Vor der Ehe kriegst Du Rosen – in der Ehe flickst Du Hosen?
Ehefrauen in Baden-Württemberg zwischen Familie, Haushalt und Erwerbsleben
Das deutsche Grundgesetz stellt die Institution Ehe zusammen mit der Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Die Ehe gilt dem Gesetzgeber nach wie vor als das ideale Umfeld für das Heranwachsen von Kindern. Zugleich haben sich die Rahmenbedingungen für das Eheleben in Baden-Württemberg grundlegend verändert. Eine zentrale Folge dieser Veränderungen mit ihrerseits weitreichenden Konsequenzen ist die Infragestellung grundlegender Vorstellungen zur Aufgabenteilung zwischen den Ehepartnern, die 1977 in eine elementare Reform des Ehe- und Familienrechts mündete. Dieser Artikel geht über eine Analyse der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen der Frage nach, wie sich die Aufgabenteilung zwischen Ehepartnern in Baden-Württemberg seit Mitte der 70er-Jahre entwickelt hat.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreibt seit seinem Inkrafttreten im Mai 1949 in Artikel 3 Abs. 2 die Gleichberechtigung von Mann und Frau als Grundsatznorm des deutschen Rechtssystems fest. Knapp drei Jahr-zehnte später wurde 1977 mit dem ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts durch die sozialliberale Koalition das gesetzlich verankerte Leitbild der Hausfrauenehe mit klarer Aufgabenteilung zwischen den Ehepartnern durch ein am Partnerschaftsprinzip orientiertes Modell ersetzt.1 Rechte und Pflichten der Ehepartner werden ab diesem Zeitpunkt geschlechtsneutral verfasst. Haushaltliche Pflichten sind zum Beispiel jetzt im gegenseitigen Einvernehmen zu erledigen. Nach neuem Recht steht es beiden Ehepartnern frei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist von beiden Partnern auf die Belange des anderen und der Familie Rücksicht zu nehmen.2
Gesetze und insbesondere Verfassungsnormen sind in demokratisch organisierten Gesellschaften Ausdruck der grundlegenden Werte und Zielvorstellungen ihrer Bevölkerung. Die Reform von 1977 ist also Zeichen eines bereits vollzogenen tief gehenden Wandels gesellschaftlicher Vorstellungen zur Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Zugleich schafft sie veränderte rechtliche Rahmenbedingungen für die künftige Gestaltung des ehelichen Zusammenlebens und der Aufgabenteilung zwischen den Ehepartnern und dürfte indirekt auch für die Gestaltung rechtlich nicht verfasster Lebensgemeinschaften zwischen Männern und Frauen Zeichen gesetzt haben.
Eine isolierte Betrachtung des rechtlichen Wandels würde allerdings außer Acht lassen, welche Formen der Arbeitsteilung Ehepaare vor der Reform praktizierten und wie sich die Erwerbsorientierung von verheirateten Frauen seit der fundamentalen Reform von 1977 entwickelt hat. Ist es tatsächlich zu einer wesentlichen Veränderung der Aufgabenteilung in Richtung einer partnerschaftlichen Verteilung der zu bewältigenden Aufgaben gekommen? Antworten auf diese Fragen sollen deskriptive Analysen von Datenmaterial aus den Mikrozensus-Erhebungen für den Zeitraum von 1975 bis 2005 liefern (i-Punkt). Hierzu wird die Entwicklung der Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen in Baden-Württemberg im Alter von 15 bis unter 65 Jahren untersucht. 2005 waren dies rund 69 % der rund 3,5 Mill. in Baden-Württemberg lebenden Frauen im erwerbstätigen Alter von 15 bis unter 653 (i-Punkt).
Gesellschaftliche Relevanz der ehelichen Aufgabenteilung
Das traditionelle Modell der Arbeitsteilung zwischen den Ehepartnern sieht eine überwiegende Zuständigkeit der Ehefrau für Tätigkeiten wie Hausarbeit und Kinderbetreuung vor, während Aufgaben im Rahmen einer entlohnten Erwerbsarbeit eher der Sphäre des Ehemannes zugeordnet werden. Diesem Modell steht zunächst das Interesse der Frauen entgegen, als Hauptprofiteure der Bildungsexpansion die gestiegenen eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich verwerten zu können. Denn die Teilhabe an wichtigen gesellschaftlichen Ressourcen wie zum Beispiel Einkommen, soziale Anerkennung oder Einbindung in soziale Netzwerke wird nach wie vor zum Großteil über den Arbeitsmarkt bestimmt. Darüber hinaus entspricht eine Förderung existenzsichernder Frauenerwerbstätigkeit den langfristigen sozialpolitischen Strategien sowohl der OECD, der EU als auch der Bundesregierung. Hintergrund dieser Zielsetzung ist zum einen der aufgrund der demografischen Entwicklung erwartete Arbeits- und insbesondere Fachkräftemangel. Zum anderen sind die Nationalstaaten angesichts schwindender finanzpolitischer Spielräume dazu übergegangen, die Eigenverantwortlichkeit der Menschen für ihre Existenzsicherung (und die ihrer Kinder) unabhängig vom Geschlecht zu stärken.4 Denn die geschlechtliche Rollenverteilung nach dem Muster des traditionellen Ernährermodells wird noch aus einem weiteren Grund zu einem Problem mit gesellschaftlicher Tragweite: Die einseitige Festlegung auf einen Ernährer macht die Existenzsicherung von (Ehe-)Paaren und Familien zum riskanten Unterfangen, wenn dessen Einkommen nicht mehr sicher ist.
