:: 6/2005

Verdienstentwicklung 2004

Das Jahr 2004 brachte tarifpolitisch keine verbesserten Rahmenbedingungen gegenüber den Vorjahren. In allen Tarifbereichen sahen sich die Gewerkschaften mit konkreten Vorschlägen zu Verschlechterungen und Einschnitten in die Tarifstandards konfrontiert. Zum Teil wurden Null-runden und verlängerte Arbeitszeiten sowie zahlreiche neue Öffnungsklauseln vereinbart. Die ökonomische Entwicklung verlief zwar günstiger als im Vorjahr, aber von einer konjunkturellen Erholung konnte keine Rede sein. Die stagnierende Binnennachfrage konnte auch durch die starke Exportentwicklung nicht ausgeglichen werden. Am Arbeitsmarkt gab es daher keinerlei durchschlagende Verbesserung.

Unter diesen Rahmenbedingungen nahm der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst der Angestellten im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg um 2,8 % zu, der Bruttomonatslohn der Industriearbeiter um 2,6 %. In den einzelnen Branchen und zwischen Männern und Frauen gab es deutliche Unterschiede.

Tarifabschlüsse 2004 erneut unterVorjahresniveau

Auch im Jahr 2004 wurden wegen länger laufender Vergütungsabkommen aus dem Vorjahr nur für einen kleineren Teil der Beschäftigten neue Lohn- und Gehaltstarifverträge abgeschlossen. Die kalenderjährliche Steigerung der Tarifverdienste 2004 gegenüber 2003 betrug laut Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichem Institut des DGB (WSI) für ganz Deutschland 2,0 %. Während für Westdeutschland eine durchschnittliche Steigerung um 1,9 % errechnet wurde, erreichte sie in den neuen Bundesländern 2,5 %. Bundesweit am höchsten fiel diese Steigerung mit 2,4 % im Bereich Kreditinstitute und Versicherungen aus und am niedrigsten in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Energie- und Wasserversorgung mit 1,7 % (Schaubild 1).

Die Verdienste der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes stiegen am 1. Januar 2004 um 1,0 % und am 1. Mai 2004 um weitere 1,0 % linear. Außerdem wurde im November eine Einmalzahlung von 50 Euro gewährt. Die Beamtenbezüge erhöhten sich entsprechend den Angestelltenvergütungen, jedoch jeweils um ein Vierteljahr versetzt, das heißt zum 1. April und zum 1. August 2004 jeweils um 1,0 %. Eine Einmalzahlung erfolgte im vergangenen Jahr jedoch nicht. Bei einer Steigerung des Preisindex für die Lebenshaltung um 1,6 % in Deutschland und um 1,9 % in Baden-Württemberg (2003 bis 2004) konnten nicht mehr alle Arbeitnehmer im Südwesten allein aufgrund der Tarifsteigerungen eine reale Verdienstverbesserung erreichen. Dies gilt insbesondere auch für den öffentlichen Dienst und dort für die Besoldungsempfänger in Baden-Württemberg, die eine jahresdurchschnittliche Erhöhung von 1,2 % im vergangenen Jahr akzeptieren mussten. Um die Verdienstentwicklung auf Grundlage der gezahlten Verdienste zu untersuchen, eignen sich insbesondere die Ergebnisse der in vierteljährlichem Abstand durchgeführten laufenden Verdiensterhebung (siehe i-Punkt 1).

Angestellte verdienen durchschnittlich 3 580 Euro brutto im Monat

Das Bruttomonatsgehalt der vollzeittätigen Angestellten im Produzierenden Gewerbe, im Handel, bei Kreditinstituten und im Versicherungsgewerbe in Baden-Württemberg lag im Jahr 2004 bei durchschnittlich 3 580 Euro. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies eine Steigerung um 2,8 %. Getrennt nach Geschlecht und Wirtschaftsbereich weisen die Verdienste dabei deutliche Unterschiede aus (Tabelle 1). Angestellte im Produzierenden Gewerbe erreichten mit 3 982 Euro ein um ein Drittel höheres Durchschnittsgehalt als Angestellte in den Dienstleistungsbereichen Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe mit 2 988 Euro. Erklären lässt sich dieser große Abstand im Verdienstniveau unter anderem mit geschlechtsspezifischen Merkmalen. Während im Produzierenden Gewerbe drei Viertel aller vollzeittätigen Angestellten Männer sind, ist in den Bereichen Handel, Banken und Versicherungen fast jede zweite Vollzeitbeschäftigte eine Frau. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern wirkt sich ein größerer Anteil an männlichen Angestellten auch in einem höheren Gesamtdurchschnittsverdienst im jeweiligen Wirtschaftsbereich aus. Über alle Branchen hinweg lag das Durchschnittsgehalt einer weiblichen Angestellten mit 2 760 Euro bei etwa 70 % des Durchschnittsverdienstes eines Mannes mit 3 984 Euro.

