:: 8/2015

Baden‑Württembergs Wirtschaft dürfte 2015 preisbereinigt um knapp 2% wachsen

Im 1. Quartal 2015 konnte Baden‑Württemberg sein reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) ersten Berechnungen zufolge um gut 1½% steigern. Im Gesamtjahr dürfte das reale BIP um knapp 2% zunehmen. Legt man den Gesamtkonjunkturindikator des Statistischen Landesamtes zugrunde, so wird die wirtschaftliche Aktivität zur Jahresmitte noch deutlich an Kraft gewinnen. Nach dem mit 2,4% Wachstum sehr starken Jahr 2014 wird die baden-württembergische Wirtschaft also gemäß ihres langfristigen Wachstumspfades expandieren.

Begünstigt durch die Abwertung des Euros zu den Haupthandelspartnern der baden-württembergischen Wirtschaft fällt der Auslandsnachfrage wieder eine herausragende Rolle als Wachstumstreiber zu. So konnte die Südwestindustrie arbeitstäglich bereinigt von März bis Mai 2015 11,5% mehr als vor einem Jahr absetzen. Besonders nachgefragt waren dabei Produkte aus dem Fahrzeugbau (über 16,6% Plus gegenüber dem Vorjahr) und generell dem Investitionsgüterbereich (+14,4% gegenüber dem Vorjahr). Die ebenfalls sehr starken Auftragseingänge (real und arbeitstäglich bereinigt +14,5%) signalisieren, dass das Auslandgeschäft für die baden-württembergische Wirtschaft auch im Jahresverlauf eine bedeutende Rolle für das Wachstum spielen wird.

Im Fahrwasser der sich sehr dynamisch entwickelnden Auslandsnachfrage springt die Konjunktur langsam auch auf die Binnennachfrage über. So zogen die Inlandsumsätze von März bis Mai um 3,7% gegenüber dem Vorjahr an, und der Zuwachs bei den Auftragseingängen (+4,7% gegenüber dem Vorjahr) lässt eine positive Entwicklung für das Gesamtjahr erwarten.

Flankiert wird die binnenwirtschaftliche Entwicklung von einer mit +0,4% sehr moderaten Inflationsentwicklung im 2. Quartal, und von Seiten der Erzeuger- und Großhandelspreise ist auch kein Inflationsdruck erkennbar. Zusätzlich profitieren die baden-württembergischen Arbeitnehmer von einem weiter steigenden Beschäftigungsaufbau (+2,0% von Februar bis April verglichen zum Vorjahr) und von vergleichsweise hohen Reallohnzuwächsen.

US-Wirtschaft schwächelt im ersten Quartal – verzögerter Zinsanstieg in den USA

Entgegen aller Prognosen ist die US-amerikanische Wirtschaft im 1. Quartal 2015 annualisiert um nur 0,6% gegenüber dem Vorquartal gewachsen. Dennoch erwarten Experten ein Wirtschaftswachstum von 2,5% im Gesamtjahr, sodass mit einer deutlichen Belebung zur Jahresmitte zu rechnen ist. Mit den schwach ausgefallenen Wachstumszahlen revidierten die Mitglieder des Offenmarktausschusses in ihrer Juni-Sitzung ihre Einschätzung über die zukünftige Zinsentwicklung nach unten. Zwar dürfte die FED-Präsidentin Yellen noch in diesem Jahr die Zinswende einleiten, allerdings wird dieser Prozess sehr behutsam von statten gehen, womit das noch im April identifizierte Risiko einer vorzeitigen Zinserhöhung deutlich gesunken ist.

Baden‑Württemberg unterhält besonders enge Wirtschaftsbeziehungen zu den USA. Gut 12% der baden-württembergischen Gesamtexporte gingen 2014 in die Vereinigten Staaten und diese haben in den ersten 4 Monaten nach dem sehr dynamischen Gesamtjahr 2014 sogar nochmal Fahrt aufgenommen. So verzeichneten die Exporteure ein Plus von 21% im Vergleich zur Vorjahresperiode, während der Gesamtexport um moderate 5,9% zulegte. Vor dem Hintergrund der verlangsamten Zinswende in den USA und dem für baden-württembergische Unternehmen weiter sehr günstigen US-Dollar-Wechselkurs bleibt der Handel mit den USA eine der Hauptstützen für die konjunkturelle Entwicklung im Gesamtjahr 2015.

Der chinesische Exportmarkt gibt dagegen Anlass zur Sorge. Im 1. Halbjahr wurde nicht nur die Wachstumsprognose revidiert, China kämpft zudem noch mit einer Spekulationsblase am Aktienmarkt. Die Kapitalisierung chinesischer Unternehmen reduzierte sich innerhalb kürzester Zeit um die Hälfte und die Regierung ergriff radikale Maßnahmen, um den Ausverkauf zu stoppen. Ob die getroffenen Maßnahmen zur Beruhigung der Lage beitragen, ist dagegen fraglich. Die starke Korrektur relativiert sich allerdings vor dem Hintergrund, dass sich der chinesische Aktienmarkt innerhalb eines Jahres in der Spitze mehr als verdoppelt hat. Der Effekt auf die globale Wirtschaft sollte sich aber in Grenzen halten, da der chinesische Aktienmarkt nach außen abgeschottet ist. Chinas Aktienmarktkapitalisierung beträgt laut der Juli-Ausgabe des ECONOMIST ein Drittel des chinesischen BIPs und liegt somit weit unter dem Wert entwickelter Volkswirtschaften (>100%). Chinesische Aktien machen auch nur 15% des Gesamtvermögens chinesischer Haushalte aus, womit der Vermögensverlust nur geringen Einfluss auf die Binnenwirtschaft haben dürfte. Ob die um über die Hälfte gesunkene Wachstumsrate baden-württembergischer Exporte nach China (14,3% in 2014 gegenüber 5,2% in den ersten 4 Monaten 2015) eine Normalisierung oder direkt auf die diversen Probleme in China zurückzuführen ist, wird sich in den nächsten Monaten herausstellen.