Die Baden-Württemberger und ihre Gesundheit – Eine Selbsteinschätzung
Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2017 im europäischen Vergleich
Die EU-SILC-Erhebung (European Union Statistics on Income and Living Conditions; »Leben in Europa«) liefert für alle Staaten der Europäischen Union vergleichbare Daten zur Einkommenssituation und zu den Lebensbedingungen privater Haushalte. Neben den finanziellen Größen zum Haushaltseinkommen werden auch persönliche Einschätzungen der Haushalte zu ihrer finanziellen Situation und ihren Lebensbedingungen erfragt. Im folgenden Beitrag werden Ergebnisse für das Jahr 2017 präsentiert, die sich insbesondere auf die subjektiven Einschätzungen der Baden-Württemberger ab 16 Jahren zu ihrem Gesundheitszustand, zu ihren körperlichen Aktivitäten und Ernährungsgewohnheiten sowie zu den finanziellen Belastungen durch Kosten von ärztlichen, zahnärztlichen oder kieferchirurgischen Behandlungen und Medikamenten beziehen. Ausgewählte Ergebnisse werden im europäischen Kontext dargestellt.
Gut zwei Drittel bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut
Eine gute Gesundheit ist eine wichtige Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität und gleichzeitig die Grundlage, sowohl am Erwerbsleben als auch an sozialen und gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen. Im Rahmen der EU-SILC-Erhebung werden den Haushalten jährlich unter anderem Fragen zum Gesundheitszustand, zu chronischen Krankheiten sowie zur Inanspruchnahme ärztlicher Behandlungen gestellt. Darüber hinaus wurden im Sondermodul 2017 zusätzliche Daten zur Gesundheit wie beispielsweise zur Häufigkeit von Arztbesuchen, zu den körperlichen Aktivitäten und zur Ernährung erhoben.
Annähernd 67 % der Baden-Württemberger ab 16 Jahren nahmen ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen als sehr gut oder gut wahr, rund 9 % bezeichneten ihn als schlecht oder sehr schlecht. Deutliche Unterschiede zeigten sich zwischen Männern und Frauen. Fast 70 % der Männer bezeichneten ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, bei den Frauen gaben dies annähernd 64 % an.
Das subjektive gesundheitliche Wohlbefinden nimmt im Alter stark ab. Während 90 % der Baden-Württemberger im Alter von 18 bis 24 Jahren ihren gesundheitlichen Zustand als sehr gut oder gut einschätzen, waren es bei den 50- bis 64-Jährigen noch knapp 58 % und bei den 75-Jährigen und Älteren nur noch 34 %.
Bei Betrachtung des Erwerbstatus fällt auf, dass fast 79 % der Erwerbstätigen die Frage nach dem Gesundheitszustand mit sehr gut oder gut beantworteten, bei den Nichterwerbstätigen waren es annähernd 51 %. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Gruppe der Nichterwerbstätigen mehrheitlich (59 %) aus Rentnerinnen und Rentnern und Pensionären und Pensionärinnen besteht, die in der Regel höhere Altersstrukturen aufweisen. Gleichzeitig wird in vielen Fällen ein wechselseitiger Zusammenhang bestehen, da ein schlechter Gesundheitszustand oftmals zu Einschränkungen im Erwerbsleben führen kann. In der Gruppe der armutsgefährdeten Personen stuften weniger als die Hälfte (47 %) ihre Gesundheit als gut oder sehr gut ein.
Große Unterschiede innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten
Im Vergleich zu den europäischen Mitgliedsstaaten (EU-28) lag die gesundheitliche Einschätzung der Baden-Württemberger 2017 in etwa auf mittlerem europäischen Niveau und unterschied sich von der deutschlandweiten Einschätzung noch geringfügiger (Tabelle 1). 66 % der Deutschen schätzten ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein, europaweit waren es 69 %. Innerhalb der einzelnen Staaten der EU ist allerdings eine sehr große Spannweite hinsichtlich der Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustands erkennbar. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung ab 16 Jahren sowohl in Litauen und Lettland (rund 44 %) als auch in Portugal (knapp 49 %) bezeichnete ihre Gesundheit als gut oder sehr gut. Den besten Gesundheitszustand hatten hingegen nach eigener Einschätzung die Menschen in Irland. Rund 83 % beschrieben ihn als gut oder sehr gut. Aber auch in Zypern, Italien, Schweden, Niederlande und Malta waren es jeweils über drei Viertel der Bevölkerung ab 16 Jahren, die ihre Gesundheit als gut bzw. sehr gut wahrnahmen.
