Freiheit – Ungleichheit – Brüderlichkeit? Teil I
Zur Entwicklung der Einkommensverteilung in den OECD–Ländern
Ausgelöst durch die internationale Finanz- und Schuldenkrise gerät die Verteilung des Wohlstands stärker in das öffentliche Bewusstsein. Nicht nur in den Euro-Krisenländern Griechenland und Spanien gehen die Menschen zunehmend auf die Straße, weil sie die Verteilung von Vermögen und Einkommen in ihren Gesellschaften als ungerecht empfinden. In den USA ist 2011 die »Occupy Wall Street«-Bewegung entstanden, die schnell in vielen Ländern Nachahmer fand. Große Demonstrationen sind auch in Israel zu beobachten. In Frankreich wurde mit François Hollande ein Präsident gewählt, der dieses Thema in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes stellte. In Deutschland hingegen sind die Proteste verhältnismäßig schwach. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung fasst der folgende Aufsatz aktuelle empirische Befunde zur Entwicklung der Ungleichheit zusammen. Er geht des Weiteren den Fragen nach, welche Ursachen Einkommensdisparitäten haben und welche Möglichkeiten es gibt, ein weiteres Auseinanderdriften von Arm und Reich zu begrenzen. Im Mittelpunkt steht eine aktuelle OECD-Analyse, die zeigt, dass im OECD-Raum seit über 2 Jahrzehnten die Ungleichheit der Einkommensverteilung wächst. Die in Deutschland gemessene Zunahme an Ungleichheit geht vor allem auf stark steigende Spitzeneinkommen von Selbstständigen und zu einem kleineren Teil auf eine zunehmende Zahl der Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen zurück. Insgesamt gesehen ist die Ungleichheit in Deutschland deutlich schwächer ausgeprägt als beispielsweise in den USA und in Israel.