:: 5/2018

Regionale Gliederung in den Ländern und ihre Entwicklung 1990 bis 2017

Im folgenden Beitrag wird dargestellt, welche Entwicklungen und Veränderungen der Kommunal- und Regionalstruktur in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland sich binnen einer Generation vom Ende des Jahres 1990, also kurz nach der Wiedervereinigung, bis zum 31. März 2017 vollzogen haben. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Kommunen: Gemeinden, kreisfreie Städte, Landkreise und weitere Gemeindeverbände. Ergänzend wird auch über die Entwicklung der Zahl der Regierungsbezirke als staatlicher Gliederungsebene berichtet. Die aktuelle Territorialgliederung des Bundesgebiets verdeutlicht bis auf die Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise die Karte. Wichtigste Datengrundlage ist das »Gemeindeverzeichnis-Informationssystem« (GV-ISys), das von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder gepflegt und herausgegeben wird. Die Informationen aus diesem Verzeichnis wurden ergänzt durch Daten, die vor allem in den Internetangeboten der Statistischen Ämter der Länder enthalten sind.

Statistisch sofort auffällig ist die in allen Daten erkennbare und mehr oder weniger stark ausgeprägte Verringerung der Zahl der Einheiten. Ein Konzentrationsprozess wird sichtbar: Ende des Jahres 1990 gab es in Deutschland 16 127 Gemeinden. Bis zum 31. März 2017 reduzierte sich deren Zahl auf nur noch 11 056. Innerhalb von 26 Jahren ging damit die Anzahl der Gemeinden um 5 071 bzw. 31,4 % zurück. Die Zahl der kreisfreien Städte1 schrumpfte im gleichen Zeitraum ebenfalls, aber der Rückgang war längst nicht so stark ausgeprägt: 1990 gab es bundesweit 117 kreisfreie Städte, 2017 waren es noch 107 – ein Rückgang um zehn Städte bzw. 8,5 %. Diejenigen Gemeinden, die nicht den Status einer kreisfreien Stadt haben, sind in Landkreisen2 zusammengefasst. Die Zahl der Landkreise betrug 1990 noch 426 und ging bis Ende März 2017 um 132 bzw. 31 % auf 294 zurück, also in etwa im gleichen Tempo wie die Zahl der Gemeinden. Wie vollzog sich dieser Prozess im Einzelnen?

Entwicklung der Zahl der Regierungsbezirke

Regierungsbezirke sind keine kommunalen, sondern staatliche Regionaleinheiten. Sie untergliedern in einigen größeren Flächenländern das Territorium und bündeln die Politik der jeweiligen Landesregierung im Bezirk. In den Stadtstaaten, im Saarland und Schleswig-Holstein sowie in den ostdeutschen Flächenländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen gab es diese staatliche Ebene bereits 1990 nicht. Wie Tabelle 1 und Schaubild 2 zeigen, sank die Zahl der Regierungsbezirke seit 1990 zunächst von 29 auf 22, und danach auf heute nur noch 19. Im Einzelnen ging dies auf Entscheidungen in vier Ländern zurück:

  • In Rheinland-Pfalz wurden die Regierungsbezirke Koblenz, Trier und Rheinhessen-Pfalz zum 1. Januar 2000 aufgelöst.
  • In Sachsen-Anhalt wurden die drei Regierungsbezirke Dessau, Halle und Magdeburg zum 1. Januar 2004 aufgelöst.
  • Zum 1. Januar 2005 wurden in Niedersachsen die vier Regierungsbezirke Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Weser-Ems aufgelöst.
  • In Sachsen wurden die Regierungsbezirke Chemnitz, Dresden und Leipzig am 1. Januar 1991 gegründet, 2008 in Direktionsbezirke mit ähnlicher Zuständigkeit überführt3 und zum 1. März 2012 aufgelöst.

Derzeit gibt es nur noch in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen Regierungsbezirke, und zwar dort in seit 1990 bis heute unveränderter Anzahl. Diese vier Länder sind vor allem nach der Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft so groß, dass dort das Bedürfnis nach einer regionalen Ebene, die zwischen der Landesregierung und der kommunalen Ebene liegt, stärker ist als anderswo. In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde diese staatliche Gliederungsebene im Zuge von Verwaltungsreformen abgeschafft.

