Von Kraut und Rüben – Gemüseanbau in Baden-Württemberg
Mit (Weiß-)Kraut und (Gelben oder Roten) Rüben sind wichtige Gemüsearten in Baden-Württemberg genannt. Gleichwohl ist das Bild von »Kraut und Rüben« im Hinblick auf den Gemüseanbau im Land nicht völlig zutreffend, denn die Nummer eins in Baden-Württemberg ist der Spargel, auf Platz 2 folgt der Anbau von Salat. Im Unterschied zu Spargel ist Salat jedoch keine einzelne Gemüseart, sondern umfasst vielerlei Sorten und Varietäten. Im betrieblichen Anbau wiederum haben Spargel und Salate nicht viel miteinander zu tun. Die Betriebe entscheiden sich in der Regel für Spargel oder Salat, aber eher selten für den Anbau von beiden Gemüsearten.
Die wenigen Beispiele zeigen, dass der Anbau von Gemüse vielfältig und bunt ist und daher das Bild von »Kraut und Rüben« doch auch ein bisschen zutrifft. Diese und andere Erkenntnisse liefert die Gemüseanbauerhebung 2008, deren Ergebnisse nachfolgend dargestellt werden.
Einen ersten Einblick in die Ergebnisse der Gemüseanbauerhebung des Jahres 2008 vermitteln die nachstehenden Eckdaten: Von insgesamt 2 157 Betrieben wurden im Jahr 2008 in Baden-Württemberg rund 10 500 Hektar (ha) Gemüse angebaut. Die Anbaufläche im Freiland betrug knapp 10 000 ha bei einer Grundfläche von gut 9 000 ha 1. Die Anbaufläche unter Glas beziffert sich auf 472 ha, bei einer Grundfläche von 252 ha. Die wichtigste Gemüseart im Freiland ist Spargel mit einem Anteil von 21,7 %. Er wird gefolgt von Salaten (20,5 %) und Kohlgemüse (14,4 %). Die wichtigsten Gemüsearten beim Anbau unter Glas sind Feldsalat (30,2 %) und Tomaten (16,9 %).
Nische Gemüsebau
Diese Eckdaten liefern einen ersten Eindruck, sie zeigen aber kaum etwas davon, dass der Anbau von Gemüse ein kleiner, aber feiner und ausgesprochen vielfältiger Zweig der landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Produktion ist. Ein erfolgreicher Anbau von Gemüse setzt eine vorausschauende Produktionsplanung und spezifisches Fachwissen voraus. Dabei gilt es auch, auf den wechselnden Geschmack der Konsumenten zu reagieren und die Anbauentscheidungen entsprechend anzupassen. Nicht zuletzt stellt der Anbau von Gemüse auch besondere Anforderungen an die Qualität der Standortfaktoren wie Bodengüte, Temperaturverteilung und Niederschläge. Es sind auch nicht alle Standorte gleichermaßen für den Gemüseanbau geeignet. Bezogen auf die Gesamtzahl landwirtschaftlicher Betriebe beträgt daher der Anteil der Betriebe mit Gemüseanbau nur etwa 7 %. Von den knapp 840 000 ha Ackerland in Baden-Württemberg sind es gar nur 1 bis 1 ½ %, die mit Gemüse bepflanzt werden.
Im Freiland auf Platz 5 – Unter Glas auf Platz 1
Im Vergleich der Bundesländer nimmt Baden-Württemberg beim Gemüsebau eine Zwitterstellung ein. Im Hinblick auf den Anbau im Freiland liegt das Land mit knapp 10 000 ha und einem Anteil von 8,6 % auf dem 5. Platz. Die größte Gemüseanbaufläche findet sich in Nordrhein-Westfalen mit annähernd 21 000 ha, auf Platz 2 folgt Niedersachsen mit knapp unter 20 000 ha und auf dem 3. Platz liegt Rheinland-Pfalz (17 700 ha). Auch das Nachbarland Bayern liegt im absoluten Flächenumfang noch vor, relativ aber – also gemessen am Anteil des Ackerlands – schon hinter Baden-Württemberg. Ganz anders sieht es beim Unterglasanbau in Gewächshäusern oder Folientunneln aus. Mit 472 ha unter Glas liegt Baden-Württemberg deutschlandweit vorn, der Anteil an der deutschen Unterglasfläche beträgt 31,5 %. Produktionsflächen unter Glas in bedeutenderem Umfang finden sich noch in Bayern (283 ha) und Nordrhein-Westfalen (227 ha).
