:: 12/2009

Flächenverbrauch 2008 in Baden-Württemberg

Die unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist eine begrenzte Ressource. Mit der Inanspruchnahme insbesondere von Landwirtschaftsfläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke – landläufig als Flächenverbrauch bezeichnet – werden die Lebensräume von Flora und Fauna beeinträchtigt und die natürlichen Bodenfunktionen eingeschränkt. Der Beitrag beleuchtet aktuelle Aspekte des Flächenverbrauchs.

Eine Klarstellung vorweg: Fläche wird im eigentlichen Sinne nicht verbraucht. Sie wird vielmehr dauerhaft einer anderen Nutzung zugeführt. Der Begriff »Flächenverbrauch« umschreibt die Umwidmung von vormals naturnaher land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche zu siedlungsbezogener Nutzung. Entscheidende Kenngröße für die Quantifizierung des Flächenverbrauchs ist die Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche (vgl. i-Punkt). Datenquelle ist die Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung, die ihrerseits auf dem Liegenschaftskataster mit dem Flurstück als kleinster Darstellungseinheit beruht.

Im Jahr 2008 wurde in Baden-Württemberg rein rechnerisch täglich eine Fläche von 8,2 Hektar (ha) »verbraucht«. Der Jahreszuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche von 3 000 ha entspricht von der Größenordnung her rund 4 300 Fußballplätzen (100 Meter × 70 Meter). Damit ist der zusätzliche Flächenverbrauch deutlich niedriger ausgefallen als in den Vorjahren, beispielsweise um ein Fünftel weniger als 2007 (Schaubild 1).

Die täglichen Zuwachsraten der Siedlungs- und Verkehrsfläche zeigten seit Ende der 90er-Jahre eine rückläufige Tendenz. 2006 steht dagegen wieder für einen Anstieg des Flächenverbrauchs, der sich 2007 fortsetzte. Dabei gingen von der positiven Konjunkturentwicklung in diesem Zeitraum deutliche stimulierende Effekte auf den Flächenverbrauch aus. Vor diesem Hintergrund konnte für 2008 angesichts der wirtschaftlichen Eintrübung ein Rückgang des Flächenverbrauchs erwartet werden. Dass dieser dann so deutlich ausfiel, kam selbst für Fachleute überraschend.

In Bezug auf den Flächenverbrauch sind neben der Gebäude- und Freifläche, der Verkehrsfläche und der Erholungsfläche andere Flächenkategorien nur im Einzelfall bedeutsam. Der Schwerpunkt der Baumaßnahmen lag 2008 wiederum vorrangig bei der Gebäude- und Freifläche (1 900 ha; +0,7 %1) und weniger bei den Verkehrsflächen (600 ha, +0,3 %). Die Erholungsfläche, die sich etwa hälftig aus Sportflächen und Grünanlagen zusammensetzt, wurde um 440 ha oder 1,5 % ausgedehnt.

Die langjährige Betrachtung zeigt seit dem Jahrtausendwechsel allerdings bei der Gebäude- und Freifläche tendenziell sinkende jährliche Zuwachsraten, bei der Erholungsfläche dagegen steigende. Der Flächenverbrauch für Verkehrszwecke ist in seiner Entwicklung schwankend. Viel hängt hier davon ab, in welchen Umfang Zuschüsse vom Bund und aus der EU fließen. Und nicht zuletzt dürfte der Zeitpunkt, wann Großprojekte der Verkehrsinfrastruktur ihren Niederschlag im Kataster und damit im statistischen Zahlenwerk finden, großen Einfluss haben.

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat einen Anteil von 14,0 % an der Landesfläche

Die Ergebnisse der Flächenerhebung 2008 spiegeln den Stand des Automatisierten Liegenschaftsbuches (ALB) zum Stand 31. Dezember 2008 wider. Danach sind in Baden-Württemberg 85 % der Bodenfläche den Nutzungsarten Landwirtschafts- (1,64 Mill. Hektar), Wald- (1,37 Mill. ha) und Wasserfläche (38 200 ha) zuzuordnen. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche beziffert sich auf 500 400 ha; das entspricht einem Anteil am gesamten Landesgebiet (3,58 Mill. ha) von 14 % (Schaubild 2). Flächen anderer Nutzung wie Unland (unbebaute Flächen, die nicht geordnet genutzt werden wie etwa Felsen, Steinriegel oder stillgelegtes Abbauland) oder Übungsgelände belaufen sich auf rund 23 600 ha.