Verfassungsrechtliche Vorgaben der kommunalen Neugliederungen

Gemäß Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz haben die Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände – zu diesen zählen vor allem die Landkreise, aber auch z. B. die Samtgemeinden – haben das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenbereiche. Weiteres wird in den Länderverfassungen geregelt. So bestimmt die niedersächsische Verfassung (Verf. ND) im Art. 57 Abs. 3 darüber hinaus, dass die Gemeinden – sofern gesetzlich nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist – in ihrem Gebiet die ausschließlichen Träger der öffentlichen Aufgaben sind. Laut Art. 57 Abs. 1 Verf. ND verwalten Gemeinden und Landkreise ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung.4 Damit ist die »kommunale Selbstverwaltung« verfassungsrechtlich garantiert, und die Gemeinden und Landkreise sind institutionell geschützt. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Gemeinden und Landkreise aufgelöst werden können – dies ist aber nur per Gesetz und unter Berücksichtigung der institutionellen Garantien möglich. Es ergibt sich ein im Wesentlichen dreistufiger Verwaltungsaufbau nach Bund, Ländern und Kommunen, wobei die kommunale Ebene sich noch einmal gliedert in Gemeinden (einschließlich kreisfreier Städte) und Landkreise. Die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinden und Landkreisen ist in Niedersachsen im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz grundlegend definiert. Die Landkreise übernehmen im Wesentlichen Aufgaben von überörtlicher Bedeutung, während die Gemeinden originär zuständig sind für »Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft«.

Entwicklung der Zahl der Landkreise

Im Jahr 1990 gab es bundesweit noch 426 Landkreise. Bis Ende März 2017 sank deren Zahl um 132 bzw. 31,0 % auf nur noch 294. Der Grund für diese Reduzierung liegt darin, dass vor allem in ländlichen und strukturschwachen Gebieten Landkreise fusioniert wurden in der Hoffnung, dass bevölkerungsstärkere administrative Einheiten ihre jeweiligen Aufgaben besser und effektiver als kleinere – oder im Zuge der demografischen Entwicklung zu klein gewordene – Einheiten erfüllen. Die bundesweit letzte derartige Reform war die Fusion der Landkreise Osterode am Harz und Göttingen am 1. November 2016 zum Landkreis Göttingen.

Die Entwicklung verlief in Ostdeutschland anders als in Westdeutschland. In den westdeutschen Flächenländern5 gab es in den 1970er-Jahren tiefgreifende Kreisreformen; so gab es in Niedersachsen Ende der 1960er-Jahre noch 60 Landkreise, deren Zahl dann auf 38 reduziert wurde bis es am 1. November 2016 zu einer Reduzierung auf 37 kam. Ansonsten blieb die Zahl stabil, sodass in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und in Schleswig-Holstein deren Zahl von 1990 bis 2017 völlig unverändert blieb. Anders in den ostdeutschen Flächenländern, die in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 von starken Bevölkerungsverlusten betroffen waren. Vor allem in der Phase von 1990 bis 2000 wurden dort zahlreiche Kreisfusionen vorgenommen. Sehr einschneidend war z. B. die Kreisgebietsreform in Brandenburg am 3. Dezember 1993, die die Zahl der dortigen Landkreise von 38 auf 14 verringerte.6 Diese Zahl blieb dann bis heute konstant.

Die letzte größere Änderung gab es am 4. September 2011 im dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern, als dort die Zahl der Landkreise von zwölf auf sechs halbiert wurde. Dabei entstanden weit ausgedehnte kommunale Einheiten, die wie die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte und Ludwigslust-Parchim mit 5 496 bzw. 4 767 km2 flächenmäßig größer sind als die Länder Berlin (891 km2), Bremen (420 km2), Hamburg (755 km2) und Saarland (2 571 km2) zusammengenommen. Die Karte veranschaulicht deutlich, wie groß flächenmäßig gesehen die Landkreise im Nordosten der Bundesrepublik sind: Die fünf nach der Fläche größten Landkreise Deutschlands liegen in Mecklenburg-Vorpommern, gefolgt vom angrenzenden Landkreis Uckermark in Brandenburg. Der Landkreis Emsland war bis zur Wiedervereinigung der größte Landkreis Deutschlands – jetzt liegt er mit 2 884 km2 nur noch auf Rang 7, bleibt aber der größte Landkreis Niedersachsens.

