:: 9/2008

Zeitarbeitsbranche boomt

Die Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche expandiert seit Jahren mit hohen Zuwachsraten und ist inzwischen fester Bestandteil des Arbeitsmarktes.

Durch den Einsatz von Leiharbeitskräften gewinnen Arbeitgeber mehr Flexibilität und Handlungsspielräume in ihrer Personalwirtschaft. Insbesondere nach Lockerung der gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung im Jahr 2003 stockten die Zeitarbeitsfirmen in Baden-Württemberg ihr Personal kräftig auf. Auf der anderen Seite bietet die Zeitarbeit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Chance, verschiedene Firmen und Einsatzfelder kennenzulernen und somit den Anschluss auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verlieren oder ganz neu ins Arbeitsleben einzusteigen.

Zeitarbeitsbranche verdoppelt seit 2002 ihre Beschäftigtenzahl

Die Zeitarbeit entwickelte sich in den vergangenen Jahren als Boombranche und hat in erheblichem Maße zum Aufbau der Beschäftigung in Baden-Württemberg beigetragen. Nach Auswertung der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit waren zur Jahresmitte 2007 fast 88 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche tätig (siehe i-Punkt), das waren knapp 50 000 Beschäftigte mehr als 2002. Damit hat sich die Zahl der Leiharbeitnehmer im Südwesten allein in den letzten 5 Jahren weit mehr als verdoppelt (+ 130 %). Auch im Vergleich zu der seit Jahren zu beobachtenden dynamischen Entwicklung der Beschäftigten in der übergeordneten Gruppe der Unternehmensdienstleister (+ 18 %) expandierte die Zahl der bei Zeitarbeitsfirmen Beschäftigten im Land kräftig.

Insgesamt waren zur Jahresmitte 2007 gut 3,8 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Land tätig. Die Gesamtzahl der Arbeitnehmer lag aber trotz des höheren Personalbedarfs der Arbeitgeber in den letzten beiden Jahren immer noch um rund 47 000 oder 1,2 % unter ihrem letzten Höchststand im Jahr 2002. Ohne den Stellenzuwachs in der Zeitarbeit hätte die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2007 sogar um fast 100 000 unter dem Niveau von 2002 gelegen.

Gemessen an der Gesamtbeschäftigung beträgt der Anteil der Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche aktuell 2,3 % und ist damit in etwa so hoch wie im Kreditgewerbe. Die Bedeutung der Leiharbeit spiegelt sich dabei weniger in dem absoluten Niveau der Quote wider, als in deren Veränderung. 2002 war noch knapp 1 % aller Beschäftigten im Land in Zeitarbeitsfirmen angestellt.

Zeitarbeit – Frühindikator für die Arbeitsmarktentwicklung

Grundsätzlich stellt die Entwicklung der Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche wegen der erhöhten Flexibilität des Arbeitseinsatzes einen Frühindikator für die Arbeitsmarktentwicklung dar. In Zeiten der konjunkturellen Abschwächung werden in der Regel zunächst Überstunden abgebaut und Leiharbeiter entlassen, bevor der Stellenabbau das Stammpersonal der Betriebe trifft. Dies war im Zeitraum von 2000 bis 2002 zu beobachten. Zieht die Auftragslage allmählich wieder an, werden nach voller Auslastung des vorhandenen Personals zunächst Leiharbeiter eingestellt (Zeitraum 2003 bis 2005). Erst wenn sich der konjunkturelle Aufschwung festigt, stocken die Unternehmen ihr Stammpersonal wieder auf. In dieser Phase des Beschäftigungsaufbaus besteht dann nicht selten die Möglichkeit, dass Zeitarbeiter vom Entleihbetrieb fest übernommen werden (Zeitraum seit 2006). Beeinflusst wird die Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche darüber hinaus durch gesetzliche Rahmenbedingungen. Insbesondere nach Lockerung der gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung im Jahr 2003 stockten die Zeitarbeitsfirmen ihr Personal kräftig auf. Seinerseits war die Flexibilität für den Einsatz von Leiharbeitnehmern unter anderem durch den Wegfall der Überlassungshöchstdauer und der Abschaffung des Wiedereinstellungsverbots erhöht worden.1

80 % der neuen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich entstanden in der Zeitarbeitsbranche

Im Jahr 2006 kam es aufgrund des kräftigen Konjunkturaufschwungs zu einer spürbaren Belebung des Arbeitsmarktes und einem Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen von über 25 000. Rund 75 % oder 19 000 aller per saldo neu geschaffenen Arbeitsplätze im Land gingen dabei auf die Zeitarbeitsbranche zurück. Im Jahr 2007 hat der Beschäftigungsaufbau bei den Zeitarbeitsfirmen zwar etwas an Dynamik verloren, dennoch war 2007 in Baden-Württemberg mehr als jeder vierte der insgesamt gut 63 000 neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze der Zeitarbeit zuzurechnen (+ 17 000 Beschäftigte). Setzt man die Zahl der im Zeitraum 2002 bis 2007 neu entstandenen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in der Zeitarbeitsbranche ins Verhältnis zum Zuwachs an entsprechenden Arbeitsplätzen im gesamten Dienstleistungsbereich, so entfielen fast 50 000 der gut 63 000 neuen Stellen bei den Dienstleistungsunternehmen auf die Zeitarbeitsbranche. Dies entspricht einem Anteil von fast 80 %.

