:: 11/2011

Kriminalität in Baden-Württemberg im Jahr 2010 zurückgegangen

Die Kriminalitätsbelastung ist 2010 in Baden-Württemberg das dritte Mal in Folge gesunken. Bundesweit wies Baden-Württemberg die zweitniedrigste Straftatenhäufigkeit auf. Von den rund 130 700 Personen, die sich vor baden-württembergischen Gerichten verantworten mussten, wurden knapp 110 200 rechtmäßig verurteilt, 4,8 % weniger als ein Jahr zuvor. Bei den jüngeren Altersgruppen gingen die Verurteiltenzahlen besonders stark zurück. Die Zahl der Verurteilten mit ausländischer Staatsangehörigkeit fiel im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 %. Auch die Zahl der verurteilten Frauen ist gegenüber 2009 um 2,4 % gesunken. Fast drei Viertel aller Schuldsprüche betrafen die fünf Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte, Betrug und Untreue, Diebstahl, Drogen- und Gewaltdelikte. Bei den vier größten Straftatengruppen ging die Zahl der Verurteilungen zurück. Lediglich bei den Gewaltdelikten blieb die Zahl der Verurteilten im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

Baden-Württemberg mit geringer Kriminalitätsbelastung und hoher Aufklärungsquote

2010 wurden in Baden-Württemberg 572 049 Straftaten polizeilich registriert. Das waren 7 063 Fälle bzw. 1,2 % weniger als ein Jahr zuvor. Anhand der sogenannten »Kriminalitätsbelastung« kann beurteilt werden, wie die Straftatenhäufigkeit im Ländervergleich einzuordnen ist. Sie gibt Auskunft über die Zahl der Straftaten je 100 000 Einwohner. 2010 lag die Kriminalitätsbelastung in Baden-Württemberg mit 5 324 Delikten weit unter dem bundesweiten Durchschnitt von 7 253. Nach Bayern wies Baden-Württemberg die zweitniedrigste Straftatenhäufigkeit auf. Auch in Thüringen war die Zahl der je 100 000 Einwohner registrierten Straftaten mit 6 136 relativ gering. Damit ist bei der Straftatenhäufigkeit ein Nord-Süd-Gefälle in der Kriminalitätsbelastung zu beobachten.

Auch die Aufklärungsquote – eine weitere wichtige Kennzahl der Kriminalitätsstatistik – fiel für Baden-Württemberg überdurchschnittlich aus. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Aufklärungsquote um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Somit konnte die Polizei 2010 in 59,9 % der Fälle den bzw. die Täter ermitteln. Diese Aufklärungsquote übertraf den deutschlandweiten Durchschnitt um fast 4 Prozentpunkte (56,0 %). Die höchste Aufklärungsquote verzeichnete erneut Thüringen mit 65,3 %.

Zahl der Verurteilten so niedrig wie seit 1992 nicht mehr

2010 mussten sich 130 681 Personen vor baden-württembergischen Gerichten verantworten. Bei 110 187 Beschuldigten bzw. 84,3 % kam es zu einer Verurteilung. Das sind gut 5 500 Personen oder 4,8 % weniger als 1 Jahr zuvor. Eine niedrigere Verurteiltenzahl hatte es zuletzt im Jahr 1992 gegeben (106 500 Verurteilte). Bei den übrigen 20 494 der insgesamt fast 130 700 Angeklagten im Jahr 2010 wurden die Strafverfahren entweder durch Einstellung, Freispruch oder sonstige Entscheidungen wie der Anordnung von Maßnahmen der Besserung und Sicherung abgeschlossen.

Bezogen auf die insgesamt rund 110 200 Verurteilten besaßen gut 29 800 Personen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Hiermit lag der Ausländeranteil bei 27,1 %. Absolut ging die Zahl der nicht-deutschen Verurteilten im Vergleich zum Vorjahr um 700 zurück. Dies entspricht einem Minus von 2,3 %. Die Zahl der deutschen Verurteilten fiel im gleichen Zeitraum um 4 800 oder 5,7 % auf 80 400.

Besonders starker Rückgang bei den jüngeren Verurteilten

2010 waren von den insgesamt rund 110 200 Verurteilten fast 91 100 Erwachsene im Alter von mindestens 21 Jahren, 11 400 Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren und 7 700 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. In allen drei Altersgruppen sank die Verurteiltenzahl im Vergleich zum Vorjahr. Mit einem Minus von 12,1 % war der Rückgang bei den jugendlichen Verurteilten am stärksten (Heranwachsende: −8,5 %, Erwachsene: −3,6 %).