Beim Blick über die Landesgrenzen wird deutlich, dass der Gemüseanbau deutliche regionale Besonderheiten aufweist. Namentlich der Gemüseanbau in Rheinland-Pfalz weist Eigenheiten auf, die ihn vom Rest abheben. Während in allen bedeutenden Gemüseanbauländern der Bundesrepublik Spargel die wichtigste oder zumindest eine der wichtigsten Gemüsearten ist, dominiert in der Pfalz der Anbau von Salaten, Radieschen, Speisezwiebeln oder Möhren vor dem Anbau von Spargel. Die Pfalz ist so gesehen der Gemüsegarten Deutschlands, in dem sich eine in Vielfalt und Zusammensetzung einmalige Produktionsstruktur entwickelt hat. Die durchschnittliche Gemüseanbaufläche je Betrieb in Rheinland-Pfalz beträgt mit über 31,6 ha ein Vielfaches der Fläche in Baden-Württemberg (4,9 ha) und ist auch größer als die gemeinhin überragenden Flächenstrukturen in den neuen Ländern (größter Wert in Sachsen-Anhalt mit 31,5 ha).
In manchen anderen Bundesländern gibt es – im Gegensatz zu Baden-Württemberg – eindeutige Schwerpunktbildungen. So werden in Sachsen mehr als 50 % der Gemüsefläche mit Frischerbsen bestellt, in Schleswig-Holstein ist Weißkohl mit einem Anteil von 43,9 % die dominierende Gemüseart und die über 3 000 ha Spargel in Brandenburg sind dort nahezu die Hälfte (48,5 %) der Gemüseanbaufläche.
Spargel wichtigste Gemüseart im Land
In Baden-Württemberg ist Spargel mit rund 2 170 ha die wichtigste Gemüseart. Damit aber erreicht Spargel nicht jene Bedeutung, die er in anderen Ländern erlangt. Die Spitzenstellung im Land hat sich Spargel mit einem lang anhaltenden Flächenwachstum erarbeitet. Noch vor 20 Jahren war Spargel eine Gemüseart unter mehreren. Der Spargelanbau lag im Jahr 1988 mit rund 540 ha deutlich hinter Weißkohl (710 ha) und Kopfsalat (660 ha) und in etwa auf dem gleichen Niveau wie Spinat und Pflückbohnen. Im Vergleich zu den genannten Gemüsearten hat das »königliche Gemüse« in den beiden Jahrzehnten einen wahren Siegeszug hingelegt. Zwar hat Spargel dabei auch einiges an Exklusivität eingebüßt, so kann er heute vielerorts am Straßenrand gekauft werden, er wurde jedoch nicht zum Billiggemüse. Der Hauptgrund für den auch heute noch relativ hohen Preis liegt im aufwendigen, pflege- und arbeitsintensiven und damit vergleichsweise teuren Anbau. In den letzten Jahren haben die Zuwachsraten allerdings deutlich nachgelassen, eine gewisse Marktsättigung scheint sich abzuzeichnen. Im Vergleich zu 2004 hat die Spargelfläche nur noch um 170 ha oder 8,5 % zugenommen, dies entspricht einer mittleren jährlichen Wachstumsrate von gut 2 %.
Von den Gemüsearten, die vor 20 Jahren in etwa die gleiche Bedeutung wie Spargel hatten, hat sich der Weißkohl noch am besten gehalten. Weißkohl wurde im Jahr 2008 auf insgesamt knapp 600 ha Fläche angebaut, 115 ha oder 16,1 % weniger als 1988. Spinat und Pflückbohnen sind dagegen regelrecht eingebrochen. Ihr Anbauumfang betrug im Jahr 2008 nur noch ein Viertel des Umfangs des Jahres 1988. Auch bei Kopfsalat ist ein deutlicher Rückgang des Anbaus zu verzeichnen. Die Anbaufläche erreichte 2008 mit gut 310 ha nur noch die Hälfte des Anbaus im Jahr 1988.
Wachstum bei Salaten
Salate stehen insgesamt als leichte und gesunde Kost hoch in der Gunst der Konsumenten. Ihr Anbau verändert sich daher dynamisch. Dies gilt im Hinblick auf den Gesamtumfang genauso wie auf die Zusammensetzung nach Arten und Sorten.
