:: 9/2006

Südweststaat – Wer oder was ist das?

Das Synonym »Südweststaat« steht für das heutige Baden-Württemberg. Bereits 1919 hatte der spätere Bundespräsident Theodor Heuss die Bildung eines »Südweststaates« angeregt. Gehör fand er damals nicht.

Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 hörten die von Napoleon geschaffenen Länder Baden und Württemberg auf zu bestehen. Am 19. September 1945 proklamierte die amerikanische Besatzungsmacht Bayern, Großhessen und Württemberg-Baden als »states«, gestattete die Bildung von politischen Parteien, Landesregierungen und Länderräten. Sie forderte und förderte im Sinne einer amerikanischen »Demokratisierung« verfassunggebende Wahlen. Die französische Besatzungsmacht zögerte zunächst, dem amerikanischen Vorbild zu folgen. Erst im April 1946 bestimmte die französische Administration die künftigen Territorien der Länder Baden und Südwürttemberg-Hohenzollern. Am 4. Dezember 1946 wurden provisorische Regierungen eingesetzt. Am 18. Mai 1947 – also zwei Jahre nach Kriegsende – konnte das Volk über die Verfassungen abstimmen und die Landtage wählen.

Als die Morgenthau-Strategie (1944), nach der Deutschland unter anderem ein Agrarland hätte werden sollen, aufgegeben wurde, anerkannten die Amerikaner offiziell, dass die staatlichen Kunstgebilde nicht von Dauer sein werden; zumal die Badener an ihrem »Altbaden« und die Württemberger an ihrem alten Württemberg hingen. Es begann die Diskussion, die ehemaligen Länder Baden und Württemberg wieder herzustellen. Und nicht nur das. Nach dem Heuss‘schen Vorschlag, am 1. Oktober 1946, verabschiedete die verfassunggebende Landesversammlung für Württemberg-Baden, dass die württembergischen Lande »wiedervereinigt« werden sollten. Dies führte zu der kurios anmutenden Situation, dass sich eine verfassunggebende Versammlung für ein mögliches Zusammengehen des gesamten ehemaligen Württemberg mit dem wirtschaftsstärkeren und bevölkerungsreicheren Teil Badens – ohne parlamentarische Debatte – aussprach. Außen vor blieb das Bundesland (Süd)Baden. Erst nach der damaligen Abstimmung wurden von (nord)badischen Vertretern andere Modelle diskutiert, so zum Beispiel eine Fusion mit Rheinland-Pfalz oder Hessen. In der Bevölkerung wurde spöttisch auch vorgeschlagen, »Aus Württemberg und Bayern eine Alpenrepublik zu schaffen, Nordbaden der Pfalz zuzuschlagen und den Rest an Frankreich zu verschenken«. Andere dachten viel weiter, so der »Regierungschef« von Südwürttemberg-Hohenzollern, Carlo Schmid, der zwar zu einem bedächtigen Vorgehen riet und doch visionär forderte, dass ein wiedervereinigtes Württemberg einmal in die vereinigten Staaten von Europa eingehen werde.1

Langwierige, kontroverse Verhandlungen der Regierungen führten zu keinem Ergebnis, partikulare Interessen waren nicht nur in Südbaden zu überwinden. Dann brachte die FDP im März 1950 im Deutschen Bundestag ein Gesetz zur Modifizierung des Art. 29, der im Detail die Voraussetzung für die Neugliederung des Bundesgebiets vorschreibt, ein. Es ist der für Baden-Württemberg so bedeutende Artikel 118 des Grundgesetzes »Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend von den Verschriften des Artikels 29 durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muss.«

Es war wohl der Vorstoß der FDP, der die drei Regierungschefs im »Südwestraum« bewegte, sich bereits am 15. April 1950 in Freudenstadt für eine Volksbefragung auszusprechen. Nach dieser Vereinbarung legten die drei Regierungen ihren Parlamenten gleichlautende Gesetzesentwürfe vor. Den Wahlberechtigten der drei Länder wurden zwei Fragen gestellt2:

1. Ich wünsche die Vereinigung der drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg Hohenzollern zum Südweststaat.

oder

2. Ich wünsche die Wiederherstellung des alten Landes Baden und des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollern.

Wie sich die Bevölkerung am 24. September entschieden hat, ist der Tabelle zu entnehmen.3 Es sollte noch zwei Jahre andauern, bis eine Landesverfassung ausgearbeitet wurde. Eine kontrovers diskutierte Frage war der Name des neuen Bundeslandes. Gutachten der staatlichen Archive plädierten für geschichtliche und stammesmäßige Bezeichnungen wie: Alemannien, Schwaben, Baden-Schwaben, Schwaben-Franken oder Rheinschwaben; wenig Zuspruch fand Baden-Württemberg, vom technokratisch anmutenden und ahistorischen Namen »Südweststaat« sprach niemand mehr. Der Verfassungsausschuss entschied sich für Rheinschwaben, das Plenum aber für Baden-Württemberg und dabei blieb es.

1 Carlo Schmid, BerlV WH 22. November 1946, Verh. S. 19, zitiert nach Paul Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, Stuttgart, 1983.

2 Vgl.: Gawatz, Eberhard, Zur kommenden Baden-Abstimmung, in: Statistische Monatshefte Baden-Württemberg, Mai 1963, S. 106 ff.

3 Quelle: Staatshandbuch Württemberg-Baden, 1950, herausgegeben von den Statistischen Landesämtern in Stuttgart und Karlsruhe; unter Mitwirkung der Statistischen Landesämter in Tübingen und Freiburg, S. 350.