:: 8/2004

Erwerbsbeteiligung in Baden-Württemberg im Vergleich der europäischen Länder

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung muss sich Baden-Württemberg hinsichtlich des Beschäftigungsniveaus, der Frauenerwerbstätigkeit, der Teilzeitbeschäftigung und anderer Strukturen der Erwerbstätigkeit nicht nur mit den nationalen Vergleichsgrößen – den Bundesländern –, sondern auch im europäischen Vergleich messen lassen. Für diesen europäischen Vergleich stehen auf Basis der EU-Arbeitskräfteerhebung, die in Deutschland in Verbindung mit dem Mikrozensus durchgeführt wird, international vergleichbare Ergebnisse zur Verfügung. Da für die EU-Arbeitskräfteerhebung 2003 noch nicht europaweit Ergebnisse zur Verfügung stehen, wurde in diesem Beitrag auf die Angaben für das Jahr 2002 zurückgegriffen. Jedoch wurden die mit der EU-Erweiterung vom 1. Mai 2004 hinzugekommenen 10 neuen Mitgliedstaaten, soweit Angaben vorlagen, ebenfalls zum Datenstand 2002 berücksichtigt.

Im Vergleich der bisherigen 15 Mitgliedstaaten, aber auch im Vergleich aller nun 25 EU-Mitglieder, weist Baden-Württemberg mit einer Erwerbstätigenquote von gut 70 % eine überdurchschnittlich hohe Erwerbsbeteiligung auf. Auch die Teilzeitquote Baden-Württembergs (annähernd 25 %) liegt deutlich über dem EU-25-Durchschnitt von knapp 17 %. Die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung wird in Baden-Württemberg insbesondere von Frauen stark genutzt, in den neuen Mitgliedsländern dagegen kaum: So liegt der Durchschnittswert der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit im Durchschnitt der EU-25 bei knapp 30 %, in Baden-Württemberg liegt ihr Anteil sogar bei annähernd 47 %. In Sachen Erwerbslosigkeit steht Baden-Württemberg mit einer Erwerbslosenquote von 6 % im europäischen Vergleich relativ günstig da.

Die Disparitäten zwischen den EU-Mitgliedsländern hinsichtlich der Beschäftigungsstrukturen und insbesondere bezüglich der Erwerbslosigkeit haben sich zumindest in Teilen mit dem Beitritt der 10 neuen Mitgliedstaaten ausgeweitet. Hier bleibt abzuwarten, inwieweit die Integrationsbemühungen die bestehenden Unterschiede abschwächen werden.

Überdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der Baden-Württemberger

Nach den Ergebnissen der EU-Arbeitskräfteerhebung bzw. des Mikrozensus waren im Jahr 2002 in den mittlerweile 25 EU-Mitgliedsländern knapp 192 Millionen Personen im Alter von 15 Jahren und mehr erwerbstätig. Die Erwerbstätigenquote, das heißt der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, lag im EU-Durchschnitt bei knapp 63 %.1 Die Erwerbstätigenquote der bisher 15 EU-Mitglieder lag dabei mit gut 64 % etwas höher.

Die EU-weit höchsten Erwerbsbeteiligungen hatten:

Dänemark76 %
Niederlande75 %
Schweden74 %

Die geringste Erwerbsbeteiligung meldeten

Polen52 %
Malta55 %
Italien55 %

Im Vergleich mit den Ländern der EU liegt in Baden-Württemberg der Anteil der Erwerbstätigen an den 15- bis 65-Jährigen mit gut 70 % überdurchschnittlich hoch (vgl. Tabelle 1). Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg ist dabei – wie auch die Bevölkerung insgesamt – von einem deutlichen Alterungsprozess geprägt, wobei festzustellen ist, dass heute viele der Älteren wieder länger im Erwerbsleben stehen. Die Erwerbstätigenquote der 60- bis unter 65-jährigen Baden-Württemberger hat mit 29 % mittlerweile nahezu das Niveau von 1980 erreicht. Baden-Württemberg befindet sich damit eher im europäischen Mittelfeld, wo im Durchschnitt 23 % der 60- bis unter 65-Jährigen einem Erwerb nachgehen. Am »aktivsten« sind die Älteren in Schweden (53 %), Portugal (43 %) und Estland (42 %). Im Durchschnitt der EU lag im Jahr 2002 der Anteil der jüngeren Erwerbstätigen, also der Erwerbstätigen im Alter von 15 bis unter 40 Jahren an allen Erwerbstätigen, bei 51 %. Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Deutschland lag ihr Anteil nur bei 49 %. Auch der Arbeitsmarkt in Estland sowie in Finnland und Schweden ist mit einem Anteil der 40-Jährigen und Älteren an allen Erwerbstätigen von 55 bzw. 54 % von überdurchschnittlich viel älteren Berufstätigen geprägt. Überdurchschnittlich jung sind dagegen die Erwerbstätigen in Irland und Spanien. Hier lag der Anteil der jüngeren Erwerbstätigen an allen Erwerbstätigen sogar bei 58 bzw. 56 %.

