Wasserwirtschaft in Baden-Württemberg – unentbehrlich für Bevölkerung und Industrie
Neue Daten-CD mit umfassenden Informationen zur Wasserwirtschaft
Wasser ist mit seiner umfassenden Verwendbarkeit ein begehrtes und begrenztes Gut, es ist zugleich Lebensmittel und wichtiger Produktionsfaktor. Bei seiner Nutzung wird es stofflich oder thermisch verändert und danach als Abwasser beseitigt. Die Ressource Wasser steht im Mittelpunkt der im Mai erscheinenden Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg mit Daten zur Wassergewinnung und Wasserverwendung sowie zur Ableitung und Behandlung des Abwassers. Einige bis in die Anfänge der Umweltstatistiken – die 1970er-Jahre – zurückreichende Zeitreihen beschreiben eindrucksvoll die wasserwirtschaftliche Entwicklung im Land und in den Stadt- und Landkreisen. Daten in Flussgebietsabgrenzung auf Basis der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und wasserwirtschaftliche Eckdaten auf Gemeindeebene ergänzen die Darstellung.
Informationen zu den drei wichtigsten Wassernutzern
- Energiewirtschaft,
- Verarbeitendes Gewerbe1 und
- öffentliche Wasserversorgung
liefern die auf dem Umweltstatistikgesetz beruhenden wasserwirtschaftlichen Erhebungen. Die Erhebungen werden als Bundesstatistik 3-jährlich durchgeführt, zuletzt für 2013. Die Trink- und Abwassergebühren sind auch für 2014 und 2015 verfügbar. Datenquelle hierfür sind die in den Zwischenjahren stattfindenden Landesstatistiken im Auftrag des Umweltministeriums Baden- Württemberg. Die Unfälle bei der Beförderung und beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen werden ebenfalls jährlich erhoben (siehe i-Punkt).
4 Milliarden m³ Wasser zur Stromerzeugung, Produktion und als Trinkwasser
In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2013 rund 4 Mrd. m³ Wasser zur Verwendung als Kühl- und Prozesswasser, für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen und als Trinkwasser benötigt. Je nach Verwendungszweck und regionaler Verfügbarkeit wird dazu
- Grund- und Quellwasser oder
- Oberflächenwasser (Fluss-, See- und Talsperrenwasser)
herangezogen. 2013 entstanden drei Viertel des Wasserbedarfs bei der Elektrizitätserzeugung in den großen Wärmekraftwerken, die knapp 3 Mrd. m³ Kühlwasser aus Rhein und Neckar entnahmen. Zu den wasserintensivsten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes gehören die Zellstoff- und Papierherstellung sowie die chemische und pharmazeutische Industrie, die ihren Bedarf überwiegend mit Flusswasser decken und deren Produktion daher ebenfalls standortgebunden ist. Das Verarbeitende Gewerbe im Land gewann insgesamt rund 345 Mill m³ Wasser, neben Oberflächenwasser auch Grund- und Quellwasser. Wasser wird dort vor allem benötigt als
- Kühlwasser und
- Produktionswasser, zum Beispiel als Rohstoff, Reinigungs- und Lösungsmittel.
Rund 650 Mill. m³ entnahm die öffentliche Wasserversorgung. Dies war überwiegend Grund- und Quellwasser, für die Verbundversorgung wasserarmer Gebiete in merklichem Umfang aber auch Oberflächenwasser.
In Baden-Württemberg erreichte die Wasserentnahme aller Nutzer im Jahr 1987 mit zusammen 7,6 Mrd. m³ ihr Maximum. Der Wasserbedarf der Energieversorgung hat sich – ausgehend von damals 6,2 Mrd. m³ – seitdem mehr als halbiert. Die verstärkte Kreislaufführung des Kühlwassers und die technische Optimierung der Kraftwerke trugen hier zur Ressourcenschonung bei.2 Auch im Verarbeitenden Gewerbe kam es zu deutlichen Einsparungen, die bereits ab dem Erhebungsjahr 1979 einsetzten. Die strengen Anforderungen an die Einleitung von Abwässern aus industriellen Prozessen lösten dort integrierte Umweltschutzmaßnahmen aus, die auch den Wassereinsatz reduzierten.
116 Liter Trinkwasser täglich
Rückläufig – allerdings in geringerem Umfang als in der Energiewirtschaft und im Verarbeitenden Gewerbe – ist auch der Wasserbedarf der öffentlichen Wasserversorgung für
- Haushalte (einschließlich Kleingewerbe) und
- öffentliche Einrichtungen (zum Beispiel Schulen) und gewerbliche Abnehmer.
Die Trinkwassergewinnung ging seit 1991, dem Jahr der höchsten Entnahme, um rund 15 % zurück (Tabelle 1). Berechnete sich der individuelle tägliche Wasserbedarf damals auf durchschnittlich 140 Liter (l), reduzierte er sich bis 2010 auf 115 l und lag 2013 bei 116 l. Dieser vermeintliche Anstieg des Pro-Kopf-Trinkwasserbedarfs ist jedoch nicht als Verhaltensänderung der Verbraucher oder Ausschöpfen des Potentials bei Entwicklung und Einsatz wassersparender Haushaltsgeräte und Sanitärausstattungen zu interpretieren. Vielmehr liegen der Berechnung des einwohnerbezogenen Bedarfs für das Jahr 2013 die Ergebnisse des Zensus 2011 zugrunde, der die Volkszählung 1987 als Basis der Bevölkerungsfortschreibung ablöste und die Einwohnerzahlen im Land nach unten korrigierte. Absolut gesehen nahm der Wasserbedarf der Haushalte (einschließlich Kleingewerbe3) seit 1991 tatsächlich stetig ab, auch zwischen 2010 und 2013 auf knapp 450 Mill. m³, aber nicht so stark wie die nunmehr auf neuer Grundlage ermittelten Einwohnerzahlen.
Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung in Landesteilen, in denen die lokalen Wasservorkommen nicht ausreichen, beruht auf einem Geflecht von Wasserversorgungsunternehmen, die Trinkwasser selbst gewinnen oder Wasser zur Weiterverteilung beziehen. In Baden-Württemberg betrieben 2013 rund zwei Drittel der insgesamt 1 325 Versorgungsunternehmen eine Eigengewinnung an 2 400 Entnahmestellen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Brunnen und Quellen; die vier Fernversorger gewinnen auch Oberflächenwasser, ebenso die Bodenseeanrainer. Die Trinkwasserversorgung im Verbund erschließt
- örtliche und regionale Wasservorkommen sowie
- (vom Verbraucher) entfernte Wasservorkommen.
Jeder fünfte Einwohner in Baden-Württemberg erhielt in seinem Versorgungsgebiet ausschließlich Fernwasser, jeder vierte Einwohner eine Mischung aus örtlichen und/oder regionalen Wasservorkommen und Fernwasser.
Fast flächendeckender Kläranlagenanschluss
Das mit seiner Nutzung qualitativ beeinträchtigte Wasser sollte im Idealfall durch Reinigungsmaßnahmen weitestgehend in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Für die häuslichen Abwässer stehen in den kommunalen Kläranlagen in der Hauptsache mechanische und biologische Verfahren zur Verfügung. Für die heterogenen industriellen Abwässer sind es je nach Art und Umfang der Belastung spezifische Reinigungsverfahren am Ort des Entstehens. Die wasserwirtschaftlichen Erhebungen dokumentieren Stand und Entwicklung der Abwassersammlung und -reinigung in Baden-Württemberg getrennt für die
- öffentliche (kommunale) Abwasserbeseitigung und die
- industriellen Direkt- und Indirekteinleitungen.4
Mit dem Ausbau der öffentlichen Abwasserbeseitigung gingen erhebliche Verbesserungen im Gewässerschutz einher. 2013 waren 99,4 % der Bevölkerung im Land an zentrale Kläranlagen angeschlossen – gegenüber knapp 80 % im Jahr 1975. Beim Anschlussgrad besteht weiterhin ein Stadt-Land-Gefälle, das sich aber deutlich verkleinerte (Schaubild). Das Abwasser von zuletzt noch insgesamt rund 65 000 Bewohnern abseits gelegener kleiner Siedlungen und Gehöfte, deren Anschluss überproportional aufwändig ist, wurde in privaten Kleinkläranlagen dezentral gereinigt oder in geschlossenen Gruben gesammelt.
Kanalisation 74 000 Kilometer lang
Neuanschlüsse an Kläranlagen erforderten die Erweiterung des Kanalnetzes, dessen Länge sich seit 1975 mehr als verdoppelte und 2013 fast 74 000 Kilometer (km) erreichte. Daraus leitet sich eine durchschnittliche Kanallänge von mittlerweile 7 m je angeschlossenen Einwohner ab, 1975 waren es noch knapp 4 m (Tabelle 2). Prinzipiell stehen zwei Verfahren zur Verfügung,
- Mischkanalisation und
- Trennkanalisation.5
Mit mehr als zwei Dritteln, rund 50 000 km, überwiegt das Mischsystem. Seit Ende der 1990er-Jahre gewann jedoch die dezentrale Beseitigung des Regenwassers ein größeres Gewicht. Sie zielt darauf ab, die Ableitung in Kläranlagen zu verzögern oder zu verhindern zugunsten natürlicher Versickerung oder Verdunstung. Dementsprechend kam überwiegend Trennkanalisation neu hinzu.
Die Zeitreihen zur öffentlichen Abwasserbehandlung belegen auch die Fortschritte in der Reinigungsleistung der Kläranlagen. Zunächst wurden die mechanischen Kläranlagen um biologische Stufen ergänzt oder ganz durch biologische Kläranlagen ersetzt. Dadurch verringerte sich die Zahl der mechanischen Kläranlagen, ausgehend von1975, binnen weniger Jahre drastisch, bis sie dann ganz verschwanden. Danach richtete sich der Fokus auf die Elimination der als Nährstoffe wirkenden Stickstoff- und Phosphorverbindungen mit den Verfahren
- Schlammstabilisierung, Nitrifikation und Denitrifikation sowie
- Phosphorelimination.
Die seit 1991 erhobenen Nährstoffkonzentrationen im Kläranlagenablauf zeigen die Wirksamkeit der ergriffenen Abwassermaßnahmen, denn sowohl die Konzentrationen als auch die daraus berechneten Frachten haben sich seither mehr als halbiert.
Weitere in die Veröffentlichung aufgenommene und zuvor nicht gestreifte Themen sind die Verbraucherpreise für Trink- und Abwasser sowie die Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen.6 Die nächsten 3-jährlichen Erhebungen werden 2017 für das Berichtsjahr 2016 durchgeführt und münden in eine aufwändige landes- und bundesweite Bilanzierung der Wasser- und Abwasserströme. Erste Ergebnisse für 2016 werden im August 2016 für die zum Stichtag 1. Januar erhobenen Wasser- und Abwasserpreise veröffentlicht.