 %) sowie der Gebäudesektor (–26 %). Mit Blick auf die Sektorziele ergibt sich für den Energiesektor die größte Minderungslücke von ca.15,4 Mill. t CO2-Äq. bzw. –75,6 % gegenüber 2022. Auch im Verkehrssektor müssen gegenüber 2022 noch weitere 11 Mill. t CO2-Äq. bzw. 56 % bis zum Jahr 2030 verringert werden.