Der baden-württembergische Baumobstanbau
Arten- und Sortenvielfalt im Land der Sonderkulturen
Baden-Württemberg ist bekannt als das Land der Sonderkulturen. Insbesondere Obst wird in großem Umfang angebaut und produziert. Durch ihr vergleichsweise mildes und ausgeglichenes Klima bieten vor allem die Gebiete am Bodensee und in den Flusstälern von Rhein und Neckar gute Voraussetzungen für den Anbau. Der Schwerpunkt der Obstproduktion liegt dabei auf dem Anbau von Kern- und Steinobst. Auf einer Fläche von 17 644 Hektar (ha) werden von 3 563 Betrieben überwiegend Äpfel, Süßkirschen und Zwetschgen kultiviert. Im 5-jährigen Turnus1 werden hierzu detailreiche Informationen über den Umfang und die Strukturen der angebauten Obstarten in der Baumobstanbauerhebung (siehe i-Punkt »Baumobstanbauerhebung«), die zuletzt 2022 durchgeführt wurde, erhoben.
Auf die deutschlandweite Anbaufläche von Baumobst (49 200 ha) entfällt mehr als ein Drittel auf Baden-Württemberg und macht es somit zu dem bedeutendsten Bundesland für diesen Anbauzweig. Im Mittelpunkt steht dabei die Kultivierung von Äpfeln, die außer in Baden-Württemberg hauptsächlich noch im Anbaugebiet »Altes Land« in Niedersachsen und Hamburg in größerem Umfang erzeugt werden. Im europäischen Vergleich führt Polen mit einer Fläche von 161 000 ha (34 % der gesamten Apfelanbaufläche) die Produktion an, hat aber durch den Krieg in der Ukraine und den damit geschlossenen Märkten im Osten, vor allem in das ehemalige Hauptexportland Russland, enorme Vermarktungsschwierigkeiten.2 Deutschland hingegen nimmt mit seiner Anbaufläche von Baumobst insgesamt und somit auch in der Apfelproduktion eine untergeordnete Rolle ein. Der Anteil an der EU-Apfelanbaufläche lag 2017 bei lediglich 7 %. Nichtdestotrotz spielt der Baumobst- und vor allem der Apfelanbau regional eine wichtige Rolle.
Apfelanbau unangefochten auf Platz 1
Äpfel machen die mit Abstand wichtigste Baumobstart in Baden-Württemberg aus und werden derzeit auf 11 610 ha (−4 % im Vergleich zu 2017) und somit auf knapp zwei Dritteln der gesamten Baumobstfläche angebaut (Schaubild 1). Eine weitere Kernobstart sind Birnen. Ihnen kann aufgrund ihrer geringen Anbaufläche von 863 ha nur eine kleine Bedeutung beigemessen werden. Im Vergleich zu 2017 nahm die Fläche aber immerhin um knapp 2 % zu. Unter den Steinobstarten stechen vor allem die Süßkirschen mit einer Anbaufläche von 2 598 ha (−6 %) hervor, gefolgt von Pflaumen und Zwetschgen auf 1 678 ha (−6 %). Einen deutlich kleineren Anteil machen Obstarten wie Sauerkirschen mit 238 ha (−14 %), Mirabellen und Renekloden mit 334 ha (+7 %), Aprikosen und Pfirsiche 105 ha (−6 %) sowie Nussbäume wie Walnüsse mit 117 ha (+31 %) aus. Im deutschlandweiten Vergleich liegen fast alle erhobenen Baumobstarten hinsichtlich ihrer Anbaufläche auf Platz 1: Rund 35 % der Äpfel, 42 % der Birnen, 45 % der Süßkirschen, 41 % der Zwetschgen/Pflaumen und 51 % der Mirabellen/Renekloden werden in Baden-Württemberg angebaut.
Der Schwerpunkt bei den meisten Obstarten liegt eindeutig auf der Erzeugung von Tafelobst, insbesondere im Apfelanbau, wo auf 79 % der Anlagen Tafeläpfel für den direkten Verzehr oder zur Einlagerung unter kontrollierten Bedingungen geerntet werden. Ähnlich verhält es sich bei den Pflaumen und Zwetschgen, wo 82 % als Frischobst vermarktet werden. Bei Birnen reduziert sich der Anteil von Tafelware auf 59 % der Fläche. Im Gegensatz dazu überwiegt im Süßkirschenanbau die Produktion von Brenn- und Schüttelkirschen für Brennereien und zur industriellen Verarbeitung mit 65 %.
