Entwicklung des Straßenverkehrs in Baden-Württemberg
Jahresfahrleistungen mit Kraftfahrzeugen
Ein wichtiger Indikator für die Entwicklung des Straßenverkehrs wie auch für daraus resultierende Umweltauswirkungen sind die jährlich auf den Straßen eines bestimmten Gebietes mit den unterschiedlichen Kraftfahrzeugen erbrachten Fahrleistungen. Angesichts der nach wie vor stark steigenden Zahl der im Land zugelassenen Personenkraftwagen stellt sich die Frage nach den Folgen für die Entwicklung der jährlichen Fahrleistungen. Nach einem lange Zeit gegenüber dem Bestand an Fahrzeugen überproportional starken Anstieg ist seit Ende der 90er-Jahre eine Entkoppelung von Pkw-Dichte und Pkw-Jahresfahrleistung eingetreten. Beim Lkw-Verkehr sind die Jahresfahrleistungen seit 1990 zwar weniger stark angestiegen als die Güterverkehrsleistung auf der Straße, jedoch sind auch zukünftig erhebliche Steigerungen der Lkw-Fahrleistungen auf den Straßen im Land zu erwarten.
2005 erstmals kein weiterer Anstieg der Jahresfahrleistungen
Die Jahresfahrleistungen von Kraftfahrzeugen auf den Außer- und Innerortsstraßen in Baden-Württemberg summierten sich 2005 auf insgesamt über 90,3 Mrd. Kilometer. Das waren rund 670 Mill. Kilometer weniger als im Jahr 2004. Damit sind die Jahresfahrleistungen in der Summe erstmals im Vorjahresvergleich nicht weiter angestiegen, sondern sogar um fast 1 % zurückgegangen. Die verschiedenen Fahrzeugarten des Personen- und Güterverkehrs auf den Straßen tragen in sehr unterschiedlichem Umfang zur Gesamtjahresfahrleistung bei und auch die Entwicklung bei den einzelnen Fahrzeugarten weist vor allem in der längerfristigen Betrachtung deutliche Unterschiede auf. Den mit Abstand größten Teil der jährlichen Fahrleistungen auf den Straßen im Land machen die Personenkraftwagen (Pkw) aus. Mit aktuell fast 78,6 Mrd. Kilometer beträgt ihr Anteil 87 %. Schwere Nutzfahrzeuge (Lastkraftwagen mit über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht) und Busse legten 2005 zusammen gut 6,9 Mrd. Kilometer auf baden-württembergischen Straßen zurück. Das waren 7,7 % der gesamten Fahrleistungen im Jahr 2005. Auf leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht entfielen 3 Mrd. Kilometer oder 3,3 %, auf Krafträder gut 1,8 Mrd. Kilometer oder rund 2 % der gesamten Jahresfahrleistungen im Land.
Innerhalb von 20 Jahren um 50 % höhere Jahresfahrleistungen
Durchgängig vergleichbare Angaben über Jahresfahrleistungen der verschiedenen Fahrzeugarten liegen seit 1985 vor. Danach haben die Jahresfahrleistungen im Straßenverkehr in den zurückliegenden 20 Jahren im Land um rund 30 Mrd. Kilometer oder 50 % zugenommen. Prozentual in ähnlichem Ausmaß sind die Jahresfahrleistungen mit Pkw und die mit schweren Lkw (+ 49 bzw. + 48 %) angestiegen. Überproportional zugenommen haben die Jahresfahrleistungen mit leichten Nutzfahrzeugen (+ 72 %) sowie mit Krafträdern (+ 61 %). Bestimmend für die Entwicklung der Fahrleistungen auf den Straßen im Land sind dennoch die Pkw sowie die schweren Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht.
Pkw-Jahresfahrleistungen 2005 erstmals rückläufig
Die Jahresfahrleistungen mit Pkw auf den Innerorts- und Außerortsstraßen im Land haben in den 25 Jahren seit 1980 um 72 % zugenommen; gegenüber 1985 beträgt das Plus 50 %. Damit haben die Pkw-Fahrleistungen fast ebenso stark zugenommen wie der Bestand der im Land zugelassenen Pkw (+ 74 % seit 1980 beziehungsweise 54 % seit 1985). Der Hauptanstieg der Pkw-Jahresfahrleistungen erfolgte in den 80er- und 90er-Jahren; der bisherige Höchststand wurde im Jahr 2003 mit rund 79,3 Mrd. Kilometern erreicht. Nach einer Stagnation im Jahr 2004 ist der Umfang der im Land mit Pkw gefahrenen Kilometer 2005 erstmals spürbar um immerhin über 600 Mill. Kilometer (– 0,8 %) zurückgegangen.