Dienstleistungsbereich in Baden-Württemberg unterdurchschnittlich ausgeprägt

Die insgesamt etwa 192 Mill. Erwerbstätigen der 25 EU-Mitgliedsländer verteilten sich im Jahr 2002 wie folgt auf die Wirtschaftsbereiche

Land-, Forstwirtschaft und Fischerei6 %
Produzierendes Gewerbe29 %
Dienstleistungsbereich66 %

Mit der Integration der 10 neuen Mitgliedsländer hat sich das Gewicht der Land-, Forstwirtschaft und Fischerei von 4,0 % im Rahmen der EU-15 auf knapp 6 % in der EU-25 erhöht. Die agrarische Ausrichtung ist noch besonders hoch in

Polen20 %
Litauen19 %
Griechenland16 %
Lettland15 %
Portugal13 %

Folgerichtig hat das Gewicht des Dienstleistungsbereichs von knapp 68 % in der EU-15 auf 66 % in der EU-25 abgenommen. Einen Schwerpunkt bildet der Dienstleistungsbereich insbesondere in

Luxemburg78 %
Niederlande76 %
Schweden75 %
Vereinigtes Königreich75 %
Dänemark73 %

In Baden-Württemberg hat dagegen das Produzierende Gewerbe mit knapp 40 % im Vergleich zur EU und zur Bundesrepublik Deutschland eine immer noch überdurchschnittliche Bedeutung, auch wenn der Anteil des Dienstleistungsbereichs in Baden-Württemberg mittlerweile auf 58 % gegenüber 43 % im Jahr 1980 ausgeweitet wurde (Tabelle 1).

Frauenerwerbstätigkeit in Baden-Württemberg im europäischen Mittelfeld

Der Vergleich mit 1992 zeigt, dass die Zahl der Erwerbstätigen in allen Ländern, mit Ausnahme Deutschlands, deutlich angestiegen ist.2 Besonders hervorzuheben sind hierbei die Entwicklungen in

Irland+52 %
Spanien+26 %
Niederlande+24 %
Luxemburg+14 %
Portugal+14 %

In Baden-Württemberg stieg die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleichszeitraum lediglich um knapp 3 %, in der Bundesrepublik Deutschland sank sie dagegen um nahezu 1 %.

Von der sich – mit Ausnahme Deutschlands – in allen Ländern der EU zeigenden deutlichen Beschäftigungsausweitung haben europaweit insbesondere die Frauen profitiert. So stieg die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen seit 1992 in

Irlandüber +80 %
Spanien+45 %
Niederlande+36 %

Auch Baden-Württemberg verzeichnet in diesem Zeitraum einen Anstieg der Zahl der weiblichen Erwerbstätigen um über 10 %.

Eine besonders hohe Frauenerwerbstätigkeit (Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen) zeigt sich 2002 in den nordischen Mitgliedstaaten:

Lettland50 %
Estland49 %
Litauen49 %
Finnland48 %
Schweden48 %

Schlusslichter in Sachen Frauenerwerbstätigkeit sind Spanien mit 38 % und Malta mit 31 %. Baden-Württemberg liegt mit einem Anteil der Frauen an allen Erwerbstätigen von rund 44 % im Mittelfeld der EU.