Verdiensthöhe der Angestelltenmaßgeblich durch Qualifikation bestimmt

Allein mit einem Mittelwert von 3 580 Euro lassen sich noch keine Aussagen über die Verteilung der Verdienste innerhalb einer ganzen Arbeitnehmergruppe machen. Tatsächlich sind die Gehälter bei den Angestellten je nach Leistungsgruppe (vgl. i-Punkt 2) sehr unterschiedlich (Schaubild 2). Neben anderen, die Verdiensthöhe bestimmenden Einflussfaktoren wie Branche, Betriebsgröße, Tarifbindung, Alter oder Dauer der Betriebszugehörigkeit, wirkt sich in starkem Maße die Qualifikation der Beschäftigten auf ihr Verdienstniveau aus. Vor allem die besser verdienenden Angestellten der Leistungsgruppe II, die ca. ein Viertel aller Angestellten bilden, ziehen den Gesamtdurchschnitt mit einem Bruttomonatsverdienst von 4 901 Euro überproportional nach oben. Bereits die nachfolgende Leistungsgruppe III liegt mit einem Monatsverdienst von 3 501 Euro unterhalb des Mittelwertes von 3 580 Euro. Zugleich bedeutet dies, dass drei Viertel aller Angestellten Gehälter unterhalb des ermittelten Durchschnittswertes beziehen.

Eine wichtige Rolle spielt auch die berufliche Ausrichtung der Angestellten in den technischen oder kaufmännischen Bereich. Technische Angestellte verdienten im vergangenen Jahr mit 4 161 Euro über 900 Euro mehr im Monat als die Kolleginnen und Kollegen im kaufmännischen Bereich mit 3 234 Euro.

Weibliche Angestellte in verantwortlicher Position nach wie vor unterrepräsentiert

Frauen in höher qualifizierten Positionen waren auch im Jahr 2004 erheblich seltener anzutreffen als Männer. In den untersuchten Wirtschaftsbereichen des Produzierenden Gewerbes, des Handels und des Kredit- und Versicherungswesens war im Oktober 2004 lediglich eine von zehn vollzeittätigen Frauen in verantwortlicher Position (Leistungsgruppe II) tätig. Bei den Männern hingegen war es immerhin jeder Dritte. Im langjährigen Rückblick zeigt sich ein schwacher Trend hin zu einem wachsenden Frauenanteil in den höher qualifizierten und besser bezahlten Beschäftigungsverhältnissen. Von Oktober 1995 bis Oktober 2004 stieg der Anteil aller beschäftigten weiblichen Angestellten, die in Leistungsgruppe II eingestuft wurden, von 7 auf 10 %.

Tendenziell vergrößert sich auch der Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern mit steigender Qualifikation. Während eine ungelernte Angestellte (Leistungsgruppe V) mit 1 785 Euro noch ca. 90 % des Verdienstes ihres männlichen Kollegen (1 985 Euro) erreichte, lag das Durchschnittsgehalt einer weiblichen Angestellten in verantwortlicher Position mit 4 157 Euro um rund ein Fünftel niedriger als das eines Mannes mit 5 008 Euro.

Bruttostundenlohn der Industriearbeiter bei 16,40 Euro

Etwas schwächer als die Gehälter der Angestellten stiegen die Bruttomonatslöhne der vollzeittätigen Arbeiterinnen und Arbeiter im Produzierenden Gewerbe. Bei einem spürbar niedrigeren monatlichen Durchschnittsverdienst von 2 674 Euro gegenüber den Kollegen im Angestelltenverhältnis (3 580 Euro) wurde eine Arbeitsstunde mit 16,39 Euro brutto entlohnt. Prozentual konnten infolge einer leicht gestiegenen bezahlten Wochenarbeitszeit die Bruttomonatslöhne mit einem Plus von 2,6 % etwas stärker zulegen als die Bruttostundenverdienste mit 2,2 %.

