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Radio und Fernsehen in Baden-Württemberg

Als im 19. Jahrhundert die Menschen begannen, mit Elektrizität wissenschaftlich zu experimentieren, dachte noch niemand an den Rundfunk. Einer der ersten Versuche damals bestand darin, Nachrichten zu übermitteln, dies geschah zuerst mit Draht aber schon bald ohne. Die Voraussetzung für die drahtlose Telegrafie war die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz in den Jahren 1887 und 1888. Sie waren die Basis für die Erfindung des Radios und des Fernsehens. Damals konnte sich noch niemand vorstellen, wie stark sich das Freizeitverhalten großer Teile der weltweiten Bevölkerung und somit auch der Baden-Württembergs in den nächsten 100 Jahren hierdurch maßgeblich verändern sollte.

Nach den Radiopionieren …

Als Heinrich Hertz 1887 die elektromagnetischen Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, nachwies, dachte noch niemand in Deutschland an den Rundfunk und seine potentiellen Verwendungsmöglichkeiten. Durch weitere wissenschaftliche Entwicklungen wurde die Basis gelegt mit Röhren betriebenen Sendeanlagen die erzeugten Hochfrequenzschwingungen der elektromagnetischen Wellen, welche die Übertragung von Sprache und Musik erlaubten, praktisch zu nutzen. Nikola Tesla entwickelte dann die technischen Grundlagen des Rundfunks im ausgehenden 19. Jahrhundert und ließ sich diese patentieren. Die eigentliche Erfindung des Radios wird dem Italiener Guglielmo Marconi zugeschrieben. Er begann 1895 auf dem Landgut seines Vaters bei Bologna mit Radiolaborexperimenten. Marconi baute 1896 ein »Gerät zur Aufspürung und Registrierung elektrischer Schwingungen« von Alexander Stepanowitsch Popow nach und ließ dieses im Juni 1896 vor Popow patentieren. Das war der eigentliche Beginn des Radios. Marconi wurde für seine Erfindungen und Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet 1909 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Von der Station für drahtlose Telegrafie in Brant Rock in den USA übertrug der Amerikaner Reginald Fessenden mit einem Maschinensender die erste Radiosendung. Fessenden hatte sich hier mit einigen Wissenschaftlern zu einem Experiment versammelt, was mit der versuchsweisen Radioübertragung einiger weihnachtlicher Texte und Musikstücke abgeschlossen wurde.

… kam das Militär

Bereits 1897 wurden maßgebliche deutsche Militärpersonen auf die neuartigen Übertragungsmöglichkeiten mit elektromagnetischen Wellen aufmerksam. War bis dahin das Morsen aktuellster Stand der Nachrichtentechnik, erkannte man in militärischen Kreisen sehr schnell den Vorteil der drahtlosen Nachrichtenübermittlung in allen Bereichen des Militärs und eine rasante technische Entwicklung begann. So war es bereits 1906 möglich, Nachrichten in Form von Tönen als Sprache und Musik zu übertragen. Bei der damals boomenden deutschen Kriegsmarine sendeten sich die Funker gegenseitig Musikdarbietungen und Ansagen zu. Auch die Militärsendestationen an Land verwendeten die neue Technik, um gesprochene Nachrichten und Befehle schnell weiter zu verbreiten. Die Telegrafie in Form der Übermittlung von Morsezeichen blieb zwar auch noch im Ersten Weltkrieg beim deutschen Militär die gebräuchlichste Betriebsart der Nachrichtenübermittlung. In der Endphase des Ersten Weltkrieges wurden jedoch bereits vermehrt Musiksendungen in die Schützengräben übertragen, um so die Kampfmoral und den Durchhaltewillen der deutschen Truppen zu stärken. Der damalige Direktor von Telefunken, Hans Bredow, erprobte zu diesem Zweck erste Röhrensender an der Westfront.

