Binnenschifffahrt 2019: Güterumschlag nach schwachem Vorjahr mit deutlichem Zuwachs
Containerumschlag längerfristig ohne Dynamik
Nachdem die baden-württembergischen Wasserstraßen 2019 wieder überwiegend einschränkungsfrei schiffbar waren, entwickelte sich auch der darauf getätigte Güterumschlag gegenüber dem Vorjahr deutlich aufwärtsgerichtet. Allerdings war das Umschlagsniveau 2018 aufgrund ausbleibender Niederschläge und absinkender Pegelstände extrem niedrig ausgefallen. An das Niveau aus 2017 konnte 2019 dagegen noch nicht ganz angeknüpft werden. Im längerfristigen Vergleich ergibt sich für den Gesamtumschlag wie auch für den Umschlag der meisten Güterabteilungen eine eher abwärts gerichtete Tendenz oder bestenfalls Stagnation. Eine Trendwende ist für den Verkehrsträger Binnenschifffahrt nach wie vor nicht absehbar.
Güterumschlag mit Plus zum Vorjahr
Die Häfen und Umschlagstellen in Baden-Württemberg verzeichneten 2019 mit rund 30,8 Millionen Tonnen (Mill. t) Umschlag ein deutliches Plus von 14,1 % (+ 3,8 Mill. t) gegenüber dem Vorjahr.
Allerdings war der Güterumschlag 2018 mit 27 Mill. t so niedrig wie seit 1960 nicht mehr. Aufgrund langanhaltender Niederschlagsausfälle und dem damit einhergehenden Absinken der Pegelstände konnten in der zweiten Jahreshälfte 2018 nicht mehr die gewohnten Gütermengen auf Rhein und Neckar transportiert werden. Zwar wurden im 1. Halbjahr 2018 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum noch Umschlagzuwächse verzeichnet, diese konnten den starken Rückgang im 2. Halbjahr jedoch nicht kompensieren.
Das vergleichsweise hohe Umschlagsvolumen aus 2017 konnte 2019 in der Gesamtbetrachtung noch nicht wieder erreicht werden. Damals wurden 32,1 Mill. t Güter in baden-württembergischen Häfen umgeschlagen, das Niveau 2019 lag um 4,3 % darunter.
Auf Bundesebene fiel der Güterumschlag in der Binnenschifffahrt 2019 ebenfalls niedriger aus als 2017. Nachdem der Güterumschlag von 2017 auf 2018 deutlich um 24,9 Mill. t auf 238,6 Mill. t zurückgegangen war, wurde nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für 2019 mit einem Plus von 6,7 Mill. t ein Umschlag von insgesamt 245,3 Mill. t verzeichnet. Um das Niveau aus 2017 wieder zu erlangen, hätte der Bundesumschlag 2019 um weitere 7,4 % wachsen müssen. Zum Vergleich: in Baden-Württemberg wäre ein Wachstum von 4,2 % notwendig gewesen. In der Liste der umschlagstärksten Bundesländer folgte auf Nordrhein-Westfalen – mit deutlichem Abstand – Baden-Württemberg auf Platz 2.
Trendwende für den Verkehrsträger Binnenschifffahrt nicht erkennbar
In einer längerfristigen Betrachtung zeigte der wasserseitige Umschlag in Baden-Württemberg in den 1960er-Jahren zunächst einen deutlichen Anstieg, entwickelte sich in den 1970er-Jahren – trotz stärkeren Schwankungen – jedoch eher seitwärts (Schaubild 1). Ab Anfang der 1990er-Jahre verzeichnete der Umschlag dagegen eine eher rückläufige Tendenz, die sich ab dem Jahr 2002 etwas zu verlangsamen scheint. Obwohl der Umschlag 2019 leicht über dem Durchschnitt der vorangegangenen 5 Jahre lag (30,1 Mill. t), ist eine spürbare Trendwende weder für den Güterumschlag in der baden-württembergischen Binnenschifffahrt insgesamt, noch für einzelne Wasserstraßen zu erkennen.
Dabei sank in diesem langen Zeitraum der Umschlag auf dem Neckar etwas stärker als auf dem Rhein, sodass sich die Umschlagsanteile leicht zu Gunsten des Rheins verschoben haben. Der baden-württembergische Main-Abschnitt verzeichnete zuletzt in den 1970er-Jahren größere Umschlagsmengen. Aktuell werden hier nach wie vor Güter umgeschlagen, aufgrund des geringen Anteils spielt dieser Wasserstraßenabschnitt für die baden-württembergische Binnenschifffahrt jedoch nur noch sehr bedingt eine Rolle.