Der geschlechtsspezifische Verdienstunterschied ist im gewerblichen Bereich auch aufgrund des geringeren Tätigkeitsspektrums nicht ganz so stark ausgeprägt. Eine Arbeiterin erreichte mit einem Stundenlohn von 12,79 Euro bzw. einem Monatslohn von 2 049 Euro rund 75 % des Durchschnittsverdienstes eines Mannes, dessen Arbeitsstunde mit 17,08 Euro bzw. 2 797 Euro im Monat vergütet wurde (siehe Tabelle 2).

Facharbeiter verdienen 40 % mehr als Ungelernte

Erwartungsgemäß macht sich eine qualifizierte Ausbildung auch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern bezahlt. Der Bruttostundenlohn von ausgebildeten Fachkräften im Produzierenden Gewerbe lag mit 18,39 Euro fast 40 % höher als der Stundenverdienst von ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern mit 13,19 Euro. Ein männlicher Facharbeiter erzielte dabei mit 18,47 Euro einen um rund 17 % höheren Stundenverdienst als eine zur Facharbeiterin ausgebildete Kollegin mit 15,81 Euro. Mit abnehmender Qualifikation nähern sich auch die Verdienstabstände zwischen den Geschlechtern einander an. So beträgt die Lohndifferenz bei Hilfsarbeitern ohne Ausbildung zwischen Männern (13,89 Euro) und Frauen (12,42 Euro) noch 12 %. Darüber hinaus lassen sich signifikante Qualifikationsunterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Während bei den Männern mehr als 60 % zum Facharbeiter ausgebildet sind, besitzen nur 10 % der im Produzierenden Gewerbe tätigen Frauen die gleiche Qualifikation. Über die Hälfte der Frauen hingegen sind in den Betrieben als ungelernte Hilfskräfte beschäftigt.

Fahrzeugbau bietet die besten Verdienstmöglichkeiten

Auch zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen besteht eine erhebliche Verdienststreuung. Die Spitzenverdiener waren im Jahr 2004 im Fahrzeugbau beschäftigt. Mit einem Bruttomonatsverdienst von 4 695 Euro lagen hier die Gehälter der Angestellten deutlich höher als in allen anderen Branchen. Am Ende der Verdienstskala lagen – wie in den Vorjahren – die Gehälter der Angestellten im Einzelhandel. Mit 2 449 Euro erreichten sie nur etwas mehr als die Hälfte des Durchschnittsverdienstes ihrer Kolleginnen und Kollegen im Fahrzeugbau.

Analog zu den Angestellten wurden auch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern die besten Verdienstmöglichkeiten im Fahrzeugbau ermittelt. Mit 3 238 Euro brutto im Monat war der Fahrzeugbau der einzige Wirtschaftszweig mit einem durchschnittlichen Monatslohn von über 3 000 Euro. Den geringsten Bruttomonatslohn bezogen die Arbeiterinnen und Arbeiter im Textil- und Bekleidungsgewerbe mit 2 021 Euro.

Neben den aktuell bestehenden Unterschieden im Verdienstniveau ist im mehrjährigen Rückblick auch eine differenzierte Lohn- und Gehaltsentwicklung zwischen den einzelnen Branchen zu beobachten. Während im Zeitraum von 2000 bis 2004 im Fahrzeugbau nicht nur effektiv die höchsten Löhne und Gehälter gezahlt wurden, konnte in dieser Branche mit einem Plus von über 13 % auch die höchste Steigerungsrate festgestellt werden. Ebenfalls noch überdurchschnittliche Zuwachsraten wurden im Bereich »Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen; Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« mit 11,6 % erzielt. Im Gegensatz dazu lag der Bruttoverdienst im Hoch- und Tiefbau im Jahresdurchschnitt 2004 lediglich 5,4 % höher als im Durchschnitt des Jahres 2000. Im gesamten Produzierenden Gewerbe lag der Anstieg bei 11 %. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass Veränderungen in der Verdiensthöhe neben tariflichen Einflüssen vor allem auch durch Veränderungen in der Arbeitnehmerstruktur, Veränderung von Zulagen und Mehrarbeitsstunden sowie konjunkturell bedingten Einflüssen zustande kommen können.

Bezahlte Wochenarbeitszeit der Arbeiterinnen und Arbeiter unverändert

Mit durchschnittlich 37,5 Stunden blieb die Wochenarbeitszeit der Arbeiterinnen und Arbeiter im Produzierenden Gewerbe in Baden-Württemberg im Vergleich zum Vorjahr (37,4 Stunden) nahezu unverändert. Bundesweit gehörte Baden-Württemberg damit im Jahr 2004 zu den Ländern mit eher unterdurchschnittlichem Arbeitszeitniveau. Am längsten wurde in Sachsen-Anhalt mit 40,1 Stunden gearbeitet, die kürzesten Arbeitszeiten konnten in Bremen mit 36,4 und Niedersachsen mit 36,5 Stunden ermittelt werden.