Der Erholung dienen 29 750 ha der Siedlungs- und Verkehrsfläche (rund 6 %), weitere 194 700 ha oder 38,9 % entfallen auf Flächen für Straßen, Wege und Plätze sowie den Schienen- und Luftverkehr. Die gesamte Gebäude- und Freifläche beziffert sich nunmehr auf 268 200 ha. Das entspricht einem Anteil von 53,6 % an der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Darunter sind 141 500 ha für Wohnzwecke und weitere 43 900 ha, die vorherrschend für gewerbliche und industrielle Zwecke genutzt werden. 16 300 ha der Gebäude- und Freifläche wird für öffentliche Zwecke bereitgestellt, weitere 13 250 ha werden vom Handel und Dienstleistungssektor genutzt. Die Gebäude- und Freifläche Land- und Forstwirtschaft beziffert sich auf landesweit 28 700 ha.

Flächenverbrauch versus Versiegelung

»Versiegelung« ist das teilweise oder vollständige Abdichten offener Böden. Entgegen der landläufigen Meinung ist »Flächenverbrauch« damit aber keineswegs mit »Versiegelung« gleichzusetzen. Denn die Siedlungs- und Verkehrsfläche umfasst in erheblichem Umfang auch Grün- und Freiflächen: Neben der Sportanlage und dem Golfplatz beispielsweise auch die mit der Bebauung verbundenen Haus- bzw. Nutzgärten und das Straßenbegleitgrün.

Unbestritten ist die Versiegelung ein gewichtiger Teilaspekt des Flächenverbrauchs, und zwar sowohl vom absoluten Umfang her als auch was die Auswirkungen auf die Umwelt anbelangt. Vonseiten der Raumordnung gibt es deshalb seit Längerem Bestrebungen, die Versiegelung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu beschreiben.2 Mangels Originärdaten handelt es sich hierbei stets um Modellrechnungen, bei denen zunächst in räumlich eng begrenzten Feldversuchen die Versiegelungsanteile der einzelnen Flächennutzungskategorien ermittelt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich verallgemeinert und auf andere Gebietseinheiten übertragen. Je nach verwendetem Berechnungsansatz differieren die Ergebnisse, bewegen sich aber dennoch in einer vergleichbaren Größenordnung. Danach sind rechnerisch landesweit in Baden-Württemberg aktuell knapp die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche (ca. 230 000 ha oder 6,5 % der Landesfläche) tatsächlich versiegelt. Dabei verläuft die Entwicklungslinie der Versiegelung parallel zu der des Flächenverbrauchs, wenn auch auf niedrigerem Werteniveau.

Kleinere Gemeinden mit Nachholbedarf?

Interessante Gesetzmäßigkeiten zeigen sich, wenn man die Ergebnisse der Flächenerhebung in Abhängigkeit von der Gemeindegröße betrachtet (Schaubild 3):

  • So steigt mit der Gemeindegröße der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Bodenfläche deutlich an. In den kleineren Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern entfallen nur etwa 7 bis 8 % der Bodenfläche insgesamt auf die Siedlungs- und Verkehrsfläche, in Gemeinden mit 9 000 bis 15 000 Einwohnern bereits 14 %. In Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern beansprucht die Siedlungs- und Verkehrsfläche rund ein Viertel der gesamten Bodenfläche, in den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern sogar über 40 %.
  • Mit der Gemeindegröße ändert sich auch die Zusammensetzung der Siedlungs- und Verkehrsfläche.
  • So gewinnt die Gebäude- und Freifläche mit wachsender Einwohnerzahl mehr und mehr an Bedeutung, bis bei einer Größe von 100 000 Einwohnern mit einem Anteil von rund 60 % an der Siedlungs- und Verkehrsfläche eine gewisse Sättigungsgrenze erreicht ist.
  • Der Erholungsfläche kommt in größeren Städten weitaus mehr Bedeutung zu als in den kleineren Gemeinden.
  • Umgekehrt werden in den kleineren Gemeinden große Anteile der Siedlungs- und Verkehrsfläche (rund 50 %) für den Verkehr genutzt. Hier fallen die überörtlichen Verbindungsstraßen relativ stark ins Gewicht. In den Großstädten sinkt der Anteil der Verkehrsflächen auf 30 % und darunter.