Vor diesem Hintergrund ist es zunächst interessant zu erfahren, wie sich die Erwerbsorientierung verheirateter Frauen in Baden-Württemberg seit Mitte der 70er-Jahre entwickelt hat. Als Indikator für die Erwerbsorientierung wird üblicherweise die Entwicklung der Erwerbsquote in Verbindung mit der Entwicklung der Erwerbstätigenquote und der Erwerbslosenquote herangezogen. Die Frauenerwerbsquote gibt an, welcher Prozentanteil der Frauen im Alter von 15 bis unter 65 einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nach einer Beschäftigung sucht. Die Frauenerwerbstätigenquote steht für den Prozentanteil der Frauen von 15 bis unter 65, der einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Die frauenbezogene Erwerbslosenquote zeigt, welchen prozentualen Anteil die erwerbslosen Frauen innerhalb der Gruppe der erwerbstätigen und erwerbslosen Frauen ausmachen.
Zunehmende Erwerbsorientierung verheirateter Frauen
Die Erwerbsquote bei den verheirateten Frauen ist ausgehend von einem Wert von 51 % für 1975 bis 2005 auf einen Anteil von 64 % gestiegen. 2005 waren demnach 64 % der verheirateten Frauen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren entweder erwerbstätig oder auf der Suche nach einer beruflichen Tätigkeit. Diese Steigerung belegt eine wachsende Erwerbsorientierung baden-württembergischer Ehefrauen. Demgegenüber entwickelte sich die Erwerbsquote der Ehemänner bei einem hohen Ausgangsniveau von 87 % für 1975 tendenziell rückläufig bis auf einen Stand von 83 % für 2005. Die Entwicklung der Erwerbstätigenquote für verheiratete Frauen gibt Aufschluss darüber, in welchem Umfang es dieser Gruppe gelungen ist, ihre gestiegene Erwerbsorientierung auch in eine Erwerbstätigkeit umzusetzen. Die Entwicklung der Erwerbstätigenquote für verheiratete Frauen zeigt, dass es diesen im betrachteten Zeitraum weitgehend gelungen ist, ihre steigende Erwerbsorientierung auch in eine Erwerbstätigkeit umzusetzen: Die Jahreswerte der Erwerbstätigenquote für verheiratete Frauen liegen jeweils nur geringfügig unter den entsprechenden Erwerbsquoten. Diese Grundtendenz ist auch dann von Bestand, wenn die Erwerbstätigenquoten jeweils um den Anteil jener verheirateten Frauen bereinigt werden, die zwar erwerbstätig sind, sich aber im Mutterschafts-/Erziehungsurlaub befinden.
Wachsende Erwerbsorientierung verheirateter Mütter …
Für eine Analyse der Entwicklung der ehelichen Arbeitsteilung ist die Gruppe der verheirateten Männer und Frauen mit im Haushalt lebendem/en Kind(ern) unter 18 Jahren deshalb besonders interessant, weil diese Paargemeinschaften sich mit einem erhöhten Arbeitsanfall im Bereich der reproduktiven Tätigkeiten und zugleich mit einem erhöhten finanziellen Bedarf konfrontiert sehen. Stützen diese »extremen Bedingungen« das traditionelle Modell der ehelichen Arbeitsteilung oder lassen sich auch hier Ablösungstendenzen feststellen? Tabelle 2 zeigt auch für diese Gruppe seit Mitte der 70er-Jahre einen starken Anstieg der Erwerbsorientierung und Erwerbstätigkeit der Ehefrauen4, dem allerdings hier eine nahezu unverändert hohe Erwerbsorientierung und Erwerbstätigkeit bei den Ehemännern gegenübersteht.
… aber langlebige Muster traditioneller Arbeitsteilung
Vergleicht man die Daten zur Entwicklung der Erwerbsorientierung und Erwerbstätigkeit von verheirateten Frauen im erwerbstätigen Alter mit denen der alleinstehenden und der alleinerziehenden Frauen derselben Altersgruppe, dann relativieren sich die beschriebenen Entwicklungstendenzen zu einem gewissen Grad: Der Vergleich zeigt nämlich deutlich, dass das traditionelle Ernährermodell seit Mitte der 70er-Jahre in Bezug auf das Erwerbsverhalten baden-württembergischer Ehepaare zwar absolut an Gestaltungskraft eingebüßt hat. Relativ betrachtet sind verheiratete Frauen aber nach wie vor zu einem deutlich geringeren Anteil erwerbsorientiert und erwerbstätig, als ihre alleinstehenden oder alleinerziehenden Geschlechtsgenossinnen.
