:: 3/2007

Wie man sich durch statistische Grafiken täuschen lässt

Eine nicht unbedeutende Rolle beim taktischen Einsatz von statistischen Grafiken und dabei insbesondere von Bildgrafiken der Wiener Methode der Bildstatistik um Otto Neurath (1925) spielt die Farbe. Dazu ein echtes1 und ein invertiertes Beispiel.

Im Versailler Vertrag wurde im Teil V, Abschnitt I die Gesamtstärke des deutschen Landheers auf 100 000 Mann festgelegt. Diesen 100 000 Mann entsprechen die beiden symbolischen Soldaten in der Mitte des damaligen deutschen Reichsgebietes. Den 100 000 deutschen Soldaten stehen – wenn die angedeuteten Körper gezählt werden – in bedrohlicher Dichte auf blutroten Feldern 4 Mill. polnische Soldaten gegenüber, in Belgien sind es 0,7 Mill., in Frankreich 4,4 Mill. und in der Tschechoslowakei 2 Mill. Zur Erinnerung: Belgien hatte um 1930 etwa 8 Mill. Einwohner, Polen 32 Mill., die Tschechoslowakei 15 Mill., Frankreich 42 Mill. und das damalige deutsche Reichsgebiet 65 Mill. Einwohner.

Lange Zeit stand die Signalfarbe Rot in der Kriegsberichterstattung oder in Manöverberichten für die feindlichen Truppen. Blau war den eigenen Truppen, den Guten vorbehalten. Im Beispiel werden die Möglichkeiten der Bildstatistik und der Farbwahl taktisch eingesetzt. Die Botschaft sollte sein: Deutschland ist Millionen hochgerüsteter Feinde wehrlos ausgesetzt.

In der unteren Grafik wurde nur die Signalfarbe rot getauscht; Aus einer Umklammerung feindlicher Nachbarstaaten wird ein bedrohlicher, zentral gelegener Staat, der die Nachbarn zu dominieren scheint.

Fazit

Wollte man den beeinflussenden Faktor »Farbe« aus der darstellenden Statistik verbannen, wären eigentlich nur Grauabstufungen zulässig. Im Zeitalter der bunten Bilder wäre das kaum vertretbar. Umso aufmerksamer muss der Betrachter beabsichtigte oder unbeabsichtigte Wirkungen der Kolorierung für sich selbst erkennen und seine Erkenntnis gegebenenfalls relativieren.

1 »Der Vertrag von Versailles: Die Grundursache der deutschen Not«, Heinrich Beenken Verlag »Der Türmer«, Berlin, 1933