Entwicklung der Zahle der kreisfreien Städte

Zwei wichtige Ereignisse spiegeln sich in den Zahlen über die Landkreise nicht wider, nämlich die Gründung der Region Hannover am 1. November 2001 und die der Städteregion Aachen am 21. Oktober 2009. Bei Gründung der Region Hannover wurden der ehemalige Landkreis Hannover und der Kommunalverband Großraum Hannover aufgelöst, und die Landeshauptstadt – bis dahin eine kreisfreie Stadt – wurde ebenso wie die Städte und Gemeinden des ehemaligen Landkreises Hannover, der wie ein Ring um die Landeshauptstadt lag, Teil der Region. Ähnlich wurde bei der Gründung der Städteregion Aachen verfahren: Die ehemals kreisfreie Stadt Aachen wurde mit den neuen Gemeinden des Landkreises Aachen, der aufgelöst wurde, zur neuen Region zusammengeschlossen. Beide Regionsbildungen hatten den Zweck, den sich aus den vielfältigen und intensiven Stadt-Umland-Verflechtungen ergebenden Notwendigkeiten und Aufgaben besser gerecht zu werden. Eine ähnliche Konstruktion gibt es im Saarland mit dem Regionalverband Saarbrücken, dessen Vorläufer, der Stadtverband Saarbrücken, 1974 im Zuge der Gebiets- und Verwaltungsreform im Saarland entstand. Das Saarland und Niedersachsen sind damit die einzigen Flächenländer Deutschlands, deren Landeshauptstädte Saarbrücken und Hannover zwar die bei weitem einwohnerstärksten Gemeinden bzw. Städte des jeweiligen Landes sind, aber nicht den Status einer kreisfreien Stadt haben, weil sie eben Teil von Regionalverbänden sind.

Die Tabelle 3 und das Schaubild 4 informieren über die Entwicklung der Zahl der kreisfreien Städte. Die beiden Regionsbildungen haben sich hier quantitativ niedergeschlagen. 1990 gab es 117 kreisfreie Städte und bis Ende 2017 ging deren Zahl moderat auf 107 zurück. In dieser Zahl sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen mit den Städten Bremen und Bremerhaven inkludiert. Die meisten kreisfreien Städte gibt es derzeit mit 22 im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen und mit sogar 25 in Bayern, wobei diese zum Teil von Bevölkerung und Fläche her vergleichsweise klein sind. Viele der kreisfreien Städte in Bayern sind regionale Zentren, die ringförmig von einem oft gleichnamigen Landkreis umgeben sind, so z. B. die Städte Ansbach, Bamberg, Bayreuth, Coburg, Hof, Rosenheim, Schweinfurt, Straubing und Würzburg.

In neun der 16 Länder blieb die Zahl der kreisfreien Städte im Betrachtungszeitraum konstant. In Niedersachen und Nordrhein-Westfalen nahm deren Zahl durch die oben erwähnten Regionsbildungen um jeweils eine Stadt ab. Auf der anderen Seite wuchs in Thüringen die Zahl der kreisfreien Städte von fünf auf sechs, weil 1998 mit Eisenach eine weitere Stadt diesen Status erhielt. In Mecklenburg-Vorpommern verloren durch die Gebietsreform 2011 die Städte Neubrandenburg, Greifswald, Stralsund und Wismar ihren Status als kreisfreie Stadt. In Brandenburg sank durch die oben erwähnte Kreisgebietsreform im Dezember 1993 die Zahl der kreisfreien Städte von sechs auf vier, weil Eisenhüttenstadt und Schwedt diesen Status verloren. Eine im Ergebnis ähnliche Entwicklung gab es in Sachsen, wo es zunächst im Jahr 1990 sechs kreisfreie Städte (Chemnitz, Dresden, Görlitz, Leipzig, Plauen, Zwickau) gab. Am 1. Januar 1999 kam die Stadt Hoyerswerda dazu, sodass die Zahl der sächsischen kreisfreien Städte einige Jahre lang auf sieben anstieg, bis dann die dortige Kreisneugliederung am 1. August 2008 die Zahl auf drei (Chemnitz, Dresden, Leipzig) reduzierte.7 Diese Maßnahme war vor Ort zum Teil äußerst umstritten; die Stadt Plauen legte sogar Verfassungsbeschwerde gegen ihren Statusverlust ein, und in Zwickau trat der Oberbürgermeister aus Protest aus seiner Partei aus.8

