Verdienste in Baden-Württemberg – Ergebnisse der Vierteljährlichen Verdiensterhebung 2019
Insgesamt noch positive Verdienstentwicklung mit ersten Anzeichen für ein Abflauen der stetigen Steigerungen im Verarbeitenden Gewerbe
Die wirtschaftliche Lage hat sich angesichts der Corona-Pandemie in den letzten Monaten weltweit und somit auch in Deutschland und Baden-Württemberg massiv verändert und die Aussichten haben sich deutlich eingetrübt. Spätestens seit den als Gegenmaßnahmen erlassenen Verordnungen, mit denen seit Mitte März dieses Jahres unter anderem Ladenschließungen, Versammlungs- und Veranstaltungsverbote einhergingen, sind in vielen Branchen die Gewinne und damit die Konjunktur eingebrochen.
Zwar erscheint die Auseinandersetzung mit den Verdienstzahlen des vergangenen Jahres vor diesem Hintergrund im ersten Moment reichlich überholt und realitätsfern. Dennoch ist ein Rückblick auf die Verdienste und deren Entwicklung im vergangenen Jahr durchaus wichtig und sinnvoll. Und das nicht etwa aus Wehmut oder nostalgischem Schwelgen in »besseren Zeiten«, sondern weil die Zahlen von 2019 einen Überblick und damit eine Bestandsaufnahme sowie Entwicklungstendenzen der Verdienste in der Zeit vor der Corona-Krise liefern. Erst durch diese Vergleichswerte lässt sich künftig ein möglichst fundiertes und objektives Vorher-Nachher-Bild der konjunkturellen Entwicklung im Verdienstbereich zeichnen, ohne dieses durch subjektive Eindrücke und Empfindungen zu überzeichnen. Die Analyse der jetzigen Ergebnisse der Verdiensterhebung 2019, dient also als Grundlage für den Vergleich mit den zukünftigen Werten und hilft dadurch letztlich dabei, die Auswirkungen von Corona auf die Verdienste in Baden-Württemberg genauer zu bestimmen und zu analysieren.
Abgesehen davon bieten die Verdienstdaten für das Jahr 2019 aber auch für sich betrachtet interessante Erkenntnisse über die Verdienstunterschiede nach Branche, Geschlecht, beruflicher Stellung und Arbeitszeitmodell sowie über die jüngere Entwicklung der Verdienste in Baden-Württemberg bevor ein exogener Schock, wie in diesem Falle das Corona-Virus, Einfluss nehmen konnte. So näherten sich die Verdienste im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungssektor in Baden-Württemberg 2019, ebenso wie die Stundenlöhne von Voll- und Teilzeitbeschäftigten und die Verdienste von Männern und Frauen vorsichtig an. Beschäftigungsstarke Branchen wie das Verarbeitende Gewerbe oder das Gesundheits- und Sozialwesen verzeichneten dabei nur sehr geringe Bruttoverdienstzuwächse.
Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 39 Wochenstunden erhielten Vollzeitbeschäftigte im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Baden-Württemberg im Jahr 2019 ohne Einbezug der Sonderzahlungen einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 4 253 Euro (falls nicht anders ausgewiesen, Bruttoverdienste im Folgenden immer ohne Sonderzahlungen)1 Dies bedeutet eine neuerliche Verdienststeigerung um 2,3 % im Vergleich zum Vorjahr, in welchem der Bruttoverdienst noch bei 4 158 Euro pro Monat lag. Auch der Bruttostundenverdienst der Vollzeittätigen erfuhr im Jahresmittel 2019 eine Steigerung um 2,5 % gegenüber 2018, auf nunmehr 25,10 Euro (2018: 24,50 Euro/Stunde). Nach der erstmaligen Überschreitung der 25 Euro-Marke im 2. Quartal 2019 (25,03 Euro/Stunde) lag damit auch das Jahresdurchschnittsergebnis erstmals über 25 Euro brutto pro Stunde.