Containerumschlag weiterhin ohne Zuwachs
Das Kerngeschäft der Binnenschifffahrt sind sogenannte Massengüter. Hierunter fallen einerseits die trockenen Massengüter wie beispielsweise die besonders umschlagstarken Gütergruppen1»Steine und Erden, Sand, Ton u. Ä.« oder »Kohle«. Auch die flüssigen Massengüter wie beispielsweise »flüssige Mineralölerzeugnisse« gehören dazu. Der Anteil der Massengüter an der Gesamtbeförderung lag in Baden-Württemberg 2019 – wie bereits in den vorangegangenen 6 Jahren – unverändert bei rund vier Fünfteln (79,8 %). Die Beförderung der anderen Ladungsarten verteilte sich zu 7,3 % auf Container (häufig »pharmazeutische und parachemische Erzeugnisse«) und zu 2,1 % auf Stückgut (beispielsweise »Roheisen und Stahl«). Der Anteil der nicht weiter spezifizierbaren »sonstigen Ladungsarten« lag bei 10,8 % (Tabelle 1).
In der absoluten Betrachtung verzeichneten alle Erscheinungsformen einen Beförderungszuwachs zum schwachen Vorjahr. Im Vergleich mit dem Durchschnitt der vorangegangenen 5 Jahre verzeichneten flüssige Massengüter (7,2 Mill. t) sowie sonstige Ladungsarten (3 Mill. t) jeweils ein leichtes Plus von + 0,6 Mill. t bzw. + 0,3 Mill. t. Dagegen lagen trockene Massengüter und Stückgut geringfügig unter ihrem längerfristigen Durchschnitt (– 0,1 Mill. t), der Containerumschlag zeigte fast keine Differenz.
Der starke Zuwachs des Containerumschlags in den 1990er-Jahren hat sich damit in den letzten Jahren nicht weiter fortgesetzt. Nachdem diese Erscheinungsform Mitte der 1990er-Jahre erstmals offiziell in der Statistik zum Güterumschlag in der Binnenschifffahrt erfasst wurde, lagen die jährlichen Steigerungsraten teilweise im zweistelligen Bereich; von 1995 bis 2000 hatte sich der Containerumschlag in der baden-württembergischen Binnenschifffahrt mehr als verdoppelt.2
Trotz seines eher geringen Anteils spielt der Containertransport eine zentrale Rolle in der Binnenschifffahrt. Container können gut in den intermodalen Transport eingebunden werden, also beispielsweise vom Schiff zum Lkw oder vom Zug zum Schiff für den Weitertransport umgeladen werden und bieten so Potential, die anderen Verkehrsträger zu entlasten.
Der Großteil des baden-württembergischen Containerumschlags findet über den Rhein statt. Dort wurden 2019 knapp 203 000 Twenty-Foot-Equivalent-Units (TEU, siehe i-Punkt) umgeschlagen, das waren fast 90 % der in Baden-Württemberg insgesamt umgeschlagenen 230 500 TEU. Den Schwerpunkt bildet dabei der Hafen Mannheim. Dort wird regelmäßig knapp die Hälfte (2019: 46,6 %) des wasserseitigen Containerumschlags abgewickelt. Weitere 50 % des Containerumschlags in Baden-Württemberg verteilten sich 2019 auf die Häfen Weil am Rhein (14,7 %), Kehl (13,5 %), Stuttgart (12 %) und Karlsruhe (10,3 %).
Der Grund für diese starke Konzentration auf den Rhein dürfte in erster Linie die dort bessere Schiffbarkeit sowie die daraus resultierende Hafeninfrastruktur sein. Aktuell können auf dem Oberrhein bis Karlsruhe Schiffe mit bis zu vier Lagen Containern verkehren, auf dem Neckar ist der Transport hingegen maximal zweilagig möglich.
»Sekundärrohstoffe und Abfälle« im Plus – »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas« rückläufig
Der Umschlagzuwachs gegenüber dem Vorjahr verteilte sich auf die Mehrheit der einzelnen Güterabteilungen (Tabelle 2). Allerdings wurde – nach einem bereits schwachen Vorjahr – erneut weniger »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas« umgeschlagen.3 Trotz der Zuwächse in 2019 lag der Umschlag der einzelnen Güterabteilungen in zwölf von 16 Fällen4 nach wie vor unter den Werten aus 2017.
