Hauptschulen in Baden-Württemberg im Schuljahr 2006/07 eine Zusammenstellung der Fakten
Über das dreigliedrige Schulsystem und insbesondere die Zukunftsfähigkeit der Hauptschule wird seit geraumer Zeit viel und kontrovers diskutiert. In diesem Beitrag sollen daher einige Fakten über die Hauptschulen des Landes auf der Basis der amtlichen Schulstatistik dargestellt werden. In Baden-Württemberg gab es im Schuljahr 2006/07 genau 1 226 Hauptschulen mit insgesamt 183 000 Schülern. Dies waren fast 6 % Schüler weniger als im Vorjahr. Private Träger spielen bei dieser Schulart kaum eine Rolle: Landesweit befanden sich nur 29 Hauptschulen in privater Trägerschaft. Die Klassen waren mit durchschnittlich 20,3 Schülern je Klasse relativ klein. Stark 60 % der Hauptschulen des Landes wiesen entweder nicht alle Schuljahrgänge auf oder waren nur 1-zügig. Fast 300 Einrichtungen hatten weniger als 85 Schüler. Jeder vierte Hauptschüler war Ausländer. Von den gut 46 000 Abgängern aus Hauptschulen gingen im Jahr 2006 etwa 5 % ohne Abschluss, 80 % mit dem Hauptschulabschluss und knapp 15 % mit dem Realschulabschluss ab.
Hauptschulen sollen »praktische Begabungen, Neigungen und Leistungen« fördern
Über das dreigliedrige Schulsystem und insbesondere die Zukunftsfähigkeit der Hauptschule wird seit geraumer Zeit viel und kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse der internationalen OECD-Vergleichsstudie PISA haben bei einigen Bildungswissenschaftlern und Politikern dazu geführt, das dreigliedrige Schulsystem zu hinterfragen. Die seit Jahren rückläufigen Übergangsquoten von der Grundschule auf die Hauptschule in Verbindung mit einer allgemeinen Abnahme der Schülerzahlen tragen ebenfalls zur Brisanz des Themas Hauptschule bei.
Aufgabe der Hauptschule ist es laut Schulgesetz, eine grundlegende allgemeine Bildung, die sich an lebensnahen Sachverhalten und Aufgabenstellungen orientiert, zu vermitteln. »Sie fördert im besonderen Maße praktische Begabungen, Neigungen und Leistungen. In Abstimmung mit beruflichen Schulen schafft die Hauptschule die Grundlage für eine Berufsausbildung und für weiterführende, insbesondere berufsbezogene schulische Bildungsgänge1.« Aufgabe der Hauptschulen ist also laut Schulgesetz nicht die Vermittlung einer breiten und vertieften Allgemeinbildung mit einem hohen Anteil an Theorie, sondern lebensnahes Lernen mit hohem Praxisbezug.
Zahl der Hauptschüler sank auf 183 000
Die Entwicklung der Schülerzahlen an den Hauptschulen verlief seit 1952 sehr schwankend. Im Schuljahr 1952/53 waren noch weit über 400 000 Schüler an den Hauptschulen. Nach einem ersten relativen Tiefpunkt im Schuljahr 1958/59 stieg die Zahl der Hauptschüler tendenziell an bis zu einem Höhepunkt im Schuljahr 1975/76 mit fast 352 000 Schülern. Danach fiel sie kontinuierlich auf ihren bislang niedrigsten Wert im Jahr 1989/90 mit nur noch knapp 175 000 Schülern. Bis 2002/03 war wieder ein leichter tendenzieller Anstieg der Zahl der Hauptschüler zu verzeichnen. Seither hat sie von Jahr zu Jahr wieder abgenommen bis auf 178 734 Schüler an 1 197 öffentlichen, 4 254 Schüler an 29 privaten Hauptschulen im vergangenen Schuljahr 2006/07.
Zurückzuführen sind diese Schwankungen vor allem auf die demografische Entwicklung, aber auch auf die sinkenden Übergangsquoten von der Grundschule auf die Hauptschule.
Der Anteil der Mädchen an den Hauptschulen war mit 45 % geringer als es ihrem Bevölkerungsanteil entspräche, hielt sich aber in den letzten 30 Jahren relativ konstant. Die durchschnittliche Klassenstärke an den Hauptschulen lag 2006/07 bei 20,3 Schülern je Klasse und war damit wesentlich niedriger als an Realschulen oder Gymnasien mit jeweils 27,5. Dabei waren die Klassen an privaten Hauptschulen mit 22,9 Schülern im Schnitt größer als an öffentlichen mit 20,2 Schülern.