Baden-Württemberg im Bundesländervergleich erneut auf Platz 3
Mit diesen Jahreswerten lag Baden-Württemberg im Ländervergleich bei der Höhe der Verdienste über dem Bundesdurchschnitt von 23,48 Euro brutto pro Stunde bzw. 3 994 Euro monatlichem Bruttoverdienst und gehörte somit zu den Bundesländern mit den höchsten durchschnittlichen Bruttoverdiensten.
Nur in Hessen (25,76 Euro/Stunde bzw. 4 377 Euro/Monat) und Hamburg (26,19 Euro/Stunde bzw. 4 466 Euro/Monat) konnten Vollzeitbeschäftigte 2019 im Schnitt noch mehr Bruttolohn für sich verbuchen. Und so belegte Baden-Württemberg, wie schon 1 Jahr zuvor – damals noch mit einem Bruttostundenverdienst von 24,50 Euro – erneut den dritten Platz unter den Bundesländern mit den höchsten Verdiensten. Dabei hat sich an der Rangfolge über die Jahre kaum etwas verändert, denn auch schon 2009 reihte sich der Südwesten mit 20,09 Euro Bruttostundenverdienst hinter Hamburg und Bremen in die Top 3 ein. Innerhalb von 10 Jahren stieg der durchschnittliche Bruttostundenlohn in Baden-Württemberg um 24,9 %, was etwa dem Stundenlohnanstieg für Gesamtdeutschland im selben Zeitraum entspricht 24,8 %). Verglichen mit den Vorjahreswerten 2018 lag Baden-Württemberg 2019 mit einem Anstieg von 2,3 % beim Bruttomonatsverdienst von Vollzeitkräften dagegen unter dem Bundesdurchschnitt von + 2,9 %.
Abgesehen davon zeigte sich auch 2019 weiterhin ein deutlicher Unterschied zwischen den »alten und neuen Ländern«. So betrug der durchschnittliche Bruttostundenverdienst Vollzeittätiger in den Ländern des früheren Bundesgebiets 24,20 Euro, während dieser für die neuen Länder im Schnitt bei 18,86 Euro lag. In Hamburg, als dem Bundesland mit dem höchsten durchschnittlichen Stundenverdienst, erhielten in Vollzeit tätige Arbeitnehmende im Durchschnitt 43,9 % mehr Stundenlohn als in Mecklenburg-Vorpommern, das mit 18,20 Euro brutto pro Stunde das Schlusslicht bildete. Trotz dieser erheblichen Diskrepanzen haben sich die Bruttoverdienste der neuen Länder und des früheren Bundesgebiets über die Jahre hinweg insgesamt etwas angenähert. Verdienten Vollzeitbeschäftigte im früheren Bundesgebiet 2009 noch 33,1 % mehr brutto pro Stunde als ihre Kolleginnen und Kollegen in den neuen Ländern (19,51 Euro zu 14,66 Euro), stieg der dortige Bruttoverdienst anschließend im Vergleich etwas stärker, sodass die Differenz 2019 noch + 28,3 % zugunsten der alten Länder betrug (Schaubild 1).2
Geringer Bruttolohnanstieg im Produzierenden Gewerbe zeigt Auswirkung
Eine Erklärung warum der Südwesten trotz insgesamt überdurchschnittlich hohem Verdienstniveau 2019 hinter der bundesweiten Steigerungsrate beim Bruttomonatsverdienst zurückliegt, kann zum Beispiel eine differenziertere Betrachtung der einzelnen Wirtschaftsbereiche liefern. So zeigt eine Gegenüberstellung des Dienstleistungsbereichs mit dem Produzierenden Gewerbe, dass der Bruttomonatslohn ohne Sonderzahlungen im Produzierenden Gewerbe mit 4 449 Euro auch im Jahr 2019 deutlich höher lag als bei Vollzeitbeschäftigten im Dienstleistungssektor, die im Durchschnitt 4 081 Euro brutto pro Monat verdienten. Allerdings war der Anstieg beim Bruttomonatslohn im Produzierenden Gewerbe gegenüber 2018 mit 0,7 % um ein Vielfaches niedriger als im Dienstleistungsbereich mit einem Plus von 3,5 %. Da das Produzierende Gewerbe, bezogen auf die Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmenden, mit ca. 36 % etwas mehr als ein Drittel der Gesamtwirtschaft Baden-Württembergs ausmacht und außerdem mit 84,7 % deutlich mehr Vollzeittätige aufweist als der Dienstleistungssektor (54,2 %), fällt der geringe Verdienstanstieg dort insgesamt stark ins Gewicht (Schaubild 2).