Neben dem militärischen Nutzen wurde in anderen Staaten auch der kommerzielle Vorteil erkannt, zum Beispiel zur schnellen Übermittlung von Börsendaten. So beschritt man abseits vom Militär außerhalb Deutschlands andere Wege. Erstmals wurde 1910 aus der Metropolitan Oper in New York die Stimme eines Sängers per Funk übertragen. Schon 1920 gab es in den USA über 2 Mill. Radioempfangsstationen und über 35 000 Sendestationen. Jeder Amerikaner konnte damals ohne gesetzliche Reglementierung sowohl einen Sender betreiben, über den er ein beliebiges Programm verbreitete, als auch ein Empfangsgerät besitzen, ohne dafür Gebühren entrichten zu müssen. In Deutschland wurde zu dieser Zeit das Betreiben von Fernmeldeanlagen außerhalb des militärischen Bereiches sehr restriktiv gehandhabt. Abgesehen von einigen Versuchslizenzen für Radioamateure war es bis 1923 gesetzlich verboten, einen Radioempfänger zu besitzen, obwohl bereits am 22. Dezember 1920 in Deutschland die erste Rundfunkübertragung eines Weihnachtskonzertes durch den Sender Königs-Wusterhausen stattfand. Hierbei spielten Beamte der Deutschen Reichspost auf mitgebrachten Instrumenten, sangen Lieder und trugen Gedichte vor.

Der Siegeszug des Radios

Als offizieller Geburtstermin des Deutschen Rundfunks gilt der 29. Oktober 1923. An diesem Tag nahm die erste deutsche Rundfunkgesellschaft »Die Funk-Stunde Berlin« ihren Sendebetrieb auf. Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht einen zahlenden Hörer. Die Institutionalisierung und rechtliche Kodifizierung schritt schnell voran. Die Zuständigkeit für die Einrichtung der ersten deutschen Sendernetze wurde dem Reichspostministerium übertragen. Hans Bredow, der ehemalige Generaldirektor der Firma Telefunken, wurde erster staatlicher Reichsrundfunkkommissar und gilt insofern als der eigentliche »Vater des deutschen Rundfunks«. Die ersten deutschen Radiosendungen hatten vom Selbstverständnis der Radiopioniere eine doppelte Zielsetzung. Einerseits sollten sie breiten sozialen Schichten der Bevölkerung Informationen und Unterhaltung bieten. Andererseits sollten die Rundfunksendungen auch dazu dienen, der Industrie neue Absatzmöglichkeiten in Form von Radiogeräten zu erschließen. Noch im Jahr 1923 entstand der Verband der Rundfunkindustrie in Deutschland. Bereits 1924 organisierte dieser Verband die erste deutsche Funkausstellung in Berlin.

Die Folgen des Ersten Weltkrieges führten zu einer stark ansteigenden Arbeitslosigkeit. Dadurch entstand eher unfreiwillig ein Mehr an »Freizeit«. Freizeit wurde noch in dem Zeitalter der industriellen Revolution nur als Medium der Reproduktion und Rekreation der Arbeitskraft betrachtet. Ein über diese Elemente hinausgehendes Freizeitverständnis musste sich noch entwickeln. An dieser Entwicklung eines neuen Freizeitverständnisses waren die deutschen Radiopioniere um Hans Bredow in den sogenannten »Goldenen Zwanzigern« maßgeblich beteiligt, hatten sie doch den Anspruch eines »Radios für alle«. Das Radio wurde somit in der Weimarer Republik zu einem ersten demokratischen Massenmedium, das Unterhaltung und Information für breite Schichten der Bevölkerung anbot. Bereits 1926 gab es in ganz Deutschland rund 1,4 Mill. Rundfunkteilnehmer, die Zahl der Hörer war bestimmt um ein Vielfaches höher. Der rasante Anstieg der Rundfunkteilnehmerzahlen ist wohl hauptsächlich auf eine im Jahr 1924 erfolgte drastische Reduzierung der anfänglich sehr hohen Teilnehmergebühren zurückzuführen, die das junge Medium zu einem tatsächlichen Unterhaltungs- und Informationsinstrument für alle machte.