Die Gesamtanbaufläche für Salate im Freiland bezifferte sich im Jahr 2008 auf 2 050 ha, das waren knapp 70 % mehr als vor 20 Jahren. Von der Salatfläche im Jahr 1988 entfiel jeder zweite Hektar auf Kopfsalat, den damaligen »Standard«-Salat. Damit gibt der Verbraucher sich heute nicht mehr zufrieden. Er will und bekommt mehr Auswahl. Es gibt Salate mit lockeren und festen Köpfen, mit glatten und krausen Blättern, grüne und rote Salate, Salate mit Herz oder reine Blattsalate. Salatarten mit größerem Anbauumfang (mehr als 100 ha) im Jahr 2008 waren (Veränderung gegen 2004 in %):
Feld-, Ackersalat | 647 ha | + 9,5 % | |
---|---|---|---|
Eissalat | 339 ha | + 72,1 % | |
Kopfsalat | 312 ha | – 36,5 % | |
Eichblattsalat | |||
(grün- und rotblättrig) | 181 ha | nicht bekannt | |
Lollosalat | |||
(grün- und rotblättrig) | 166 ha | + 1,2 % | |
Endiviensalat | |||
(glatt und Frisée) | 121 ha | – 4,7 % |
Das Salatsortiment wird erweitert um den leicht bitteren und rotblättrigen Radicchio (52 ha), den kräftig grünen und großblättrigen Romana (47 ha), den von der Form an Löwenzahn erinnernden Blattsalat Rucola (72 ha) oder den Sprossaustrieb Chicorée (41 ha).
In gewissem Kontrast zu den Salaten, die in Pflanzung und Ernte nach wie vor viel handarbeit erfordern, stehen die Gemüsearten, die sich weitgehend technisiert anbauen lassen und daher auch im großflächigeren und landwirtschaftlichen Anbau anzutreffen sind. Zu diesen Gemüsearten zählt Wurzelgemüse wie Gelbe Rüben (Möhren/Karotten), Knollengemüse wie Rote Rüben (Rote Bete) oder Lauchgemüse wie Speisezwiebeln.
Mehr Gelbe und Rote Rüben – bei Zuckermais auf Platz 1
Bei Möhren und Karotten ist in den letzten Jahren eine deutliche Ausweitung des Anbaus festzustellen. Innerhalb von 4 Jahren wurde die Anbaufläche um über 72 % auf 775 ha erweitert. Der Anbau von Möhren und Karotten hat einen eindeutigen regionalen Schwerpunkt im nordbadischen Rhein-Neckar-Kreis. Mehr als vier Zehntel der Karottenanbaufläche sind dort zu finden. Ähnlich verhält es sich mit Roten Rüben, deren Anbau in den letzten 4 Jahren ebenfalls um über 70 % zugenommen hat. Auf insgesamt 285 ha wurden im Jahr 2008 Rote Rüben angebaut, schwerpunktmäßig in den Kreisen Ludwigsburg und Rems-Murr, auf die zusammen mehr als die Hälfte der Anbaufläche entfallen. Im Anbauumfang von Speisezwiebeln (Bundzwiebeln und Trockenzwiebeln/Schalotten) spiegelt sich häufig die Erlössituation des Vorjahres wider. Die Anbaufläche im Jahr 2008 ist mit 522 ha im Vergleich zu 2004 um 16 % kleiner, im Vergleich zu 1988 nahezu doppelt so groß.
Bei einer einzigen Gemüseart kann Baden-Württemberg den bundesweiten Spitzenplatz im Anbau beanspruchen: Zuckermais. Für Zuckermais werden besondere Maissorten ausgesät, deren Maiskolben in einem frühen Reifestadium geerntet werden. Die Maiskörner haben einen frischen und süßlichen Geschmack und finden bevorzugt bei sommerlichen Grillaktivitäten Verwendung. Im gesamten Bundesgebiet werden rund 1 850 ha Zuckermais angebaut, wovon 691 ha oder mehr als ein Drittel auf Baden-Württemberg entfallen. Innerhalb von Baden-Württemberg gibt es wiederum einen eindeutigen regionalen Anbauschwerpunkt: Über zwei Drittel des Zuckermaises werden von Betrieben im Stadt- und Landkreis Karlsruhe kultiviert.