Entwicklung der Zahl der Gemeinden

Am 31. März 2017 gab es, wie Tabelle 4 zeigt, bundesweit 11 056 Gemeinden,9 am 31. Dezember 1990 waren es noch 16 127. Im Untersuchungszeitraum von 26 Jahren sank damit deren Zahl um 5 071 bzw. 31,4 %. Aktuell unterscheiden sich die Flächenländer10 erheblich in ihrer Gemeindestruktur: Auf der einen Seite stehen Länder wie Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und vor allem Rheinland-Pfalz mit einer sehr kleinteiligen Struktur von jeweils mehr als 1 000 Gemeinden. Die Durchschnittsgemeinde in Rheinland-Pfalz umfasst 9 km2 und hat 1 764 Einwohnerinnen und Einwohner11. Auf der anderen Seite steht Nordrhein-Westfalen, wo eine Durchschnittsgemeinde 86 km2 und 45 177 Menschen umfasst. Eine nordrhein-westfälische Gemeinde ist damit bevölkerungsmäßig 26-mal größer als eine rheinland-pfälzische. Die Ursache dafür liegt in den Gebiets- und Verwaltungsreformen der 1970er-Jahre, als bezüglich der Gemeinden unterschiedliche Wege eingeschlagen wurden. Während in Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland große kommunale Gebilde durch Eingemeindungen geschaffen wurden, blieben in den genannten vier Ländern auch kleinere Gemeinden überwiegend selbstständig, wurden aber zum Teil in verschiedenartigen Kommunalverbänden zusammengefasst (siehe folgenden Abschnitt).

Niedersachsens Gemeinden sind im Schnitt 50 km2 groß bei einer Bevölkerung von durchschnittlich 8 399 Menschen und damit flächenmäßig deutlich und der Bevölkerung nach ein wenig größer als im Bundesdurchschnitt (32 km2/7 464 Menschen). Besonders »gemeindereich« waren 2017 die Länder Bayern mit 2 056 und vor allem Rheinland-Pfalz mit 2 305 Gemeinden.

Im Untersuchungszeitraum blieb die Zahl der Gemeinden in den westlichen Flächenländern weitgehend konstant. In Bayern nahm ihre ohnehin hohe Zahl sogar noch um fünf zu, und auch in Rheinland-Pfalz gab es 2017 eine Gemeinde mehr als 1990.12 Ganz anders in Ostdeutschland: In Sachsen-Anhalt ging ihre Zahl um 84,1 %, in Brandenburg um 76,8 %, in Sachsen um 74,0 %, in Thüringen um 50,4 % und in Mecklenburg-Vorpommern um 33,0 % zurück. Insgesamt ging in Ostdeutschland die Zahl der Gemeinden um 4 961 Einheiten zurück. Dieser Rückgang vollzog sich im Wesentlichen bis Ende 2010 und hat seitdem an Tempo verloren, wenngleich er durchaus noch nicht abgeschlossen ist.

