Die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im strukturellen Wandel
Eine Analyse über die Auswirkungen des Strukturwandels auf den Produktionsstandort Baden-Württemberg
Die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« in Baden-Württemberg durchläuft seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 einen grundlegenden strukturellen Wandel. Die starke Ausrichtung auf die ausländischen Absatzmärkte hat der Branche in der Südwestindustrie deutliche Bedeutungsgewinne bereitet und die Stellung als umsatzstärkste Industriebranche gefestigt. Zugleich zeichnet sich mit der unterdurchschnittlichen Entwicklung des Produktionsniveaus und dem Rückgang des Umsatzanteils aus Eigenerzeugung eine deutliche strukturelle Verlagerung weg von der inländischen Eigenproduktion und der Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe ab. Die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Coronakrise und die erheblichen Unsicherheiten der vergangenen Jahre haben diesen Prozess zusätzlich beschleunigt. Angesichts der aktuellen klima- und geopolitischen Fragestellungen steht die Branche zur »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« vor erheblichen Herausforderungen, die den strukturellen Wandel des Wirtschaftszweigs auch zukünftig erheblich beeinflussen werden.
Die Branche zur »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« bildet für Deutschland und insbesondere für das Verarbeitende Gewerbe von Baden-Württemberg (i-Punkt »Begriffserläuterungen«) traditionell einen bedeutenden Industrieschwerpunkt. Sie erwirtschaftete im Jahr 2022 einen Gesamtumsatz in Höhe von 135,7 Milliarden (Mrd.) Euro und war mit einem Umsatzanteil von 31 % die umsatzstärkste Branche der Südwestindustrie. Zugleich war sie mit etwa 217 000 beschäftigten Personen im Jahr 2022 und einem Beschäftigtenanteil in Höhe von 16,7 % gemessen an der gesamten Südwestindustrie der zweitgrößte Arbeitgeber. Bei Lektüre dieses Beitrags gilt es zu beachten, dass die wirtschaftsfachliche Abgrenzung eng nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 2008 erfolgt. Die Abteilung 29 »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« der Wirtschaftszweigklassifikation (WZ) deckt den Kern der Wertschöpfung im Automobilbereich ab und bildet damit den Fokus dieser Strukturanalyse. Im gesamten Automobilbereich sind insbesondere aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtungen tatsächlich aber viele weitere Branchen wie der »Maschinenbau« oder die »Herstellung von elektrischen Ausrüstungen« in die Wertschöpfungskette eingebunden.
Die Abteilung 29 »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« untergliedert sich in die nachgeordneten Gruppen »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren«, »Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern« und »Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen«. Am umsatzstärksten war im Jahr 2022 die Gruppe zur »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren« mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 110,3 Mrd. Euro und einem Umsatzanteil an der Abteilung 29 »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« von 81,3 %. Der Umsatz wurde von 138 400 beschäftigten Personen erwirtschaftet, was einem Beschäftigtenanteil an der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« von 63,8 % entspricht. In der »Herstellung von Teilen und Zubehör für Kraftwagen« wurde ein Umsatz von 23,9 Mrd. Euro erwirtschaftet, was einen Umsatzanteil von 17,6 % ausmacht. Der Beschäftigtenanteil betrug 33,8 % mit insgesamt 73 300 beschäftigten Personen. Dem gemessen am Umsatz kleinsten Anteil (1,1 %) hatte die »Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern« mit einem Umsatz von 1,5 Mrd. Euro im Jahr 2022. Hier wurden im Jahr 2022 etwa 5 300 Personen beschäftigt, was einem Beschäftigtenanteil von 2,4 % entspricht (Tabelle 1).1
Umsätze im Bundes- und Branchenvergleich
Die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« kann seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im gesamtdeutschen Vergleich auf einen deutlichen Bedeutungsgewinn zurückblicken. Im Jahr 2009 lag der baden-württembergische Umsatzanteil in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« gemessen am Bundesergebnis bei 20,2 %. In den darauffolgenden Jahren nahm die Bedeutung bis in das Jahr 2015 auf 26,7 % kontinuierlich zu. Nach kleineren Bedeutungsverlusten, die im Jahr 2017 in einem Anteil von 24,9 % mündeten, stieg der baden-württembergische Umsatzanteil in der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« in den Folgejahren wieder leicht an (Schaubild 1). In den Jahren 2020 und 2021 baute die baden-württembergische Branche ihren Anteil erneut aus und erreichte 2021 mit 28 % einen neuen Höchstwert. Im Jahr 2022 sank der Anteil erneut auf 26,7 % und damit auf das Niveau des Jahres 2015. Gegenüber dem Jahr 2009 verzeichnete die baden-württembergische Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« einen strukturellen Bedeutungsgewinn gegenüber dem Bundesergebnis in Höhe von 6,5 Prozentpunkten.
