Der Wohngebäude- und Wohnungsbestand Baden-Württembergs 2020
Wie viele Wohnungen gibt es in Baden-Württemberg, wie viele Räume zu Wohnzwecken befinden sich darin und wie groß ist die Zahl der Wohngebäude? Welche Wohnfläche steht den Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern heute im Durchschnitt zur Verfügung und wie verteilt sich der Wohnungsbestand auf die Stadt- und Landkreise (bzw. auf die Gemeinden)? Die jährliche Fortschreibung des Wohngebäude- und Wohnungsbestands auf Grundlage der Bautätigkeitsstatistik liefert dazu Antworten.
Der Wohnungsbestand Ende 2020
Nachdem alle Baufertigstellungs- und Abgangsmeldungen eines Jahres erfasst und verarbeitet wurden, schreibt das Statistische Landesamt rechnerisch den Wohngebäude- und Wohnungsbestand des Landes fort. Dies geschieht immer auf der Basis der jeweils letzten Gebäude- und Wohnungszählung im Rahmen des Zensus – aktuell auf der von 2011. Nachgewiesen werden, für jede Gemeinde Baden-Württembergs, die Merkmale Zahl der Wohngebäude und Zahl der Wohnungen mit der Zahl der sich darin befindlichen Räume, die Wohngebäudeart und die Wohnfläche.1 Tabelle 1 weist den Wohngebäude- und Wohnungsbestand in Baden-Württemberg zum 31. Dezember 2020 aus. Der Bestand von rund 5,16 Millionen (Mill.) Wohnungen in Wohngebäuden setzte sich zusammen aus 29 % Wohngebäuden mit einer Wohnung (Einfamilienhäusern), rund 20 % Wohnungen in Zweifamilienhäusern, 49 % Wohnungen in Drei- oder Mehrfamilienhäusern und zu rund 2 % aus Wohnungen in Wohnheimen. Hinzuzurechnen sind rund 212 000 Wohnungen, die sich in Nichtwohngebäuden befinden. In Nichtwohngebäuden dient mehr als die Hälfte der Gesamtnutzfläche »Nichtwohnzwecken«, also Nutzungen wie zum Beispiel Büros, Geschäfts- oder Ladenräumen, Praxen usw.
Das »X« in Tabelle 1 bedeutet, dass die Zahl der Nichtwohngebäude nicht ausgewiesen wird, da sie statistisch nicht fortgeschrieben werden kann. Zwar wird die Zahl der neu fertiggestellten Nichtwohngebäude im Rahmen der Bautätigkeitsstatistik jährlich in regionaler Tiefe durchaus erhoben, in den Wohnungszählungen der Zensen (zuletzt im Jahr 2011, früher als »Volkszählungen« bekannt), wird der Bestand an Nichtwohngebäuden jedoch nicht ermittelt, sodass er auch nicht fortgeschrieben werden kann. Daten zu Nichtwohngebäuden, zum Beispiel zum energetischen Zustand derselben, werden von Nutzerinnen und Nutzern öfters angefragt, wie der Autor anhand von Anfragen an die Baustatistik bestätigen kann. Die amtliche Statistik muss hier leider eine »Datenlücke« bekennen. Inzwischen wird von universitärer Seite versucht, diese Datenlücke zu schließen. Eine Forschungsdatenbank mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist in Aufbau und lässt inzwischen erste Auswertungen zu.2
In den Jahren nach 1945 ist der Bestand an Wohngebäuden und Wohnungen kontinuierlich gestiegen, wenngleich in einzelnen Jahren mit unterschiedlicher Dynamik. Diese wird hauptsächlich durch konjunkturelle Komponenten und dem Anwachsen der Wohnbevölkerung beeinflusst. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre ist in Tabelle 2 dargestellt. Die Zahl der Wohngebäude erhöhte sich von rund 1,91 Mill. 1990 auf 2,46 Mill. 2020. Von 1990 bis 2020 betrug der Zuwachs 13 %, von 2000 bis 2010 rund 7 %, von 2010 bis 2020 noch 6 %.
In dieser Zeit wuchs die Wohnfläche je Wohnung rechnerisch von 89 Quadratmetern (m2) (1990) auf 97 m2 (2020). Aufgrund der in den Jahren deutlich gestiegenen Grundstückspreise aber auch aufgrund der Tatsache, dass bei knappem Baugrund in den Städten vermehrt versucht wird, Baulücken im Bestand verdichtet zu bebauen, wurden in den letzten Jahren tendenziell mehr Wohnungen im Geschosswohnungsbau (Mehrfamilienhäuser) und weniger als Einfamilienhäuser gebaut. Dadurch hat sich die Wachstumsdynamik der Wohnflächen im Durchschnitt etwas abgeschwächt, wenngleich neu fertiggestellte Einfamilienhäuser auch heute immer noch mit »großzügigem« Wohnflächenniveau aufwarten können – 2019 waren es 164 m2, wenn der Bauherr ein privater Haushalt war.3
Auch bei der Zahl der »bewohnbaren Räume« je Wohnung, das sind Wohn- und Schlafräume sowie die Küche aber ohne Bad, Toilette und Abstellkammer,4 gibt es im langfristigen Vergleich Verschiebungen (Tabelle 2). In der Tendenz stieg der Anteil von Wohnungen mit »wenigen« Räumen, das sind Wohnungen mit ein und zwei bzw. drei Räumen, während der Anteil der Wohnungen mit vier und fünf Räumen abnahm. Der Anteil der Wohnungen mit sechs und mehr Räumen stieg im Vergleichszeitraum dagegen an. Wie sind diese Veränderungen zu interpretieren? Die Wohnungen sind natürlich in diesen 30 Jahren nicht unbedingt »kleiner« geworden. Die Raumaufteilung der im Laufe der Jahre neu fertiggestellten Wohnungen hat sich den sich wandelnden Lebensumständen und sich verkleinernden Haushalten angepasst! Die zunehmende Zahl alleinlebender Menschen braucht jetzt eher weniger Räume und wünscht sich dafür größere, sofern der Haushalt zum Beispiel eine oder zwei Personen umfasst. »Große« Wohnungen mit sechs und mehr Räumen finden sich weniger in Mehrfamilien- als in Einfamilienhäusern. Da um 30 % der Wohnungen in Wohngebäuden als Einfamilienhäuser mit sechs und mehr Räumen mit großzügigen Grundflächen entstehen (Tabelle 1), erklärt, dass der Anteil der großen Wohnungen im betrachteten Zeitraum auf 26 % leicht zugenommen hat (Tabelle 2). In diesen Wohnungen wohnen eher (Familien-)Haushalte mit drei oder mehr Personen. Wohnungen in Mehrfamilienhäusern werden heutzutage aber häufiger mit zwei bis vier Räumen konzipiert.