Die Entwicklung in Niedersachsen verlief etwas anders. Hier verringerte sich die Zahl der Gemeinden im Gesamtzeitraum 1990 bis 2017 im nennenswerten Umfang per Saldo um 85 bzw. 8,2 %.13 Das war im Vergleich der westdeutschen Flächenländer die höchste Abnahmerate. Sie blieb zwar deutlich unter der der ostdeutschen Flächenländer, es gibt aber einen deutlichen Unterschied in der zeitlichen Abfolge: Während in den ostdeutschen Flächenländern die Entwicklung bis 2010 ein viel höheres Tempo hatte als danach, war es in Niedersachsen umgekehrt: Hier gab es bis Ende 2009 relativ wenig Bewegung, und erst ab dem Jahr 2010 nahm die Zahl der Eingemeindungen bzw. Zusammenschlüsse von Gemeinden in stärkerem Maße zu. Die Ursachen hierfür waren ein wachsender demografischer Druck durch Abwanderung, Unterjüngung und sinkende Bevölkerungszahlen und damit verbundene Haushaltsprobleme der Kommunen.14

Entwicklung der Zahl der Gemeindeverbände

Zwischen der Ebene der Landkreise und der Ebene der Kommunen gibt es in einigen Flächenländern eine Zwischenstufe von Gemeindeverbänden.15 In diesen Gemeindeverbänden, die fast ausschließlich im ländlichen Raum anzutreffen sind, sind zumeist kleinere Gemeinden zusammengeschlossen, um Verwaltungsarbeiten und Aufgaben des »übertragenen Wirkungskreises« effizient und professionell erledigen zu können. Die Mitgliedsgemeinden dieser Verwaltungsgemeinschaften behalten ihre rechtliche Selbstständigkeit: Ihre Bürgerinnen und Bürger wählen einen Gemeinderat und ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie können auch z. B. über Realsteuerhebesätze entscheiden. Die eigentliche Verwaltungsarbeit wird in der Regel von dem Gemeindeverband erledigt, während die Mitgliedsgemeinden zumeist ehrenamtlich geführt werden.

Die rechtliche und organisatorische Form dieser Gemeindeverbände sowie deren Zuständigkeitsbereich sind im Ländervergleich äußerst vielgestaltig. Sie sind oftmals, aber durchaus nicht immer, eigene Körperschaften mit einer direkten Wahl der Vertretungsorgane. Immer aber haben sie die Aufgabe, ihre zumeist kleinen Mitgliedsgemeinden von der originären Verwaltungsarbeit zu entlasten und diese damit zu unterstützen. In Niedersachsen gibt es die Rechtsform der Samtgemeinde, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann: Sie stammt schon aus dem Königreich Hannover. In Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt gibt es die Verbandsgemeinden, in Bayern die Verwaltungsgemeinschaften. Auch in Sachsen gibt es Verwaltungsgemeinschaften und Verwaltungsverbände, in Schleswig-Holstein Ämter, in Thüringen ebenfalls Verwaltungsgemeinschaften. Wenn in zwei Ländern derselbe Begriff verwendet wird, so muss das durchaus nicht heißen, dass diese Institutionen dieselben Strukturen haben – die landesgesetzlichen Regelungen unterscheiden sich zumindest im Detail erheblich voneinander.

In einigen Ländern gibt es diese kommunalen Zusammenschlüsse nicht. Neben den Stadtstaaten sind dies Nordrhein-Westfalen, Hessen und das Saarland. In diesen Ländern wurde in den 1970er-Jahren radikaler eingemeindet als in den anderen Flächenländern, sodass sowohl nach der Fläche als auch nach der Kopfzahl im Bundesvergleich überdurchschnittlich große Gemeinden entstanden, deren Zahl seit 1990 völlig konstant blieb. Bis heute ist in der Diskussion umstritten, welcher Weg der kommunalen Neugliederung der bessere war: Für die »großräumige Lösung« spricht sicherlich die Tatsache der größeren Konstanz im Zeitablauf und der zumindest einfacher scheinenden Struktur durch Fortfall der Zwischenebene der Verwaltungsgemeinschaften. Andererseits nimmt die Lösung, die z. B. in Niedersachsen mit dem Fortbestand der Samtgemeinden gewählt wurde, mehr Rücksicht auf örtliche Identitäten und auch Empfindlichkeiten und lässt den kleineren Gemeinden mehr Selbstständigkeit. Diese Lösung ist zumindest näher am Leitbegriff der Selbstverwaltung der »örtlichen Gemeinschaft«.

