Aus- und Weiterbildung in landwirtschaftlichen Berufen
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist zwar in den letzten Jahren beständig zurückgegangen, die Anforderungen an die Leiterinnen und Leiter dieser Betriebe sind aber weiter angestiegen. Dies spiegelt sich auch in der steigenden formalen Qualifikation der Betriebsinhaberinnen und -inhaber wider. Eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung in landwirtschaftlichen Berufen ist daher eine wichtige Rahmenbedingung für den Erhalt konkurrenzfähiger Betriebe. Die Absolventenzahl in der dualen Berufsausbildung wies in den letzten Jahren eine eher leicht rückläufige Tendenz auf. Landwirtschaftliche Fachschulen sind weitgehend ausgelastet, wobei hier auch neue Angebote aktuelle Entwicklung auf dem Agrarmarkt aufgreifen. Ein wachsender Anteil der Betriebsinhaberinnen und -inhaber verfügt bereits heute über einen Hochschulabschluss, weshalb die Hochschulen als Ausbildungsstätten für den Führungskräftenachwuchs auch in der Landwirtschaft zunehmend in Betracht gezogen werden müssen. Ob das Angebot an gut ausgebildeten Nachwuchskräften ausreichend sein wird, um den künftigen Ersatzbedarf an Betriebsleiterinnen und -leitern zu decken, wird auch vom weiteren Fortgang des Strukturwandels in der Landwirtschaft abhängen.
Mit rund 1,85 Mrd. Euro hatte der Bereich »Land- und Forstwirtschaft, Fischerei« im Jahr 2017 nur einen Anteil von 0,4 % an der gesamten Bruttowertschöpfung Baden-Württembergs. Dennoch spielt die Landwirtschaft in Baden-Württemberg eine gewichtige Rolle bei der Pflege der Kulturlandschaft, dem Ressourcen- und Klimaschutz sowie beim Erhalt der Vielfalt ländlicher Räume.1 Die Anforderungen an die Leiterinnen und Leiter der landwirtschaftlichen Betriebe sind in den vergangenen Jahren durch zunehmenden Konkurrenzdruck, agrarpolitische Maßnahmen, dem verstärkten Wunsch nach nachhaltiger Bewirtschaftung und artgerechter Tierhaltung weiter angestiegen. Umso wichtiger wird in diesem Zuge die qualifizierte Ausbildung und stetige Weiterbildung der in der Landwirtschaft Tätigen.
Trend zur Höherqualifizierung
Bei der beruflichen Qualifikation der Inhaberinnen und Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in Baden-Württemberg ist im Zeitablauf ein Trend zum Erwerb höherer Qualifikationen festzustellen. Zwar besitzen immer noch knapp 40 % aller Betriebsinhaberinnen und -inhaber ausschließlich praktische Erfahrungen. Im Vergleich zu den Verhältnissen im Jahr 2005 ist dieser Anteil aber um 3 Prozentpunkte gesunken.2 Im Jahr 2016 hatte die Gruppe der Meisterinnen und Meister, Technikerinnen und Techniker sowie Fachagrarwirtinnen und -wirte mit gut 23 % den größten Anteil unter den Betriebsinhaberinnen und -inhabern mit einem qualifizierten Abschluss. Dies waren 7 Prozentpunkte mehr als 2005. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten 22 % der Betriebsinhaberinnen und -inhaber, was einem Anstieg um 3 Prozentpunkte entspricht. Dagegen sank der Anteil der Abschlüsse einer Fachschule für Landwirtschaft um rund 9 Prozentpunkte auf knapp 11 %. Der Anteil der mittlerweile rund 1 900 Betriebsinhaberinnen und -inhaber mit Hochschulabschluss hat sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt, lag aber mit knapp 5 % immer noch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.
Vor allem für die Leitung von Haupterwerbsbetrieben scheint eine qualifizierte Ausbildung sehr hilfreich zu sein. So haben unter den Leiterinnen und Leitern von Haupterwerbsbetrieben gut 84 % eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Unter den Nebenerwerbslandwirtinnen und -landwirten war dieser Anteil gerade halb so groß. Auch von den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der rund 4 100 als Personengesellschaft geführten Betriebe verfügten mehr als drei Viertel über eine Berufsausbildung.
Deutlich angestiegen ist auch das Durchschnittsalter der Betriebsinhaberinnen und -inhaber. Im Jahr 2016 lag dies bei etwas mehr als 51 Jahren und damit um rund 4 Jahre höher als im Jahr 1999.3 Bei fast 39 % der Betriebe war der Inhaber oder die Inhaberin mindestens 55 Jahre alt. Dies sind Hinweise darauf, dass in den kommenden Jahren für viele Betriebe die Übergabe an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger ansteht, die oder der dann eine hinreichende Qualifikation zur Führung des Betriebs aufweisen sollte.