Anschaulich wird die Entwicklung der Pkw-Jahresfahrleistung durch den Bezug auf die Einwohnerzahl im Land. So hat die Pkw-Jahresfahrleistung je Einwohner von 4 970 Kilometer im Jahr 1980 auf 7 460 Kilometer im Jahr 2002 zugenommen (+ 50 %). In den letzten 3 Jahren ging dieser Pro-Kopf-Wert schrittweise wieder auf 7 330 Kilometer zurück.
Erbracht werden die Jahresfahrleistungen mit Pkw zu über 70 % auf Außerortsstraßen, wobei der Hauptteil auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen gefahren wird. Die Jahresfahrleistungen der Pkw auf diesen übrigen Außerortsstraßen lagen 2005 mehr als doppelt so hoch wie auf Autobahnen im Land. Im Innerortsbereich wurden 2005 gut 23 Mrd. Kilometer (30 %) mit Pkw zurückgelegt. Die Zunahme gegenüber 1980 war jedoch am stärksten auf Autobahnen (+ 80 %), am schwächsten fiel die Steigerung der Jahresfahrleistungen mit Pkw im Innerortsbereich (+ 66 %) aus. Der aktuelle Rückgang der Jahresfahrleistungen mit Pkw betrifft vor allem die übrigen Außerortsstraßen.
Regional große Unterschiede bei der Entwicklung der Jahresfahrleistungen
Die regionale Belastung durch den Straßenverkehr ist – gemessen an den Jahresfahrleistungen je Einwohner – sehr unterschiedlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in den Kreisen gefahrenen Kilometer nicht allein durch die vor Ort zugelassenen Pkw, sondern in Abhängigkeit vom jeweiligen Fernstraßenanteil zu großen Teilen vom Durchgangsverkehr verursacht werden. Ein hoher Wert der Pkw-Jahresfahrleistungen je Einwohner indiziert demnach ein – gemessen an der Einwohnerzahl des Kreises – hohes Pkw-Verkehrsaufkommen, nicht jedoch, dass die Einwohner des Kreises überdurchschnittlich viel mit ihrem Pkw fahren. So erklärt es sich, dass Stadt- und Landkreise mit eher geringem Anteil an Autobahnen und anderen Fernstraßen auch unterdurchschnittlich hohe Fahrleistungen je Einwohner aufweisen. Dagegen haben weniger dicht besiedelte Landkreise, wie zum Beispiel in der Region Heilbronn-Franken oder der Landkreis Rottweil mit vergleichsweise hohem Fernstraßenanteil hohe Jahresfahrleistungen je Einwohner zu verkraften.
Auch die Entwicklung der Pkw-Jahresfahrleistungen in den 20 Jahren seit 1985 verlief in den Kreisen sehr unterschiedlich. Während etwa in Freiburg, Heidelberg aber auch im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald eine nur geringe Zunahme der Jahresfahrleistungen je Einwohner zu verzeichnen ist, hat der Pro-Kopf-Wert im Kreis Heidenheim um mehr als 100 % zugenommen. Vor allem in Kreisen, in denen seit 1985 Autobahnstrecken oder andere Fernstraßen neu eröffnet oder ausgebaut wurden, haben die Jahresfahrleistungen überdurchschnittlich stark zugenommen (Schaubild 2).
Jahresfahrleistungen je Pkw gehen seit 1999 zurück
Der fortschreitende Motorisierungsgrad der Bevölkerung hat lange Zeit zu einer überproportional starken Zunahme der Fahrleistungen geführt, da vor allem in den 80er-Jahren auch die Jahresfahrleistungen je Pkw weiter angestiegen sind. In den Jahren nach 1992 war bei gewissen jährlichen Schwankungen bis 1999 nur noch ein leicht steigender Trend zu verzeichnen. Der bislang höchste Wert für die jährlichen Fahrleistungen errechnet sich für 1999 mit 13 940 Kilometer je Pkw (Tabelle 2). Seither ist die durchschnittliche jährliche Fahrleistung je Pkw deutlich rückläufig und lag 2005 erstmals niedriger als im Jahr 1980. Dadurch wurde die Entwicklung der Jahresfahrleistungen insgesamt von der Zunahme der Pkw-Dichte deutlich abgekoppelt.
Die Gründe für den Rückgang der durchschnittlichen Jahresfahrleistung je Pkw sind sicher vielfältig: Wesentliche Ursachen liegen dabei in der zunehmenden Ausstattung der Haushalte mit Zweit- oder sogar Dritt-Pkw, die weniger häufig für lange Fahrten genutzt werden; zudem steigt der Anteil der älteren Hauptnutzer, deren durchschnittliche Jahresfahrleistungen erheblich niedriger liegen als bei den jüngeren Fahrzeugnutzern. Auch die wirtschaftliche Schwächephase von 2000 bis 2005 verbunden mit den deutlich gestiegenen Kraftstoffpreisen dürfte einen gewissen Beitrag zur Verringerung der durchschnittlichen Fahrleistungen je Pkw geleistet haben.