Betrachtet man die Entwicklung des Güterumschlags seit Umstellung der NST Klassifikation im Jahr 2011 (i-Punkt), so ist bei einem Großteil der einzelnen Güterabteilungen mittelfristig eine eher stagnierende oder leicht rückläufige Umschlagsentwicklung zu beobachten.
Eine Ausnahme von dieser überwiegend abwärts gerichteten Tendenz bildete die Güterabteilung »Sekundärrohstoffe und Abfälle« (Schaubild 2). Hier wurde selbst 2018 (aufgrund überdurchschnittlich starker Zuwächse im 1. Halbjahr) ein Umschlagzuwachs von + 5,3 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. 2019 entwickelte sich das Umschlagsvolumen dieser Güterabteilung erneut aufwärtsgerichtet und erreichte mit einem Plus von + 8,5 % einen Umschlag von 3,6 Mill. t.
Tendenziell positiv entwickelte sich auch der Umschlag mit »Kokerei- und Mineralölprodukten«, in erster Linie flüssige Mineralölerzeugnisse. Seit der Umstellung der Gütersystematik im Berichtsjahr 2011 (i-Punkt) verzeichnete die Güterabteilung teils starke Schwankungen, insgesamt zeichnet sich mit dem vergleichsweise hohen Umschlagvolumen von 6,3 Mill. t in 2019 jedoch ein leichter Aufwärtstrend ab. Da dieser Trend eng an die gesamtwirtschaftliche Lage gekoppelt sein dürfte, bleibt insbesondere in dieser Güterabteilung abzuwarten, wie sich die Zahlen in 2020 entwickeln.
Dagegen nahm der Güterumschlag mit »Kohle, rohem Erdöl und Erdgas« in 2019 – trotz des bereits umschlagschwachen Vorjahres – erneut deutlich ab (– 12,2 %). Mit einem Umschlag von 3,8 Mill. t lag »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas« in 2019 zudem unter dem ebenfalls eher schwachen Ausgangsjahr der Betrachtung 2011. Über die Ursachen dieser rückläufigen Tendenz kann an dieser Stelle nur spekuliert werden.
Denkbar wäre einerseits, dass die Nachfrage nach diesem Energieträger abgesunken ist, weil die milden Winter 2017/2018 und 2018/2019 den Energiebedarf gedrosselt haben, während gleichzeitig ein immer größerer Anteil des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann. Denkbar wäre aber auch, dass die Beförderung der Kohle als eine Folge des Niedrigwassers 2018 vermehrt über andere Verkehrsträger, wie beispielsweise die Schiene, abgewickelt wird.
Eine derartige Verlagerung könnte auch erklären, weshalb der Großteil der Güterabteilungen 2019, trotz der damals noch andauernden konjunkturellen Hochphase, weniger Umschlagsvolumen als 2017 verzeichneten.
Umschlagsentwicklung der größten Häfen auf längere Sicht uneinheitlich
Entlang des rund 550 km langen Wasserstraßennetzes sind in Baden-Württemberg zehn Häfen sowie zahlreiche weitere Umschlagstellen angesiedelt. Regelmäßig entfallen rund drei Viertel des Güterumschlags auf die fünf größten Häfen Mannheim, Karlsruhe, Kehl, Heilbronn und Stuttgart. Alle fünf Häfen verzeichneten gegenüber dem schwachen Vorjahr 2018 ein steigendes Umschlagsvolumen, allerdings konnten nur die Häfen Stuttgart und Kehl bereits wieder an das Niveau aus 2017 anknüpfen.
In der mittelfristigen Betrachtung seit 2011 zeigt sich ausschließlich für den Hafen Kehl eine steigende Umschlagstendenz (Schaubild 3). Dagegen war das Umschlagsvolumen der Häfen Mannheim und Heilbronn eher rückläufig, während der Güterumschlag in den Häfen Stuttgart und Karlsruhe stagnierte. Die Ursache dieser unterschiedlichen Entwicklungen dürfte nicht zuletzt auf die jeweilige Struktur des Güterumschlags innerhalb der Häfen zurückzuführen sein (Schaubild 4).