Der Großteil der Hauptschulen war 1-zügig
Interessante Hinweise zur Größe der einzelnen Einrichtungen lassen sich aus der unterschiedlichen Besetzung der einzelnen Klassenstufen ableiten. Von den insgesamt 1 226 Hauptschulen in Baden-Württemberg im Schuljahr 2006/07 waren
205 | »wenig gegliedert«,das heißt, sie hatten weniger als 5 Klassen und damit nicht alle Schuljahrgänge von Klassenstufe 5 bis 9 |
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7 | »im Aufbau«, das heißt, sie hatten mehr als 5 Klassen, aber dennoch nicht alle Schuljahrgänge von Jahrgangsstufe 5 bis 9 |
534 | »1-zügig«, das heißt, alle Schuljahrgänge waren mindestens einmal vorhanden, bei insgesamt 5 bis maximal 7 Klassen |
401 | »überwiegend 2-zügig oder 2-zügig« |
79 | »überwiegend 3-zügig oder 3- und mehrzügig« |
Damit waren im Schuljahr 2006/07 mehr als 6 von 10 Hauptschulen nur wenig gegliedert, im Aufbau oder 1-zügig. Dabei lag der Anteil der wenig gegliederten, sich im Aufbau befindlichen oder 1-zügigen Hauptschulen 2006/07 im Regierungsbezirk Stuttgart mit 52 % noch vergleichsweise niedrig. In den Regierungsbezirken Karlsruhe und Tübingen betrug dieser Anteil jeweils 63 %, im Regierungsbezirk Freiburg sogar 69 %.
Fast 300 Hauptschulen hatten weniger als 85 Schüler
Im Schuljahr 2006/07 hatten von den öffentlichen Hauptschulen2
283 | weniger als 85 Schüler3 (darunter alle 10 in Baden-Württemberg vorhandenen Hauptschul-Außenstellen) |
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610 | zwischen 85 bis unter 200 |
253 | zwischen 200 bis unter 300 |
47 | zwischen 300 bis unter 400 |
14 | mehr als 400 Schüler |
Die kleinen öffentlichen Hauptschul-Einrichtungen mit weniger als 85 Schülern verteilten sich sehr ungleich über die einzelnen Regierungsbezirke. Während es im Regierungsbezirk Karlsruhe 49 waren und im Regierungsbezirk Stuttgart 58 (darunter jeweils 1 Außenstelle), gab es im Regierungsbezirk Tübingen 81 dieser kleinen Einrichtungen (darunter 4 Außenstellen). Die meisten Hauptschul-Einrichtungen mit weniger als 85 Schülern fanden sich aber im Regierungsbezirk Freiburg: 91 Stammschulen und 4 Außenstellen. Allein im Ortenaukreis waren 23 Hauptschulen (alles Stammschulen) betroffen.
Von den insgesamt 29 privaten Hauptschulen hatten
14 | weniger als 85 Schüler |
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4 | zwischen 85 bis unter 200 |
8 | zwischen 200 bis unter 300 |
3 | über 300 Schüler |
Nur wenige Schüler konnten von der Haupt- auf die Realschule wechseln
Die meisten der rund 183 000 Hauptschüler (98 %) im Schuljahr 2006/07 waren auch im vorangegangenen Jahr bereits an der Hauptschule:
176 000 | von ihnen waren im Vorjahr in der vorangegangen Klassenstufe |
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2 600 | hatten die Klasse (freiwillig oder unfreiwillig) wiederholt |
1 200 | waren in einer Vorbereitungsklasse für Ausländer bzw. einer Förderklasse für Aussiedler |
1 300 | wechselten von der Realschule auf eine Hauptschule |
800 | kamen von einer Sonderschule |
Von einem Gymnasium waren kaum Schüler auf die Hauptschule gewechselt. Knapp 800 Hauptschüler waren aus dem Ausland oder einer integrierten Schulform gekommen.
Von der Hauptschule auf die Realschule konnten im Jahr 2006 nur wenige Schüler wechseln: Knapp 2 400 (1 %, wie im Vorjahr auch) der insgesamt 245 000 Realschüler waren aus einer Hauptschule gekommen. Lediglich in der Klassenstufe 6 der Realschulen war der Anteil der Schüler, die aus der Hauptschule übergewechselt waren, mit 3,5 % vergleichsweise hoch. Der zweithöchste Anteil der Wechsler aus der Hauptschule in die Realschule betrug bereits nur noch 1,4 % in Klassenstufe 7.
Jeder vierte Hauptschüler ist Ausländer – und meist türkisch
Jeder vierte Hauptschüler in Baden-Württemberg war im vergangenen Schuljahr Ausländer. Damit ist der Ausländeranteil an dieser Schulart so hoch wie an keiner anderen, wenngleich die Sonderschulen (alle Behinderungsarten zusammen betrachtet) mit 23 % diesem Wert recht nahe kommen. Innerhalb der Sonderschulen unterscheidet man allerdings neun Schultypen, von denen die Förderschulen (früher: Schulen für Lernbehinderte) einen Ausländeranteil von 32 % haben, der höher liegt als an den Hauptschulen.
47 % der ausländischen Hauptschüler waren weiblich und 53 % männlich. Fast die Hälfte (48 %) der ausländischen Schüler hatte die türkische Staatsangehörigkeit. Die zweitgrößte Gruppe unter den ausländischen Hauptschülern bildeten die italienischen Schüler mit 14 %, gefolgt von den serbischen/montenegrinischen Schülern mit 7 %.
