Landwirtschaft in Baden-Württemberg und bei seinen Nachbarn
Baden-Württemberg ist, begünstigt durch seine Lage im Südwesten Deutschlands, von vielen Nachbarländern und -regionen umgeben, die wie der Südwesten selbst eine abwechslungsreiche und vielfältige Landschaft aufweisen können. Auf dem Agrarsektor findet sich diese Vielfalt in einer reichhaltigen Palette von Betriebs- und Spezialisierungsformen wieder. Zwischen den Nachbarländern Bayern, Österreich, Schweiz, Elsass und Hessen und Baden-Württemberg haben sich viele ähnliche landwirtschaftliche Strukturen herausgebildet, aber auch landesspezifische Eigenheiten.
Das landschaftliche Bild in den Nachbarländern und -gebieten Baden-Württembergs wird zu weiten Teilen durch bergige Zonen bestimmt. In den nördlicheren Gebieten von Hessen, Bayern, Elsass und Baden-Württemberg vor allem durch die Mittelgebirge, im südlichen Teil beherrschen die Alpen das Panorama. Baden-Württemberg ist mit einer Grundfläche von knapp 36 000 km2 in etwa mit der Fläche der Schweiz vergleichbar. Über eine wesentlich größere Grundfläche verfügen Bayern (71 000 km2) und Österreich (84 000 km2). Bei den Bevölkerungszahlen liegen dagegen die süddeutschen Länder Bayern (ca. 12,5 Mill. Einwohner) und Baden-Württemberg (ca. 10,7 Mill. Einwohner) vorn. Der kleinste Nachbar ist das Elsass mit rund 1,8 Mill. Einwohnern und einer Grundfläche von 8 280 km2. Der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) an der gesamten Grundfläche liegt im Schnitt bei knapp 40 % und ist in Bayern mit rund 46 % am größten. Den geringsten Anteil hat die Schweiz mit rund 37 %1 aufzuweisen.
Vorwiegend kleine Betriebsstrukturen
In den Alpenländern Schweiz und Österreich zählt ein Drittel bis zur Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu den Bergregionen, in denen ungefähr 40 % bzw. 55 % der Betriebe wirtschaften. Die schwierige Bearbeitung der Hanglagen förderte vor allem eine klein strukturierte Landwirtschaft, wie auch an der großen Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich erkennbar ist (170 000). Mit durchschnittlich 19 ha bewirtschafteter Fläche je Betrieb hat Österreich zusammen mit der Schweiz (17 ha) die kleinste Flächenausstattung unter den Nachbarländern. Nahezu 70 % der Betriebe in Österreich und der Schweiz arbeiten mit weniger als 20 ha landwirtschaftlicher Fläche.
Im Freistaat Bayern wurden 2007 mit 122 000 Betrieben mehr als doppelt soviel Betriebe wie in Baden-Württemberg oder der Schweiz gezählt. Die Flächenausstattung in Bayern liegt bei einer Durchschnittsgröße von 27 ha und ist damit in etwa vergleichbar mit Baden-Württemberg und dem Elsass. Etwas größere landwirtschaftliche Strukturen sind in Hessen anzutreffen. Mit über 35 ha werden hier die umfangreichsten Betriebsgrößen erreicht.
Bei der Zahl der in der Landwirtschaft insgesamt Beschäftigten steht Bayern, verglichen mit den Nachbarregionen an erster Stelle. Bei durchschnittlichen Jahresarbeitseinheiten2 (JAE) von 183 000 entspricht dies ungefähr 1,4 JAE je Betrieb, womit Bayern gleich auf mit Baden-Württemberg, Hessen und dem Elsass liegt. Mit den wenigsten Personen kommt ein Betrieb in Österreich aus (0,98 JAE/Betrieb).
Die arbeitsintensivste Landwirtschaft findet sich in der Schweiz. Auf einen Betrieb kommen hier etwa 1,9 Vollzeitäquivalente3, wobei gleichzeitig der Anteil an Haupterwerbsbetrieben mit 70 % recht hoch ausfällt. Zum Vergleich: in Baden-Württemberg und Hessen werden lediglich ein Drittel der Betriebe im Haupterwerb geführt, in Österreich liegt der Anteil bei rund 40 %. Insgesamt entspricht der Beschäftigungsgrad im Sektor Landwirtschaft in der Schweiz einem Anteil von 3,8 % des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsumfangs. Auch hier liegen die Eidgenossen mit Ausnahme Österreichs (5,6 %) höher als die übrigen EU-Regionen.
Die wirtschaftliche Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors spielt am Gesamtumfang aller Wirtschaftszweige nur eine untergeordnete Rolle. In der wirtschaftsstarken Region Baden-Württemberg ist der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung mit 0,7 %4 am geringsten. Regionen, die stärker landwirtschaftlich geprägt sind wie die Schweiz oder Österreich, erreichen dagegen 1,2 bzw. 1,7 %.
