Zur Entwicklung des Rauchverhaltens in den letzten 20 Jahren
Zeigen Rauchverbote Wirkung?
Seit 2002 wurden verstärkt Maßnahmen des Nichtraucherschutzes und diverse Initiativen zur Reduktion des Rauchens ergriffen. Im Rahmen des Mikrozensus werden in mehrjährigem Abstand Fragen zum Rauchverhalten gestellt. Dies ermöglicht es, über einen längeren Zeitraum die Entwicklung der Rauchgewohnheiten nach Geschlecht und Altersgruppen zu beschreiben. Der vorliegende Beitrag nutzt die Befragungsergebnisse von 1995 bis 2013, um der Frage nachzugehen, wie sich das Rauchverhalten von Männern und Frauen in Baden-Württemberg in den letzten 20 Jahren entwickelt hat und ob sich in den letzten 10 Jahren Veränderungen abzeichnen, die auf eine Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums schließen lassen.
Die Analysen zeigen vor allem bei Frauen eine Trendumkehr beim Rauchverhalten, die in zeitlicher Nähe zur Einführung von Rauchverboten erfolgte. So stieg bis 2005 der Anteil der Frauen, die regelmäßig rauchten, kontinuierlich an, während der Anteil der rauchenden Männer in den Tendenz leicht zurückging. Dies führte zu einer Annäherung der Raucherquoten beider Geschlechter. Von 2005 bis 2009 ging der Anteil der regelmäßig rauchenden Frauen erstmals wieder zurück. Bei beiden Geschlechtern zeigt sich eine Verhaltensänderung vor allem bei den Jüngeren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) treibt seit langem international Maßnahmen zur Kontrolle des Tabakkonsums voran. 2003 trat ein von 168 Staaten unterzeichnetes Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) in Kraft.1 Seither wurden vonseiten der Europäischen Union, der Bundesregierung und auch in Baden-Württemberg verstärkt Maßnahmen ergriffen, die Nichtraucher schützen, den Einstieg in das Rauchen reduzieren bzw. Raucher zur Aufgabe des Rauchens bewegen sollen.
In Deutschland gab es seit dem Jahrtausendwechsel mehrere Tabaksteuererhöhungen2 – besonders deutlich von 2002 bis 2005 – sowie größere Warnhinweise auf den Packungen (seit 2003)3 bzw. verschärfte Werbeverbote für Tabakerzeugnisse ab 20074. Maßnahmen, die vor allem den Rauchkonsum verringern und vor dem Einstieg ins Rauchen warnen sollten. 2007 ergriff Baden-Württemberg explizit Maßnahmen zum Nichtraucherschutz durch die Einführung von Rauchverboten in öffentlichen Gebäuden und in den meisten Gaststätten.5
Der Beitrag geht der Frage nach, ob sich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen und dem Rauchverhalten der Bevölkerung erkennen lässt, inwiefern Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen bestehen und ob sich diese über die Zeit verändert haben. Die verwendeten Daten stammen aus dem Zusatzprogramm »Gesundheit« des Mikrozensus, das in mehrjährigem Turnus als freiwilliger Bestandteil erhoben wird, zuletzt im Jahr 2013 (siehe i-Punkt).
Betrachtet werden Personen ab 15 Jahren, die Angaben zu ihrem Rauchverhalten gemacht haben. Erfasst wurden sowohl regelmäßige als auch Gelegenheitsraucher. Als Raucher gelten im Rahmen dieses Beitrags jedoch nur Personen, die sich selbst als regelmäßige Raucher einstuften. Mit dieser Beschränkung auf regelmäßige Raucher wird nur der Teil der Raucher untersucht, für die aufgrund eines vielfach vorhandenen Abhängigkeitsverhältnisses eine gewisse Verhaltenskonstanz unterstellt werden kann und die auch stärker gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind als Gelegenheitsraucher.
