Die wirtschaftliche Entwicklung des Bauhauptgewerbes seit 2010
Analyse der Ergebnisse für Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten
Im Jahr 2015 verzeichnete die Baubranche im Land insgesamt im fünften Jahr in Folge einen Geschäftszuwachs. Doch waren daran auch alle Betriebe beteiligt? Gab es Gewinner und Verlierer? Kann man erfolgreiche Branchen oder Regionen benennen? Die Analyse der Konjunktur-Statistiken im Bauhauptgewerbe bestätigt: Die Baubranche insgesamt konnte in den letzten Jahren in allen Regionen Baden-Württembergs Zuwächse verzeichnen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Regionen und auch bei den Bauarten. Kontinuierliche Zuwächse zeigten sich im Wohnungsbau und im Wirtschaftsbau, der Öffentliche Bau entwickelte sich im Gegensatz dazu nicht so stetig.
Das Jahr 2009 ist bekannt als Jahr der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die statistischen Daten zeigen, dass die Baubranche in Baden-Württemberg zwar nachläufig im Jahr 2010 davon betroffen war, jedoch nicht so stark wie andere Branchen. Das lag nicht zuletzt an der Förderung von Baumaßnahmen der öffentlichen Hand im Rahmen des Konjunkturprogramms, das im Januar 2009 von der Bundesregierung beschlossen wurde.1 Seither hat die Bauwirtschaft zugelegt und das in allen Branchen. Das sind Ergebnisse von Analysen der Daten aus den Monatsberichten im Bauhauptgewerbe. Aus dieser monatlichen Konjunkturerhebung werden hier Jahr für Jahr Daten für Betriebe des Bauhauptgewerbes in Baden-Württemberg mit 20 und mehr tätigen Personen für den gesamten Jahresverlauf bereitgestellt.
Es bestätigte sich auch hier: Das Jahr 2015 war das fünfte Jahr in Folge mit Umsatzsteigerungen in fast allen Bereichen. Die durchschnittlich knapp 850 berichtspflichtigen Betriebe meldeten für das Jahr 2010 insgesamt einen baugewerblichen Umsatz von 6 674 Mill. Euro und für das Jahr 2015 mit 9 018 Mill. Euro2 erheblich mehr. Das bedeutet eine Steigerung von 35 % seit der Wirtschaftskrise.3 Die höchsten prozentualen Steigerungsraten im Bereich von 10 bis 20 % waren im Jahr 2011 zu verzeichnen. Von da ab lagen sie für das Bauhauptgewerbe insgesamt immer im positiven Bereich, auch wenn die Entwicklung über die Jahre nicht in allen Bereichen ganz stetig war. Der Umsatz mit Aufträgen im Wohnungsbau, der im Jahr 2015 nur 3 % über seinem Ergebnis von 2014 lag, erreichte im Verhältnis zu 2010 eine Zunahme von 55 %. Mit Bauleistungen für gewerbliche und industrielle Auftraggeber konnte im Vergleich dazu im Jahr 2015 rund 45 % mehr Umsatz erzielt werden als vor 5 Jahren. Für den Öffentlichen Bau, zu dem auch der Straßenbau gezählt wird, wurde im Vergleich mit 2010 eine Steigerung von 16 % ermittelt. Bund, Länder, Kommunen und Organisationen ohne Erwerbszweck wie zum Beispiel karitative Einrichtungen weisen keine stetige Steigerung der Umsätze auf. Die Ursache könnte darin liegen, dass diese Auftraggeber sich im Rahmen der Konjunkturpakete außergewöhnlich stark engagiert hatten und Aufträge vorgezogen wurden, um dann ab dem Jahr 2012 das Feld der wiedererstarkten Wirtschaft zu überlassen.
Diese Ergebnisse aus dem sogenannten Monatsberichtskreis werden in der amtlichen Statistik mit speziellen Verfahren zur Ermittlung eines Ergebnisses für alle Baubetriebe des Landes hochgeschätzt.4 Es gibt rund 6 300 Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten im Land, die nur einmal im Jahr meldepflichtig sind. Sie erbringen zusammen ein Drittel des gesamten Bauumsatzes im Land. Nach der Einbeziehung dieser Betriebe ergab sich ein baugewerblicher Gesamtumsatz von 13,4 Mrd. Euro. Damit wurde das Ergebnis von 2010 im Jahr 2015 um 3,1 Mrd. Euro übertroffen, das sind rund 31 %. Am meisten hat der Wirtschaftsbau zugelegt. Mit Bauleistungen für gewerbliche Auftraggeber konnte 42 % mehr Umsatz erzielt werden als vor 5 Jahren.
