:: 11/2007

Dr. Carmina Brenner: Die neue Leiterin des Statistischen Landesamtes

Kurz, bündig, prägnant und verständlich

Am 17. Oktober 2007 übernahm Frau Dr. Carmina Brenner die Leitung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Wolfgang Walla spricht mit Dr. Carmina Brenner über ihr Verhältnis zur Statistik und zum Datenschutz sowie über ihre Vorstellungen zu Informationspflichten der amtlichen Statistik und deren Veröffentlichungsstrategie.

Frau Dr. Brenner studierte Wirtschaftswissenschaften und Germanistik an der Universität Tübingen, absolvierte einen Forschungsaufenthalt an der Harvard Universität, Cambridge, USA, war Referentin im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg. Sie ist Kommunal- und Landespolitikerin als Gemeinderätin von Horb, Kreisrätin im Landkreis Freudenstadt. Ihr Mandat im Landtag von Baden-Württemberg gab sie mit der Übernahme der Amtsgeschäfte zurück.

Walla: Sie haben den Volkszählungsboykott 1982 bis 1987 als Studentin im damals recht aufmüpfigen Tübingen miterlebt. Für wen hatten Sie in jener Zeit mehr Verständnis, für die verängstigten Bürger oder die etwas verwirrten Statistiker?

C. Brenner: Die geplante Volkszählung hatte mich überhaupt nicht aufgeregt, dass man ab und zu eine braucht, war und ist klar. Selbst die heilige Familie musste sich ja schon zählen lassen. Das Motto sollte jedoch lauten: So viel Statistik wie nötig und so wenig wie möglich.

Walla: Nur weiß man im Vorhinein nicht immer was nötig und was möglich ist.

C. Brenner: Stimmt, heute ist es aber möglich und auch sinnvoll auf bestehende Register und Datenbanken zurückzugreifen, um die Bürger zu entlasten. Damals fanden es viele Bürger wohl nicht so toll »abgezählt« und elektronisch verarbeitet zu werden. Das muss man in der gleichen Weise wie 1987 sicher nicht wiederholen …

Walla: … und der Datenschutz?

C. Brenner: Da hat sich sehr viel geändert. Anfang der 80er-Jahre befand sich der Datenschutz sozusagen in den Kinderschuhen. Heute sieht man das gelassener. Die Datenschützer machen eine gute und kritische Arbeit und das hat zur Objektivierung der Diskussion geführt. Wegen einer Volkszählung muss keiner befürchten, ein gläserner Mensch zu werden ….

Walla: … das ist er durch Payback und Internet längst geworden …

C. Brenner: Das ist dann aber seine eigene Entscheidung und gegen Missbrauch kann er mit Aussicht auf Erfolg klagen.

Walla: Folgende Situation: In einer baden-württembergischen Großstadt war vor vielen Jahren ein Mädchen entführt worden und drohte ermordet zu werden. Die Polizei meinte den potenziellen Täter zu kennen, sie wusste nur nicht wo in der Stadt der Verdächtige wohnt. Der Leiter des dortigen Statistischen Amtes konnte die Wohnung ermitteln. Hätten Sie die Adresse der Polizei gegeben?

C. Brenner: Eine schwierige Frage. Wenn die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht dies per offiziellem Beschluss angeordnet hätte, dann »ja«; direkt und spontan einem ermittelnden Kriminalbeamten »nein«.

Walla: Statistiker gelten besonders in Deutschland bei vielen Menschen als dröge, lästige Zahlenknechte, wie sehen Sie das als studierte Ökonometrikerin?

C. Brenner: Das sehe ich überhaupt nicht so und habe es auch vorher nicht so gesehen. Mit Statistik kann man beweisen, ob eine Vermutung richtig oder falsch ist. Insofern ist Statistik genau das Gegenteil von dröge. Lästig kann sie allerdings für Demagogen werden, wenn sie Dinge behaupten, die durch eine Statistik widerlegt werden können. Natürlich bildet eine Statistik nur das ab, was geschehen ist, genau daraus erkennt man die Trends für die Zukunft. Solche Trends zeigen an, dass die Richtung stimmt, oder aber dass wir dem Trend nicht folgen sollten, das heißt ein Umlenken eingeleitet werden muss. Statistik wird in solchen Fällen sogar spannend und ist somit keine Vergangenheitsbewältigung, sondern ein Blick in die Zukunft. Wobei mir jede nicht eingetroffene schlechte Prognose lieber ist als wenn diese einträfe.

