:: 6/2009

Weit auseinander und doch beisammen

Eine Untersuchung aller 1 102 Gemeinden Baden-Württembergs zeigt, dass sich die südbadische Gemeinde Kappel-Grafenhausen und die oberschwäbische Gemeinde Burgrieden statistisch gesehen am ähnlichsten sind. Und das, obwohl die eine an der Westgrenze des Landes in Baden und die andere nahe an der Ostgrenze in Württemberg liegt.

Baden-Württemberg ist nicht nur in landschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht ein vielfältiges Bundesland, die Vielfalt spiegelt sich auch in der Größenstruktur seiner 1 102 Gemeinden wider. Dabei reicht die Spannweite von rund 100 Einwohnern in Böllen im Landkreis Lörrach bis zu knapp 600 000 Einwohnern in der Landeshauptstadt Stuttgart. Fast ein Drittel der baden-württembergischen Gemeinden haben weniger als 3 000 Einwohner. Auf der anderen Seite sind 91 Kommunen im Land Große Kreisstädte mit in der Regel mehr als 20 000 Einwohnern, die teilweise Aufgaben der Landkreise wahrnehmen.

Der vorliegende Beitrag versucht innerhalb dieses vielfältigen Bundeslandes die beiden Gemeinden herauszufinden, die sich am ähnlichsten sind. Dazu wurden mit Daten aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg insgesamt 21 Strukturindikatoren gebildet und diese einer Clusteranalyse (siehe i-Punkt) unterzogen. Die 21 Strukturindikatoren decken verschiedene wirtschaftliche und soziale Aspekte des Lebens ab. Dazu zählen zum Beispiel der materielle Wohlstand, die Bildungs- und Wahlbeteiligung, die Wohnsituation, die Wirtschaftsstruktur sowie die demografische Entwicklung.

Das Ergebnis dieser Analyse ist, dass sich die in Südbaden an der deutsch-französischen Grenze gelegene Gemeinde Kappel-Grafenhausen und die in Oberschwaben unweit der Landesgrenze zu Bayern gelegene Gemeinde Burgrieden (Schaubild) aus statistischer Sicht am ähnlichsten sind.1

Die Gemeinde Kappel-Grafenhausen im Ortenaukreis zählt heute knapp 5 000 Einwohner und ist 1974 durch die Vereinigung der beiden Gemeinden Grafenhausen und Kappel am Rhein entstanden. In Burgrieden im Landkreis Biberach leben derzeit gut 3 500 Einwohner. Die heutige Gemeinde Burgrieden geht ebenfalls auf eine Zusammenlegung in den frühen 70er-Jahren zurück: Im Zuge der Gemeindereform schlossen sich die ehemals selbstständigen Gemeinden Rot (1972) und Bühl (1973) mit Burgrieden zusammen.2

Die beiden Gemeinden Kappel-Grafenhausen und Burgrieden zeichnen sich durch zahlreiche Gemeinsamkeiten aus. Neben einem ähnlichen »Alter« einzelner Ortschaften – Kappel wurde 1266, Burgrieden 1275 erstmals urkundlich erwähnt3 – sind dies insbesondere:

  • eine identische durchschnittliche Haushaltsgröße
  • eine identische Relation aus Berufsein- und Berufsauspendlern (Berufspendlerrelation)
  • eine identische Geburtenrate
  • ein sehr ähnliches Durchschnittsalter der Bevölkerung
  • eine sehr ähnliche Übergangsquote von Gründschülern auf das Gymnasium
  • eine sehr ähnliche Wohnraumausstattung (Wohnfläche je Wohnung bzw. Wohnfläche je Einwohner)
  • ein sehr ähnlicher Beschäftigtenanteil des Dienstleistungssektors
  • eine sehr ähnliche Kaufkraft je Einwohner
  • eine sehr ähnliche Relation aus Zuzügen und Fortzügen (Wanderungsrelation)
  • eine sehr ähnliche Pkw-Dichte

Trotz der insgesamt starken Ähnlichkeit der beiden Gemeinden zeigen sich bei einzelnen Strukturindikatoren auch größere Unterschiede. Dies gilt insbesondere für die Tourismusintensität. Während Kappel-Grafenhausen im Jahr 2007 insgesamt fast 23 000 Übernachtungen von Gästen in Beherbergungsbetrieben einschließlich Campingplätzen verbuchen konnte – dies entspricht gut 4 700 Übernachtungen je Einwohner –, war es in Burgrieden keine einzige. Nennenswerte Unterschiede zwischen Kappel-Grafenhausen und Burgrieden zeigen sich daneben auch beim Einfamilienhausanteil, beim Schuldenstand je Einwohner und beim Beschäftigtenanteil der Hochtechnologiebranchen.

Im Vergleich zu Gemeinden ähnlicher Bevölkerungszahl, also zu Gemeinden mit 3 000 bis unter 5 000 Einwohnern, sind Kappel-Grafenhausen und Burgrieden – trotz Unterschieden untereinander – jeweils vor allem durch eine geringe Bedeutung der Hochtechnologiebranchen, ein geringes Arbeitsplatzangebot, einen geringen Ausländeranteil und eine große Bedeutung des Dienstleistungssektors gekennzeichnet.

Neben Kappel-Grafenhausen und Burgrieden zeichnen sich auch weitere Gemeindepaare durch eine sehr große Ähnlichkeit aus, auch wenn sie nicht ganz den Ähnlichkeitsgrad der beiden genannten Gemeinden erreichen. Dazu zählen zum Beispiel (Bevölkerung am 30. Juni 2008 in Klammern):

  • Neustetten (rund 3 500) im Landkreis Tübingen und Mittelbiberach (ca. 4 000) im Landkreis Biberach
  • Buchen (etwa 19 000) im Neckar-Odenwald-Kreis und Leutkirch im Allgäu (gut 22 000) im Landkreis Ravensburg
  • Aglasterhausen (rund 5 000) im Neckar-Odenwald-Kreis und Geislingen (fast 6 100) im Zollernalbkreis