Bis 2005 Annäherung der Raucherquoten von Frauen und Männern
Von 1995 bis 2005 gab es eine deutliche Annäherung der Anteile der regelmäßigen Raucher bei Männern und Frauen.6 Lag der Anteil der regelmäßig rauchenden Männer mit 29 % im Jahr 1995 noch 13 Prozentpunkte über dem der Frauen (16 %), hatte sich die Geschlechterdifferenz bis 2005 auf 9 Prozentpunkte reduziert. Diese Annäherung ist auf gegenläufige Entwicklungen zurückzuführen. Während der Anteil der regelmäßig rauchenden Frauen von 1995 bis 2005 von 16 % relativ kontinuierlich auf 19 % anstieg, sank der Anteil der Männer im Zeitraum 1995 bis 2003 um rund 2 Prozentpunkte auf 27 % und stieg dann wieder um knapp 1 Prozentpunkt auf 28 % im Jahr 2005 an.7
Von 2002 bis 2005 gab es mehrere größere Tabaksteuererhöhungen und seit 2003 sind Warnhinweise auf die Packungen gedruckt. Die Ergebnisse der Mikrozensuszusatzerhebungen zur Gesundheit von 2003 und 2005 zeigen insgesamt jedoch keine rückläufigen Anteile der regelmäßigen Raucher und somit keine Entwicklung, die auf die unmittelbare Wirksamkeit dieser Maßnahmen schließen ließe.8
Ab 2005 gehen die Anteile der regelmäßigen Raucher zurück – in zeitlichem Zusammenhang mit Rauchverboten in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten
Von 2005 auf 2009 sind die Anteile der regelmäßigen Raucher bei beiden Geschlechtern signifikant gesunken, bei den Männern um 5 Prozentpunkte, bei den Frauen um knapp 4.
Diese Ergebnisse könnten ein Hinweis auf die Wirksamkeit des Nichtraucherschutzgesetzes sowie der verschärften Werbeverbote sein. Beide Maßnahmen traten 2007 in Kraft. Auch die verstärkte öffentliche Debatte, die insbesondere im Zuge der Rauchverbote in Gaststätten geführt wurde, sowie ein steigendes Gesundheitsbewusstsein in Teilen der Bevölkerung könnte ebenfalls zu der Verhaltensänderung beigetragen haben.
Da im Zeitraum 2005 bis 2009 mehrere Maßnahmen parallel realisiert wurden, ist mit den hier analysierten Aggregatdaten die isolierte Wirksamkeitsbetrachtung einzelner Maßnahmen nicht möglich.
Seit 2011 gab es erneut schrittweise kleinere Tabaksteuererhöhungen. Die Raucheranteile insgesamt waren von 2009 bis 2013 jedoch nur noch geringfügig rückläufig. Der Anteil der regelmäßig rauchenden Männer sank um knapp einen Prozentpunkt auf 22 %, bei den Frauen blieb er weitgehend stabil bei rund 15 %. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern verringerte sich damit nochmals und beträgt nun nur noch 7 Prozentpunkte.
Mit dem Rauchen wird meist in jungen Jahren begonnen
Weitere interessante Erkenntnisse liefert die altersgruppenbezogene Betrachtung des Rauchverhaltens. Schaubild 2 weist die Anteile der regelmäßigen Raucher bei den Zusatzerhebungen von 1995 bis 2013 in verschiedenen Altersgruppen aus, erneut differenziert nach Geschlecht. Es zeigt, dass der Einstieg in das Rauchen meist in jungen Jahren erfolgt. Insbesondere bis zur Altersgruppe 20 bis unter 25 Jahre steigen die Anteile der regelmäßigen Raucher an der Bevölkerung stark an. Tendenziell bleiben sie dann bis zum Alter von 50 Jahren ungefähr stabil und gehen dann schrittweise zurück.9
In jüngerer Zeit beginnen weniger junge Männer mit dem Rauchen
Betrachtet man die Entwicklung der Raucheranteile im Zeitverlauf, zeigen sich bei den Männern in den jüngsten beiden Altersgruppen (bis unter 25 Jahre) von 1995 bis 2005 tendenziell steigende Raucheranteile. Zwischen 2005 und 2009 gingen die Anteile der regelmäßigen Raucher stark zurück, von 2009 bis 2013 nochmals, allerdings in geringerem Ausmaß. Dieser Rückgang der aktiven Raucher kann zwei unterschiedliche Ursachen haben. Entweder beginnen weniger junge Männer mit dem Rauchen oder es haben viele das Rauchen wieder aufgegeben. Dass der Rückgang daran liegt, dass weniger junge Männer das Rauchen beginnen, wird deutlich, wenn man parallel das Schaubild 3 betrachtet. Dieses weist den Anteil der ehemaligen Raucher im Jahr 2005 und im Jahr 2013 aus. Da auch der Anteil der ehemaligen Raucher in diesen Gruppen zurückgegangen ist, lässt darauf schließen, dass immer weniger junge Männer von 15 bis unter 25 Jahren mit dem Rauchen anfangen.