Als standardisierter Wert, der den unmittelbaren Vergleich zwischen den Altersgruppen ermöglicht, dient die Verurteiltenhäufigkeit. Sie bezieht die Bevölkerungsentwicklung mit in die Betrachtung ein und setzt die Verurteiltenzahl zu 100 000 Einwohnern im strafmündigen Alter ab 14 Jahren ins Verhältnis. Entsprechend dieser Kennzahl betrug der Rückgang bei den jugendlichen Verurteilten 10,4 %, bei den Heranwachsenden 7,6 % und bei den Erwachsenen 4 %. Während die Entwicklung der Verurteiltenhäufigkeit in der Altersgruppe der Erwachsenen seit 2000 weitgehend horizontal verlief, ist diese bei den Heranwachsenden seit dem Jahr 2004 spürbar rückläufig. Auch bei den Jugendlichen zeichnet sich in den letzten 3 Jahren ein fallender Trend ab. 2010 erreichten die 14- bis unter 18-Jährigen mit 1 631 Schuldsprüchen je 100 000 gleichaltrigen Einwohnern in etwa das Niveau des Jahres 1998. Bei der Altersgruppe der Erwachsenen betrug die Verurteiltenziffer zuletzt

lediglich 1 077. Die Heranwachsenden wiesen 2010 zwar die drittniedrigste Verurteiltenziffer der vergangenen 20 Jahre auf, die Zahl der Schuldsprüche je 100 000 gleichaltrigen Einwohnern ist mit 2 947 jedoch von allen Altersgruppen mit Abstand am höchsten. Das bedeutet, dass in Baden-Württemberg im Jahr 2010 jeder 93. Erwachsene, jeder 61. Jugendliche und jeder 34. Heranwachsende vor Gericht schuldig gesprochen wurde.

Zahl der verurteilten Frauen um 2,4 % gesunken

Von den insgesamt 110 200 rechtskräftig verurteilten Personen waren 2010 fast 21 600 Frauen und 88 600 Männer. Bei beiden Geschlechtern war ein Rückgang der Schuldsprüche zu verzeichnen. Das Minus von insgesamt mehr als 5 500 Verurteilten ist jedoch überwiegend auf die deutlich geringere Zahl an Schuldsprüchen gegen Männer zurückzuführen (−5 000 Verurteilte bzw. − 5,3 %). Die Zahl der verurteilten Frauen fiel gegenüber dem Vorjahr lediglich um 540 bzw. 2,4 %. Die Frauenquote unter den Verurteilten ist im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen (+0,5 Prozentpunkte) und erreichte mit 19,6 % ihren bisherigen Höchststand. Nach wie vor waren jedoch Frauen in weitaus geringerem Umfang an der gerichtlich registrierten Kriminalität beteiligt als Männer. Im Jahr 2010 richtete sich lediglich etwa jeder fünfte Schuldspruch gegen eine Frau. Die Verurteiltenhäufigkeit sank 2010 bei den Frauen um 2,6 % auf 453 Verurteilte je 100 000 Einwohner im strafmündigen Alter, bei den Männern um 5,6 % auf 1 947.

Fast drei Viertel der Verurteilten erhielten eine Geldstrafe

Von den insgesamt 110 200 Schuldsprüchen im Jahr 2010 wurden rund 96 600 Personen nach allgemeinem Strafrecht und 13 600 nach Jugendstrafrecht verurteilt. Bei 80 700 Schuldsprüchen bzw. 73 % wurden Geldstrafen verhängt. Mehr als 18 400 Personen oder knapp 17 % wurden zu einem Freiheitsentzug verurteilt. Bei den übrigen 11 000 Verurteilten oder 10 % wurden Zuchtmittel wie beispielsweise Verwarnungen oder Jugendarrest sowie Erziehungsmaßregeln wie die Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Unterbringung in einem Heim auferlegt. Von den insgesamt über 18 400 Strafen mit Freiheitsentzug setzten die Gerichte rund 13 000 zur Bewährung aus, so dass letztlich fast 5 500 Verurteilte bzw. 5 % aller Verurteilten nach dem Schuldspruch eine Gefängnisstrafe in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe antreten mussten. Unter den 18 400 Freiheits- und Jugendstrafen mit oder ohne Bewährung betrug das Strafmaß mit einem Anteil von 72 % in den weitaus meisten Fällen maximal 1 Jahr. In 19 % der Fälle wurde ein Freiheitsentzug zwischen 1 und 2 Jahren und in den restlichen 9 % der Fälle Freiheitsentzug von mehr als 2 Jahren festgesetzt.

6 % Verurteilungen wegen Straßenverkehrs- und Drogendelikten weniger

2010 entfielen drei Viertel der insgesamt fast 110 200 gerichtlichen Schuldsprüche auf die fünf Straftatengruppen Straßenverkehrsdelikte (24 %), Betrug und Untreue (23 %), Diebstahl (16 %), Drogendelikte (7 %) und Gewaltdelikte (5 %). Die Zahl der Schuldsprüche ging in den vier größten Straftatengruppen jeweils zwischen 4 und 6 % zurück. Die Zahl der Verurteilungen wegen Gewaltdelikten blieb im Vergleich zum Vorjahr konstant.

Bei den verurteilten Männern stehen Straßenverkehrsdelikte unter den fünf größten Straftatengruppen an erster Stelle (24 %), noch vor Betrug und Untreue (20 %) oder Diebstahl (14 %). Bei den Frauen sind dagegen Delikte im Straßenverkehr im Vergleich zu anderen Straftaten seltener. Nach Betrug und Untreue (35 %) und Diebstahl (22 %) stehen sie erst an dritter Stelle (20 %).