Im Branchenvergleich der Südwestindustrie war die Entwicklung seit 2009 ebenfalls positiv. Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Branche zur »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« etwa 22,9 % des baden-württembergischen Industrieumsatzes. Infolge der Aufholeffekte nach der Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhte sich der Strukturanteil stetig bis in das Jahr 2015 auf ein Niveau von 31 % und damit auf den Höchstwert der Zeitreihe. Im Jahr 2016 fiel der Umsatzanteil zunächst auf 30 % und verharrte anschließend in den Folgejahren knapp unterhalb dieses Wertes (Schaubild 1). Im Jahr 2022 erzielte die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« wieder einen deutlichen Bedeutungsgewinn (31 %) und erreichte damit das Niveau des Jahres 2015. Seit dem Jahr 2009 erhöhte der Wirtschaftszweig »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« den Umsatzanteil an der Südwestindustrie so um insgesamt 8,1 Prozentpunkte.
Auslandsgeschäft weiter auf Rekordniveau
Das Auslandsgeschäft hat für die Südwestindustrie und auch für Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert. Vor dem Hintergrund der jüngst den Welthandel betreffenden Unsicherheiten – wie die protektionistischen Bestrebungen im Rahmen des Brexit, die seit 2021 anhaltenden Lieferengpässe infolge der Coronakrise und dem Krieg in der Ukraine – erwies sich das Auslandsgeschäft im Verarbeitenden Gewerbe als überaus robust und gewann in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« ist eine tragende Säule für das baden-württembergische Auslandsgeschäft. So waren Kraftwagen und Kraftwagenteile im Jahr 2022 wie schon in den Vorjahren das wichtigste Exportgut der Südwestindustrie.2 Bereits im Jahr 2009 lag die Exportquote des Wirtschaftszweigs mit 59,2 % deutlich über dem baden-württembergischen Industriedurchschnitt von 47 %. Die Bedeutung des Auslandsgeschäfts nahm bis ins Jahr 2015 kontinuierlich zu und erreichte eine Quote von 74,4 %. Auch in der 2016 beginnenden Schwächephase des Auslandsgeschäfts blieb die Exportquote weiter oberhalb der 70 %-Marke (Schaubild 2). Im Jahr 2020 nahm die Exportorientierung der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« wieder zu und übertraf 2021 durch einen kräftigen Anstieg auf ein Niveau von 74,9 % den Wert von 2015. Im Jahr 2022 folgte erneut ein deutlicher Anstieg bei den Auslandsumsätzen und die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« erreichte mit einer Exportquote von 77,1 % einen neuen Höchstwert, der deutlich über dem Durchschnitt der Südwestindustrie lag (57,7 %). Die hohe Bedeutung des Wirtschaftszweigs für das Auslandsgeschäft der Südwestindustrie zeigt sich auch im Branchenvergleich. Obwohl das Auslandsgeschäft für die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« bereits im Zeitraum 2009 bis 2013 einen hohen Stellenwert einnahm, wies die »Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen« in Baden-Württemberg bisweilen höhere Exportquoten auf. Ab dem Jahr 2014 übernahm die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« die Position der führenden Exportbranche der Südwestindustrie und behielt diese bis in das Jahr 2022 mit zunehmendem Abstand zu den anderen Industriebranchen bei.