Viehhaltung und Ackerbau dominieren
Fast alle Länder bzw. EU-Regionen haben gemeinsam, dass in der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung die sogenannten Weideviehbetriebe5 die vorherrschende Bewirtschaftungsform darstellen. Besonders in Österreich und Bayern, die im Alpenvorland und Bayerischen Wald durch Grünlandflächen geprägt sind, sind Milchviehhaltung und die Rinderaufzucht dominierend. Der Anteil der Weideviehbetriebe liegt hier bei über 50 %. Von diesen Betrieben wird über die Hälfte der gesamten LF bewirtschaftet. In Bayern werden auch meisten Kühe gemolken: fast 41 % der Betriebe in Bayern halten durchschnittlich 25 Milchkühe und auf über der Hälfte der Betriebe stehen Rinder. Österreich dagegen mit seiner klein strukturierten Landwirtschaft arbeitet neben der Schweiz mit den kleinsten Viehbeständen je Betrieb. Durchschnittlich 10 Milchkühe und 24 Rinder hält ein Viehzüchter. Die Schweizer Berge werden gern im Zusammenhang mit weidenden Kühen dargestellt, was bei der relativ großen Anzahl an Rinderhaltern in der Schweiz auch nicht überrascht. Immerhin halten über zwei Drittel der Landwirte Rinder, im Durchschnitt ergibt dies ungefähr 36 Rinder je Hof. Dementsprechend umfasst das Dauergrünland mit Abstand den größten Teil der LF unter den genannten Regionen. Den geringsten Anteil an Rinder- und Schweinehaltern hat das Elsass aufzuweisen, wobei hier der Durchschnittsbetrieb mit 55 Rindern größer ist als in Bayern.
Ein Bereich, in dem Baden-Württemberg stark spezialisierte Betriebe vorzuweisen hat, ist die Veredlung bei Schweinen. Trotz der stark gesunkenen Erlöse in den vergangenen Jahren und Rückgängen in den Schweinehaltungen setzt immer noch ein Fünftel der Betriebe auf diesen Wirtschaftszweig. Mit durchschnittlichen Beständen von 175 Schweinen sind in Baden-Württemberg auch die intensivsten Schweinehaltungen innerhalb der betrachteten EU-Regionen zu finden. Aber auch in Bayern trugen in den letzten Jahren die gestiegenen Schweinezahlen dazu bei, dass sich die Durchschnittsbestände inzwischen bei 167 Tieren bewegen. Die wenigsten Schweine je Betrieb hat Österreich mit ungefähr 60 Tieren. In Hessen ist zwar der Anteil an Schweine haltenden Betrieben mit 40 % am größten, bei der Zahl der Tiere je Hof weist Hessen jedoch nach Österreich die kleinsten Durchschnittsbestände auf. Obwohl die Schweinezahlen in einzelnen Regionen die Zahl der Rinder übertreffen, stellt dies kein Maß für die wirtschaftliche Bedeutung dar. Der Anteil der spezialisierten Veredlungsbetriebe, deren Einkommen schwerpunktmäßig aus der Schweine- bzw. Geflügelmast bestritten wird, bewegt sich in den EU-Regionen Elsass, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern lediglich bei ungefähr 1 %.
Neben den hügeligen bis bergigen Landschaften haben die Regionen im Herzen Europas jedoch noch mehr zu bieten. So wird unter anderem in der flachen Rheinebene, im Schweizer Mittelland oder auch in Hessen und Bayern intensiver Ackerbau betrieben und neben der Viehhaltung wird ein weiterer landwirtschaftlicher Schwerpunkt gesetzt. Die Spanne reicht von ungefähr 16 % der Betriebe in Baden-Württemberg bis zu über einem Drittel im Elsass, die hauptsächlich vom Ackerbau leben. Während die Ackerbauflächen in Österreich ungefähr 40 % der LF ausmachen, bestehen in den deutschen Bundesländern Bayern, Hessen und Baden-Württemberg jeweils fast zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen aus Ackerflächen. Die größte Dominanz zeigt der Ackerbau beim französischen Nachbarn, wo die flache Rheinebene den größten Teil der Region beherrscht. Über 70 % der LF werden dort ackerbaulich genutzt und neben Getreide und Mais mit dem für das Elsass typische Weißkraut und Tabak bepflanzt.
Weinanbau prägt viele Gebiete
Wein verbindet – auch die Länder. Das reicht vom kleinen aber feinen Weinanbaugebiet Rheingau mit 3,5 ha in Hessen bis zu 50 000 ha in Österreich. Die größte Bedeutung in seiner Region hat der Weinbau allerdings im Elsass. Weinberge vorwiegend mit Riesling und Gewürztraminer sind auf über einem Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe anzutreffen, insgesamt auf 15 900 ha. Aber auch in Baden-Württemberg wachsen ungefähr auf einem Fünftel aller Betriebe Reben. Trollinger, Spätburgunder, Riesling und Co. bedecken zusammen fast 24 000 ha im Land. In Österreich konzentriert sich der Weinanbau in den östlichen Bundesländern, vor allem Niederösterreich und Burgenland. Ein Zehntel der Betriebe zählt hier zu den Weinbauern. In der Schweiz wird auf insgesamt ca. 15 000 ha entlang der Flüsse und an den Rändern der Seen Wein erzeugt. Über 5 800 Winzer kultivieren auf über der Hälfte der Flächen die Hauptsorten Spätburgunder und Gutedel.
Überhaupt werden in allen Regionen Sonder- oder Dauerkulturen angebaut, deren Erzeugnisse nicht nur regional geschätzt werden. Gute Voraussetzungen für den Obst- und Gemüseanbau sind rund um den Bodensee anzutreffen. Während in Baden-Württemberg und in der Schweiz der Obstanbau stark vertreten ist, leben in Bayern und Hessen lediglich 3 % bzw. 5 % der Betriebe schwerpunktmäßig von den Dauerkulturen.
In Baden-Württemberg und den angrenzenden Ländern und EU-Regionen ist eine überwiegend klein strukturierte Landwirtschaft anzutreffen, deren Produktionsschwerpunkte in der Viehhaltung und im Ackerbau liegen. Daneben haben sich jedoch auch regional typische Betriebszweige herausgebildet, wie der Weinanbau im Elsass, Obstanbau in Baden-Württemberg oder die Milchkuhhaltung in Bayern.