Viele kleine, aber insgesamt weniger Betriebe
Die Baumobstflächen in Baden-Württemberg werden momentan von 3 563 Obstbäuerinnen und Obstbauern bewirtschaftet (Tabelle). Das ist rund ein Zehntel weniger als noch vor 5 Jahren. Die durchschnittliche Anbaufläche vergrößert sich von 4,6 ha auf 5 ha je Betrieb. Die Spanne zwischen den kleineren – oftmals im Nebenerwerb betriebenen Obstanlagen – und den großen spezialisierten Betrieben bleibt groß. Über die Hälfte der Betriebe bearbeitet weniger als 2 ha Baumobst, die jedoch nur 11 % der gesamten Baumobstfläche ausmachen. Im Gegensatz dazu baut nur ein kleiner Teil der Betriebe (13 %) mehr als 10 ha Obst an. Sie sind jedoch für 58 % der gesamten Obstflächen verantwortlich. Innerhalb der letzten 5 Jahre hat sich damit der Anteil der Betriebe mit mehr als 10 ha leicht erhöht (+0,7 Prozentpunkte). Ihre bewirtschaftete Baumobstfläche erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 3,4 Prozentpunkte. Der allgemeine Trend in der Landwirtschaft hin zu größeren Betrieben wird auch im Baumobstanbau bestätigt: Allein in der Größenklasse über 20 ha kann seit 2017 ein Zuwachs von Betrieben (+7 %) und Anbaufläche (+15 %) verzeichnet werden.
Die in Baden-Württemberg weit verbreiteten Streuobstwiesen werden in der Baumobstanbauerhebung grundsätzlich nicht erfasst. Allerdings ist es mitunter schwierig, eine klare Abgrenzung hinsichtlich Pflanzdichte und Nutzungsintensität zu ziehen, weshalb Fehlzuordnungen nicht ausgeschlossen werden können. Eine weitere Schwierigkeit bei der Datenerhebung bestand wie schon 2017 darin, dass oftmals die Bruttofläche einer Anlage, also die Fläche einschließlich Vorgewende, Wegflächen, Böschungen, Fehlstellen, etc. anstatt der eigentlich befragten bepflanzten Fläche angegeben wurde.
Bio gewinnt an Bedeutung
Die ökologische Landwirtschaft hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die Nachfrage von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach ökologisch produzierten Lebensmitteln ist bis vor der starken Inflation infolge des Krieges in der Ukraine kontinuierlich gestiegen. In Baden-Württemberg wirtschafteten 2020 rund 11 % aller landwirtschaftlichen Betriebe auf 12 % der landwirtschaftlichen Fläche nach ökologischen Kriterien. Betrachtet man den Baumobstanbau, stellt man fest, dass der Ökoanbau eine leicht überdurchschnittliche Rolle einnimmt. 11 % der Baumobst anbauenden Betrieben bewirtschaften rund 18 % der Fläche nach ökologischen Standards. Damit erhöhte sich die Zahl dieser Betriebe seit 2017 um 14 % und die Fläche sogar um 34 %. Zwischen den Obstarten schwankt der Anteil des ökologischen Obstbaus jedoch erheblich. Einen klaren Vorsprung im ökologischen Anbau haben Äpfel. Knapp ein Viertel (24 %) werden mittlerweile ohne synthetisch-chemische Pflanzenschutzmittel (siehe i-Punkt »Ökologischer Obstanbau«) angebaut. Unter den Wirtschaftsäpfeln, die beispielsweise zu Apfelsaft verarbeitet werden macht der Ökoanteil sogar etwas über 50 % aus. Dies rührt daher, dass das Aussehen bei Mostäpfeln zweitrangig ist, während bei Tafeläpfeln ein makelloses Äußeres gewünscht ist. Bei Letzteren liegt der Ökoanteil entsprechend bei lediglich knapp 17 %, ist damit aber immer noch überdurchschnittlich. Beim Steinobst fällt der ökologisch produzierte Anteil sehr gering aus. Bei Zwetschgen sind es nur 5 % und bei den Süßkirschen nicht einmal 3 %, diese Werte haben sich seit 2017 nicht verändert.
Obst vorwiegend vom Bodensee
Die drei wichtigsten Obst-Anbaugebiete in Baden-Württemberg liegen am Bodensee und in den Flusstälern von Rhein, Neckar und Kocher (Schaubild 2), wobei sich die Regionen in ihren Schwerpunkten und Strukturen deutlich unterscheiden.