Rund 28 % der Baden-Württemberger verzehrten mindestens zweimal täglich Obst
Ein hoher Verzehr von Obst und Gemüse trägt zu einem guten Gesundheitszustand bei und kann das Risiko von bestimmten Krankheiten senken.1 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. empfiehlt, täglich fünf Portionen Gemüse und Obst zu verzehren, wovon drei Portionen aus Gemüse und zwei Portionen aus Obst bestehen sollten.
Im Rahmen des EU-SILC Sondermoduls 2017 wurden die teilnehmenden Personen nach der Häufigkeit ihres Obst- und Gemüseverzehrs befragt. Rund 28 % der Baden-Württemberger ab 16 Jahren gaben an, mindestens zweimal pro Tag Obst, einschließlich frisch gepresster Obstsäfte, zu sich zu nehmen (Schaubild 1). Fast 37 % taten dies einmal am Tag, rund 11 % immerhin vier- bis sechsmal pro Woche und circa 16 % nahmen ein- bis dreimal pro Woche frisches Obst zu sich. Knapp 8 % der befragten Personen aßen weniger als einmal pro Woche oder nie Obst. Baden-Württemberg lag damit sehr dicht am bundesweiten als auch am europäischen Durchschnitt. Relativ wenig Obst wird in Lettland gegessen: Nur rund 35 % der Bevölkerung ab 16 Jahren verzehrte mindestens einmal pro Tag Obst. Beim Spitzenreiter Portugal waren es dagegen 81 %. Auch in Ländern wie Italien, Irland und Spanien war der Obstverzehr relativ hoch.
Beim Gemüseverzehr lag Baden-Württemberg leicht über dem bundesweiten Durchschnitt (Schaubild 2). Annähernd 21 % der baden-württembergischen Bevölkerung ab 16 Jahren nahmen 2017 mindestens zweimal pro Tag Gemüse (außer Kartoffeln) zu sich, rund 38 % taten dies täglich. Ca. 4 % gaben an, weniger als einmal pro Woche oder nie Gemüse zu essen. Im EU-Durchschnitt waren es rund 23 % der Personen ab 16 Jahren, die zweimal oder öfter Gemüse pro Tag aßen und über 40 %, die täglich Gemüse verzehrten. Auch beim Gemüseverzehr sind sehr große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten erkennbar. Während in Portugal fast 41 % mindestens zweimal täglich Gemüse aßen, waren es in Ungarn und Lettland nur annähernd 9 % der Bevölkerung. In Belgien gaben zwar mit rund 15 % vergleichsweise wenig Menschen an, mindestens zweimal täglich Gemüse zu essen, gleichzeitig verzehrten aber nahezu 70 % täglich Gemüse.
Typische, körperliche Aktivität und wöchentlicher Umfang aktiver Freizeit
Unumstritten ist es mittlerweile, dass Menschen, die sich viel bewegen weniger anfällig sind für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (wie beispielsweise Bluthochdruck, Schlaganfall). Körperliche Aktivität hilft zudem Übergewicht zu vermeiden, das Risiko an Typ-2-Diabetes zu erkranken kann gesenkt werden und Brust- oder Dickdarmkrebs kann vorgebeugt werden. Auch auf die psychische Gesundheit kann regelmäßige körperliche Bewegung eine positive Auswirkungen haben.2
Die derzeitig wöchentliche Bewegungsempfehlung der WHO3 (World Health Organisation) für Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren lautet 150 Minuten moderates Training auf 3 bis 5 Tage verteilt oder 75 Minuten intensives Training, jeweils auf drei bis vier Einheiten verteilt. Zusätzlich mindestens zwei Einheiten pro Woche mit Krafttraining unter Einbeziehung aller Hauptmuskelgruppen.
Körperliche und geistige Probleme sowie Krankheit beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität jedes Einzelnen, sondern haben auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes. Aufgrund dessen wurde vom Regionalbüro der Euro-WHO im Jahr 2016 die Strategie zur Bewegungsförderung 2016 bis 20254 vorgestellt, mit der die europäischen Staaten dazu veranlasst werden sollen, im gesamten Lebensverlauf der Menschen Bewegung zu fördern und Hindernisse für Bewegung im Alltag zu beseitigen. Auch in Deutschland wurde 2018 erstmals eine Nationale Empfehlung für Bewegung und Bewegungsförderung5 veröffentlicht.
Zum Thema »Wieviel bewegt sich die Bevölkerung?« wurden in der EU-SILC im Rahmen des Sondermoduls 2017 Fragen nach der überwiegenden Tätigkeit bei der Arbeit und an den Anteil der mit körperlicher Bewegung gefüllten Freizeit gestellt.