Für die Regionalstatistik ergibt sich übrigens aus dieser unterschiedlichen Territorialstruktur der Flächenländer das Problem der Vergleichbarkeit der Gemeindedaten. Wenn z.B. kommunale Daten aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen miteinander verglichen werden, so sollte man in aller Regel in Niedersachsen auf die Daten der Samtgemeinden sowie derjenigen Gemeinden, die nicht Mitglied einer Samtgemeinde sind, zurückgreifen, um mit den NRW-Daten kompatible Gebilde zu untersuchen. Auch wenn zwei Einheitsgemeinden miteinander verglichen werden, muss die unterschiedliche Vorgehensweise in der Gebietsneugliederung berücksichtigt werden. So ist die Stadt Höxter in Nordrhein-Westfalen der amtlichen Einwohnerzahl nach größer als ihre niedersächsische Nachbarstadt Holzminden auf dem anderen Weserufer. Die Kernstadt von Holzminden ist aber deutlich größer als die von Höxter; dass Höxter als größer als Holzminden erscheint, liegt daran, dass nach Höxter am 1. Januar 1970 zahlreiche Gemeinden eingegliedert wurden.

Es ist statistisch sehr schwer, bundesweit die Zahl der Gemeindeverbände zuverlässig zu ermitteln. Am 31. März 2017 gab es bundesweit 1 254 Gemeindeverbände mit 7 852 Mitgliedsgemeinden. Man kann sich gut vorstellen, dass es hier sehr viel Bewegung und Unübersichtlichkeit gibt: Mitgliedsgemeinden fusionieren; einzelne Gemeinden schließen sich anderen als den bisherigen Verbänden an; die Mitglieder eines Gemeindeverbands fusionieren zu einer Gemeinde, evtl. mit Ausnahme einer Gemeinde; zwei oder mehr Verbände fusionieren usw. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, und das Feld der Gemeindeverbände ist in gesamtnationaler Betrachtung weit, »bunt«, vielgestaltig und nicht immer übersichtlich. Die Tabelle 6 und Schaubild 6 sowie Schaubild 7 informieren daher über die Zahl der Gemeindeverbände und deren Mitgliedsgemeinden in der Entwicklung erst seit dem Jahr 2006; ältere Daten waren bundesweit nicht verfügbar.

Ende 2006 gab es bundesweit 1 465 Gemeindeverbände, Ende März 2017 waren es noch 1 254. 2006 hatten diese 9 196 Mitgliedsgemeinden, Ende März 2017 nur noch 7 852. Die Zahl der Verbände sank damit um 211 bzw. 14,4 %, und die Zahl ihrer Mitglieder zugleich um 1 344 bzw. 14,6 %, also in etwa im gleichen Tempo. Ende März 2017 waren damit bundesweit 71,0 % aller Gemeinden Mitglied in einem Gemeindeverband. Zumindest quantitativ besondere Relevanz hatte diese regionale Gliederungsebene in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wo jeweils deutlich mehr als 90 % aller Gemeinden dazu gehörten. In Niedersachsen waren 653 von 946 Gemeinden Samtgemeinde-Mitglieder, ein Anteil von 69,0 %.

In zehn von 16 Ländern gibt es Gemeindeverbände. In allen diesen Ländern nahmen deren Zahl und die ihrer Mitgliedsgemeinden im Vergleich zu 2006 ab, wobei diese Abnahme in Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg sehr gering war. Am stärksten ging die Zahl in Sachsen-Anhalt zurück, und zwar von 94 bzw.1 004 auf nur noch 18 bzw. 114. Diese 114 Mitgliedsgemeinden stellen aber immer noch mehr als die Hälfte der sachsen-anhaltinischen Gemeinden. In Rheinland-Pfalz gab es im Jahr 2014 einen nennenswerten Rückgang der Zahl der Gemeindeverbände von 161 auf 149, denn zum 1. Juli 2014 wurden dort per Gesetz zahlreiche Verbandsgemeinden fusioniert,16 wobei aber die Zahl der Ortsgemeinden konstant blieb.