Dass die Haushalte im Durchschnitt kleiner geworden sind, lässt sich zum Beispiel an der Belegungsdichte, der durchschnittlich in einer Wohnung lebenden Personenzahl, nachweisen. Diese lässt sich berechnen, wenn man die Bevölkerungszahl des Landes durch die Zahl der Wohnungen teilt. 2020 lebten durchschnittlich knapp 2,1 Personen in einer Wohnung, 1990 dagegen noch 2,5 Personen.5
Die »dynamischsten« Kreise in Sachen Bautätigkeit
Wenn man den Wohnungsbestand in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs 2020 und 2010 gegenüberstellt und nach der prozentualen Zunahme der Wohnungen im Verhältnis zum Wohnungsbestand des jeweiligen Kreises ordnet, ergibt sich Tabelle 3. Es lässt sich mit dieser Darstellung die Frage beantworten, in welchen Kreisen der Wohnungsbestand aufgrund überdurchschnittlicher Bautätigkeit in den vergangenen 10 Jahren in größerem Umfang zugenommen hat als anderswo.
Ganz oben als sozusagen »dynamischster« Landkreis steht Biberach mit einem relativen Zuwachs von 11,8 % oder 18 932 Wohnungen seit 2010, dicht gefolgt vom Bodenseekreis (+ 10,1 %) und dem Alb-Donau-Kreis (+ 9,9 %). Die Gründe sind unterschiedlicher Art und müssten jeweils in den Gegebenheiten vor Ort im Einzelnen untersucht werden. Einerseits sind zum Beispiel im Kreis Biberach und im Bodenseekreis schon seit Jahren gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu beobachten, was – neben der Verfügbarkeit entsprechenden Baulandes – den Wohnungsbau begünstigt, andererseits bildet der Alb-Donau-Kreis auch den baden-württembergischen »Speckgürtel« für den Stadtkreis Ulm.6 Die Stadtkreise mit entsprechend verdichteter Bebauung tun sich naturgemäß schwerer, bei Baufertigstellungen innerhalb ihrer eigenen Gemarkung eine überdurchschnittliche Dynamik zu entwickeln. Die Stadt Heilbronn hat bei einem Wohnungsbestand von 61 707 Wohnungen mit einem Zuwachs von 4 473 Wohnungen (7,8 %) zwischen 2010 und 2020 für einen Stadtkreis eine überdurchschnittliche »Baudynamik« gezeigt. Grund dafür war hauptsächlich die erfolgreiche Erschließung und Bebauung dreier Wohngebiete in einzelnen Stadtteilen mit Mehrfamilien- und Zweifamilienhäusern und Einfamilienhäusern (als Reihenhäuser). Die Großstädte Karlsruhe und Mannheim stehen zwar mit 4,3 % und 3,9 % Wohnungszuwachs am Tabellenende, was in absoluten Zahlen aber immerhin 6 536 bzw. 6 300 bezugsfertigen Wohnungen in dieser Dekade entspricht.
Die Gebäude- und Wohnungszählung 2021
Der ursprünglich für 2021 vorgesehene Zensus, der wieder eine Gebäude- und Wohnungszählung beinhaltet hätte, wurde aufgrund der Corona-Pandemie in das Jahr 2022 mit Stichtag zum 15. Mai verschoben.7 Wie auch 2011 und in den Zählungen davor wird dann die Fortschreibung des Gebäude- und Wohnungsbestands 2022 mit den Wohnungszählungsergebnissen abgeglichen und gegebenenfalls korrigiert.8 Aufgrund des Wohnungsbestands in Baden-Württemberg von rund 5,2 Mill. Wohnungen werden sich Korrekturen auf Landesebene nur sehr geringfügig bemerkbar machen. In kleineren Gemeinden kann es in der Wohngebäudestruktur jedoch zu leichten Veränderungen kommen.
In den letzten Jahren lagen die Zahlen der Baufertigstellungen unter denen der Baugenehmigungen, mit dem Effekt, dass Anfang 2021 noch rund 89 000 Wohnungen zwar genehmigt waren, sich teilweise schon im Bau befanden aber noch nicht fertiggestellt wurden (dies ist der sogenannte Bauüberhang). Auch diese »Fertigstellungsdynamik« wird – neben anderen, für die Bautätigkeit relevanten Rahmenbedingungen wie knapper und teurer Baugrund – Auswirkungen auf die künftigen Wohnungsbestandszahlen haben.