Auch der Wohnungsbau, der im Jahr 2015 nur knapp über seinem Ergebnis von 2014 lag, rechnete im Vergleich zu 2010 rund 33 % mehr Umsatz ab. Für den Öffentlichen Bau und den Straßenbau wurde im Vergleich mit 2010 eine Steigerung von 16 % ermittelt. Insgesamt haben die kleineren Betriebe also weniger stark vom Aufschwung profitiert als die größeren. Die höchsten Steigerungsraten lagen für sie im Wirtschaftsbau, während die Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten am stärksten im Wohnungsbau zulegen konnten.
Der baugewerbliche Umsatz in den Regionen
Die Erhebungen der amtlichen Statistik erlauben eine regionale Analyse, wenn auch mit Einschränkungen. Entscheidend für die Meldungen der Betriebe über erzielte Umsätze, geleistete Arbeitsstunden und Auftragseingänge ist der Betriebssitz. Wo sich die Baustellen befinden, auf denen die Bauleistungen erbracht werden, geht daraus nicht hervor. Erfasst wird zudem ausschließlich der Inlandsumsatz, also der Umsatz, der durch Bauleistungen in Deutschland erzielt wird. Bauwirtschaftliche Betriebe, die ihre Umsätze ausschließlich im Ausland erzielen, werden nicht befragt. Veröffentlichungen zu spektakulären Großaufträgen bleiben den Firmen selbst vorbehalten, die amtliche Statistik unterliegt der statistischen Geheimhaltung. Das gilt auch für die Veröffentlichung von Summen auf Gemeinde- oder Kreisebene oder schwach besetzter Wirtschaftszweige, aus denen man auf Einzelangaben schließen kann.5
Möglich ist eine Regionalanalyse der Daten der Baubetriebe mit 20 und mehr tätigen Personen für die zwölf Regionen Baden-Württembergs. Im Ergebnis zeigt sich bei einem Vergleich der Jahre 2010 und 2015, dass alle Regionen am Aufschwung der Bauindustrie beteiligt waren. Es gibt aber Unterschiede im Umfang und in den einzelnen Bereichen.
Die Region mit dem höchsten abgerechneten Umsatz war im Jahr 2015 die Region Stuttgart mit über 2 Mrd. Euro, gefolgt von den Regionen Heilbronn-Franken und Mittlerer Oberrhein mit jeweils über 1 Mrd. Euro. Das Schlusslicht bildete die Region Nordschwarzwald mit rund einem Zehntel des Jahresumsatzes des Spitzenreiters – gut 242 Mill. Euro. Diese großen Unterschiede erklären sich, wenn man die Anzahl der dort beheimateten Baubetriebe, die beim Bau tätigen Personen und die Bevölkerungsdichte dieser Regionen nebeneinander stellt. Unumstritten nimmt die Region Stuttgart in allen Kategorien den Platz 1 ein. Die Region mit der höchsten Bevölkerungsdichte6 beheimatet rund 180 Baubetriebe, die monatlich berichtspflichtig sind. Diese sind Arbeitgeber für insgesamt rund 10 000 Beschäftigte und hatten im Jahr 2015 auch den höchsten Umsatz aller Regionen abgerechnet. In den drei genannten Regionen, die mit Bauleistungen den höchsten baugewerblichen Umsatz erzielen, befinden sich auch die baden-württembergischen Großbetriebe mit 200 und mehr Beschäftigten. Diese Betriebe akquirieren und erfüllen nicht nur in ihrer Region Bauaufträge, sondern in ganz Deutschland. Es wird auch im Ausland gearbeitet, dieser Umsatz erscheint aber nur dann in der amtlichen Statistik, wenn er auch in Deutschland versteuert wird. Die Region Nordschwarzwald beherbergt mit knapp 40 Betrieben die geringste Anzahl monatlich berichtspflichtiger Baubetriebe, die insgesamt rund 1 600 Beschäftigte haben. Der überwiegende Teil dieser Betriebe hat dabei nicht mehr als 50 Beschäftigte.
Doch wie sah es mit den Veränderungsraten aus? In allen Regionen konnte die Bauwirtschaft ihren Umsatz in den letzten 5 Jahren insgesamt erhöhen. Prozentual gesehen legte hier die Region Donau-Iller am meisten zu, mit einem Plus von 53 % schlug sie sogar die Region Stuttgart, die mit 51 % auf Platz 2 lag. Das Schlusslicht bildete hier die Region Ostwürttemberg mit einer Steigerung von insgesamt 8 %. Absolut gesehen hat die Region Stuttgart den Umsatz um 762 Mill. Euro erhöht, die Region Donau-Iller um 180 Mill. Euro und die Region Ostwürttemberg um rund 27 Mill. Euro.
