:: 8/2009

Müttererwerbstätigkeit und Betreuung von Kindern unter 3 Jahren – ein deutsch-französischer Vergleich

Die Mehrheit unserer französischen Nachbarn ist der Überzeugung, dass sich Familie und Beruf alles in allem gut vereinbaren lassen. Nach einer Allensbach-Befragung teilen 62 % der Französinnen, aber nur 22 % der deutschen Frauen diese Einschätzung.1 Vergleicht man die Müttererwerbstätigkeit in Deutschland und Frankreich, so fällt auf, dass deutsche Mütter ihr berufliches Engagement in den ersten Lebensjahren ihres Kindes deutlich stärker einschränken als Mütter in Frankreich. Dies regt dazu an, einen genaueren Blick auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern und die Betreuung von unter 3-Jährigen in beiden Ländern zu werfen. Dabei zeigen sich teilweise altbekannte Unterschiede – aber auch Gemeinsamkeiten.

Hohe Erwerbsbeteiligung von Müttern mit einem Kind

Insgesamt sind in Deutschland mehr Frauen erwerbstätig als in Frankreich. Während im Jahr 2007 bundesweit etwa 70 % der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren einer Erwerbstätigkeit nachgingen, waren es in Frankreich etwa 65 %.2 Mütter hingegen standen in Frankreich etwas häufiger im Beruf als in Deutschland (Frankreich: 62 %, Deutschland: 58 %). Mit zunehmender Kinderzahl geht die Erwerbsbeteiligung von Müttern in beiden Ländern in vergleichbarem Umfang zurück.

Mit nur einem Kind gehen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich etwa drei Viertel der Mütter einer Erwerbstätigkeit nach (siehe i-Punkt). Anders stellt sich die Situation in Familien mit 2 Kindern dar. In Deutschland sind 68 % der Mütter mit 2 Kindern berufstätig, wohingegen in Frankreich die Müttererwerbstätigkeit auch bei dieser Kinderzahl mit 74 % relativ hoch bleibt. Leben 3 oder mehr Kinder in einer Familie, so reduziert sich auch in Frankreich die Zahl der erwerbstätigen Mütter deutlich. Dies deutet darauf hin, dass es für Mütter in kinderreichen Familien in beiden Ländern deutlich schwieriger ist, Familie und Beruf zu vereinbaren als für Mütter in kleineren Familien. Andererseits sind aber in Deutschland wie in Frankreich auch über die Hälfte der Mütter mit 3 und mehr Kindern erwerbstätig.

Dass Mütter mit Kleinkindern berufstätig sind, kommt im Bundesgebiet seltener vor als in Frankreich. Nach Angaben der OECD gingen 2005 in Deutschland 36 % der Mütter mit jüngstem Kind unter 3 Jahren einer bezahlten Arbeit nach, in Frankreich waren es mehr als die Hälfte (54 %). Mit zunehmendem Alter der Kinder gleichen sich die Erwerbstätigenquoten in Deutschland und Frankreich an. Ist das jüngste Kind 6 bis unter 17 Jahre alt, dann sind in beiden Ländern gut 60 % der Mütter erwerbstätig.3

Teilzeitarbeit ist in Deutschland deutlich stärker ausgeprägt

Über die Hälfte der Mütter in Deutschland arbeitet in Teilzeit, mit zunehmender Kinderzahl steigt ihr Anteil deutlich an. In Frankreich sowie im EU-Durchschnitt ist ebenfalls eine Zunahme der Teilzeitarbeitsverhältnisse mit steigender Kinderzahl zu beobachten, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Die Entscheidung für Kinder ist in Frankreich weniger eng an eine Reduzierung des Erwerbsumfangs von Müttern gekoppelt. Insbesondere die Geburt des ersten Kindes wirkt sich nur in geringem Maß auf den Beschäftigungsumfang der erwerbstätigen Mütter aus. Der Anteil der Teilzeitarbeitsverhältnisse stieg 2007 nur geringfügig von etwa 25 % bei Frauen ohne Kinder auf rund 28 % bei Müttern mit einem Kind an (in Deutschland von etwa 33 % auf rund 54 %).

Wie viele Mütter Teilzeit arbeiten hängt nicht nur mit der Anzahl, sondern auch mit dem Alter des jüngsten Kindes zusammen. Etwa 62 % der erwerbstätigen Frauen in Deutschland mit jüngstem Kind unter 6 Jahren arbeiteten 2007 in Teilzeit, in Frankreich waren es rund 35 %. In der Gruppe der Kinder von 6 bis unter 12 Jahren nahm der Anteil der Teilzeit arbeitenden Frauen in Frankreich leicht ab und lag bei rund 36 %, während er in Deutschland auf etwa 72 % anstieg.