Teilzeitquote Baden-Württembergs deutlich über EU-Durchschnitt

Die Beschäftigungssituation in der EU ist zudem von einer stark unterschiedlichen Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung geprägt. Während in Deutschland bzw. in Baden-Württemberg der Anteil der Teilzeitkräfte bei 21 bzw. 25 % liegt, arbeiten in den Niederlanden sogar 44 % der Erwerbstätigen in Teilzeit. Besonders gering fällt die Teilzeitbeschäftigung in den 10 neuen Mitgliedstaaten aus. In allen neuen EU-Staaten liegt die Teilzeitquote deutlich unter dem Durchschnitt der 25 Mitgliedsländer von knapp 17 % (siehe Schaubild). Die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung wird insbesondere von Frauen genutzt. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind, variiert innerhalb Europas zwischen knapp 3 % in der Slowakischen Republik und einem Spitzenwert von annähernd 73 % in den Niederlanden. Insbesondere in den 10 neuen Mitgliedstaaten arbeiten weitaus weniger Frauen in Teilzeit als der EU-Durchschnitt von knapp 30 %. Der EU-Durchschnitt wird in Deutschland (knapp 40 %), aber auch in Baden-Württemberg mit annähernd 47 % deutlich überschritten. Die niedrige Teilzeitquote in den früher planwirtschaftlich orientierten neuen Mitgliedstaaten hat möglicherweise eine Ursache in der dort ehemals üblichen Vollzeitbeschäftigung beider Geschlechter.

Erwerbslosenquote Baden-Württembergs im europäischen Mittelfeld

Das Thema »Erwerbslosigkeit« ist in der EU auch weiterhin hochaktuell. Entscheidender Indikator ist die Erwerbslosenquote, das heißt der Anteil der Erwerbslosen an den Erwerbspersonen. Zu beachten sind hierbei die Unterschiede in der methodischen Abgrenzung bzw. Definition der Erwerbslosen der EU-Arbeitskräfteerhebung und der Arbeitslosen der Bundesagentur für Arbeit (siehe I-Punkt 2).

Baden-Württemberg steht im europäischen Vergleich mit einer Erwerbslosenquote von unter 6 % vergleichsweise günstig da. Besonders niedrige Erwerbslosenquoten haben Luxemburg, die Niederlande und Zypern mit jeweils knapp 3 %. Die höchsten Erwerbslosenquoten melden Polen mit 20 % und die Slowakische Republik mit 19 %.

Generell ist in Europa das Risiko der Erwerbslosigkeit bei jüngeren Menschen besonders hoch, was unter anderem auf die schwierige Berufseinstiegsphase zurückzuführen sein dürfte. Die Erwerbslosenquote der unter 25-Jährigen3 ist in Polen mit annähernd 42 % und in der Slowakischen Republik mit knapp 38 % dramatisch hoch. Aber auch in Finnland, Italien, Griechenland und Lettland zählen mehr als ein Viertel der jüngeren Erwerbspersonen zu den Erwerbslosen. Besonders niedrig ist dagegen die Jugendarbeitslosigkeit mit knapp 5 % in den Niederlanden; Baden-Württemberg befindet sich mit annähernd 7 % im unteren Bereich (siehe Tabelle 2).

In Baden-Württemberg deutlich weniger Langzeiterwerbslose

Eine besondere Problemgruppe sind die Langzeitarbeitslosen, das heißt Personen, die seit 12 Monaten oder länger erwerbslos sind. In der Slowakischen Republik zählen über 65 % und in Italien annähernd 60 % der Erwerbslosen zu den Langzeitarbeitslosen, und auch in Litauen, Slowenien, Polen, Griechenland, Estland und der Tschechischen Republik liegt ihr Anteil bei über 50 %. Besonders niedrig fällt der Anteil der Langzeiterwerbslosen in Dänemark, Schweden, Österreich und Zypern mit jeweils 20 % aus.

In Deutschland bzw. Baden-Württemberg gehören knapp 48 bzw. 34 % zu den Langzeitarbeitslosen. Baden-Württemberg liegt somit deutlich unter dem Durchschnitt der EU-25 von rund 44 %.

1 Datenquelle ist die Online-Datenbank »New Cronos« von Eurostat, dem statistischen Informationsdienst der Europäischen Union. Da die Daten der einzelnen Länder in ihrer Aktualität nicht synchron vorliegen, muss auf verschiedene Bezugszeitpunkte zugegriffen werden. Die im vorliegenden Text gewählten Bezugszeitpunkte beziehen sich in der Regel auf das erste bzw. zweite Quartal des jeweiligen Jahres.

2 Der längerfristige Vergleich konnte nur für Baden-Württemberg, Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien und Großbritannien durchgeführt werden.

3 (Hier: Anteil der Erwerbslosen unter 25 Jahren an den Erwerbspersonen unter 25 Jahren:)