Walla: Baden-Württemberg ist ein erfolgreiches Land; um das zu bleiben müssten auch die Schattenseiten ausgeleuchtet werden. Was hält die Politikerin Brenner davon, auch unangenehme Fakten deutlich darzulegen?

C. Brenner: Die hält das für sehr wichtig, man kann nicht nur auf der Sonnenseite daherschweben. Nur, Herr Walla, ich befürchte, dass Sie ein falsches Bild von Politikern haben; Politiker jedweder Couleur bekommen die besagten Schattenseiten von der Basis brühwarm und deutlich an die Ohren. Aufgabe der Politiker ist es zu erkennen, ob es sich um Einzelansichten oder um statistisch belegbare Probleme handelt. In diesem Sinne bietet Statistik dem Politiker sogar Rückendeckung.

Walla: Woran liegt es dann, dass die Politik statistische Erkenntnisse wie den demografischen Wandel oder die Überalterung des öffentlichen Dienstes erst zur Kenntnis nimmt, wenn die günstigste Zeit zum Handeln bereits verstrichen ist.

C. Brenner: Politiker sind zunächst Generalisten, die sich jeden Tag mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Themen und Problemen befassen müssen. Themen, die eigentlich alle berühren sollten, geraten dabei manchmal ins Hintertreffen. Spezielle Themen, für die Lösungen leichter gefunden werden können, haben es einfacher »anzukommen«. …

Walla: … das ist bedauerlich, was würden Sie den Statistikern raten, um eher Gehör zu finden?

C. Brenner: Dass sie ihre Informationen kurz, bündig, prägnant und verständlich verbreiten und das nicht nur für zeitknappe Politiker und Unternehmer, sondern auch und vor allem für die Öffentlichkeit, so wie zum Beispiel unser in den letzten Jahren entwickeltes Internetangebot. Tiefer greifende Analysen brauchen wir natürlich auch, aber nur für Fachleute, die es unter den Politikern übrigens auch gibt. …

Walla: … Wie zum Beispiel Sie selbst als Energiepolitikerin. Werden Sie auf dieses ökonomisch und ökologisch wichtige Thema einen Schwerpunkt legen?

C. Brenner: Sicher, zumal wir es uns nicht selbst aussuchen können. Der Energiebereich wird immer wichtiger und hat die breite Öffentlichkeit erreicht. Strom- und Benzinpreise, Klimawandel und erneuerbare Energien, Gas und Öl als politische Waffe, die Laufzeit der Atomkraftwerke, Energieeinsparung als Tätigkeitsfeld des Handwerks und, und, und. Energiefragen beschäftigen uns alle. Glaubwürdige Zahlen können zur Versachlichung der Diskussion und zur Problemlösung beitragen.

Walla: Wenn ein solch brisantes Thema ansteht und die amtliche Statistik wenig darauf eingeht, dann hat sie wohl geschlafen.

C. Brenner: Sie hat nicht geschlafen, sie hat die Daten brav weitergeleitet aber nicht selbst Öffentlichkeitsarbeit betrieben und genau die möchte ich weiter verbessern.

Walla: Würde es sie als ehemalige Studentin der Ökonometrie und Statistik überraschen, dass Sie von dem, was sie dort gelernt haben, fast nichts werden brauchen können?

C. Brenner: Nein und das ging mir nicht nur im Bereich Statistik so. Was ich jedoch gelernt habe war die fachspezifische Logik und die nützt mir heute.

Walla: Stört es Sie, jetzt als Amtsleiterin, wenn kommerzielle Institute Daten der amtlichen Statistik besser, soll heißen erfolgreicher, vermarkten als die amtliche Statistik selbst?

C. Brenner: Nein gar nicht. Letztlich ist es gleichgültig, wer die Gesellschaft informiert, wenn die Informationen korrekt und die Quellen eindeutig zitiert sind. Außerdem kann man vom und von Besseren nur lernen.

Walla: Sie haben auch Germanistik studiert, haben Sie einen Lieblingsschriftsteller?

C. Brenner: Ja zwei, Edgar Allen Poe und Goethe. Bei dem einen beeindruckt mich die Logik beim anderen die Weisheit.

Walla: »Logik« und »Weisheit« schöne Schlussworte.