Für ganz Deutschland lag der Durchschnittswert bei 37,9 Wochenstunden. Insgesamt hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter in den neuen Bundesländern mit 39,7 Stunden eine um mehr als zwei Stunden längere Arbeitswoche als die Arbeiterinnen und Arbeiter im früheren Bundesgebiet mit 37,6 Stunden1 .

Die längsten Arbeitszeiten in Baden-Württemberg wurden im Bereich Gewinnung von Steinen und Erden mit 41,9 Stunden sowie im Holzgewerbe (ohne Herstellung von Möbeln) mit 41,0 bezahlten Wochenstunden ermittelt. Die kürzeste Arbeitswoche hatten die gewerblichen Arbeitnehmer im Fahrzeugbau mit 36,2 Wochenstunden.

Löhne und Gehälter im Osten 26 % unter Westniveau

Im Bundesvergleich liegen die Verdienste der Arbeitnehmer in Baden-Württemberg sowohl bei den Angestellten als auch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern mit an der Spitze. Nur in Hamburg und Hessen wurden im vergangenen Jahr höhere Gehälter gezahlt (Schaubild 3). Mit 3 580 Euro lag das Bruttomonatsgehalt eines Angestellten in Baden-Württemberg ca. 6 % höher als im Bundesdurchschnitt mit 3 384 Euro. Vergleichbar ist die Situation auch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern im Produzierenden Gewerbe. Hinter Hamburg, Bremen und dem Saarland liegt Baden-Württemberg an vierter Stelle. Mit 2 674 Euro lag der Bruttomonatslohn in Baden-Württemberg auch deutlich über dem Durchschnittslohn in ganz Deutschland mit 2 507 Euro. Zu den hohen Durchschnittsverdiensten in Hamburg und Bremen tragen vor allem branchencharakteristische Gegebenheiten bei. Insbesondere die Ansiedlung von Wirtschaftszweigen mit überdurchschnittlichem Verdienstniveau wie dem Luft- und Raumfahrzeugbau oder der Mineralölindustrie sowie das regional begrenzte und urban geprägte Wirtschaftsgebiet wirken sich positiv auf die Verdiensthöhe aus. Hessen profitiert im Ländervergleich der Angestelltengehälter vor allem von den überdurchschnittlichen Gehältern im Kreditgewerbe.

Nach wie vor ist die Verdienstsituation der Arbeitnehmer im Osten und Westen der Bundesrepublik durch ein erhebliches Gefälle gekennzeichnet. Sowohl bei den Angestellten als auch bei den Arbeiterinnen und Arbeitern lag der Durchschnittsverdienst im Osten um mehr als ein Viertel niedriger als im früheren Bundesgebiet. Angestellte in den neuen Ländern einschließlich Berlin-Ost erreichten mit 2 572 Euro etwa 74 % des Westniveaus mit 3 470 Euro. Gleiches gilt auch für die gewerblichen Arbeitnehmer. Hier wurden im Osten Deutschlands mit 1 920 Euro im Durchschnitt ebenfalls 26 % weniger monatlich ausbezahlt als im Westen mit 2 594 Euro.

Ausblick

Die Tarifrunde 2005 findet wie auch in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund einer schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation statt. Im öffentlichen Dienst steht eine Totalreform des Tarifrechts bevor, an der die Länder sich jedoch bisher nicht beteiligen. Für einige Branchen stehen die Tariferhöhungen für 2005 bereits aus früheren Tarifabschlüssen fest. Sie liegen zwischen 1,6 % im Bankgewerbe (ab September) und 2,7 % bei der Deutschen Telekom AG (ab Januar).

Angesichts der Kündigung von verschiedenen Manteltarifverträgen als Folge der weiterhin angespannten konjunkturellen Situation ist es fraglich, ob trotz relativ schwacher Preissteigerung im laufenden Jahr 2005 für alle Arbeitnehmer in Baden-Württemberg ein Kaufkraftverlust vermieden werden kann.

1 Diese Durchschnitte wurden auf Grundlage der bezahlten Arbeitszeit ermittelt und beinhalten somit auch bezahlte Urlaubs- und Feiertage, die von Bundesland zu Bundesland variieren können. Mehrarbeitsstunden, die durch Freizeit ausgeglichen wurden, sind hier nicht berücksichtigt.