Das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet am baden-württembergischen Bodensee erstreckt sich über den Bodenseekreis (6 679 ha, −4,6 % im Vergleich zu 2017) und die Landkreise Ravensburg (1 460 ha, +9,7 %) und Konstanz (875 ha, −5,8 %). Mit durchschnittlich 8,8 ha pro Betrieb (+9,5 %) liegen die dortigen 1 025 Obstbaubetriebe (−11,1 %) weit oberhalb des Landesdurchschnitts. Die Bodenseeregion ist durch ihr mildes und ausgeglichenes Seeklima für den Anbau diverser Sonderkulturen wie Wein, Gemüse und Obst bekannt. Tafeläpfel bilden den wichtigsten Produktionszweig im Obstbau auf einer Fläche von 6 520 ha. Das sind 8,2 % weniger als 2017. Zur Erweiterung des Obstsortiments werden hier aber auch (in kleinerem Umfang) Tafelzwetschgen (358 ha, +5 %) und Tafelsüßkirschen auf 398 ha (−3,9 %) kultiviert. Für letztere hat sich am Bodensee ein Erzeugungsschwerpunkt etabliert, der 44 % der Tafelsüßkirschenfläche Baden-Württembergs erfasst.
Im zweitgrößten baden-württembergischen Anbaugebiet, der südlichen Rheinebene zwischen Ortenaukreis und Kreis Lörrach sind Kleinbetriebe vorherrschend. Auf insgesamt 4 758 ha werden hier zum größten Teil Steinobstarten von 1 624 Betrieben bewirtschaftet, das sind gut 200 Betriebe weniger als noch vor 5 Jahren. Die Durchschnittsgröße von 2,9 ha je Betrieb liegt weit unterhalb des Landesmittels.
Mit Abstand vorne liegen die Süßkirschen auf rund 1 899 ha, gefolgt von Äpfeln (Tafel- und Verwertungsobst) auf 1 247 ha und Pflaumen/Zwetschgen auf 940 ha mit einem Großteil an Tafelobst. Im Ortenaukreis befindet sich das wichtigste Süßkirschenanbaugebiet Deutschlands (1 448 ha), das auf 95 % der Fläche Brenn- und Schüttelkirschen hervorbringt. Die geernteten Früchte sind hauptsächlich zur Produktion des berühmten Schwarzwälder Kirschwassers oder zur Pralinenherstellung für die Industrie bestimmt.
Kleiner und weniger als zusammenhängendes Gebiet erkennbar wird entlang von Neckar und Kocher in 377 Betrieben auf 1 951 ha Obst angebaut. Zwischen Esslingen und Öhringen liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Anbau von Tafeläpfeln (1 102 ha).
Apfelsortiment stellt sich (langsam) breiter auf
Das Marktgeschehen bei den Tafeläpfeln bestimmen zwar weiterhin wenige Hauptsorten, die wie schon 2017 über die Hälfte der Tafelapfelanbaufläche von 9 198 ha ausmachen. Allerdings verloren fast alle dieser Sorten an Anbaufläche und die zweite Hälfte der Gesamtfläche wird durch ein vielfältiges Sortengeschehen beschrieben (Schaubild 3). Elstar wurde weiterhin am meisten, nämlich noch auf 1 865 ha kultiviert, das entspricht 6 % weniger als noch vor 5 Jahren. Gala konnte die Anbaufläche auf 1 207 ha um knapp 3 % erhöhen und löst somit die Sorte Jonagold von Platz 2 ab. Bei Jonagold wurde ein Einbruch von mehr als einem Viertel (−27 %) auf 936 ha verzeichnet. Auch die Sorte Braeburn, die nach wie vor den vierten Platz im Anbau belegt, wurde vergleichsweise weniger, nämlich auf einer Fläche von nur noch 825 ha (−17 %) angebaut.
Die Obstbetriebe im Land haben bei Neuanpflanzungen offensichtlich keinen klaren Favoriten. Bei Topaz (Platz 5, +10 % auf 476 ha) und Pinova (Platz 6, +22 % auf 402 ha) wurden die Anbauflächen zwar ausgeweitet, aber die Zunahmen sind deutlich geringer, als die Flächenabnahmen bei den etablierten Sorten. Die Clubsorten (Sorten, die nur von wenigen Betrieben – dem »Club« – angebaut werden) Fuji und Kanzi, haben seit 2017 wieder etwas an Anbaufläche verloren.
Neu im Sortiment erscheint die Sorte Natyra/Magic Star. Als Natyra im ökologischen Anbau wird sie auch im konventionellen Anbau als Magic Star kultiviert. Mit zusammen 181 ha kann sie sich aus dem Stand auf Platz 12 einreihen. Dahinter liegt die Sorte Santana mit 156 ha, die die höchste Wachstumsrate (+60 %) unter den wichtigeren Apfelsorten aufweist.