Produktionsniveau der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« deutlich gesunken
Ausgehend von einem niedrigen Produktionsniveau im Jahr 2009 (76,3 Indexpunkte), bedingt durch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, entwickelte sich die preis- und arbeitstäglich bereinigte Produktion der Südwestindustrie bis zum Jahr 2011 (96,6 Indexpunkte) positiv. Nach einem kleinen Rückgang im Jahr 2012 stieg die baden-württembergische Industrieproduktion weiter an und erreichte im Jahr 2018 (105,9 Indexpunkte) einen neuen Höchstwert. Beginnend mit der 2019 eingeleiteten Schwächephase brach die Industrieproduktion im Jahr 2020 durch die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie deutlich ein. Der anschließende Aufholprozess wurde durch Lieferengpässe bei wichtigen Vorleistungsgütern und erheblichen Unsicherheiten in den Jahren 2021 und 2022 geprägt. Im Jahr 2022 lag die preis- und arbeitstäglich bereinigte Industrieproduktion (99,4 Indexpunkte) noch knapp unter dem Niveau des Jahres 2015 (99,7 Indexpunkte).3
Die preis- und arbeitstäglich bereinigte Produktion in der baden-württembergischen Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« entwickelte sich im Zeitablauf ab 2009 zunächst ähnlich wie der Industriedurchschnitt (Schaubild 3). In den Jahren 2010 bis 2014 überstieg das Produktionsniveau der Branche zeitweise das Niveau der Südwestindustrie. Ab dem Jahr 2015 fiel die Produktion unter das Niveau der Industrieproduktion und es zeichnete sich 2016 erstmalig ein deutliches Auseinanderlaufen der Indexreihen ab, welches in den Folgejahren weiter zunahm. Während die Südwestindustrie im Jahr 2022 nahezu wieder das Produktionsniveau des Jahres 2015 erreicht hatte, lag die preis- und arbeitstäglich bereinigte Produktion der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« 2022 (88,2 Indexpunkte) etwa 11,4 Punkte unterhalb des Wertes von 2015 (99,6 Indexpunkte). Auch wenn die Entwicklung ab dem Jahr 2021 insbesondere in der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« negativ von den Lieferengpässen beeinflusst wurde, lagen bereits im Jahr 2019 verglichen mit dem Industriedurchschnitt deutliche Unterschiede bei den Produktionsniveaus vor. Durch die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie und den wirtschaftlichen Verwerfungen in den Jahren 2020 und 2021 vergrößerte sich der Abstand zwischen den Produktionsniveaus der Südwestindustrie und der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« erneut deutlich. Obwohl die Branche im Jahr 2022 gegenüber der durchschnittlichen Industrieproduktion ihre Kapazitäten steigern konnte, beträgt der Abstand des Produktionsniveaus im Jahr 2022 nahezu das Doppelte der im Jahr 2019 vorliegenden Abweichung. Inwieweit die negativen Impulse der jüngsten Krise die Produktion der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« strukturell zusätzlich beeinflusst haben, oder ob ein Teil der Diskrepanz nur auf den temporären Effekt der sich langsam lösenden Lieferengpässe zurückzuführen ist, wird das Jahr 2023 zeigen.
Der schwachen Produktionsentwicklung folgen strukturelle Bedeutungsverluste bei den Umsätzen aus eigenen Erzeugnissen
Der Umsatz kann in den Statistiken des Verarbeitenden Gewerbes je nach Entstehung der Wertschöpfung in die Umsatzkomponenten Umsatz aus eigenen Erzeugnissen und den sonstigen Umsätzen unterteilt werden. Der Umsatz aus eigenen Erzeugnissen (i-Punkt »Definition Umsätze«) beschreibt den mit eigenen Produktionsmitteln generierten Umsatz, während der sonstige Umsatz aus einem Aggregat verschiedener Umsatzquellen außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes besteht. Der bedeutendste Anteil der sonstigen Umsätze entfällt im Verarbeitenden Gewerbe traditionell auf die Handelsumsätze.4 Die Entwicklung der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen gegenüber den sonstigen Umsätzen ermöglicht im zeitlichen Kontext eine Analyse von Veränderungen der Umsatzstrukturen einer Branche und liefert unter Berücksichtigung des Produktionsniveaus Hinweise auf tiefgreifende strukturelle Veränderungen.
Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Südwestindustrie mit einem Anteil von 85,1 % gemessen am Gesamtumsatz den Großteil der Umsätze aus den eigenen Erzeugnissen. Bis in das Jahr 2017 verringerte sich die Bedeutung der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen gegenüber den sonstigen Umsätzen deutlich auf ein Niveau von 79,9 %. Nach einem kleinen Anstieg im Jahr 2018 (80,4 %) setzte sich der Negativtrend in der Südwestindustrie fort und mündete im Jahr 2022 (74,7 %) deutlich unterhalb der Ausgangslage von 2009 in einem neuen Tiefstand. Der Anteil der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen am Gesamtumsatz lag in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2009 auf einem dem Industriedurchschnitt ähnlichen Niveau in Höhe von 85 %. Die Entwicklung in den Folgejahren wies grundsätzlich ähnliche Tendenzen zur Südwestindustrie auf. In den Jahren 2010 und 2011 stieg der Anteil der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen am Gesamtumsatz zunächst auf 85,9 % leicht an und bewegte sich anschließend mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2018 insgesamt deutlich abwärtsgerichtet. Im Jahr 2022 wurden aus eigenen Produktionsmitteln noch etwa 62,9 % der Umsätze erwirtschaftet, was einen Tiefstand seit dem Jahr 2009 markiert (Schaubild 4). Dabei waren die Jahre ab 2015 im Wesentlichen durch eine starke Entwicklung der sonstigen Umsätze und eine gleichzeitig schwache Entwicklung bei den Umsätzen aus eigenen Erzeugnissen geprägt. Während die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2019 nominal noch 26,6 Mrd. Euro sonstige Umsätze verzeichnete, waren es 2022 bereits 50,3 Mrd. Euro. Demgegenüber haben sich die nominalen Umsätze aus eigenen Erzeugnissen von 83,5 Mrd. Euro im Jahr 2019 lediglich auf 85,3 Mrd. Euro im Jahr 2022 erhöht.
Baden-württembergischer Produktionsstandort in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« verliert an Bedeutung
Im direkten Vergleich zeigte sich bis ins Jahr 2014 bei dem Anteil der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen am Gesamtumsatz zwischen der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« und der Südwestindustrie eine ähnliche Entwicklung. Ab dem Jahr 2015 verringerte sich der Anteil der Umsätze aus Eigenerzeugung in der Branche jedoch deutlich schneller (Schaubild 4). Insgesamt sank der Anteil der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen am Gesamtumsatz der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2022 gegenüber 2009 um 22,1 Prozentpunkte, während das Minus in der Südwestindustrie im gleichen Zeitraum nur 10,4 Prozentpunkte betrug. Auch wenn die Entwicklung der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« grundsätzlich dem Trend der Südwestindustrie folgt, war die Verlagerung der Umsätze aus eigener Erzeugung hin zu den sonstigen Umsätzen in der Branche ab 2015 besonders prägnant.
Die ebenfalls schwache Produktionsentwicklung des Wirtschaftszweigs »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« ab dem Jahr 2015 zeigt zusammen mit dem Auseinanderlaufen des Produktionsniveaus gegenüber der Südwestindustrie deutliche Analogien zu den hier aufgezeigten strukturellen Veränderungen der Umsatzbestandteile. Der starke Anstieg der sonstigen Umsätze bei einem gleichzeitig rückläufigen Produktionsniveau weist auf eine Ausweitung ausländischer Produktionskapazitäten hin. Gleichzeitig zeigt sich mit der verlangsamten Entwicklung der Umsätze aus eigenen Erzeugnissen und dem niedrigen Produktionsniveau eine strukturelle Reduktion der Produktionskapazitäten in der baden-württembergischen Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«. Dabei wird aufgrund methodischer Besonderheiten in den Umsätzen aus eigenen Erzeugnissen noch nicht das gesamte Ausmaß der Verringerung des Produktionsniveaus deutlich. Bei der Vergabe von Produktionstätigkeiten in Lohnarbeit5 durch die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« an ausländische Hersteller, werden hieraus erwirtschaftete Erlöse den Umsätzen aus eigenen Erzeugnissen und nicht den sonstigen bzw. den Handelsumsätzen zugerechnet. Im Produktionsniveau hingegen wird der Rückgang der baden-württembergischen Produktion in der Branche vollständig sichtbar.