In den letzten Jahren ist auch in Frankreich ein verstärkter Anstieg der Teilzeitarbeit von Müttern mit kleineren Kindern zu beobachten. Durch die 2004 eingeführten höheren Zuschüsse in der außerfamiliären Betreuung wurde beispielsweise die Inanspruchnahme der Teilzeitoption beim Elterngeld attraktiver. So stieg nach Angaben des Institut National de la Statistique et des Études Économiques (INSEE) der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Frauen mit einem Kind unter 3 Jahren von 2004 bis 2007 von etwa 14 % auf rund 18 % an.

In Frankreich wird jedes zweite Kleinkind ausschließlich von den eigenen Eltern betreut

Deutliche Unterschiede bestehen im Hinblick auf die Kinderbetreuung. In Deutschland besuchten – nach Angaben von Eurostat – 2006 etwa 17 % der Kinder unter 3 Jahren eine formale Kinderbetreuungseinrichtung.4 Rund 7 % der Kinder dieser Altersgruppe nutzten eine andere Kinderbetreuungsmöglichkeit, drei Viertel der unter 3-Jährigen wurden ausschließlich von ihren Eltern betreut (76 %).5 In Frankreich nutzte knapp ein Drittel der unter 3-Jährigen eine formale Betreuungseinrichtung (31 %), 28 % der Kinder nahmen eine andere Betreuungsmöglichkeit in Anspruch, die Hälfte der unter 3-Jährigen wurde ausschließlich von ihren Eltern betreut.

Auch die durchschnittliche Betreuungsdauer der unter 3-Jährigen unterscheidet sich in Deutschland und Frankreich. In Deutschland wurden unter 3-Jährige im Durchschnitt für etwa 22 Stunden in der Woche betreut, während in Frankreich die durchschnittliche Betreuungsdauer mit 28 Stunden pro Woche um etwa 6 Stunden darüber lag. Im EU-Durchschnitt waren es etwa 25 Stunden (EU-25).6

Betrachtet man den Anteil der unter 3-Jährigen, die im Rahmen der formalen Kinderbetreuung ganztags betreut werden, so zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede: In Deutschland waren dies etwa 7 % der Kinder, in Frankreich 17 %. Der EU-Durchschnitt lag bei 12 %. Allerdings bestehen innerhalb Europas große Unterschiede im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung der unter 3-Jährigen. In Dänemark beispielsweise wurden 66 % der Kinder dieser Altersgruppe über 30 Stunden pro Woche betreut.

Höhere Beteiligung der Väter in der Zeit nach der Geburt in Deutschland

Regelungen zum Elterngeld führen in Deutschland und Frankreich zu einer unterschiedlichen Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung in der Zeit kurz nach der Geburt. In Deutschland wird das Elterngeld nur dann 14 Monate ausgezahlt, wenn mindestens 2 Monate davon vom Vater in Anspruch genommen werden. In Frankreich gibt es keine vergleichbaren Regelungen, gezielte Anreize für die Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung bestehen kaum. Väter haben seit 2002 Anspruch auf insgesamt 14 Tage Freistellung von der Erwerbsarbeit nach der Geburt eines Kindes.7 Das Elterngeld wird in Frankreich zu 99 % von Müttern in Anspruch genommen. Erklärt werden kann diese im Vergleich zu Deutschland sehr niedrige Väterquote nicht nur durch eine traditionelle Rollenverteilung, sondern auch dadurch, dass das Elterngeld in Frankreich bei höheren Einkommen verhältnismäßig starke Einbußen darstellt.8 Insofern ist zu erwarten, dass eher der Partner mit dem niedrigeren Einkommen die Erwerbsarbeit unterbricht. Beim Elterngeld in Deutschland, das sich im Unterschied zu Frankreich am Nettoeinkommen vor der Geburt des Kindes orientiert, lag der Anteil der Väter, die mindestens 2 Monate Elternzeit in Anspruch nahmen 2008 bei 15,5 % (Baden-Württemberg: 14,3 %).9

Unterschiedliche familienpolitische Konzeptionen …

Der Blick auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Frankreich zeigt, dass in Bezug auf die Müttererwerbstätigkeit und die Betreuung von unter 3-Jährigen deutliche Unterschiede bestehen. Diese sind einerseits durch verschiedene familienpolitische Konzeptionen begründet, die in der Vergangenheit unterschiedliche Anreize zur Erwerbsbeteiligung von Frauen boten. In Deutschland war lange Zeit eine Familienpolitik vorherrschend, die es für Mütter nur wenig attraktiv machte, neben der Kinderbetreuung einer Erwerbsarbeit nachzugehen. In den letzten Jahren hat sich dies gewandelt: Die Erhöhung der Erwerbschancen von Müttern und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehören heute auch bei uns zu den zentralen familienpolitischen Anliegen. Erreicht werden sollen diese Ziele beispielsweise durch den derzeitigen Ausbau der Betreuungsangebote für unter 3-Jährige und durch das zum 1. Januar 2007 neu eingeführte Elterngeld. In Frankreich steht das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon deutlich länger im Fokus familienpolitischer Bemühungen.