In Niedersachsen sank die Zahl der Samtgemeinden im Betrachtungszeitraum von 138 auf 116 und die der Mitgliedsgemeinden von 735 auf 653. In Niedersachsen – für das längere zuverlässige Zeitreihen vorliegen – ist ein langanhaltender fast kontinuierlicher Rückgang zu beobachten. Im Jahr 1974 gab es noch 143 Samtgemeinden mit 745 Mitgliedern – in knapp 44 Jahren eine Abnahme um 27 Samtgemeinden.

Wie geht es weiter?

Der aufgezeigte Trend zur Konzentration der regionalen Einheiten und damit der Verringerung ihrer Zahl wird mit großer Sicherheit weitergehen. Dafür sorgen

  • die demografische Entwicklung vor allem in solchen Regionen, die von Abwanderung und Bevölkerungsrückgang betroffen sind,
  • dadurch ausgelöste Haushalts- und Finanzierungsprobleme,
  • die stärkere Mobilität der Bevölkerung, die großräumigere Vernetzungen und Kooperationen erfordert sowie nicht zuletzt
  • die Digitalisierung aller Lebensbereiche, die u. a. dazu führt, dass kommunale Dienstleistungen nicht immer ortsgebunden vorgehalten werden müssen, weil sie über das Netz elektronisch verfügbar sind.

Auf der anderen Seite gibt es aus guten Gründen die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz und den Länderverfassungen. Gerade die zunehmende Bedeutung der Zivilgesellschaft und ihrer handelnden Personen, die nahezu immer lokal oder regional handeln, erfordert zwingend starke Kommunen und Kommunalverbände als feste institutionelle Kontakte der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure und als Plattform für ihr Agieren. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft werden trotz – oder besser sogar wegen – der Globalisierung und Internationalisierung immer bedeutungsvoller. Weitere kommunale Zusammenschlüsse zu immer größeren und in der Tendenz ortsferneren Einheiten werden darum von der Bevölkerung oft sehr kritisch gesehen. Viele Menschen befürchten einen Kontrollverlust in der eigenen Gemeinde, aktive Kommunalpolitikerinnen und -politiker beklagen einen Machtverlust – gerade die in der Kommune Aktiven sind oft gegen staatlich verordnete Fusionen. Darum hat z. B. die thüringische Landesregierung Ende 2017 ihre Pläne zu einer groß angelegten Funktional- und Gebietsreform ad acta gelegt. Hier soll – ähnlich wie auch in Niedersachsen – nichts »von oben« angeordnet werden. Freiwillige kommunale Zusammenschlüsse werden aber weiterhin in Thüringen wie auch in Niedersachsen mit »Finanzspritzen« staatlich gefördert. Solche freiwilligen Zusammenschlüsse, wie es sie z. B. in Niedersachsen seit 2010 verstärkt gibt, haben vor Ort eine hohe Akzeptanz und werden von allen Seiten begrüßt.

Vielleicht noch schwieriger zu bewerkstelligen als gemeindliche Zusammenschlüsse sind Zusammenschlüsse auf der Landkreisebene. In der Literatur wird als Mindestbevölkerung für einen handlungsfähigen Landkreis oft eine Zahl von 150 000 Menschen genannt. Zahlreiche Landkreise Deutschlands und speziell auch Niedersachsens sind deutlich kleiner. Die Landkreise Holzminden, Lüchow-Dannenberg17 und Wittmund erreichten Ende 2016 noch nicht einmal die Hälfte des Schwellenwertes, denn sie hatten weniger als 75 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Ob diese Gebietskörperschaften künftig langfristig erhalten bleiben, müssen in erster Linie deren Bürgerinnen und Bürger sowie ihre gewählten Vertretungskörperschaften selbst entscheiden. Sollten sie – ähnlich wie der frühere Landkreis Osterode am Harz – den Weg einer Fusion mit einem benachbarten Kreis gehen wollen, sind selbstverständlich auch der Wille und die Interessen derjenigen Kreise, die als Fusionspartner in Betracht kommen, mit entscheidend.