Wer glaubt, dass der Flächenverbrauch in kleineren Gemeinden kein Thema ist, der irrt. Denn gerade dort zeigt die aktuelle Entwicklung die größte Dynamik. Dieser Einschätzung liegen die relativen, aber auch die absoluten Veränderungsraten der Siedlungs- und Verkehrsfläche zugrunde, insbesondere was die Erholungsfläche anbelangt. Mitunter nimmt die Erholungsfläche sogar sprunghaft zu. Ursache hierfür ist beispielsweise der Bau von Golfplätzen, von denen es in Baden-Württemberg derzeit etwa 85 gibt. Aber auch der Ausbau oder die Neuanlage von Sportplätzen spielt hier eine Rolle.

Bei der Gebäude- und Freifläche liegen die jährlichen Veränderungsraten in den kleineren Gemeinden deutlich über denen der Städte. Nun sind allerdings bei einer zahlenmäßig kleinen Ausgangsbasis hohe Veränderungsraten leichter zu erzielen. Und dennoch zeigt sich das Phänomen der Flächenumwidmungen weniger im großstädtischen Umfeld als vielmehr in kleineren und mittleren Gemeinden bis hin zu einer Größe von rund 50 000 Einwohnern. Offensichtlich wird der Flächenverbrauch dort teilweise noch weniger stark wahrgenommen und als problematisch empfunden.

Die Verkehrsflächen im städtischen Bereich müssen dem gestiegenen Verkehrsaufkommen Rechnung tragen. Dabei geht es eher um die Verbreiterung bestehender Straßen als um Neubauvorhaben. Auf der anderen Seite werden beispielsweise Bahnanlagen zurückgebaut. Dabei werden frei werdende Flächen – das sind häufig innerörtliche Premium-Lagen – einer neuen Nutzung (meist für öffentliche Zwecke, Handel oder Dienstleistungen) zugeführt. In Bezug auf den Flächenverbrauch sind diese Nutzungsänderungen allerdings wertneutral. Bei kleineren Gemeinden steht die Entlastung der Ortskerne durch den Bau von Umgehungsstraßen im Vordergrund.

Regionale Aspekte der Siedlungsentwicklung

Die Ursachen der Siedlungsentwicklung sind vielschichtig und liegen in ihren Wurzeln teilweise schon lange zurück. Zu nennen sind etwa die großen Flüsse wie Rhein, Neckar oder Donau, wo der Warenverkehr auch über große Strecken einfacher zu bewältigen war als auf dem Landwege. Weiterhin waren das Vorkommen von Bodenschätzen wie die Salzlagerstätten bei Heilbronn oder günstige natürliche Standortbedingungen für die vielfältigen Produktionsausrichtungen intensiver Landwirtschaft wichtige Voraussetzungen. Dies und anderes mehr führte zu lokalen Siedlungsschwerpunkten, die dann beginnend im Zeitalter der Industrialisierung zunächst durch Bahnlinien und später durch leistungsfähige Straßen vernetzt wurden. Geringere Baulandpreise in den kleineren Gemeinden bei ausreichend verfügbaren Flächenreserven bewirkten Suburbanisierungseffekte und zogen neben der Wohnbevölkerung auch Gewerbe- und Industriebetriebe an.

Beim Schwarzwald und der Schwäbischen Alb bildet die Topografie quasi eine natürliche Barriere für Siedlungsaktivitäten. Geringe Anteile der Siedlungs- und Verkehrsfläche finden sich zudem im Norden und Osten Baden-Württembergs ausgehend vom Odenwald über das Bauland bis zur Hohenloher Ebene und dem Ries sowie im Allgäu (Schaubild 4).

Keimzelle des Siedlungsgeschehens im Zentrum Baden-Württembergs ist die Landeshauptstadt, von der aus sich die Besiedlung in alle Himmelsrichtungen erstreckt: so bis zur östlichen Grenze des Landkreises Göppingen, nach Süden mittlerweile bis in den Raum Villingen-Schwenningen/Donaueschingen. Im nordwestlichen Landesteil hat es den Anschein, als ob der Kraichgau von den großen Zentren Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg und Heilbronn aus »besiedelt« würde. Hinzu kommt ein Siedlungsband an der südlichen und westlichen Landesgrenze am Bodensee und entlang des Rheins. Ein weiteres scheint sich von Aalen über Heidenheim, Ulm und Biberach bis in den äußersten Süden nach Ravensburg und Friedrichshafen zu entwickeln.