Baden-Württemberg 2022: Ingenieurfachkräfte im Fokus
Immer mehr Frauen entscheiden sich für einen Ingenieurberuf
Als ausgeprägter Technologie-Standort ist Baden-Württemberg auf hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Aber auch die gegenwärtig herausfordernden Transformationsprozesse wie Digitalisierung und Dekarbonisierung setzen geeignetes Personal voraus, um die Weichen für ein nachhaltiges und weiterhin erfolgreiches Wirtschaften zu stellen. Ingenieurinnen und Ingenieure sind mit ihrem wissenschaftlich-technischen Expertenwissen hierfür besonders gefragt. Da mittlerweile bereits jede fünfte Ingenieurfachkraft im Südwesten 55 Jahre oder älter ist und aller Voraussicht nach innerhalb der nächsten 10 Jahre aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden wird, stellt der demografische Umschwung eine zusätzliche Hürde dar, diese wichtigen Stellen zu besetzen. Zwar ist das Ingenieurwesen noch immer eine Männerdomäne, allerdings entschieden sich in den letzten Jahren auch zunehmend Frauen für diesen Beruf.
Höchste Ingenieurdichte in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg arbeiteten zur Jahresmitte 2022 rund 201 900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in einem Ingenieurberuf (siehe i-Punkt). Bezogen auf die insgesamt 4,86 Millionen (Mill.) Beschäftigten entsprach dies einer Ingenieurdichte von 4,2 %. Nach Auswertung der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit arbeiteten deutschlandweit fast 1,1 Mill. Ingenieurfachkräfte in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Damit lag die Ingenieurdichte im Bundesdurchschnitt um einen ganzen Prozentpunkt niedriger bei 3,2 %. Auch in Bayern und Hamburg waren Ingenieurinnen und Ingenieure mit Anteilen von jeweils 4,0 % relativ stark vertreten. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bildeten mit Quoten von 1,9 % und 1,7 % bundesweit die Schlusslichter (Schaubild 1 und Tabelle 1).
In Baden-Württemberg und dem Nachbarland Bayern arbeiteten zusammen beinahe 40 % aller Ingenieurfachkräfte Deutschlands. Während die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2013 bis 2022 bundesweit um 16,3 % gestiegen ist, wuchs die Zahl der Ingenieurfachkräfte im gleichen Zeitraum mit 31,1 % fast doppelt so stark. Die entsprechenden Zuwächse in Baden-Württemberg lagen nur wenige Zehntel Prozentpunkte (+16,4 %; +31,6 %) über dem Bundestrend.
Ingenieurwesen in Baden-Württemberg noch immer von Männern dominiert
In Baden-Württemberg arbeiteten zur Jahresmitte 2022 über 36 400 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen in einem Ingenieurberuf. Bezogen auf die insgesamt rund 2,21 Mill. weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren das zwar nur 1,7 %, dennoch zeigt die positive Entwicklung der Beschäftigtenzahl, dass dieser Berufsbereich bei Frauen immer beliebter wird. So ist die Zahl der weiblichen Ingenieurfachkräfte mit einem Zuwachs von 75,4 % von 2013 bis 2022 dreimal so stark gestiegen wie die Zahl der männlichen (+24,8 %). Im Hinblick auf die Gesamtzahl der 201 900 Ingenieurfachkräfte im Land liegt der Frauenanteil aktuell bei 18,1 % und damit um 4,5 Prozentpunkte höher als im Jahr 2013. Trotz dieser Steigerung wird die Berufsgruppe nach wie vor vom männlichen Geschlecht bestimmt: 2022 waren mit 165 400 Beschäftigten 81,9 % aller Ingenieurfachkräfte im Südwesten männlich (Tabelle 2).