Die Bedeutung einzelner Bauarten in den Regionen
Weitere Unterschiede zeigen sich, wenn man die abgerechneten Bauleistungen nach Art der Bauten betrachtet. Da wird offensichtlich, dass es vereinzelt sogar den Fall von Umsatzeinbußen gegenüber dem Jahr 2010 gab. Im Wohnungsbau haben alle Regionen zugelegt. Den nominal höchsten Zuwachs hat wieder die Region Stuttgart zu verzeichnen, prozentual wird sie aber von anderen Regionen übertroffen. Während in der Region Stuttgart gegenüber 2010 ein Zuwachs von rund 180 Mill. Euro durch Bauleistungen im Wohnungsbau gemeldet wurde – das entspricht einer Steigerung von über 60 % –, konnte die Region Hochrhein-Bodensee mit 56 Mill. Euro eine prozentualen Zuwachs von fast 100 % melden, gefolgt von den Regionen Nordschwarzwald mit einer Steigerung von 75 % und Bodensee-Oberschwaben mit gut 70 %. Dabei betrugen die nominalen Umsatzzuwächse in der Region Nordschwarzwald rund 41 Mill. Euro und in der Region Bodensee-Oberschwaben 91 Mill. Euro.7
Im gewerblichen Bau, also im Hoch- und Tiefbau für gewerbliche und industrielle Auftraggeber, zu denen auch die Deutsche Bahn AG mit ihren verschiedenen Tochterunternehmen zählt, hatten die Regionen Mittlerer Oberrhein, Stuttgart und Bodensee-Oberschwaben die höchsten prozentualen Zuwachsraten zu verzeichnen und die Region Stuttgart nominal den höchsten Wert. In der Region Stuttgart wurde 2015 eine gute Milliarde Euro Umsatz in dieser Bauart erwirtschaftet und damit rund 410 Mill. Euro mehr als im Jahr 2010. Ein Minus in dieser Umsatzart ergab sich in der Region Neckar-Alb. Gegenüber 2010 wurden fast 12 % weniger Umsatz abgerechnet, verursacht durch einen Rückgang im Gewerblichen Hochbau. Der Zuwachs, den es in dieser Region dagegen im gewerblichen und industriellen Tiefbau gab, konnte das nicht ausgleichen.
Der Umsatz, der mit Aufträgen im Straßenbau und allgemein für die öffentliche Hand erzielt wurde, zeigte insgesamt nicht so hohe Steigerungen in den letzten 5 Jahren, kann sich aber trotzdem in den meisten Regionen sehen lassen. Mit 707 Mill. Euro hatte die Region Stuttgart wieder Platz 1 inne. Sie verzeichnete auch die höchste nominale Steigerung mit einem Zuwachs von 173 Mill. Euro, also rund einem Drittel mehr gegenüber 2010. Rund die Hälfte zulegen konnte dagegen die Region Donau-Iller, das entsprach in diesem Fall einem abgerechneten Umsatz von 172 Mill. Euro, also deutlich weniger. Das Schlusslicht bildete in diesem Bereich die Region Bodensee-Oberschwaben mit einem Minus von 31 %. Der Umsatz verminderte sich von 132 Mill. Euro im Jahr 2010 auf 91 Mill. Euro im Jahr 2015. Das betraf sowohl den Straßenbau als auch den Öffentlichen Bau. In dieser Region sind prozentual gesehen aber auch die wenigsten Tiefbau-Unternehmen angesiedelt. Über 50 % der Baubetriebe zählt nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige8 zur Abteilung »Hochbau« und darunter zur Gruppe »Bau von Gebäuden.«
Die Umsätze nach den Preisen von 2010
Die Baufirmen melden zu den Erhebungen ihren Umsatz mit den Preisen, die sie aktuell in Rechnung stellen. Ein Maß für die Steigerung des Bauvolumens ergibt sich in der amtlichen Statistik nach der Preisbereinigung. Wird nach Preisen vom Basisjahr 2010 gerechnet, ergibt sich die Steigerung des Bauvolumens. Da die Preise für Bauleistungen seit 2010 im Durchschnitt um mehr als 10 % gestiegen sind, verringern sich die genannten Steigerungsraten, sie bleiben aber alle im positiven Bereich.9 Für Baden-Württemberg insgesamt betrug der preisbereinigte Umsatzzuwachs 2015 gegenüber 2010 rund 20 %, der Wohnungsbau steigerte sein Umsatzvolumen um 40 % und der gewerbliche Bau um 30 %. Der Umsatz im Öffentlichen Bau hat nach Preisbereinigung sein Niveau seit dem Jahr 2010 insgesamt gehalten.