Wachstumsplateau erreicht? – Baden‑Württembergs Wirtschaft dürfte im 4. Quartal preisbereinigt um 1 ¼ % wachsen
Der baden-württembergischen Wirtschaft gelang im 1. Halbjahr 2015 ein Traumstart. Verglichen zum Vorjahreshalbjahr erhöhte sich das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,1 % und damit so stark, wie in keinem anderen Bundesland. Allerdings dürfte das Expansionstempo im 2. Halbjahr deutlich nachlassen und das BIP sollte im 3. Quartal um nur noch 1 ¾ % und im 4. Quartal um 1 ¼ % wachsen.
Die Auslandsnachfrage unterstützt weiterhin die wirtschaftliche Entwicklung, allerdings verlor diese im Sommerquartal Juni bis August an Dynamik. So stieg der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe zum Vorquartal nur um saisonbereinigte 1,3 %, während er im Vorquartal noch um 4 % zulegte. Bei den Auftragseingängen musste die Südwestwirtschaft zum Vorquartal saisonbereinigt sogar ein leichtes Minus verkraften (−0,5 %).
Ein gemischtes Bild sendet die Inlandsnachfrage aus. So ließ in der letzten Ausgabe von Konjunktur Südwest ein saisonbereinigtes Umsatzplus von 1,9 % im Verarbeitenden Gewerbe noch auf eine breitere Basis für den Aufschwung hoffen, allerdings konnte die baden-württembergische Wirtschaft ihre Erlöse im Sommer saisonbereinigt nur um 0,6 % steigern. Positiv entwickelte sich mit einem saisonbereinigten Zuwachs von 1,6 % gegenüber dem Frühjahr die Investitionsgüternachfrage und hier vor allem der Fahrzeugbau mit einem Umsatzplus von 3,1 %. Keine Impulse gingen dagegen von der Bauwirtschaft aus, deren saisonbereinigte Arbeitsstunden zum Vorquartal leicht rückläufig waren (−0,5 %).
Deutlich gefallene Energiepreise drückten die Inflationsrate für Baden‑Württemberg im 3. Quartal auf 0,1 % und auch Erzeuger- sowie Großhandelspreise lassen keinen Preisdruck erkennen. Der Beschäftigungsaufbau in der Südwestwirtschaft bleibt weiter intakt, und so verzeichnete Baden‑Württemberg zum Juli 2015 eine Rekordbeschäftigung von 4,4 Mill. sozialversicherungspflichtigen Stellen. Kombiniert mit der weiter hohen Zahl ungeförderter offener Stellen (rund 87 000) befindet sich der Arbeitsmarkt in sehr guter Verfassung und sollte die weitere wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.
Globale Wachstumsaussichten trüben sich leicht ein
Mit Beginn der Herbstmonate veröffentlichen die großen internationalen Institutionen ihre taufrischen Wachstumsprognosen. Damit lassen sich erste Tendenzen ablesen, wie sich die globale Wirtschaft zukünftig entwickeln könnte. Wenngleich bspw. der IWF für 2016 weltweit keine Rezession am Horizont sieht, so reduzierte er seine Wachstumsprognose doch signifikant und erwartet nur noch ein Wachstum von 3,6 %. Für den Welthandel fiel die Korrektur noch stärker aus, allerdings sehen die IWF-Ökonomen dort eine Expansionsrate von immer noch 4,1 %. Als Grund identifizieren sie die nachlassende wirtschaftliche Dynamik in den Schwellenländern sowie die schwächer ausfallende Erholung in den entwickelten Volkswirtschaften. Auch die Eurozone bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont und so erwartet die EZB 2016 hier ein reales BIP-Wachstum von 1,7 % −0,2 Prozentpunkte weniger als in ihrer Juli-Prognose. Die Korrektur geht zum Großteil auf das Konto einer schwächeren Exportnachfrage, was sich mit der Vorhersage des IWF deckt.
Neben zyklischen Effekten dürfte in die Abschwächung des Exports bereits die bevorstehende Zinserhöhung in den USA mit hineinspielen. Eine monetäre Straffung in den Vereinigten Staaten wirkt einer neuesten Studie zu Folge aber unterschiedlich auf die übrigen Staaten der Welt. Kanada und Mexiko sind aufgrund ihrer geografischen und wirtschaftlichen Nähe zu den USA davon besonders stark betroffen, aber auch eng in die Weltwirtschaft integrierte Volkswirtschaften wie Deutschland oder Japan leiden ebenfalls unter einer Zinswende in den USA.
Baden‑Württemberg exportiert mit 11,7 % traditionell einen hohen Anteil seiner Gesamtausfuhren in die USA und liegt bei seinem Exportanteil am BIP 2014 mit 41,4 % deutlich über dem deutschen Wert (39 %). Somit dürfte die Wirtschaft im Südwesten das geringer prognostizierte Exportwachstum und die Zinswende in den USA stärker zu spüren bekommen. Teilweise finden sich Bremsspuren bereits im ausländischen Auftragseingang (0,5 % saisonbereinigter Rückgang zum Vorquartal). Ob dies nur als singuläres Ereignis oder als Trendwende zu werten ist, werden die nächsten Monate zeigen. Fakt ist, dass die Südwestindustrie 2016 nach heutigem Stand nicht mehr mit dem Schub aus dem Ausland rechnen kann, der noch in 2015 für robuste Wachstumszahlen sorgte. Positive Überraschungen bspw. aus China könnten dagegen dafür sorgen, dass die baden-württembergische Wirtschaft wieder mehr Waren in das Reich der Mitte absetzen könnte. Mit 3,7 % Exportwachstum in den ersten 7 Monaten gegenüber der Vorjahresperiode ist hier noch Luft nach oben, falls sich die negativen Nachrichten rund um die hohe private Verschuldung und den überhitzten Finanzmarkt legen sollten. Und mit einem Anteil von 7,7 % am baden-württembergischen Gesamtexport wäre China auch groß genug, um einen nennenswerten Konjunkturbeitrag zu leisten.