Trendwende zum Nichtrauchen bei den jungen Frauen noch deutlicher
Noch deutlicher ist die Trendumkehr bei den jungen Frauen unter 25 Jahren. Der Anteil regelmäßiger Raucherinnen war zwischen den Erhebungen 1995 und 2005 stärker angestiegen als bei den Männern. Auf den stärkeren Anstieg folgte von 2005 bis 2013 ein ebenfalls stärkerer Rückgang. Der Anteil der Frauen im Alter von 15 bis unter 20 Jahren, die regelmäßig zur Zigarette griffen, hat sich von 17 % auf 8 % mehr als halbiert. Bei den 20- bis unter 25-Jährigen ist er um ein Drittel von 30 % auf 20 % zurückgegangen. Die Anteile der jungen Frauen, die regelmäßig rauchten, lag 2013 deutlich unter dem Niveau von 1995 und auch wieder sehr deutlich unter dem Niveau der Männer. Auch der Anteil der Frauen unter 25, die angaben, früher einmal geraucht zu haben, ging zurück.
Ausstieg aus dem Rauchen nahm bei den Männern vor allem in der Gruppe der 30- bis unter 45-Jährigen deutlich zu
Bei Männern im Alter von 30- bis unter 45 Jahren ist der Anteil der ehemaligen Raucher von 2005 bis 2013 gestiegen. Der Rückgang der regelmäßigen Raucher bei den Männern mittleren Alters ist demnach ein kombinierter Effekt aus zwei Elementen: Zum einen stieg der Anteil der Männer, die das Rauchen wieder aufgaben. Zum anderen sank der Raucheranteil schon bei der jüngeren Altersgruppe. Dies führte dazu, dass im Zeitverlauf relativ gesehen weniger Raucher in diese Altersgruppe nachrückten.
Deutlichste Veränderung des Rauchverhaltens bei den Frauen zwischen 40 und 50 Jahren
Bei den Frauen von 30 bis unter 40 Jahren ist der Anteil derer, die mit dem Rauchen aufgehört haben, zwischen 2005 und 2013 deutlicher gestiegen als bei den Männern. Der Ausstieg in diesem Alter dürfte die Hauptursache dafür sein, dass sich die steigenden Raucheranteile bei den Frauen unter 25 Jahren nicht über die Zeit auf die nächstälteren Altersgruppen übertragen. So zeigen sich in den Befragungen von 2009 und 2013 gegenüber früheren Erhebungen bei Frauen von 40 bis unter 50 Jahren deutlich geringere Anteile aktiver Raucherinnen.
Stetig mehr regelmäßige Raucherinnen über 55 Jahre bis 2013
Bei Frauen ab einem Alter von 55 Jahren erscheint der Trend zum Anstieg der Raucheranteile nach den Daten von 2013 ungebrochen. Die Zunahme der Frauen, die mit dem Rauchen in jungen Jahren begonnen haben, wird hier nicht mehr durch die ebenfalls gestiegenen Anteile der Frauen, die das Rauchen wieder aufgaben, kompensiert. Der Ausstieg aus dem Rauchen schwächt die Zunahme der aktiven Raucherinnen nur noch ab.
Dass der Anstieg des regelmäßigen Rauchens bei den Frauen nicht erst 1995 begann, sondern bereits in den 1950er-Jahren, zeigt eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums für ganz Deutschland auf Basis der Erhebung 2009.10 Schaubild 4 verdeutlicht, wie stark sich das Rauchverhalten der Frauen in den letzten 60 Jahren verändert hat.