Das Reichspostministerium ging bei dem Ausbau des Sendernetzes zuerst von der Idee eines zentralistischen Rundfunks aus. Diese Idee konnte sich jedoch nicht durchsetzen, erfuhr sie doch starken Widerstand durch die Landesregierungen, sodass letztlich ein dezentrales Sendernetz aufgebaut wurde. Dem schon bestehenden Berliner Sender folgte einige Monate später der Münchner Sender. Bereits am 10. Mai 1924 nahm der Sender Stuttgart seinen Betrieb auf und erreichte viele Hörer im damaligen Württemberg. Durch die föderale Struktur der Sender kam es zu einer regional individuellen Programmgestaltung der Redaktionen. So sollte von Anfang an der Einfluss von Industrie und Wirtschaft verhindert werden. Geld bezogen die Sender aus den Rundfunklizenzen der Hörer, ein Prinzip, das bis heute beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland erhalten geblieben ist. Schon 1928 gab es in Baden 34 700 und in Württemberg 68 300 Rundfunkteilnehmer. Diese Zahlen stiegen in den nächsten Jahren stetig an (siehe Abbildungen 1 und 2). Ende des Jahres 1932 lag die Zahl der Rundfunkteilnehmer in Deutschland bei 4 Mill. Deutschland belegte weltweit damit Platz 3. Nur in den USA mit 15,8 Mill. und in Großbritannien mit 4,8 Mill. gab es damals mehr Anschlüsse an das öffentliche Rundfunknetz.

Radio als Propagandamedium

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die deutsche Rundfunklandschaft total verändert. Innerhalb weniger Wochen, nachdem Hitler die Macht ergriffen hatte, wurde von Reichspropagandaminister Goebbels, der die ministerielle Dienstaufsicht über den Rundfunk hatte, der größte Teil der bis dahin verantwortlichen Rundfunkschaffenden ausgetauscht. Viele von ihnen wurden mit fadenscheinigen Begründungen angeklagt oder direkt in Konzentrationslagern inhaftiert. In der Folgezeit wurde der Rundfunk zentralisiert und zum »Großdeutschen Rundfunk« umgestaltet. Danach wurde die politische Richtung innerhalb der Sendeanstalten gleichgeschaltet und auf die nationalsozialistische Doktrin ausgerichtet. Mit Slogans wie »Ganz Deutschland hört den Führer mit dem Volksempfänger« (Bild 1) wurde versucht, den Anteil der Rundfunkteilnehmer deutlich zu erhöhen. Dies gelang auch durch den politisch bewusst niedrig gehaltenen Preis für dieses einfach gestaltete Radiogerät. Innerhalb von 6 Jahren stieg die Zahl der Rundfunkanschlüsse in Deutschland bis 1939 auf 12 Mill. Gleichzeitig war es verboten, sich politisch aus anderen Quellen zu informieren. So war es durch verschiedene Verordnungen untersagt, sogenannte Feindsender zu hören und deren Nachrichten zu verbreiten. Eine Zuwiderhandlung wurde strafrechtlich als Rundfunkverbrechen bezeichnet und konnte im Extremfall sogar mit der Todesstrafe geahndet werden. Im letzten Kriegsjahr wurde der Rundfunk als Propagandamittel nur noch dazu genutzt, einerseits den Durchhaltewillen der Bevölkerung so lange als möglich aufrecht zu erhalten und andererseits durch Unterhaltungssendungen von den grausamen Realitäten des Krieges abzulenken. Am 7. Mai 1945 verkündete der letzte intakt gebliebene Reichssender Flensburg das Ende des Zweiten Weltkrieges. Damit endete dieses dunkle Kapitel deutscher Rundfunkgeschichte.