In Baden-Württemberg gaben beinahe die Hälfte (48 %) der Personen ab 16 Jahren an, während einer typischen Arbeitswoche vorwiegend zu sitzen. Wobei »arbeitend« in diesem Fragekontext nicht ausschließlich als bezahlte und unbezahlte Arbeit definiert wurde, sondern auch alle Tätigkeiten rund um das Zuhause, Nachbarschaft, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Schule, Ausbildung oder Studium bei der Einschätzung miteinbezogen werden sollten. 13 % antworteten, dass sie vorwiegend stehende Tätigkeiten ausübten, 30 % übten vorwiegend gehende oder mäßig anstrengende Tätigkeiten aus und 9 % vorwiegend schwere körperliche Arbeiten oder körperlich beanspruchende Tätigkeiten (Tabelle 2). Nur marginale Abweichungen ergeben sich bei einer Betrachtung der erwerbstätigen Personen (50 % sitzende Tätigkeiten) während bei Personen in Rente oder Pension lediglich 25 % der Befragten angaben, überwiegend sitzend tätig zu sein. 56 % der Personen in Rente oder Pension beschäftigten sich ihrer Einschätzung nach mit vorwiegend gehenden oder mäßig anstrengenden körperlichen Tätigkeiten.
In Deutschland zeigen sich annähernd die gleichen Anteile und auch bei einer Betrachtung der Ergebnisse europaweit zeigt sich ein ähnliches Bild. In gut einem Drittel aller europäischer Länder gaben jeweils mehr als 40 % der Befragten an, überwiegend sitzenden Tätigkeiten auszuüben. Ein leicht verändertes Bild zeigte sich vor allem in Griechenland (26 %), Rumänien (27 %) oder Italien (30 %), aber auch in Kroatien, Lettland, Slowenien oder Spanien stuften die Befragten den Anteil an körperliche Bewegung während einer typischen »Arbeitswoche« höher ein.
Gefragt nach dem Zeitaufwand, den man bereit ist für Sport, Fitness oder andere körperliche Bewegung aufzuwenden, gaben rund 13 % der Personen in Baden-Württemberg an, in ihrer Freizeit keine Zeit oder weniger als 1 Stunde pro Woche dafür aufzuwenden. EU-weit ist die Zahl derjenigen, welche keine oder kaum Zeit für körperliche Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit weitaus höher (32 %) (Schaubild 3).
Rund 33 % der Personen in Baden-Württemberg planen pro Woche dagegen 5 oder mehr Stunden Zeit dafür ein. Dabei spielt das Geschlecht so gut wie keine Rolle. Frauen haben etwas höhere Anteile im Bereich zwischen 3 bis unter 5 Stunden pro Woche (20 % Männer, 24 % Frauen) und der Anteil der Männer von 37 % liegt 7 Prozentpunkte über dem der Frauen bei den Angaben, ob 5 oder mehr Stunden pro Woche sportliche Aktivitäten betrieben werden.
Finanzielle Belastung durch Kosten für medizinische Leistungen und Medikamente
Je nach Gesundheitssystem des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates bezahlen Bürgerinnen und Bürger unterschiedlich hohe Beiträge oder Prämien, um im Falle einer Krankheit gut versorgt zu sein und nicht in jedem Land erhalten alle Versicherten identische Leistungen. Eine notwendige ärztliche, zahnärztliche bzw. kieferorthopädische Behandlung oder auch Kosten für Medikamente können die Haushalte in den verschiedenen Ländern daher auch unterschiedlich stark belasten. Vor allem für Haushalte unterhalb 60 % des medianen Äquivalenzeinkommens können diese Ausgaben ein großes Problem darstellen und unter Umständen dazu führen, dass selbst auf notwendige Behandlungen verzichtet wird.
Rund 8 % der Menschen in den baden-württembergischen Haushalten sahen im Jahr 2017 eine große finanzielle Belastung darin, ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Kosten für eine zahnärztliche oder kieferorthopädische Behandlung wurde von 16 % als starke finanzielle Last empfunden und 10 % empfanden, dass Kosten für Medikamente den Geldbeutel deutlich belasten. Ein anderes Bild zeigt sich beispielsweise in Ländern wie Zypern, Bulgarien, Italien, Lettland oder Polen. Wiederum in Ländern wie beispielsweise Dänemark, Frankreich, Schweden oder Finnland sieht nur ein ganz geringer Anteil der Bevölkerung eine zusätzliche finanzielle Belastung im Rahmen der medizinischen Versorgung (Tabelle 3). Beim Betrachten im europäischen Vergleich muss man jedoch wie oben beschrieben auch immer das dahinter stehende Gesundheitssystem betrachten. Beispielsweise ist in Dänemark die Krankenversicherung eine staatliche Leistung, auf der anderen Seite steht Dänemark mit an höchster Stelle, was die Steuerquote anbelangt, also werden möglicherweise Aufwendungen für ärztliche, zahnärztliche Behandlungen oder Medikamente als weniger belastend angesehen, die monatlichen Steuerabgaben dafür aber umso mehr.