Insgesamt ist also sowohl für die Gruppe der verheirateten Frauen im erwerbstätigen Alter als Ganzes als auch speziell für verheiratete Frauen im erwerbstätigen Alter mit Kind(ern) eine wachsende Erwerbsorientierung und Erwerbstätigkeit zu verzeichnen, die allerdings nach wie vor deutlich unter den Werten bei den verheirateten Männern und bei den alleinstehenden und alleinerziehenden Frauen liegt.
Diese Ergebnisse könnten ein Indiz dafür sein, dass sich die Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern in baden-württembergischen Ehen seit den 70er-Jahren weg vom traditionellen Ernährermodell hin zu einer partnerschaftlicheren Aufgabenteilung entwickelt hat. Sollte dies der Fall sein, müsste sich allerdings nachweisen lassen, dass die Ehemänner durch eine reduzierte Erwerbstätigkeit freigewordene zeitliche Ressourcen auch für eine wesentliche Übernahme zusätzlicher haushaltlicher oder familiärer Pflichten verwenden. Analysen von Querschnitts-5 und Längsschnittsdaten6 zur Entwicklung der Zeitverwendung deutscher (Ehe-)Paare ergeben aber, dass es seit Anfang der 90er-Jahre in deutschen Paargemeinschaften nur in sehr geringem Umfang zu einer Umverteilung der unbezahlten Haus- und Familienarbeit von den (Ehe-)Frauen auf ihre Partner gekommen ist. Darüber hinaus ist zu klären, in welcher zeitlichen Größenordnung sich die Ausweitung der Erwerbstätigkeit bei den Ehefrauen bewegt.
Vollzeiterwerbstätigkeit nach wie vor (Ehe-)Männersache
Eine Analyse der Verteilung der verheirateten erwerbstätigen Bevölkerung auf die Arbeitszeittypen Vollzeit, Teilzeit und geringfügige Be-schäftigung7 für den Zeitraum von 1975 bis 2005 zeigt zunächst prinzipiell, dass nach wie vor mehr Ehemänner als Ehefrauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Abstand zwischen Ehemännern und Ehefrauen hat sich allerdings seit Mitte der 70er-Jahre von 28 auf 14 Prozentpunkte deutlich verringert. 2005 waren also nur noch 14 Prozentpunkte mehr Ehemänner als Ehefrauen erwerbstätig. Differenziert man weiter nach Erwerbstätigkeitstypen, dann wird deutlich, dass die Vollzeiterwerbstätigkeit auch heute noch eine Domäne der Ehemänner ist. Andere Formen der Erwerbstätigkeit fallen demgegenüber insgesamt kaum ins Gewicht. Bei den Ehefrauen hat sich, was den Umfang der Erwerbstätigkeit angeht, eine Umkehrung der Verhältnisse vollzogen: Bei der Vollzeiterwerbstätigkeit zeichnet sich im Zeitverlauf ein Rückgang ab. Demgegenüber arbeiten zunehmend mehr Ehefrauen Teilzeit oder in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Gingen 1975 noch rund 67 % der erwerbstätigen Ehefrauen in Baden-Württemberg einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach, so waren demgegenüber 2005 rund 60 % teilzeit- oder geringfügig beschäftigt.
Auf dem Weg zu einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung?
Insgesamt gesehen ist zur Entwicklung des Erwerbsverhaltens baden-württembergischer Ehefrauen im untersuchten Zeitraum Folgendes festzuhalten:
- Baden-württembergische Ehefrauen – mit wie ohne im Haushalt lebendem Kind/lebenden Kindern – sind heute deutlich häufiger erwerbstätig als Mitte der 70er-Jahre.
- Zugleich entwickelt sich der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Ehefrauen tendenziell rückläufig: weg von der Vollzeit- hin zur Teilzeittätigkeit oder zur geringfügigen Beschäftigung.
- Demgegenüber gehen die Ehemänner nach wie vor überwiegend einer Vollzeiterwerbstätigkeit nach.
Angesichts dieser Befunde kann die heute von baden-württembergischen Ehepaaren praktizierte Aufgabenteilung insofern als partnerschaftlicher bezeichnet werden, als auch die Ehefrauen in deutlich größerem Ausmaß einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Ergebnisse zur Entwicklung des zeitlichen Umfangs der Erwerbstätigkeit und zur Entwicklung der Zeitverwendung verdeutlichen allerdings auch, dass die Ehefrauen neben der offensichtlich weiter fortbestehenden grundsätzlichen Zuständigkeit für familiäre und haushaltliche Tätigkeiten zusätzliche Verpflichtungen im Rahmen einer Erwerbstätigkeit hinzugewonnen haben, ohne zugleich in nennenswertem Umfang Aufgaben aus der häuslichen Sphäre an ihre Ehepartner abgeben zu können.