Investitionen bleiben deutlich hinter der Umsatzentwicklung zurück
Die getätigten Investitionen sind für den Erhalt und die Erweiterung der Produktionskapazitäten und damit für die strukturelle Entwicklung der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« wegweisend. Als umsatzstärkster Wirtschaftszweig nimmt die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« bei den baden-württembergischen Industrieinvestitionen eine führende Position ein. Den Höchstwert in der Zeitreihe seit 2009 verzeichnete die Branche im Jahr 2017 mit einem Anteil an den Industrieinvestitionen in Höhe von 41,1 %. Im Jahr 2018 verringerte sich der Anteil auf 37,6 % und stagnierte im Folgejahr nahezu. In den Jahren 2020 und 2021 büßte die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« erneut deutlich an Bedeutung bei den Industrieinvestitionen ein und lag 20216 mit einem Strukturanteil von 29,9 % etwa 11,2 Prozentpunkte unter dem Höchstwert von 2017.
Die Investitionsquote, welche die getätigten Kaufinvestitionen ins Verhältnis zu den erwirtschafteten Umsätzen setzt, lag in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« seit 2009 bis in das Jahr 2019 deutlich über dem Industriedurchschnitt. Den höchsten Anteil an den erwirtschafteten Umsätzen reinvestierte die Branche demnach im Jahr 2017 mit einer Investitionsquote von 5,3 % (Industriedurchschnitt: 3,8 %). Im Zuge der wirtschaftlichen Verwerfungen ab dem Jahr 2020 näherte sich der Wirtschaftszweig »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2020 (3,7 %) dem Industriedurchschnitt (3,5 %) an. Obwohl die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2021 wieder ein nominales Umsatzplus (+ 13,1 %) verzeichnen konnte, tätigte die Branche erneut geringere Kaufinvestitionen (–4,3 %) als im Jahr zuvor, womit die Investitionsquote auf einen neuen Tiefstand sank (3,1 %), welcher im Betrachtungszeitraum erstmalig dem Niveau der Südwestindustrie entsprach (Schaubild 5).
In Anbetracht der konjunkturellen Unsicherheiten, den neuen Anforderungen im Rahmen der Elektromobilität und dem langfristigen Planungshorizont von Investitionsentscheidungen im Allgemeinen muss der Rückgang der Investitionsquote allerdings nicht zwangsläufig auf eine strukturelle Unterinvestition hinweisen.
Die Zerlegung der Kaufinvestitionen in ihre Komponenten zeigt für die Jahre 2020 und 2021 insbesondere einen Investitionsrückgang bei den konjunktursensibleren Ausrüstungsinvestitionen, während die längerfristigen Immobilieninvestitionen weniger stark betroffen waren. Der Rückgang der Kaufinvestitionen im Jahr 2021 wurde durch einen Anstieg der Mietinvestitionen um etwa das 1,3-Fache kompensiert, sodass die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« im Jahr 2021 in Summe aus Kauf- und Mietinvestitionen einen nominalen Anstieg (+6,4 %) gegenüber dem Vorjahr verzeichnete. Gleichwohl lagen die Kauf- und Mietinvestitionen im Jahr 2021 zusammengenommen mit nominal 4,4 Mrd. Euro noch deutlich unter dem Niveau des Jahres 2019 mit 6,2 Mrd. Euro.
»Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« verliert bei der Beschäftigung an Bedeutung
Als zweitwichtigster Arbeitsgeber bildet die Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« auch bei der Beschäftigung einen Schwerpunkt in der Südwestindustrie. Die Beschäftigungsentwicklung war, ausgehend von einem niedrigen Beschäftigungsniveau von etwa 196 400 Personen im Jahr 2009 und bedingt durch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, von einem positiven Trend geprägt. Der höchste Beschäftigungsumfang wurde im Jahr 2019 mit rund 235 400 beschäftigten Personen erreicht. Infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie und der daraus resultierenden konjunkturellen Verwerfungen, verzeichnete die Südwestindustrie im Jahr 2020 einen deutlichen Beschäftigungsrückgang auf knapp 221 500 Personen. Im Jahr 2021 folgte ein weiterer Rückgang auf etwa 217 100 beschäftigte Personen. Knapp unterhalb dieses Niveaus verharrte die Beschäftigung auch im Folgejahr 2022. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2019 waren im Jahr 2022 in der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« somit etwa 18 400 Personen weniger beschäftigt. Eine Verringerung bei dem Anteil der Beschäftigung des baden-württembergischen Wirtschaftszweigs »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« gemessen an der Industriebeschäftigung insgesamt kann ab dem Jahr 2017 beobachtet werden. Im Jahr 2016 verzeichnete die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« mit einem Beschäftigtenanteil von 17,9 % an der gesamten Südwestindustrie den bis heute höchsten Wert. Mit dem Jahr 2017 beginnend entwickelte sich der Anteil, mit Ausnahme des Jahres 2019, rückläufig. Im Jahr 2022 lag der Beschäftigungsanteil der Branche mit 16,7 % leicht unterhalb des niedrigen Niveaus des Jahres 2009 (Tabelle 2).
Fazit
In den Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise konnte die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« in Baden-Württemberg dank eines stetig wachsenden Auslandsgeschäfts auf deutliche Zugewinne bei den Industrieumsätze zurückblicken, womit die Branche auch ihren Umsatzanteil an der gesamten Südwestindustrie erhöhte.
Mit der gestiegenen Exportorientierung ist zwangsläufig auch die Abhängigkeit von den ausländischen Absatzmärkten gestiegen, was in Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage zu einer kurzfristigen Verschlechterung der Absatzmöglichkeiten führen kann. Mit Blick auf den baden-württembergischen Produktionsstandort zeigen sich in der jüngeren Vergangenheit erkennbare strukturelle Veränderungen. Das Produktionsniveau der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« ist seit dem Jahr 2015 von der Entwicklung der Industrieproduktion entkoppelt und zeigte zuletzt in Folge der Coronakrise Negativtendenzen. Entsprechend beschleunigte sich auch der Strukturwandel bei den Umsatzkomponenten hin zu einem deutlichen Bedeutungsgewinn der sonstigen Umsätze und weg von den Umsätzen aus eigenen Erzeugnissen. In diesem Kontext weisen die Zuwachsraten der sonstigen Umsätze bei einem gleichzeitig robusten Strukturanteil des Gesamtumsatzes und einem rückläufigen Produktionsniveau auf eine Ausweitung ausländischer Produktionskapazitäten zulasten der Bedeutung des baden-württembergischen Produktionsstandortes hin.
Der Beschäftigungsanteil der Branche zur »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« gemessen an der gesamten Südwestindustrie war in den letzten Jahren aufgrund schwacher Investitionen rückläufig. Die abnehmenden Investitionen waren zum einen zyklisch bedingt, zum anderen dürften aber auch ausstehende Richtungsentscheidungen in der Branche in Kombination mit der Coronakrise zur Investitionszurückhaltung geführt haben. Die nicht zuletzt mit der Energiekrise aufgekommene Dynamik im Bereich der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität kann mittelfristig hohe Investitionen und damit auch wieder einen überproportionalen Beschäftigungsaufbau auslösen. Ob große Investitionen tatsächlich in Baden-Württemberg getätigt werden und die Branche damit ihren derzeitigen Stellenwert langfristig halten kann, werden die kommenden Investitionserhebungen zeigen.