Aufgrund des fortschreitenden Alterungsprozesses in der Bevölkerung wird tendenziell ein weiterer Rückgang der Jahresfahrleistungen je Pkw erwartet. In wieweit der aktuelle konjunkturelle Aufschwung zu einer Zunahme der Pkw-Fahrleistungen führen wird, hängt sicher auch ab von der weiteren Entwicklung der Kraftstoffpreise und der Attraktivität alternativer Verkehrsträger sowohl im Fernreiseverkehr (Flugzeug, Bahn) als auch im Nahverkehr (Bahn, öffentlicher Nahverkehr, Fahrrad). Insbesondere unter Umweltschutzgesichtspunkten käme es sicher auf eine Stärkung der alternativen Verkehrsträger Bahn, öffentlicher Nahverkehr sowie des Fahrradverkehrs an.
Anhaltende Zunahme der Lkw-Jahresfahrleistungen
Bei den Lkw-Jahresfahrleistungen ist die Bindung an die Wirtschaftsentwicklung deutlich stärker ausgeprägt als bei denen mit Pkw. Die Jahresfahrleistung mit Lkw über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht einschließlich Busse sind in den Jahren von 1985 bis 2005 mit + 48 % fast ebenso stark angestiegen wie die der Pkw. Auch hier lag die Steigerung vor allem in den Jahren bis 1999. Danach gingen die Jahresfahrleistungen leicht zurück, bevor 2004 wieder ein Anstieg zu verzeichnen war (Schaubild 3). Zuletzt folgte 2005 wieder ein leichter Rückgang. Maßgebend für die Entwicklung der Lkw-Jahresfahrleistungen ist in erster Linie die konjunkturelle Entwicklung und eng damit verknüpft der auf den Straßenverkehr entfallende Anteil der jährlichen Güterverkehrsleistung in Tonnenkilometer, das heißt der Frachtmenge in Tonnen multipliziert mit der jeweils zutreffenden Transportentfernung in Kilometer. Daten zur Güterverkehrsleistung in Baden-Württemberg liegen für den Zeitraum von 1990 bis 2004 vor. In diesen 14 Jahren hat die Güterverkehrsleistung auf den Straßen im Land um gut 50 % zugenommen. Die Jahresfahrleistungen der schweren Lkw, die praktisch die gesamte Güterverkehrsleistung auf der Straße erbringen, ist im selben Zeitraum nur um 25,5 %, rund halb so stark, angestiegen (Schaubild 4). Hauptgründe dafür sind die verbesserte Auslastung der Lkw durch die Vermeidung von Leerfahrten sowie die Tendenz zu größeren, schwereren Lkw. So haben insbesondere die Jahresfahrleistungen der schweren Sattelfahrzeuge gegenüber den kleineren Lkw ohne Anhänger deutlich überproportional zugenommen.
50 % der Lkw-Jahresfahrleistungen auf Autobahnen – aber 2005 erstmals rückläufig
Auch die Aufteilung der Lkw-Jahresfahrleistungen nach Straßenkategorien unterscheidet sich deutlich von der bei den Pkw. Fast 50 % der Jahresfahrleistungen mit Lkw erfolgen auf den Autobahnen im Land (Schaubild 5). Bemerkenswert ist allerdings, dass der lange Zeit besonders deutliche Anstieg auf den Autobahnen, offenbar auch bedingt durch die Einführung der Lkw-Maut, 2005 erstmals gestoppt wurde. Im Gegenzug haben die Jahresfahrleistungen auf den übrigen Außerortsstraßen (Anteil 38 %) entgegen dem Gesamttrend deutlich zugelegt. Auf Innerortsstraßen entfallen lediglich 16 % der Lkw-Jahresfahrleistungen im Land. Ihr Anteil an den gesamten Lkw-Jahresfahrleistungen hat seit Mitte der 80er-Jahre nahezu kontinuierlich abgenommen.
Aufgrund der bereits 2006 und aktuell weiter spürbar anziehenden Konjunktur ist davon auszugehen, dass der zuletzt verzeichnete Rückgang der Lkw-Jahresfahrleistungen sich nicht weiter fortsetzen wird. Vielmehr dürfte die Jahresfahrleistung der schweren Lkw im Jahr 2006 und erst recht 2007 wieder deutlich höher liegen. Auch mittel- und langfristig ist beim Lkw-Verkehr eher von einer weiteren Steigerung der Jahresfahrleistungen auszugehen, wobei nicht zuletzt der nach wie vor erheblich zunehmende Lkw-Transitverkehr zu diesem steigenden Trend weiter beitragen dürfte.