Neuaufbau und letzter Höhenflug

Unmittelbar nach Kriegsende begannen die damaligen Besatzungsmächte Deutschlands mit der Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen. Amerikaner, Briten und Franzosen gaben in den nächsten Jahren von der formalen Aufsicht abgesehen die Programmgestaltung der dezentral arbeitenden Sender immer mehr in die Hand deutscher Redakteure. Ein Schwerpunkt der Wortbeiträge in den ersten Nachkriegsjahren lag in der politischen Umerziehung breiter Bevölkerungsschichten. Schon vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurden zwischen 1948 und 1949 die Landessender durch Landesrundfunkgesetze gegründet. Im heutigen Baden-Württemberg waren dies der SDR (Süddeutsche Rundfunk) in der amerikanischen Besatzungszone und der SWF (Südwestfunk) in der französischen Besatzungszone. 1950 schlossen sich alle Landesrundfunkanstalten zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammen.

In den frühen 1950er-Jahren erlangte der Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland noch einmal eine beherrschende Position als Vermittler für Information und Unterhaltung. 1950 wurden bundesweit schon rund 7,3 Mill. angemeldete Rundfunkteilnehmer registriert. Bereits 1954 gab es in der damaligen Bundesrepublik wieder über 11 Mill. Rundfunkteilnehmer. In Baden-Württemberg gab es zur gleichen Zeit mehr als 1,5 Mill. Rundfunkteilnehmer, was einer Ausstattung von 72 % aller Haushalte entsprach (Abbildung 3). Die Zahl der Rundfunkteilnehmer in Baden Württemberg wuchs in den nächsten Jahren stetig. 1965 gab es 2,5 Mill. und bereits 1970 knapp 2,9 Mill. gebührenpflichtige Rundfunkanschlüsse. Ein Grund für die schnelle erneute Verbreitung des Radios im ersten Jahrzehnt der Nachkriegszeit waren die niedrigen Gerätepreise. 1950 hatten die Radiogeräte das Preisniveau vor dem Zweiten Weltkrieg unterschritten.

Laut einer ARD Statistik gab es 2009 in ganz Deutschland über 39 Mill. gebührenpflichtige Radiogeräte. Damit dürfte nahezu jeder Privathaushalt mit einem Radiogerät ausgestattet sein oder in der Lage sein, mit einem anderen Medium Radioprogramme zu empfangen. Die Möglichkeit, ein Rundfunkprogramm zu hören, wird aktuell auf vielerlei Arten genutzt. So hören heute viele Hörer Rundfunk mit ihrem Autoradio, ein nicht unbeträchtlicher Anteil nutzt nach wie vor das gute alte Küchenradio, andere Arten des heutigen Radiohörens erfolgen mit Stereo-Anlagen, MP3-Playern oder das Mobiltelefon. Last but not least hören auch immer mehr Menschen Rundfunk über das Internet mittels ihres PC’s oder andere internetfähige Empfangsgeräte. Dennoch haben der Rundfunk und das Radio für die Menschen in Deutschland nicht mehr den hohen Stellenwert als Informations- und Unterhaltungsmedium, den sie noch den 1950er-Jahren hatten.