Technische Forschung einschließlich Produktionssteuerung wichtigstes Tätigkeitsfeld
142 800 bzw. 70,7 % der Ingenieurfachkräfte in Baden-Württemberg waren zur Jahresmitte 2022 im Bereich Produktion und Fertigung tätig. Mehr als die Hälfte (50,5 %) arbeitete dabei im Tätigkeitsfeld Technische Forschung und Produktionssteuerung, während 10,9 % direkt in der Maschinen- oder Fahrzeugtechnik und 8,1 % im Tätigkeitsfeld Mechatronik, Energie- und Elektrotechnik beschäftigt waren. Dahinter waren die Tätigkeitsfelder Bauwesen (9,2 %) und Architektur (6,3 %) sowie der Bereich Technischer Vertrieb ohne IKT (6,2 %) am beschäftigungsstärksten.
Obwohl die meisten Tätigkeitsfelder des Ingenieurwesens von Männern dominiert werden, gibt es auch »typisch weibliche« Bereiche. Im Tätigkeitsfeld Innenarchitektur war der Frauenanteil 2022 mit 80,3 % am höchsten, gefolgt von der Museums- und Ausstellungstechnik (56,6 %), dem Garten- und Landschaftsbau (55,7 %) und dem Tätigkeitsfeld Architektur (52,2 %).
Jede fünfte Ingenieurfachkraft im Südwesten ist bereits 55 Jahre oder älter
Der demografische Wandel macht sich auch bei den Belegschaften im Südwesten bemerkbar. Während die Zahl der unter 35-jährigen Ingenieurfachkräfte im Zeitraum 2013 bis 2022 um fast ein Drittel (30,1 %) zunahm, fiel der Zuwachs in der Altersgruppe 35- bis unter 55-Jährige mit einem Plus von 16,5 % nur ungefähr halb so hoch aus. Die dynamischste Entwicklung konnte allerdings bei den 55-jährigen und älteren Ingenieurfachkräften beobachtet werden, deren Zahl im genannten Zeitintervall mit einem Plus von 98,8 % um fast die Hälfte anstieg. Dieser Zuwachs von 20 100 Arbeitsplätzen entsprach 41,5 % des Gesamtzuwachses bei den Ingenieurberufen.
Waren zur Jahresmitte 2022 fast 40 500 bzw. 20 % der Ingenieurfachkräfte bereits 55 Jahre oder älter, lag deren Anteil 2013 mit 13,3 % noch weit niedriger. Ähnlich stark stieg im gleichen Zeitraum der Anteil der 55-Jährigen und Älteren auch über alle Berufsgruppen hinweg, allerdings ausgehend von einem bereits im Jahr 2013 etwas höher liegenden Niveau, von 16,3 % auf 23,1 %. Ein Großteil der Beschäftigten dieser Altersgruppe wird voraussichtlich in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen und dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit einem Anteil von 49,3 % entfiel 2022 fast die Hälfte der Ingenieurfachkräfte auf die Gruppe der 35- bis unter 55-Jährigen. Das waren 6,4 Prozentpunkte weniger als noch im Jahr 2013 (55,7 %). 30,7 % der Ingenieurfachkräfte hatten 2022 die Altersgrenze von 35 Jahren noch nicht erreicht. Verglichen zu 2013 (31,1 %) waren das im Verhältnis gesehen nur geringfügig weniger Personen (Schaubild 2).
90 % der Ingenieurfachkräfte arbeiten in Vollzeit
Im Hinblick auf die Arbeitszeit wird deutlich, dass 90,1 % der in Baden-Württemberg arbeitenden Ingenieurfachkräfte 2022 in Vollzeit arbeiteten, während die Vollzeitquote über alle Berufsgruppen hinweg mit 72,8 % deutlich darunter rangierte. Folglich war die Teilzeitquote der Ingenieurfachkräfte insgesamt mit nur 9,9 % entsprechend geringer. Besonders augenfällig wird dies bei Betrachtung der weiblichen Ingenieurfachkräfte. Arbeitete bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen insgesamt zur Jahresmitte 2022 mit 48,2 % fast die Hälfte in Teilzeit, so lag die Quote bei den Ingenieurinnen mit 29,2 % um ganze 19 Prozentpunkte beträchtlich niedriger.