Ein Rückblick auf die Ergebnisse der Vorjahre lässt zudem in den letzten Jahren wieder eine gewisse Verdienstannäherung in den beiden Wirtschaftsbereichen erkennen. Nachdem die Verdienste beider Sektoren nach einer starken Angleichung, bedingt durch einen Einbruch beim Produzierenden Gewerbe im Finanzkrisenjahr 2009,3 aufgrund der anschließend kräftigeren Verdienststeigerung im Produzierenden Gewerbe wieder auseinandergedriftet waren, schwächte sich diese in letzter Zeit wieder ab. Folglich brachten Vollzeitkräfte im Dienstleistungssektor 2017 im Monat durchschnittlich 11,3 % (489 Euro) weniger Geld nach Hause als Arbeitnehmende im Produzierenden Gewerbe, während es 2018 noch ein um 10,8 % (475 Euro) geringerer Verdienst war und die Differenz 2019 nur noch bei 8,3 % (368 Euro) lag (Schaubild 2).
Geringste Lohnzuwächse im Verarbeitenden Gewerbe sowie Gesundheits- und Sozialwesen
Keine Veränderung gegenüber 2018 gab es beim Ranking der Branchen mit dem höchsten und niedrigsten Bruttoverdienst. Spitzenreiter mit einem Durchschnittseinkommen von 5 562 Euro/Monat war auch 2019 die Informations- und Kommunikationsbranche (IuK), während der Verdienst im Gastgewerbe mit durchschnittlich 2 567 Euro/Monat um 53,9 % geringer ausfiel. Damit verdiente ein Vollzeitbeschäftigter in der IuK-Branche im Schnitt mehr als doppelt so viel wie im Gastgewerbe. Doch immerhin verzeichnete die Gastgewerbe-Branche mit einem Plus von 5,3 % ein höheres Verdienstwachstum gegenüber dem Vorjahr als der IuK-Bereich mit 3,6 % (Schaubild 3). Ein Grund für den starken Anstieg könnte die Einführung des allgemeinen Mindestlohns im Jahr 2015 sein. Dieser wurde 2019 von 8,84 auf 9,19 Euro pro Stunde angehoben und dürfte vor allem in Branchen mit einem hohen Niedriglohnanteil wie dem Gastgewerbe, das den allgemein höchsten Anteil an geringfügig Beschäftigten (37,3 %) hat, positive Auswirkungen auf die durchschnittlichen Bruttoverdienste haben.4 Mehr Bruttomonatszuwachs zum Vorjahr konnten nur noch die Wirtschaftszweige »Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen« mit 6,3 % und »Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen« mit 6,5 % verbuchen. Zu letzterem gehören zum Beispiel Reinigungs- und Hausmeisterdienste, Leiharbeit sowie Wach- und Sicherheitsdienste, die tendenziell ebenfalls dem Niedriglohnsektor zugeordnet werden können.
All die genannten Wirtschaftszweige haben jedoch gemessen an der Anzahl der dort Beschäftigten eine verhältnismäßig geringe Bedeutung für die baden-württembergische Wirtschaft im Ganzen, denn keiner der genannten Bereiche hat einen Arbeitnehmeranteil von mehr als 6 % an der Gesamtwirtschaft. Die meisten Arbeitnehmenden in Baden-Württemberg sind im Gesundheits- und Sozialwesen (10,3 %), im Handel und bei der Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (12,2 %) sowie insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe (29,8 %) beschäftigt. Während die Branche Handel und Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen noch einen Verdienstzuwachs von 2,9 % zum Vorjahr aufwies, handelte es sich hingegen beim Gesundheits- und Sozialwesen mit + 1,1 % als auch dem Verarbeitenden Gewerbe mit lediglich + 0,6 % um Branchen mit den geringsten Bruttomonatsverdienststeigerungen in 2019 (Schaubild 3).