Laufende Bilder im Wohnzimmer

In den 1950er-Jahren schickte sich das neue Medium des Fernsehens an, die bundesrepublikanischen Wohnzimmer zu erobern. Dabei gab es dieses Medium schon fast 20 Jahre, ohne dass dies einem großen Teil der Bevölkerung bewusst war. Die eigentliche Geschichte des Fernsehens in Deutschland begann am 22. März 1935. Ab 1934 war es technisch möglich, Fernsehsendungen mit Bild und Ton zu übertragen. Nachdem bekannt wurde, dass die British Broadcasting Corporation (BBC) ein Fernsehprogramm plane, entschied die nationalsozialistische Regierung, Großbritannien zuvorzukommen. Am 22. März 1935 begann schließlich mit dem Deutschen Fernseh-Rundfunk des Fernsehsenders »Paul Nipkow« der regelmäßige Programmbetrieb. In Deutschland gab es damit den »ersten regelmäßigen Fernsehprogrammdienst der Welt«. Jedoch standen nur in Berlin und Umgebung etwa 250 Fernsehempfänger. Zur Massenanfertigung von Fernsehempfängern war die Industrie aus Kapazitätsgründen noch nicht in der Lage. Um eine möglichst große Breitenwirkung zu erzielen, eröffnete die Deutsche Reichspost am 9. April 1935 die erste öffentliche Fernsehempfangsstelle für den Gemeinschaftsempfang. Einige weitere Fernsehstuben und Großbildstellen folgten in rascher Folge. Die Publikumsreaktionen zu diesen Fernsehstuben waren recht verhalten, zu übermächtig war die Konkurrenz der Kinoleinwand. Schon Mitte der 1930er-Jahre begann die Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost mit der Entwicklung eines Farbfernsehverfahrens. Die Forschungen mussten jedoch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eingestellt werden. Am 28. Juli 1939 wurde in Berlin der Einheits-Fernseh-Empfänger E1 vorgestellt. Die später durchweg gebräuchliche Rechteckbildröhre kam hier erstmals zum Einsatz. Der Bildschirm erlaubte einen »heimfreundlichen« Betrachtungsabstand von 1,7 bis 2 Meter. Als Kaufpreis waren 650 Reichsmark konzipiert. Der Reichspostminister kündigte die bevorstehende Freigabe des privaten und kostenlosen Fernsehens an. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Situation kam es zu keiner Serienherstellung. Nur etwa 50 Exemplare des E1 wurden fertiggestellt und auf Lazarette und verschiedene Dienststellen verteilt. Nach dem Kriegsbeginn wurde die Fernsehentwicklung in Deutschland nahezu ausschließlich für militärische Zwecke genutzt. Ab dem Winter 1944 wurde das Fernsehprogramm in Deutschland komplett eingestellt.

Am 25. Dezember 1952 trat in der Medienlandschaft der Bundesrepublik das Fernsehen mit einem ersten regelmäßigen Programm an. Nur wenige Menschen hatten zum Start des deutschen Fernsehens die Möglichkeit, das ausgestrahlte Programm anzuschauen. Zur Jahreswende 1952/53 waren lediglich 300 Fernsehgeräte (Bild 2) registriert. Diese Zahl sollte sich 1955 auf 80 000 angemeldete Teilnehmer erhöhen. Bis zu diesem Jahr löste das Fernsehen also beileibe keine mediale Revolution auf breiterer Basis aus. Erst in der zweiten Hälfte dieser Dekade, durch den sogenannten »Fahrstuhleffekt« im Bildungs- und Einkommensbereich, trat das neue Medium seinen Siegeszug an. Steigende Löhne und sinkende Arbeitszeiten gingen einher mit den Verlockungen des Massenkonsums. Für viele Menschen war nun das Fernsehen eine bequemere und langfristig kostengünstigere Variante der Freizeitgestaltung als Kino oder Theater. Ende 1960 waren in der Bundesrepublik bereits 3,4 Mill. Fernsehteilnehmer registriert. Fernsehen war zu diesem Zeitpunkt kein Privileg höherer Einkommensschichten mehr. Laut einer vom Institut für Demoskopie in Allensbach für den SWF durchgeführten Repräsentativerhebung bestand 1960 nahezu die gleiche Fernsehdichte in den Haushalten von Facharbeitern, Angestellten und Beamten. Der Hauptgrund war wohl der stetig fallende Anschaffungspreis. Betrug dieser noch durchschnittlich 1 000 DM im Jahr 1953, lag er 1959 nur noch bei knapp 500 DM.