Weniger Betriebe – mehr Fläche
An der Entwicklung der Betriebe mit Zuckermais lassen sich geradezu exemplarisch die strukturellen Veränderungen im Gemüsebau in den letzten Jahren verdeutlichen. Der Anbau von Zuckermais hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen und spiegelt damit die Entwicklung der gesamten Gemüseanbaufläche in den methodisch vergleichbaren Jahren mit Totalerhebung wider. Dieser grundsätzlich positive Trend gilt nicht für alle Gemüsearten, da das Auf und Ab der einzelnen Arten auch dem Geschmack der Verbraucher folgt und damit nicht unbedingt auf eine strukturelle Veränderung zurückzuführen ist.
Eine weitere für den Anbau von Zuckermais wie den Gemüsebau insgesamt typische Entwicklung ist dagegen die rückläufige Zahl der anbauenden Betriebe bei gleichzeitig individuell zunehmender Produktionskapazität. Im Jahr 2004 waren 2 154 Betriebe mit Gemüse im Freiland zu verzeichnen, 2008 gab es noch 2 063, also 4,2 % weniger. Im Gegenzug hat sich die Anbaufläche für Gemüse von 9 380 auf 9 995 ha oder 6,6 % vergrößert. Die durchschnittliche Gemüsefläche je Betrieb nahm damit um über ein Zehntel von 4,4 auf 4,9 ha zu. Bei einer einzelnen Gemüseart wie Zuckermais verlief die Entwicklung naturgemäß dynamischer, die Zahl der Betriebe ging zwischen 2004 und 2008 um über 10 % zurück, während die Anbaufläche um mehr als 10 % zunahm.
Eine weitere, jedoch nicht bei allen Gemüsearten gleichermaßen anzutreffende Entwicklungslinie, ist die Fokussierung der Betriebe auf eine oder wenige Gemüsearten. Es gibt zwar nach wie vor viele Betriebe im Land, die viele Gemüsearten anbauen – rund ein Drittel der Betriebe baut 10 und mehr Gemüsearten während eines Jahres an, die Spitzenbetriebe kommen auf über 30. Im Hinblick auf die Anbauflächen zeichnet sich jedoch ein etwas anderes Bild ab. Da zeigt sich, dass der Großteil der jeweiligen Anbaufläche (etwa acht bis neun Zehntel) von einem Bruchteil der Betriebe (etwa ein bis zwei Zehntel) bewirtschaftet wird. Diese Betriebe sind in der Regel auch nicht so breit aufgestellt, sondern konzentrieren sich auf eine oder wenige Gemüsearten.
Ein besonders markantes Beispiel für eine weit fortgeschrittene Spezialisierung ist der Anbau von Spargel. In Baden-Württemberg gab es im Jahr 2008 insgesamt 437 Betriebe, die Spargel angebaut haben. Die Mehrheit dieser Betriebe (gut zwei Drittel) kultiviert nur diese eine Gemüseart – Spargel. Der Anteil der »Mono«-Gemüsebetriebe an der Spargelfläche beträgt gut 60 %. Auch im Hinblick auf die Konzentration der Anbaufläche in großen Betrieben ist Spargel ein gutes Beispiel: Nur 42 Betriebe im Land bewirtschafteten 2008 10 Hektar Spargel und mehr, zusammen bewirtschafteten sie jedoch mehr als sieben Zehntel der Spargelfläche.
Die Betriebe mit Gemüsebau können sich damit zwar nicht den allgemeinen strukturellen Trends in der Landwirtschaft entziehen, sie können jedoch einige positive Akzente setzen. Während die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe insgesamt zwischen 2003 und 2007 um 13,2 % zurückging, nahm die Zahl der Gemüse anbauenden Betriebe im nahezu gleichen Zeitraum (2004 bis 2008) deutlich weniger ab, sodass der Gemüseanbau im Land an Bedeutung gewinnen konnte. Gleichwohl gilt auch für den Gemüsebau, dass die betrieblichen Strukturen in Baden-Württemberg im Vergleich mit den anderen Bundesländern eher kleinteilig und überschaubar sind: Die durchschnittliche Gemüseanbaufläche je Betrieb ist im Bundesdurchschnitt etwa doppelt so groß wie im Land. Das spricht dafür, dass auch im Gemüsebau sich die beschriebenen strukturellen Entwicklungen fortsetzen werden.