Verdienstlücke zwischen den Geschlechtern wird nur langsam kleiner
Bezieht man die Merkmale Geschlecht, Arbeitszeitmodell und Anforderungsniveau bei der Verdienstanalyse mit ein, fällt zunächst auf, dass auch 2019 nach wie vor ein erheblicher Verdienstunterschied zwischen in Vollzeit arbeitenden Frauen und Männern bestand, welcher sich im Vergleich zum Vorjahr jedoch verringerte. So erhielt ein in Vollzeit tätiger männlicher Arbeitnehmer in Baden-Württemberg 2019 im Durchschnitt einen Bruttostundenverdienst (ohne Sonderzahlungen) von 26,65 Euro, wohingegen eine vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin nur 21,22 Euro brutto für eine Stunde Arbeit für sich verbuchen konnte. Das Bruttoentgelt von Frauen fiel somit 2019 durchschnittlich um 20,4 % geringer aus als das ihrer männlichen Kollegen. Auch wenn sich der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern gegenüber dem Vorjahr dadurch um 0,8 Prozentpunkte reduziert hat (2018: Frauen 21,2 % weniger Verdienst als Männer), wird die Lücke zwischen den Verdiensten im Zeitverlauf nur langsam kleiner. So hat sich in Baden-Württemberg bei insgesamt steigenden Löhnen die Verdienstkluft zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern in den vergangenen 10 Jahren lediglich um 3,2 Prozentpunkte reduziert (Schaubild 4).
Stundenlohn für Frauen in Teilzeit um ein Zehntel niedriger als für Männer
Im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmenden erhielten Teilzeitbeschäftigte beiden Geschlechts Brachen übergreifend einen niedrigeren Stundenlohn. So verdienten sie 2019 mit 20,20 Euro bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 24,4 Stunden 19,5 % weniger pro Stunde als ihre in Vollzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen (25,10 Euro). Dies bedeutete aber gleichzeitig einen Verdienstanstieg um 4 % gegenüber 2018, sodass die Differenz zwischen Voll- und Teilzeitkräften, verglichen mit dem Vorjahr, abgenommen hat (2018: – 20,7 %). Sowohl Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte können sich demnach seit mehr als einem Jahrzehnt über insgesamt steigende Bruttostundenverdienste freuen, wobei trotz allgemein ansteigendem Verdienstniveau eine generelle Angleichung der Bruttovergütung pro Arbeitsstunde von Teil- und Vollzeitarbeitenden nicht eindeutig aus den Daten hervorgeht. Verdienten Teilzeitkräfte 2007 noch 20,3 % weniger als Vollzeittätige, stieg diese Differenz bis zum Jahr 2012 auf 21,9 % und verringerte sich bis 2018 wieder auf 20,7 %. Bei leichten Schwankungen blieb der Unterschied zwischen dem Stundenlohn Voll- und Teilzeittätiger seit 2007 also in etwa gleich, wobei die letzten 3 Jahre eine leichte Annäherung der Stundenverdienste zeigten (Schaubild 5). Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Verdienstdifferenz zwischen in Teilzeit arbeitenden Männern und Frauen von 2018 auf 2019 von 9,4 % auf 10,7 % zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen. Denn während eine Arbeitnehmerin in Teilzeit im Schnitt eine Vergütung von 19,80 Euro brutto pro Stunde bekam, erwirtschaftete ein männlicher Teilzeitbeschäftigter 22,18 Euro. Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern ist damit bei den Vollzeitbeschäftigten zwar um einiges höher als im Teilzeitsektor, sie verringerte sich aber langsam und kontinuierlich (2018: – 21,2 %). Wohingegen die Differenz bei der Teilzeit die letzten Jahre stets 1 Jahr niedriger und das Folgejahr wieder etwas höher lag, über den gesamten Zeitraum gesehen allerdings ebenfalls kleiner wurde (2018: – 9,4 %, 2017: – 11,0 %, 2016: – 10,2 %, 2015: – 11,9 %, 2014: – 11,6 %).