Schon 1965 gab es in Baden-Württemberg knapp 1,2 Mill. Fernsehteilnehmer. Das Medium wurde immer beliebter. Die Teilnehmerzahl stieg stetig an, sodass 1971 in Baden-Württemberg über 2,2 Mill. angeschlossene Fernsehgeräte zu verzeichnen waren. Auch auf Bundesebene war diese Entwicklung zu beobachten. 1989 wurden 24,1 Mill. Teilnehmer verzeichnet, diese Zahl stieg nach der deutschen Wiedervereinigung bis zum Jahr 2000 auf beträchtliche 35,1 Mill. an. Heute ist nahezu jeder Privathaushalt in Baden-Württemberg mit einem Fernsehgerät ausgestattet. Der sogenannte Ausstattungsgrad betrug 2013 mehr als 93 %. Gut zwei Drittel der Privathaushalte in Baden-Württemberg sind im Besitz eines Flachbildschirms (Abbildung 4).

Ausbau der Fernsehmedienlandschaft

Mit dem Programmbeginn des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) am 1. April 1963 veränderte sich die Medienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Baden-Württemberg, wurde den Fernsehzuschauern doch erstmals eine Programmalternative angeboten. In den 1960er-Jahren wurde das Programmangebot der ARD erweitert und die Regional- und Werbeprogramme ausgebaut. Die Dritten Programme setzten mit Kultur-, Bildungs- und Regionalsendungen neue Akzente. Hier gab es für Baden-Württemberg ein Gemeinschaftsprogramm von SDR und SWF. Ein weiterer Meilenstein der Fernsehgeschichte war die Einführung des Farbfernsehens im Jahr 1967. Die Fernsehindustrie erfuhr durch die Produktion und den Verkauf der neuen Farbfernsehgeräte enorme Steigerungsraten.

Eine gewaltige Zäsur erfuhr das Fernsehen Mitte der 1980er-Jahre. 1984 fiel der Startschuss für das kommerzielle Fernsehen, RTL und Sat.1 gingen auf Sendung. Andere Privatsender sollten folgen. Die Übertragungskapazitäten durch Kabel- und Satellitenkanäle waren zuvor erweitert worden, denn die terrestrischen Frequenzen waren von den öffentlich-rechtlichen Sendern besetzt. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts werden die analogen Übertragungswege in Deutschland zunehmend digitalisiert.

In Baden-Württemberg wurde die Medienlandschaft zum 1. Januar 1998 entscheidend verändert. Der Südwestrundfunk (SWR) wurde als Neugründung als Anstalt des öffentlichen Rechts für die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geschaffen. In ihm gingen die beiden bisherigen Sender SDR und SWF auf. Der SWR ist eine Landesrundfunkanstalt mit drei Hauptstandorten in Baden-Baden, Mainz und Stuttgart, wobei letzterer als Verwaltungssitz dient. Das 1998 gegründete Medienunternehmen ist die zweitgrößte Rundfunkanstalt der ARD nach dem WDR. Der Staatsvertrag über den Südwestrundfunk war bereits am 31. Mai 1997 unterzeichnet worden. Im Staatsvertrag sind die Pflicht zur Objektivität und Pluralität seiner Berichterstattung sowie der kulturelle Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verankert.

Wohin geht die Entwicklung?

Die steigende Bedeutung des Internet markiert seit einem guten Jahrzehnt einen mittelfristigen Trend. Das Fernsehen scheint seine frühere Alleinstellung für die audiovisuelle Information und Unterhaltung zu verlieren. Die Hauptgründe sind, dass die Menschen in ihren Berufen verstärkt an Computern mit Internetzugang arbeiten und besonders Jugendliche das Internet umfangreich in ihrer Freizeit nutzen. Zugänge zu den Nachrichtenportalen des Internets stehen jederzeit allen zur Verfügung. Das traditionell durch Antenne, Kabel oder Satellit zum Zuschauer gebrachte Fernsehen hinkt dem hinterher. Welches Medium die künftige Informations- und Unterhaltungslandschaft dominiert, ist derzeit noch nicht absehbar.