Leiharbeitnehmer häufig ohne Berufsausbildung

Die Zeitarbeitsbranche bietet Personen mit ganz unterschiedlicher Qualifikation eine Beschäftigungsmöglichkeit. Wie die Auswertung der Beschäftigtenstatistik zeigt, waren 2007 gut 2 % aller Zeitarbeitnehmer Akademiker und hatten somit einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss, 42 % der Leiharbeitnehmer hatten eine abgeschlossene Lehre und 43 % konnten keine Berufsausbildung vorweisen. Für die restlichen 13 % der Leiharbeiter lagen keine Angaben zur beruflichen Ausbildung vor.

Betrachtet man im Vergleich dazu das Qualifikationsniveau aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Baden-Württemberg, so ergibt sich folgendes Bild: Rund 10 % aller Beschäftigten im Land hatten 2007 eine akademische Ausbildung und weit mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer (60 %) eine abgeschlossene Lehre. Nur knapp jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (19 %) hatte keine Berufsausbildung.

Der Vergleich beider Qualifikationsstrukturen macht deutlich, dass Akademiker eher selten als Leiharbeitnehmer arbeiten. Auch ist der Anteil der Beschäftigten mit abgeschlossener Lehre unter den Zeitarbeitnehmern um ein Drittel niedriger als bei allen Beschäftigten im Land. Dagegen sind Personen ohne Ausbildung überproportional häufig in der Zeitarbeitsbranche vertreten. Der Anteil der Beschäftigten ohne Ausbildung ist mit 43 % in der Zeitarbeitsbranche mehr als doppelt so hoch wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen.

Fast 70 % der Leiharbeitnehmer haben Fertigungsberufe

Personen mit Fertigungsberufen2 sind in der Zeitarbeitsbranche am häufigsten gefragt. Insgesamt gehörten 2007 knapp 60 000 Leiharbeiter (68 %) dieser Berufsgruppe an. Neben den traditionellen Handwerksberufen wie Schlosser, Mechaniker oder Elektriker werden auch Hilfsarbeiter zu den Fertigungsberufen gezählt. Letztere sind unter den Leiharbeitern in besonderem Maße vertreten. 2007 übten mehr als 37 000 Beschäftigte in den Zeitarbeitsfirmen eine Hilfsarbeitertätigkeit aus; das waren 63 % aller Leiharbeiter mit Fertigungsberufen bzw. rund 43 % aller Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche in Baden-Württemberg. Die Hilfsarbeiter haben in den zurückliegenden Jahren besonders vom Beschäftigungsboom in den Zeitarbeitsfirmen profitiert. Im Zeitraum 2002 bis 2007 wurden fast 26 000 Stellen für Hilfskräfte geschaffen, also mehr als die Hälfte der rund 50 000 neuen Arbeitsplätze in der Zeitarbeitsbranche.

Bezogen auf die Gesamtzahl aller Zeitarbeitnehmer stieg der Anteil der Personen mit Fertigungsberufen seit 2002 um 8 Prozentpunkte, die Quote der Dienstleistungsberufe ging dagegen von 37 auf 28 % zurück. Dienstleistungsberufe werden insgesamt seltener von den Zeitarbeitsfirmen nachgefragt. Knapp 25 000 Personen aller Leiharbeitnehmer arbeiteten 2007 beispielsweise als Büro- oder Verwaltungsfachkraft, als Fahrer oder als Lagerarbeiter. Das deutliche Übergewicht von Leiharbeitern in Fertigungsberufen, in denen traditionell weit mehr Männer als Frauen beschäftigt sind, ist auch der Grund dafür, dass Zeitarbeit eher eine Domäne von Männern darstellt. Gut zwei Drittel der Leiharbeiter sind Männer und nur ein Drittel Frauen.

1 Weitere Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ab 1. Januar 2003: Wegfall des Synchronisationsverbots, das heißt Befristungs- und Überlassungsdauer können nunmehr übereinstimmen; Lockerung des Entleihverbotes im Bauhauptgewerbe; Gleichbehandlungsgrundsatz, sofern keine abweichenden Tarifvereinbarungen vorliegen.

2 Maßgebend für die Berufsbezeichnung ist allein die ausgeübte Tätigkeit und nicht der erlernte bzw. früher ausgeübte Beruf. Die Berufsbezeichnungen zur ausgeübten Tätigkeit beruhen auf der »Klassifikation der Berufe« (Ausgabe 1988), Hrsg. vom Statistischen Bundesamt.