Somit stellt sich insgesamt das Sortiment an marktrelevanten Apfelsorten weiterhin zunehmend breiter auf. Vor über 20 Jahren standen lediglich drei Sorten auf über der Hälfte der Tafelapfelfläche, die Top 5 der Sortenliste beanspruchten 1997 sogar über zwei Drittel der Fläche.
In Summe wurde 2022 gut 8 % weniger Fläche mit Tafeläpfeln kultiviert als noch 2017.
Apfelanbau in schwierigen Zeiten
Schon während des Sommers 2022 und zuletzt intensiv auf der Messe Fruchtwelt Bodensee im Januar 2023 wurde über die aktuellen Herausforderungen im Obstbau diskutiert. Die große Apfelernte in Deutschland und der EU 2022 und die damit einhergehende Überproduktion münden in einem Preisdruck auf dem Markt und damit in einer schlechten Erlöslage für die Erzeugerinnen und Erzeuger. Hinzu kommen massiv gestiegene Produktionskosten, veränderte Warenströme – ein geschlossener Markt im Osten durch den Krieg in der Ukraine – und ein verringerter Pro-Kopf-Verzehr sowie preisbewusstes Einkaufen oft günstigerer Importware infolge der starken Inflation. Gefordert wird unter anderem eine transparente Herkunftsbezeichnung, auch bei Saft und Mus, damit heimische Produkte im Regal besser erkennbar sind. Beim heimischen Sortenspektrum bröckeln die bisherigen Standardsorten wie oben beschrieben, bis auf Elstar, der weiterhin die Nummer 1 bleibt. Der starke Rückgang von Jonagold und Braeburn kann laut Einschätzungen aus der Branche auf einen zurückgegangenen Erlös und eine Annäherung in Richtung Billigsortiment zurückgeführt werden. Vorteilhafter seien in Bezug auf einen höheren Erlös Clubsorten, die in Baden-Württemberg einen relativ hohen Marktanteil ausmachen sowie der Bioanbau.34
Zukunftsfähige Doppelnutzung Agri-Photovoltaik?
Die begrenzte Verfügbarkeit von Fläche und das Interesse an einer breiteren Absicherung gegen Ertragsrisiken infolge des Klimawandels machen eine Doppelnutzung von Agrarflächen in den letzten Jahren interessanter. Nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine bietet die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energien eine gewisse Unabhängigkeit von diktatorischen Gas- und Ölexporteuren bei gleichzeitiger Reduktion der Umweltschädlichkeit fossiler Energiequellen. So hat die Forschung rund um das Thema Agri-Photovoltaik immer mehr an Bedeutung gewonnen und auch vor dem Obstbau keinen Halt gemacht. 2022 wurde bekannt, dass das Land Baden-Württemberg ein neues Agri-Photovoltaik-Projekt mit rund 2,5 Millionen Euro fördern will. Bislang gab es im Land drei Anlagen über Getreide und Grasland. Im neuen Forschungsprojekt wird der Fokus auf fünf Versuchsanlagen mit Obstbau (Kernobst- und Beerenanbau) gelegt.5 Diese liegen in Ravensburg, Weinsberg, Karlsruhe, Kressbronn und Nußbach. An den letzten beiden Standorten werden die Anlagen in Praxisbetriebe integriert.6 Hier sollen die Photovoltaik-Anlagen zusätzlich zum oben beschriebenen Nutzen zum Teil Hagelnetze ersetzen und in heißen Sommern durch ihre beschattende Funktion die Transpiration und somit den Wasserbedarf der Pflanzen darunter senken sowie vor Sonnenbrand schützen. Die Projektleitung übernehmen das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Wie lange es allerdings dauert, bis »Normalbetriebe« mit solchen Anlagen ausgestattet sein werden und ob in Zukunft der Obstanbau unter Photovoltaik ein Erhebungsmerkmal in der Baumobstanbauerhebung oder anderen Erhebungen darstellen wird, bleibt abzuwarten.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Baumobstanbau seit letztem Jahr aufgrund deutlich gestiegener Produktionskosten, rückläufiger Erlöse und geändertem Konsumverhalten7 erheblich unter Druck steht. Hinzu kommt die Diskussion über eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, was den meisten Obstbäuerinnen und Obstbauern zusätzliche Ressourcen abverlangen dürfte. Der Vergleich mit 2017 weist schon jetzt auf sich ändernde Strukturen zu weniger und größeren Betrieben hin, was sich bei einer weiter anhaltenden Durststrecke für die Betroffenen weiter verschärfen dürfte.