Die Unterschiede in der Bezahlung von Voll- und Teilzeitkräften resultieren unter anderem aus der Überrepräsentanz von Teilzeitkräften in den schlechter bezahlten Branchen. Während 2019 fast ein Drittel (30,2 %) der Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche in Teilzeit angestellt waren, traf dies im durchschnittlich besser vergüteten Produzierenden Gewerbe auf nur knapp jeden zehnten Arbeitnehmer (9,5 %) zu. Bei der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen etwa betrug der Teilzeitanteil sogar gerade einmal 5,6 %, wovon zwei Drittel weibliche Beschäftigte waren. Dagegen verzeichnen Wirtschaftszweige wie Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) oder Gesundheits- und Sozialwesen hohe Teilzeitraten (39,4 % bzw. 49,4 %) und der Frauenanteil an diesen Teilzeitarbeitenden liegt wiederum bei um die 90 %.5 Auch insgesamt betrachtet arbeiten weitaus mehr Frauen als Männer in Teilzeit. 2019 waren 84,5 % der etwas über 1 Mill. Teilzeitbeschäftigten in Baden-Württemberg Frauen, im Dienstleistungsbereich sogar 85,3 % (Tabelle 1).
Eine interessante, wenn auch schwach ausgeprägte Erscheinung ist auch die geringfügige Verschiebung in der grundlegenden Struktur der Arbeitszeitmodelle in der baden-württembergischen Wirtschaft. Bei einer Gegenüberstellung der Jahre 2009 und 2019 fällt auf, dass in nahezu allen Branchen eine geringe Abnahme von geringfügigen und Vollzeitarbeitsverhältnissen und dafür eine leichte Zunahme der Teilzeitanstellungen stattgefunden hat. Diese leichte Verschiebung beruht sowohl auf Arbeitszeitmodelländerungen von Frauen als auch von Männern.6
Die Qualifikation bestimmt maßgeblich den Verdienst
Egal ob, Mann oder Frau, Teil- oder Vollzeit, einen erheblichen Einfluss auf den Verdienst hat in jedem Fall auch das Anforderungsniveau, das an die berufliche Position einer Person geknüpft ist. Dieses wird in der Vierteljährlichen Verdiensterhebung durch fünf Leistungsgruppen abgebildet, die vom ungelernten Beschäftigten bis zum Arbeitnehmenden in leitender Stellung reichen (vergleiche i-Punkt »Leistungsgruppen«). Dabei erhalten Vollzeitbeschäftigte im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich in der Leistungsgruppe 1 mit 44,09 Euro/Stunde ein um fast zwei Drittel höheres Bruttogehalt (29,08 Euro oder 65,9 % mehr) als ungelernte Beschäftigte mit durchschnittlich 15,01 Euro/Stunde. Bei Teilzeitkräften ist dieser Unterschied zwischen Leistungsgruppe 1 (35,06 Euro/Stunde) und 5 (12,88 Euro/Stunde) mit 63,3 % fast genauso hoch. Dabei ist die durch das Anforderungsniveau entstehende Differenz zwischen Ungelernten und Leitungsbefugten bei Frauen sowohl in Teilzeit als auch Vollzeit etwas geringer ausgeprägt als bei Männern. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Bruttoverdienste je Leistungsgruppe im Vergleich zu denen der männlichen Kollegen insgesamt niedriger und damit auch etwas dichter beieinanderliegen, sodass die Lohnspreizung zwischen Leistungsgruppe 1 und 5 zum Beispiel beim Bruttostundenverdienst von Teilzeitbeschäftigten bei Frauen mit – 61,8 % etwas kleiner ausfällt als bei Männern mit einem Unterschied von 66,7 % zu Ungunsten der Ungelernten (Tabelle 2).