So verzeichnete beispielsweise der Hafen Heilbronn im Betrachtungszeitraum den deutlichsten Umschlagsrückgang unter den großen Häfen. Ursächlich hierfür war die rückläufige Entwicklung der ehemals für den Hafen wichtigen Umschlagsgüter »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas« sowie »Nahrungs- und Genussmittel«. Im Gegenzug stieg der Umschlag mit »Erzen, Steinen und Erden« seit 2017 spürbar an, sodass diese Güterabteilung 2019 mit einem Umschlagsanteil von 77,9 % die inzwischen mit Abstand wichtigste Güterabteilung war.
Der Hafen Kehl meldete dagegen eine verhalten positive Entwicklung. Rund die Hälfte des Umschlags entfällt hier auf »Sekundärrohstoffe und Abfälle« (2019: 49,8 %). Das Umschlagsvolumen der anderen Güterabteilungen blieb dabei überwiegend konstant.
Ebenfalls eher konstant entwickelte sich der Umschlag der einzelnen Gütergruppen wie auch der Gesamtumschlag im Hafen Karlsruhe. Wichtigstes Gut gemessen am Umschlagsvolumen sind hier »Kokerei- und Mineralölerzeugnisse« mit einem Anteil von 66,9 % in 2019.
Nicht ganz so eindeutig war die Entwicklung dagegen in den Häfen Mannheim und Stuttgart. Beide Häfen sind in ihrer Struktur weniger auf einzelne Güterabteilungen fokussiert, das heißt es wird jeweils ein breites Spektrum an Gütern umgeschlagen. So lag der Anteil der umschlagstärksten Güterabteilung »Erze, Steine und Erden, sonstige Bergbauerzeugnisse« im Hafen Stuttgart 2019 bei 22,9 %, im Hafen Mannheim lag der Umschlagsanteil der stärksten Güterabteilung »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas« bei 28,1 % – Tendenz eher sinkend.
Durch diese geringe Konzentration treten die Entwicklungen anderer Gütergruppen hier verstärkt zu Tage. Dabei zeigte sich im Hafen Stuttgart insbesondere der Umschlag mit »Kokerei und Mineralölprodukten« zuletzt recht volatil. Mit ihrem starken Anstieg 2019 trug die Güterabteilung deutlich zum Umschlagsplus des Hafens bei. Ähnliche Ausreißer, die die Entwicklung des jeweiligen Jahres deutlich beeinflussten, zeigten sich auch im Hafen Mannheim. So war der starke Anstieg 2017 wie auch der deutliche Rückgang 2018 in erster Linie auf die Güterabteilungen »Kokerei- und Mineralölerzeugnisse« sowie bei den »Chemische Erzeugnisse etc.« zurückzuführen. Insgesamt lässt sich für beide Häfen nur schwer ein längerfristiger Trend erkennen.
Fazit
Nach der empfindlichen Störung des wasserseitigen Umschlags in 2018 konnte die Binnenschifffahrt 2019 – sowohl was die Entwicklung der einzelnen Güterabteilungen als auch die der Häfen betrifft – noch nicht vollständig an das Niveau aus 2017 anknüpfen. Ursache hierfür ist einerseits ein Nachfragerückgang in der umschlagstarken Güterabteilung »Kohle, rohes Erdöl und Erdgas«. Andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Binnenschifffahrt – zumindest vorübergehend – einen Teil des Beförderungsvolumens an andere Verkehrsträger verloren hat.
Ob und wie schnell sich die Umschlagsmengen in der Binnenschifffahrt wieder vollständig erholen hängt von zahlreichen – mitunter schwer einschätzbaren – Faktoren ab. Einfluss nehmen können beispielsweise das erneute Auftreten von Niedrigwasserperioden, die Initiierung einzelner wasserseitig umgeschlagener Großprojekte oder die konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Pandemie, um an dieser Stelle nur einige Faktoren zu nennen.
Zudem könnte der im Bundesverkehrswegeplan 2030 geplante Ausbau der Schleusen von Mannheim bis Plochingen den Neckar für die berufliche Schifffahrt mittel- bis längerfristig attraktiver gestalten. Wie sich die baden-württembergische Binnenschifffahrt in den kommenden Jahren tatsächlich entwickelt, wird dann mit Vorliegen der amtlichen Zahlen beobachtbar sein.