Hier stellt sich die Frage, ob für die Betriebsübergabe künftig Nachwuchs in ausreichender Zahl bereitsteht. Im Jahr 2016 gab es rund 40 600 landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg. Von diesen waren rund 78 % in den Bereichen Ackerbau, Futterbau oder Viehhaltung tätig und knapp 20 % waren Dauerkulturbetriebe, das heißt überwiegend Wein- und Obstbaubetriebe. Die übrigen gut 2 % entfielen auf Gartenbaubetriebe. Daher kommen von den im Rahmen des dualen Ausbildungssystems angebotenen Berufen in erster Linie die Berufe »Landwirt/Landwirtin« und »Winzer/Winzerin« für die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses in Frage.
Leichter Rückgang in der dualen Berufsausbildung
Im Jahr 2017 wurden in Baden-Württemberg 272 Ausbildungsverträge im Beruf »Landwirt/Landwirtin« und 59 im Beruf »Winzer/Winzerin« neu abgeschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr war dies im Beruf »Landwirt/Landwirtin« ein leichter Anstieg, im Beruf »Winzer/Winzerin« jedoch ein Rückgang. Über die letzten 10 Jahre hinweg haben sich die Zahlen der Neuabschlüsse aber nur wenig verändert. Im Beruf »Landwirt/Landwirtin« lag die Zahl der Vertragsabschlüsse meist zwischen 240 und 280 – mit nur einem leichten Ausreißer nach unten im Jahr 2013 – und im Beruf »Winzer/Winzerin« zwischen 60 und 90.
Es führt aber nicht jeder Vertragsabschluss auch zu einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Im Jahr 2017 lag die Vertragslösungsquote im Beruf »Landwirt/Landwirtin« bei rund 14 % und im Beruf »Winzer/Winzerin« bei rund 6 %. Die Zahl der erfolgreichen Abschlüsse liegt daher jeweils deutlich unter der Zahl der Vertragsabschlüsse, die in der Regel 3 Jahre zuvor getätigt worden waren. So haben 243 Auszubildende im Jahr 2017 die Abschlussprüfung für den Beruf »Landwirt/Landwirtin« bestanden. Dies stellte einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr dar und war im Vergleich der letzten 10 Jahre ein überdurchschnittlicher Wert. Die 55 Absolventinnen und Absolventen im Beruf »Winzer/Winzerin« lagen dagegen nur wenig über dem Mittel der vergangenen Jahre.
Unterschiedliche Tendenzen an Fachschulen
Ein großer Teil der gegenwärtigen Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter verfügt über einen Fachschulabschluss. Die Schülerzahlen der landwirtschaftlichen Fachschulen, die ein sehr breit gefächertes Angebot aufweisen, sind in den letzten Jahren stabil geblieben und lagen beständig zwischen 1 000 und 1 200. Im Schuljahr 2017/18 belegten insgesamt 1 117 Weiterbildungswillige einen dieser Bildungsgänge. Relativ neu ist hierbei die Fachschule für Ökologischen Landbau des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums Emmendingen-Hochburg. Im Schuljahr 2017/18 haben hier 27 Schülerinnen und Schüler die 2-jährige Weiterbildung begonnen.
Für das Potenzial an Fachkräften, die für eine mögliche Betriebsübergabe in Frage kommen, ist die Betrachtung der Absolventenzahlen aussagekräftiger. An den Fachschulen für Landwirtschaft waren in den Fachrichtungen Landbau und Hauswirtschaft in den letzten Jahren unterschiedliche Tendenzen zu erkennen, wobei in beiden Fachrichtungen größere Schwankungen auftraten. Im Landbau nahm die Absolventenzahl eher zu und lag 2017 bei 230, während in der Hauswirtschaft eher eine rückläufige Tendenz auftrat – 2017 betrug die Absolventenzahl dort 122. Die Fachschulen für Technik in der Fachrichtung Landwirtschaft haben eine begrenzte Kapazität, sodass hier pro Jahr nur zwischen zwölf und 22 Absolventinnen und Absolventen zu verzeichnen waren. Die Absolventinnen und Absolventen der Fachschulen für Weinbau und Önologie sind vor allem für Weinbaubetriebe interessant. In den letzten Jahren verließen in diesem Bereich meist um die 50 geprüfte Wirtschafterinnen und Wirtschafter sowie Technikerinnen und Techniker die Schulen. Außerdem absolvierten weitere 27 Weiterbildungswillige im Jahr 2017 die Fachschule für Obstbau und Obstveredlung, 18 die Fachschule für Ökologischen Landbau und sieben die Fachschule für Betriebsorganisation und Management. Für die Nachwuchsgewinnung in der Hofnachfolge eher weniger einschlägig sind die Absolventinnen und Absolventen der landwirtschaftlichen Meisterschulen für Gartenbau (93) sowie für Milch- und Molkereiwirtschaft (13).