Knapp 8 000 (4 %) Hauptschüler waren Aussiedler. Der Anteil ist in den letzten Jahren stark gesunken. Im Schuljahr 2000/01 wurden noch fast dreimal so viele Aussiedler gemeldet, ihr Anteil an den Hauptschülern insgesamt betrug damals noch 11 %. Für Ausländer und Aussiedler sind an einigen Hauptschulen sogenannte Vorbereitungs- und Förderklassen eingerichtet, in denen die Schüler bei Bedarf auf den normalen Unterricht in Regelklassen vorbereitet werden sollen. Im Schuljahr 2006/07 wurden in diesen besonderen Klassenarten insgesamt rund 2 500 Ausländer bzw. Aussiedler unterrichtet.
15 % der Hauptschulabgänger hatten den Realschulabschluss in der Tasche
Im Jahr 2006 sind gut 46 000 Schüler von der Hauptschule abgegangen, davon etwa
5 % | ohne Abschluss |
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80 % | mit dem Hauptschulabschluss |
15 % | mit dem Realschulabschluss |
Ausländische Jugendliche schnitten dabei schlechter ab als deutsche. Während von den deutschen Hauptschulabgängern 4 % (1 360) die Schule ohne Abschluss verließen, waren es bei den ausländischen 10 % (1 057). Mit dem Hauptschulabschluss in der Tasche konnten von den deutschen Hauptschülern 81 %, von den ausländischen 77 % abgehen.
Dabei werden alle Abgänge von Klassenstufe 5 bis Klassenstufe 9 (bzw. 10) addiert. Betrachtet man dagegen nur die Abgänge aus Klassenstufe 9, fallen die Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Abgängern sehr gering aus: 98 % der Abgänger aus Klassenstufe 9 mit deutscher Staatsangehörigkeit konnten mit dem Hauptschulabschluss abgehen, aber auch 95 % der Abgänger mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Offenbar haben ausländische Jugendliche bessere Chancen auf einen qualifizierten Abschluss, wenn sie die 9. Klassenstufe einer Hauptschule erreichen und nicht wegen erfüllter Vollzeitschulpflicht (zum Beispiel aufgrund später Übersiedelung und/oder Wiederholen von Klassenstufen) bereits nach Klassenstufe 7 oder 8 die Schule verlassen.4 Dafür sprechen auch die vergleichsweise geringen Unterschiede bei den Quoten der Abgänger mit Realschulabschluss: 15 % der deutschen Hauptschulabgänger, aber auch 13 % der ausländischen konnten nach dem Besuch der 10. Klasse diesen Abschluss erzielen. Mädchen erreichten sowohl bei den deutschen als auch bei den ausländischen Abgängern höhere Quoten als Jungen. Mit dem Realschulabschluss gingen 13 % der Jungen und 16 % der Mädchen von der Hauptschule ab.
Die Werkrealschule: Für Hauptschüler der direkte Weg zur mittleren Reife
Den Realschulabschluss kann man in Baden-Württemberg an denjenigen Hauptschulen erwerben, die eine 10. Klassenstufe führen. Im Schuljahr 2006/07 war dies an 349 öffentlichen und 10 privaten Hauptschulen der Fall. 6 891 Schüler besuchten freiwillig diese 10. Klassenstufe. Zuvor muss aber bereits in den Klassenstufen 8 und 9 ein Zusatzunterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch besucht werden. Dieser Zusatzunterricht wird auch von vielen Hauptschulen angeboten, die keine 10. Klassenstufe führen. Die Schüler müssen hier ggf. nach dem Absolvieren des Zusatzunterrichts und dem erfolgreichen Besuch der 9. Klassenstufe auf eine andere Hauptschule mit 10. Klassenstufe wechseln. 2006/07 nahmen 38 015 (48 %) der insgesamt 79 337 Hauptschüler in den Klassenstufen 8 und 9 an diesem Zusatzunterricht teil. Angeboten wurde dieser Zusatzunterricht von 1 131 Hauptschulen, den sogenannten »Werkrealschulen«. Der Abschluss an einer Werkrealschule ist gleichwertig mit der mittleren Reife an der Realschule und in allen Bundesländern anerkannt. Zum Schuljahr 2006/07 waren rund 16 % der Hauptschüler nach dem Besuch der 9. Klasse in die 10. Klasse einer Werkrealschule gewechselt.
Einen weiteren Weg zum Erwerb der mittleren Reife nach dem erfolgreichen Besuch der 9. Klasse der Hauptschule stellen die 2-jährigen Berufsfachschulen dar. Außerdem erwirbt ein Hauptschüler, der die Berufsschule mit einem Gesamtnotendurchschnitt von mindestens 3,0 abschließt, ausreichende Fremdsprachenkenntnisse nach 5-jährigem Unterricht nachweist und die Gesellen- oder Facharbeiterprüfung erfolgreich ablegt, ebenfalls einen mittleren Abschluss5.