1 Die kreisfreien Städte sind ebenfalls Gemeinden; ihre Zahl ist in der der Gemeinden enthalten.

2 Einschließlich der Region Hannover, der Städteregion Aachen sowie des Stadtverbandes Saarbrücken. Diese sind Kommunalverbände eigener Art, die funktional aber den Landkreisen zugeordnet werden können.

3 Näheres in Art. 1 des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes vom 29.01.2008, der den § 6 des Sächsischen Verwaltungsorganisationsgesetzes änderte. Die Landesdirektionen nahmen Aufgaben aus mehreren Staatsministerien wahr und koordinierten die staatliche Verwaltungstätigkeit in ihrem Direktionsbezirk, hatten z. T. aber auch Aufgaben, die das ganze Land betrafen. Sie werden in Tabelle 1 als Regierungsbezirke gezählt.

4 Über ihre eigenen Angelegenheiten hinaus können den Kommunen auch staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden.

5 In den drei Stadtstaaten gibt es keine Landkreise.

6 Vgl. Hartmut Bömermann und Gabriele Gruber: Gebietsgliederungen in Brandenburg, in: Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin-Brandenburg, Heft 4/2010, S. 22 ff.

7 Vgl. die Seite »Verwaltungsgliederung« des Internet-Programms des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen, https://www.statistik.sachsen.de/html/400.htm abgerufen am 5.3.2018.

8 Vgl. Artikel »Dietmar Vettermann« in Wiki­pedia, abgerufen am 5.3.2018.

9 Einschließlich der Städte Berlin, Hamburg, Bremen und Bremerhaven sowie in Niedersachsen der gemeindefreien Bezirke Lohheide und Osterheide.

10 Dass sich die drei Stadtstaaten hier strukturell von den Flächenländern unterscheiden, versteht sich von selbst.

11 Die Tabelle 5 bezieht die Zahl der Gemeinden usw. auf die Gesamtfläche der Länder, einschließlich gemeindefreier Gebiete.

12 In Rheinland-Pfalz gab es im Untersuchungszeitraum sowohl einige Eingemeindungen als auch Neubildungen von Gemeinden, indem kleinere Ortschaften ihre Selbstständigkeit wiedererlangten.

13 Zu den Ursachen und zum Verlauf seit 1974 vgl. Lothar Eichhorn: Zahl der Gemeinden sinkt im Jahr 2013 auf 1 000, in: Statistische Monatshefte Niedersachsen 6/2013, S. 304–306 sowie Lothar Eichhorn: Anfang 2015 nur noch 971 Gemeinden und 122 Samtgemeinden – Aktuelle und künftige Änderungen des Gemeinde- und Samtgemeindebestandes in Niedersachsen, in: Statistische Monatshefte Niedersachsen 9/2015, S. 490–493. Die Zahl von 85 ist eine saldierte Zahl. Tatsächlich wurden mehr Gemeinden aufgelöst, aber es gab auch einen Zuwachs: die sechs Gemeinden des ostelbischen Amtes Neuhaus, die 1993 von Mecklenburg-Vorpommern zu Niedersachsen kamen und noch im selben Jahr zur Einheitsgemeinde Amt Neuhaus zusammengeschlossen wurden.

14 Nähere Information vgl. ebenda, S. 305.

15 Wenn im Folgenden von Gemeindeverbänden die Rede ist, sind stets die kommunalen Zusammenschlüsse unterhalb der Kreisebene gemeint, niemals aber die Landkreise, die ebenfalls Gemeindeverbände sind.

16 Vgl. Homepage des Rheinland-Pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport, Thema Gebietsreform, https://mdi.rlp.de/de/unsere-themen/staedte-und-gemeinden/kommunal-und-verwaltungsreform abgerufen am 28.3.2018.

17 Das scheinbar so durchschnittliche Niedersachsen ist bezüglich seiner Kreisstruktur ein Land der Extreme. In Niedersachsen liegen der kleinste Landkreis Deutschlands nämlich Lüchow-Dannenberg, und der bundesweit größte, die Region Hannover – immer an der Bevölkerungszahl gemessen.