… aber auch unterschiedliche Einstellungen zu Kindern und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die beobachtbaren Unterschiede im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind jedoch nicht nur auf unterschiedliche familienpolitische Zielsetzungen in der Vergangenheit zurückzuführen, sondern gehen mit sehr verschiedenen Einstellungen zu Kindern, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zu Rollenbildern in Deutschland und Frankreich einher. So favorisieren nach Ergebnissen der Allensbach-Befragung beispielsweise deutsche Mütter am ehesten ein Erwerbsmodell, das von einer Vollzeitberufstätigkeit des Mannes und einer Teilzeitbeschäftigung der Mutter ausgeht. Französische Mütter tendieren eher zu einer Vollzeitberufstätigkeit beider Partner. Auch bei der Frage, ab welchem Alter Kinder ohne Weiteres eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen können, gehen die Einschätzungen auseinander: 62 % der französischen und 7 % der deutschen Frauen halten eine externe Betreuung von Kindern im 1. Lebensjahr ohne Weiteres für möglich.

Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Frankreich als soviel besser eingeschätzt wird als in Deutschland, hat vermutlich zum einen damit zu tun, dass die familienpolitischen Bemühungen schon deutlich früher darauf ausgerichtet waren, die Erwerbschancen von Müttern zu erhöhen als in Deutschland. Darüber hinaus beeinflussen aber auch die unterschiedlichen Einschätzungen und die Sicht auf Familie die Frage, ob und wie Familie und Beruf zu vereinbaren sind. Das gesellschaftliche Klima und die Wertschätzung von Kindern tragen ganz entscheidend dazu, wie Familienfreundlichkeit in einem Land wahrgenommen wird. In der Überzeugung, dass Kinder das Leben bereichern, scheinen uns unsere französischen Nachbarn einen Schritt voraus zu sein. Dort sagen zwei Drittel derjenigen, die keine Kinder haben, dass Kinder ein Glücksfaktor sind, in Deutschland ist nur knapp die Hälfte der Kinderlosen dieser Meinung.10

1 Institut für Demoskopie Allensbach, Einflussfaktoren auf die Geburtenrate – ein deutsch-französischer Vergleich, Repräsentativbefragung der 16- bis 49-jährigen Bevölkerung in Deutschland und Frankreich, IfD-Archiv-Nr. 5216, 2007, (Zitierweise: Allensbach-Befragung).

2 Mikrozensus 2007, Institut National de la Statis-tique et des Études Économiques (INSEE) 2007.

3 OECD Family database, 2005.

4 Datenquelle: EU-SILC 2006; für Frankreich liegen bereits vorläufige Daten für 2007 vor, für Deutschland noch nicht, daher beziehen sich die Angaben für beide Länder auf das Jahr 2006.

5 Die formale Kinderbetreuung umfasst Tagesbetreuungseinrichtungen und öffentlich geförderte Tagesmütter. Die Betreuung durch die Eltern selbst, durch Tagesmütter, die direkte Vereinbarungen mit den Eltern getroffen haben sowie die Betreuung durch Großeltern, andere Verwandte, Freunde und Nachbarn fällt nicht darunter.

6 Kinder, die mindestens eine Stunde pro Woche ein Angebot formaler Kinderbetreuung nutzen.

7 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit im internationalen, insbesondere europäischen Vergleich, Länderstudien 2008.

8 Die Höhe des Elterngeldes in Frankreich (complément de libre choix d´activité) beträgt in Frankreich rund 536 Euro. Es wird nur dann ausbezahlt, wenn das Familieneinkommen bestimmte Einkommensgrenzen, die abhängig von der Familiengröße und vom Erwerbsumfang sind, nicht überschreitet. In einem Doppelverdienerhaushalt mit 2 Kindern liegt diese Einkommensgrenze beispielsweise bei 49 188 Euro. Das Elterngeld kann bis zu 3 Jahre bezogen werden, beim ersten Kind beträgt die Bezugsdauer 6 Monate.

9 Anteil der männlichen Leistungsbezieher an allen beendeten Leistungsbezügen 2008, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2009.

10 Allensbach-Befragung.