Hochschulen als Quelle qualifizierter Führungskräfte?
Der Anteil der Betriebsleiterinnen und -leiter mit Hochschulabschluss ist zwar mit knapp 5 % noch relativ gering. In den letzten Jahren war aber ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Für Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen kann die Leitung eines größeren landwirtschaftlichen Betriebs durchaus ein attraktiver Arbeitsplatz sein. In den letzten Jahren wies die Absolventenzahl der Hochschulen im Fach Agrarwissenschaften eine deutlich steigende Tendenz auf. So hatten 502 Studierende im Prüfungsjahr 2011 das Studium erfolgreich abgeschlossen. Im Prüfungsjahr 2016 waren es dagegen 694 Absolventinnen und Absolventen, von denen 608 ihr Studium an der Universität Hohenheim und 86 an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen beendet hatten. Allerdings besaßen 123 der Absolventinnen und Absolventen eine ausländische Staatsangehörigkeit und hatten vermutlich nicht die Zielsetzung, einen landwirtschaftlichen Betrieb in Baden-Württemberg zu übernehmen.
Kann der Führungskräftebedarf gedeckt werden?
In Baden-Württemberg findet somit eine fundierte Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich der Agrarwirtschaft auf verschiedenen Ebenen statt, von der dualen Berufsausbildung über Fachschulen bis hin zu Hochschulen. Ob hierdurch der künftige Bedarf an qualifizierten Führungskräften gedeckt werden kann, hängt aber nicht nur von der Zahl der Absolventinnen und Absolventen der jeweiligen Ausbildungsgänge ab, sondern auch von der Entwicklung der Zahl freiwerdender Stellen in der Leitung landwirtschaftlicher Betriebe. Eine Einflussgröße ist hierbei die Altersstruktur der Betriebsleiterinnen und -leiter. Rund 3 300 von diesen hatten 2016 bereites das 65. Lebensjahr vollendet, weitere 12 400 gehörten zur Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen. Wenn man davon ausgeht, dass nur wenige jenseits ihres 70. Geburtstags einen Betrieb leiten möchten, kann man davon ausgehen, dass in nächster Zeit pro Jahr rund 700 bis 1 000 Betriebsleiterstellen frei werden dürften.
Eine duale Berufsausbildung als »Landwirt/Landwirtin« oder »Winzer/Winzerin« hatten in den letzten Jahren pro Jahr jeweils rund 250 bis 300 Personen abgeschlossen. Allerdings dürfte eine duale Ausbildung allein in vielen Fällen nicht ausreichen, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, weshalb oft eine Weiterbildung an einer Fachschule absolviert wird. Hier lag die Absolventenzahl an den Fachschulen in den Bereichen Landbau, Weinbau und Önologie sowie ländliche Hauswirtschaft in den zurückliegenden Jahren jeweils um 400. Zu berücksichtigen sind bei dieser Überlegung auch die Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen im Fach Agrarwissenschaften. Allerdings stehen diesen auch Arbeitsplätze im Bereich der dem Agrarbereich vor- und nachgelagerten Industrien offen. Es ist daher davon auszugehen, dass nur ein relativ geringer Teil von ihnen tatsächlich einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen wird. Somit dürfte die Zahl der qualifizierten Nachwuchskräfte in den kommenden Jahren eher niedriger sein als die Zahl der altersbedingt ausscheidenden Betriebsleiterinnen und -leiter.
Jedoch ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter fortsetzen wird, auch wenn er sich in den letzten Jahren etwas verlangsamt hat. Seit 2010 ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg pro Jahr um durchschnittlich rund 650 zurück. Die mittlere Betriebsgröße stieg dabei von knapp 32 Hektar auf über 35 Hektar an. Es ist daher davon auszugehen, dass auch in den kommenden Jahren nicht alle Betriebsinhaberinnen und -inhaber, die sich aus Altersgründen zur Ruhe setzen wollen, ihren Betrieb an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger übergeben werden. In diesem Fall könnten die Absolventenzahlen der verschiedenen landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen ausreichend sein.