Landkreis Böblingen mit höchster Ingenieurdichte
Ungeachtet der insgesamt sehr guten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ingenieurfachkräfte zeigen sich doch markante regionale Unterschiede. Im Landkreis Böblingen lag der Anteil der Ingenieurfachkräfte bezogen auf alle Beschäftigten mit 9,4 % am höchsten. An zweiter und dritter Stelle folgten der Bodenseekreis mit 7,6 % und der Stadtkreis Stuttgart mit einer Ingenieurdichte von 6,9 %. In allen drei Kreisen sind vor allem forschungsintensive Wirtschaftsbereiche von hoher Bedeutung. Von den insgesamt 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs lagen 13 Kreise über dem landesweiten Durchschnitt der Ingenieurdichte von 4,2 %, in den übrigen 31 Kreisen lagen die Anteile der Ingenieurfachkräfte gemessen an der Gesamtbeschäftigung darunter. Am Ende der Rangfolge fanden sich der Landkreis Calw, der Neckar-Odenwald-Kreis, der Landkreis Waldshut und der Ortenaukreis. Dort lagen die Anteile zwischen 1,8 % und 2,0 %.
Bei den Raumordnungs- und Planungsregionen des Südwestens belegte die Region Stuttgart bei der Ingenieurdichte wenig überraschend den Spitzenplatz (6,0 %). Überdurchschnittlich schnitten auch die Regionen Ostwürttemberg (4,6 %) sowie Mittlerer Oberrhein und Bodensee-Oberschwaben ab (jeweils 4,3 %). Die geringste Ingenieurdichte wurde im Jahr 2022 mit 2,6 % in der Region Nordschwarzwald registriert (Schaubild 3).
Anzeichen für Fachkräfteengpässe in einzelnen Tätigkeitsfeldern
Um die ohnehin anspruchsvollen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen wie Energiewende und Digitalisierung zu bewältigen, bedarf es geeigneter Fachkräfte, was nicht zuletzt durch den demografischen Wandel erschwert wird. Die Ingenieurberufe spielen dabei nun eine umso gewichtigere Rolle, nachdem die Nachfrage nach dieser Berufsgruppe in den Pandemiejahren 2020 und 2021 nachgelassen hatte. Betrachtet man allerdings die Arbeitslosen-Stellen-Relation innerhalb des Ingenieurwesens, machen sich in manchen Tätigkeitsfeldern Anzeichen für Fachkräfteengpässe bemerkbar. Zwar kamen bei den Ingenieurberufen im Jahresdurchschnitt 2022 fast doppelt so viele gemeldete Stellen (97) auf 100 Arbeitslose wie bei allen Berufsbereichen insgesamt (50), dennoch lag das Verhältnis dort mit nahezu 1:1 noch relativ niedrig. Angespannter stellte sich die Personallage vor allem in den Tätigkeitsfeldern Mechatronik, Energie- und Elektrotechnik (250 gemeldete Stellen je 100 Arbeitslose) und Bauwesen (211) dar (Tabelle 3). Hierbei ist anzumerken, dass die alleinige Betrachtung dieser Verhältniszahl bei akademischen Berufen zur Unterschätzung des Arbeitskräfteangebots führen kann, da sich Hochschulabsolventinnen und -absolventen nach ihrem Abschluss in der Regel (Ausnahme: Hilfebedürftigkeit) nicht in der Arbeitslosenstatistik wiederfinden. Die vollumfängliche Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit stützt sich daher zusätzlich auf weitere Indikatoren wie die Vakanzzeit, die berufsspezifische Arbeitslosenquote, die Veränderung des Anteils der ausländischen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, die Abgangsrate aus Arbeitslosigkeit und die Entwicklung der mittleren Entgelte, auf die in diesem Beitrag nicht näher eingegangen wird.