Von den 1930 bis 1934 geborenen Frauen, diese waren 2013 zwischen 79 und 83 Jahren alt, haben deutschlandweit nur 17 % jemals regelmäßig geraucht. Der Anteil der Raucherinnen stieg bis zu den 1960 bis 1964 Geborenen (2013 zwischen 49 und 53 Jahren alt) auf 50 % an und ging dann wieder leicht zurück auf 45 % der 1975 bis 1979 Geborenen.
In Baden-Württemberg dürfte die Entwicklung ganz ähnlich verlaufen sein, wie Schaubild 2 zeigt. Ab der Altersgruppe der 55- bis unter 60-Jährigen steigen die Anteile der regelmäßigen Raucherinnen von Erhebung zu Erhebung an,11 da jeweils Geburtsjahrgänge nachrücken, in denen das Rauchen weiter verbreitet ist. Da allerdings auch die Anteile ehemaliger Raucherinnen über die Zeit ansteigen, wird der Anstieg etwas abgeschwächt.
Anders verhält es sich bei den Männern, bei denen sich das Rauchverhalten in den letzten Jahrzehnten nicht systematisch verändert hatte. Bei älteren Männern ab 55 Jahren zeigen sich über die Zeit keine signifikanten Rückgänge bei den aktiven Rauchern und auch der Anteil ehemaliger Raucher hat sich kaum verändert.12
Mit steigendem Alter sinken die Anteile der regelmäßigen Raucher
Bislang wurde die Entwicklung der Raucheranteile einzelner Altersgruppen im Zeitverlauf betrachtet. Bei den Älteren ist es darüber hinaus interessant, wie sich die Raucheranteile mit zunehmendem Alter entwickeln.
Ab der Altersgruppe der 50- bis unter 55-Jährigen sinken die Anteile der regelmäßigen Raucher mit zunehmendem Alter bei beiden Geschlechtern. Dass unter der älteren Bevölkerung weniger Personen rauchen als unter der Jüngeren, hat vermutlich zum größeren Teil mit der Aufgabe des Tabakkonsums zu tun. Bei Männern, die schon über einen längeren Zeitraum ähnlich hohe Anteilswert für aktive sowie ehemalige Raucher haben, zeigt sich dies an den mit dem Alter linear ansteigenden Anteilen der ehemaligen Raucher. Sie erreichen bei den 70-Jährigen und Älteren Werte über 40 %. Die vorzeitige Sterblichkeit der Raucher13 spielt wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle.14 Dennoch sind die Lebenszeitgewinne durch das Nichtrauchen bzw. einen frühen Ausstieg aus dem Rauchen nicht zu vernachlässigen. Nach der »Million Women Studie« in Großbritannien gewinnen Frauen, die nicht rauchen bzw. vor dem 40. Lebensjahr damit aufhörten, rund 10 Lebensjahre hinzu.15
Fazit
Der Beitrag hat untersucht, wie sich das Rauchverhalten von Männern und Frauen in den letzten 20 Jahren verändert hat und ob sich Veränderungen insbesondere in zeitlichem Zusammenhang mit Maßnahmen zeigen, die das Ziel haben, den Tabakkonsum einzuschränken.
Verhaltensveränderungen konnten vor allem bei den Jüngeren nachgewiesen werden. Bei den unter 40-Jährigen zeigte sich nach 2005 ein deutlicher Rückgang der regelmäßigen Raucher und – noch deutlicher – der Raucherinnen. Bei den Männern sank der Anteil von 2005 bis zum Jahr 2013 von 34 % auf 28 %, bei den Frauen von 25 % auf 19 %. In diesen Zeitraum fielen mehrere Maßnahmen, von denen das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten sicherlich – von Rauchern wie Nichtrauchern – als besonders einschneidend empfunden wurde. Im zeitlichen Zusammenhang mit Tabaksteuererhöhungen, die besonders in den Zeitraum 2002 bis 2005 fielen, zeigte sich kein Rückgang der Raucheranteile.
Ältere Raucher hingegen zeigten kaum Verhaltensänderungen, die mit den betrachteten politischen Maßnahmen in Zusammenhang gebracht werden können.