Wegen Straßenverkehrsdelikten wurden 2010 insgesamt fast 26 000 Personen verurteilt, 1 800 oder 6,3 % weniger als im Vorjahr. Die Verurteiltenzahl ist in dieser Deliktgruppe bereits seit 2002 ununterbrochen gesunken und lag im vergangenen Jahr 28 % niedriger als noch 2002. Im Jahr 2010 war fast ein Drittel des Rückgangs aller Schuldsprüche (−5 500) auf die geringere Zahl an Verurteilten wegen Straßenverkehrsdelikten zurückzuführen. Weniger Verurteilungen gab es insbesondere wegen Trunkenheit im Verkehr (ohne Personenschaden), aber auch wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Bei der Altersgruppe der Erwachsenen sind Schuldsprüche wegen Straßenverkehrsdelikten bereits seit 2002 rückläufig, bei den Heranwachsenden ist dies seit 2004 und bei den Jugendlichen seit 2007 der Fall. 2010 war der prozentuale Rückgang von Verurteilungen wegen Vergehen im Straßenverkehr bei den 14- bis unter 18-Jährigen mit einem Minus von 17,2 % und den 18- bis unter 21-Jährigen mit einem Minus um 8,4 % deutlich stärker als bei den Erwachsenen (−5,6 %).

Bei den Drogendelikten setzt sich der bereits seit 2005 zu beobachtende fallende Trend fort. Im vergangenen Jahr wurden 7 200 Personen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Das waren 460 oder 6 % weniger als noch im Jahr 2009. Auch bei den Drogendelikten wurde der stärkste Rückgang in den jüngeren Altersgruppen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der jugendlichen Verurteilten wegen Drogendelikten um 19 % gesunken, bei den Heranwachsenden um 17,3 %.

Auch Rückgang bei Betrugs- und Diebstahlsdelikten

Während 2009 noch ein starker Anstieg der Schuldsprüche wegen Betrugs und Untreue zu verzeichnen war, nahmen diese 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 1 200 oder 4,4 % auf 25 400 ab. Auch in dieser Straftatengruppe waren weniger Schuldsprüche in allen Altersklassen zu beobachten, besonders aber bei den Jugendlichen und Heranwachsenden. Für den Rückgang war hauptsächlich die geringere Zahl an verurteilten Männern ausschlaggebend (−5,5 %). Wegen Betrugs und Untreue wurden im vergangenen Jahr 17 900 Männer und 7 500 Frauen verurteilt. Damit ist der Frauenanteil mit 29 % in dieser Straftatengruppe relativ hoch. Das hängt auch damit zusammen, dass – wie erwähnt – die Straftat Betrug und Untreue bei Frauen der häufigste Anlass für einen Schuldspruch ist.

Die Schuldsprüche wegen Diebstahls sind 2010 um 760 Fälle oder 4,2 % auf 17 100 gesunken. In dieser Straftatengruppe gab es gegenläufige Entwicklungen. Während einfache Diebstähle, die nicht mit Gewaltanwendung verbunden sind, um 5,1 % zurückgingen, gab es bei schweren Diebstählen wie beispielsweise Einbruch- oder Bandendiebstahl einen leichten Zuwachs um 0,4 %. Auch bei den Diebstahlsdelikten ging die Zahl der verurteilten Männer mit −5,3 % stärker zurück als die der Frauen (−1,4 %), wobei besonders in den jüngeren Altersgruppen die Zahl der Schuldsprüche vergleichsweise stark gesunken ist. Entgegen dem Trend gab es allerdings bei den erwachsenen Frauen einen leichten Zuwachs der Schuldsprüche um 0,5 %.

Gewaltkriminalität unverändert

Mit 5 200 Verurteilungen bilden Gewaltdelikte, zu denen vor allem gefährliche und schwere Körperverletzungen einschließlich Körperverletzungen mit Todesfolge, aber auch Raubdelikte, Mord, Totschlag und Vergewaltigung gehören, unter den fünf häufigsten Straftatengruppe zahlenmäßig die kleinste. Die Zahl der Schuldsprüche hat sich 2010 insgesamt im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. Innerhalb der Gruppe der Gewaltdelikte gab es unterschiedliche Entwicklungen. Wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung einschließlich Körperverletzung mit Todesfolge wurden im vergangenen Jahr 3 900 Personen schuldig gesprochen, 150 bzw. 3,8 % weniger als 2009. Allerdings stieg die Zahl der Verurteilten wegen Raubdelikten um 130 oder 14,1 % auf mehr als 1 000. Auch in der Straftatengruppe Mord und Totschlag erhöhte sich die Zahl der Verurteilten um fast 20 oder 17,6 % auf 107. In den Altersgruppen waren die Entwicklungen ebenfalls unterschiedlich. Bei den Jugendlichen ging die Zahl der Schuldsprüche wegen Gewaltdelikten um 6,2 % zurück, bei den Heranwachsenden und Erwachsenen stieg die Verurteiltenzahl um 1 bzw. 3,1 %.