Frauen in Chefpositionen erhalten über ein Fünftel weniger Stundenlohn als Männer
Auch wenn die Lohnspreizung zwischen den Anforderungsniveaus bei beiden Geschlechtern ähnlich hoch ist, zeigt sich jedoch bei der Vergütung innerhalb der einzelnen Leistungsgruppen bei den Voll- und Teilzeittätigen überall eine deutliche Differenz zum Nachteil der weiblichen Beschäftigten. Diese ist in der Leistungsgruppe 1, in der Arbeitnehmerinnen 9,33 Euro oder 21,8 % weniger brutto pro Stunde erhalten als Männer, am stärksten ausgeprägt, während bei den ungelernt Tätigen im Schnitt das weibliche Geschlecht immerhin noch 1,73 Euro oder 11,3 % weniger Stundenlohn verbucht als das männliche (Schaubild 6). Auch hier dürfte wiederum zum Teil eine Rolle spielen, dass Frauen aufgrund von familienbedingten Ausfallzeiten oder aus diesem Grund angestrebter oder schlicht zwangsläufig notwendiger Teilzeit, ein beruflicher Aufstieg in leitende Positionen tendenziell erschwert wird bzw. langsamer vonstattengeht. Zudem sind Frauen vielfach stärker in weniger gut vergüteten Branchen tätig, was dann auch entsprechend für Führungspositionen gilt.
Nominallohnzuwachs im Dienstleistungsbereich deutlich höher als im Produzierenden Gewerbe
Mit einem Plus von 2,6 % zum Vorjahr sind die Nominallöhne, also die Bruttomonatsverdienste inklusive Sonderzahlungen, auch 2019 wieder stärker angestiegen als die Verbraucherpreise, die im gleichen Zeitraum um 1,5 % zulegten. Daraus resultierte ein genau um 1 % höherer realer, also preisbereinigter Lohnanstieg für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württemberg im Vergleich zu 2018. Was bedeutet, dass sich die zwar von Jahr zu Jahr schwankende, aber grundsätzlich positive Entwicklung der Reallöhne der letzten Jahre auch 2019 noch weiter fortgesetzt hat, wenngleich auf etwas niedrigerem Niveau als dies 2018 der Fall war (+ 1,2 %) (siehe i-Punkt »Nominal-, Reallohnindex«, Tabelle 3, Schaubild 7).
Bei genauerem Blick zeigten sich für 2019 jedoch deutlich unterschiedliche Nominallohnsteigerungen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen. So konnten die Beschäftigten in den Dienstleistungsbranchen mit einem Plus von 3,3 % überdurchschnittlich stark zulegen. Damit war der Nominallohnzuwachs im Vergleich zu 2018 hier fast doppelt so hoch wie im Produzierenden Gewerbe, wo die Bruttoverdienste inklusive Sonderzahlungen für die Arbeitnehmenden um 1,7 % höher ausfielen als im Vorjahr. Weiterhin zeigte sich die Steigerung des Nominalverdienstes auch bei den Geschlechtern in unterschiedlichem Maße. So verzeichneten die weiblichen Beschäftigten mit 3,1 % ein deutlicheres Plus gegenüber den Männern mit + 2,3 %. Passend dazu konnten Teilzeitbeschäftigte, zu denen, wie bereits erwähnt, vornehmlich Frauen gehören, von einem höheren Anstieg des Nominallohns um 3,4 % profitieren, während dieser bei Vollzeittätigen 2,4 % betrug. Bezogen auf das Anforderungsniveau steigerten Arbeitnehmende in leitender Position ihren nominalen Bruttomonatsverdienst mit 3,2 % am deutlichsten, vor den Fachkräften mit einem Plus von 2,6 % (Tabelle 4).
Starke Reallohnschwankungen in den einzelnen Quartalen 2019
Bei einer quartalsweisen Betrachtung der Reallöhne zeigt sich ein differenzierteres Bild mit starken unterjährigen Schwankungen. Augenfällig ist hierbei vor allem das 2. Quartal 2019, welches mit 0,2 % den niedrigsten Reallohnanstieg im Vergleich zum Vorjahresquartal seit 6 Jahren verzeichnet sowie der anschließende Sprung auf 3,2 % im 3. Quartal 2019. Hauptursächlich für diese Werte ist dabei die unruhige Nominallohnentwicklung im Produzierenden Gewerbe. So lagen die Nominallöhne der dortigen Beschäftigten im 2. Quartal lediglich um 0,3 % über dem Niveau des Vorjahresquartals, stiegen jedoch im darauffolgenden Quartal auf ein Plus von 4,9 %, um dann im 4. Quartal mit – 0,3 % sogar unter das Vorjahresquartalsniveau zu fallen. Demgegenüber bewegte sich die Steigerungsrate der Nominallöhne im Dienstleistungsbereich, bei weniger sprunghaften Quartalswerten zwischen 4,7 % und 2,5 %, auf einem insgesamt hohen Niveau (Tabelle 4).
Es wird vermutet, dass die Schwankungen bei der Entwicklung der Nominallöhne im Produzierenden Gewerbe zumindest in Teilen mit der Situation in der, in Baden-Württemberg stark vertretenen, Automobil- und Automobilzuliefererbranche zusammenhängen und durch die dortigen strukturellen Umbrüche und Entwicklungen bedingt sind. Denn Abgasgrenzwerte und der Umstieg auf neue Antriebssysteme aufgrund von klimapolitischen Zielen oder die Entwicklung der Absatzmärkte und den dortigen Bedingungen, bringen auch personelle Konsequenzen und Auswirkungen auf die Verdienste mit sich. Beispielsweise fielen die Sonderzahlungen, die traditionsgemäß im 2. Quartal eines Jahres unter anderem in Form von ausgezahlten Urlaubsgeldern eine gewichtige Bedeutung haben, in dieser Branche merklich geringer aus als im Vorjahr. Angesichts dieser bereits eher unbeständigen Verdienstentwicklung in der Industriebranche im zurückliegenden Jahr bleibt der künftige Verlauf, auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Krise, weiter spannend.
Schon vor Corona viele Herausforderungen für die hiesige Wirtschaft – wie resilient ist die deutsche Ökonomie?
Auch wenn sich für die Verdienstzahlen im Jahr 2019 insgesamt eine positive Bilanz ziehen lässt und sich auch die Nominal- und Reallöhne nach der Finanzkrise 2008/2009 wieder erholen und grundsätzlich steigern konnten, hat sich bereits vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie die Konjunktur selbst eingetrübt. So konstatiert der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, dass sich seit Ende 2018 die Wachstumsgeschwindigkeit der globalen Wirtschaft deutlich reduziert hat, wovon das Exportland Deutschland erheblich betroffen sei. Bereits Ende 2019 prognostizierten die Wirtschaftsweisen nach 10 Jahren des Aufwinds wieder einen wirtschaftlichen Abschwung, wofür sie sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Gründe sehen.7 Neben strukturellen Umbrüchen durch Herausforderungen wie die Digitalisierung und dem damit verbundenen Wandel der Arbeitswelt oder dem Klimawandel und den daraus folgenden klimapolitischen Maßnahmen und Vorgaben, zum Beispiel für die Automobilbranche als deutscher Schlüsselindustrie, hat Deutschland beispielsweise auch mit einem allgemeinen Rückgang der Arbeitsproduktivität, wie ihn alle Industriestaaten weltweit erleben, sowie der zunehmenden Alterung der Arbeitsbevölkerung zu kämpfen. Hinzu kamen bzw. kommen zusätzliche Unsicherheiten durch die angespannten internationalen Handelsbeziehungen aufgrund der protektionistischen Strafzollpolitik der USA, die Niedrigzinspolitik der EZB und die fortdauernden Unwägbarkeiten des Brexit für die EU. Das Jahresgutachten sieht neben dem Negativtrend in der Industrie jedoch auch einen starken Arbeitsmarkt und eine stabile Dienstleistungsbranche, was sich zum Beispiel auch bei der bereits erwähnten unterschiedlichen Verdienstentwicklung von Dienstleistungssektor und Produzierendem Gewerbe in 2019 wiederspiegelt. Dennoch ist bereits jetzt abzusehen, dass die Corona-Krise die Gesamtwirtschaft Deutschlands, aber auch Europas und der Welt in eine Rezession gestürzt hat und mit tiefen ökonomischen, aber auch gesamtgesellschaftlichen Einschnitten verbunden ist.8 Wie stark der wirtschaftliche Einbruch letztlich sein wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird dieser sich auch auf dem Arbeitsmarkt und bei den Verdiensten bemerkbar machen. Auf welche Art und in welchem Ausmaß, darüber wird die Statistik auch in Zukunft Auskunft geben.