:: 1/2004

Verarbeitendes Gewerbe: Investitionszyklus hat seinen Zenit überschritten

Die allgemeine konjunkturelle Eintrübung hat auch die Investitionsbereitschaft der Südwestindustrie schrumpfen lassen. Mit Aufwendungen in Höhe von 8,9 Mrd. Euro lagen die Investitionen 2002 etwa 10 % niedriger als noch im Vorjahr. Damit hat ein seit Mitte der 90er-Jahre anhaltendes Investitionswachstum im Verarbeitenden Gewerbe des Landes sein Ende gefunden. Getragen wurde dieser Zyklus in auffälliger Weise vom Kraftfahrzeugbau, auf den ein Viertel des gesamten Investitionsvolumens dieser Zeit entfiel.

Mit merklichen Einbußen bei den Umsätzen hat die konjunkturelle Abkühlung in der Südwestindustrie 2002 ihre Spuren hinterlassen. Zwar konnten durch eine zeitweilige Belebung der Umsätze in den letzten beiden Quartalen die erheblichen Rückgänge des ersten und zweiten Quartals teilweise aufgefangen werden, dennoch musste für das Gesamtjahr erstmals seit 1993 eine Verringerung der Umsätze gegenüber dem Vorjahr festgestellt werden. Die sich insgesamt seit der zweiten Jahreshälfte 2001 verschlechternde Entwicklung schlug sich auch auf die Investitionsneigung der Betriebe in Baden-Württemberg nieder.

Mit nominal 8,9 Mrd. Euro investierten 2002 die Industriebetriebe in Baden-Württemberg 10 % weniger in Immobilien und Ausrüstungen als noch im Vorjahr. Damit gingen die Bruttoanlageinvestitionen gegenüber 2001 um 990 Mill. Euro zurück. Augenfällig ist der Rückgang auch, da im Vorjahr die Investitionen noch um 10,1 % gestiegen waren. Einen zweistelligen Rückgang gab es zuletzt im Rezessionsjahr 1993. Damals sanken die Investitionen kräftig um 24,9 %. Es zeigt sich, dass der Konjunkturumschwung, der sich bereits Ende 2000 und Anfang 2001 in einer Verlangsamung des Wachstumstempos anbahnte, nunmehr auch die Investitionstätigkeit im Verarbeitenden Gewerbe erfasst hat (Schaubild 1).

Die Einschränkung der anteilsmäßigen Investitionsausgaben betraf dabei die Ausgaben für Immobilien in einem leicht stärkeren Maße als die Aufwendungen für Ausrüstungsgüter. In Grundstücke und Gebäude wurden im Jahr 2002 mit 1 Mrd. Euro 10,8 % weniger investiert als noch im Vorjahr. Die Investitionen in bewegliche Sachgüter sanken um 9,9 % auf 7,9 Mrd. Euro, womit sich der Rückgang in etwa auf der Höhe des Rückgangs der Gesamtinvestitionen bewegt.

Unterstellt man, dass Investitionen in Immobilien unter anderem auch als Hinweis auf die Erweiterung von Produktionskapazitäten gewertet werden können, reflektiert sich hier die allgemeine konjunkturelle Unsicherheit, die die Unternehmen vor solchen Engagements Abstand nehmen lässt. Allerdings setzt sich damit auch eine längerfristige Entwicklung zugunsten der Ausrüstungsgüter fort. Während Anfang der 80er-Jahre der Anteil der Ausrüstungsinvestitionen noch unter 80 % der Gesamtinvestitionen lag, stieg dieser im Jahr 2002 auf 88,5 % an. Alternative Finanzierungs- und Unternehmensmodelle könnten diese Entwicklung mit beeinflusst haben.

Gravierender ist die aktuelle Entwicklung der1 Investitionsquote der Südwestindustrie. Im Jahr 2002 sank sie auf einen neuen Tiefststand von 3,7 %. Damit hat sich auch nach Abschluss des Investitionszyklus die Tendenz zur Absenkung dieser Messzahl fortgesetzt. In den Jahren 1986 bis 1992 überstieg die Investitionsquote noch kontinuierlich die 5%-Marke. Im aktuellen Investitionszyklus wurde die höchste Quote 1996 mit 4,2 % erreicht. Mit dem neuen Tiefstwert im Jahr 2002 kommt somit nicht nur die allgemeine konjunkturelle Situation zum Tragen, vielmehr ist in den vergangenen Jahren die Neigung der Südwestindustrie zurückgegangen, erzielte Erlöse direkt in Investitionen hier zu Lande einfließen zu lassen. Ein möglicher Hintergrund dürfte die durch die Globalisierung der Märkte erzwungene Präsenz der Unternehmen mit Produktionsstätten auf den Weltmärkten sein. Aber auch Auslagerungen zur Ausnutzung niedrigerer Arbeitskosten in Niedriglohnländern und die Nutzung von Fertigungskapazitäten von Fremdfirmen dürften Einfluss auf diese Entwicklung genommen haben (Schaubild 2).

Die Investitionsintensität2 belief sich im Jahr 2002 auf 7 121 Euro und ist damit gegenüber dem Vorjahr um 661 Euro zurückgegangen. Sie sank gegenüber dem Vorjahr um 8,5 %, nachdem sie 2001 noch um 9,4 % gestiegen war. Die Entwicklung dieser auch als Anhaltspunkt für den Kapitaleinsatz geltenden Kennziffer folgte damit dem allgemeinen Verlauf der Investitionsentwicklung der letzten Jahre.

Deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen

Die bedeutenden Industriezweige zeigen allerdings ein heterogenes Bild der Investitionstätigkeit. Einige Branchen haben sich von den allgemeinen Investitionsrückgängen gelöst und ihre Aufwendungen für Immobilien und Ausrüstungen gegenüber dem Vorjahr erhöht. Allen voran konnte die »Chemische Industrie« ihre Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 204,4 Mill. Euro (31,5 %) auf 853,3 Mill. Euro steigern, wodurch der Investitionsrückgang des Jahres 2001 mehr als kompensiert wurde. Auch die »Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« steigerten nochmals deutlich ihre Investitionen um 183 Mill. Euro (7,1 %) auf 2,7 Mrd. Euro. Damit flossen mehr als 30 % der Gesamtinvestitionen der Südwestindustrie eines Jahres in diesen Industriezweig, der seine Dominanz bei den Investitionsaktivitäten nochmals in bemerkenswerter Weise ausbaute (Schaubild 3).

Auffallend ist, dass im Automobilbau der größte Teil der Investitionssumme für Ausrüstungen verwendet wurde (94,2 %). Sowohl bei der »Chemischen Industrie« wie auch beim »Kraftfahrzeugbau« wurden die höchsten Investitionen eines Jahres seit 1995 vorgenommen.

Nur geringfügige Investitionssteigerungen gegenüber dem Vorjahr erreichte der Bereich »Herstellung von Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik« (1 %). Die in Baden-Württemberg nur wenig bedeutende Branche »Herstellung von Büro- und Datenverarbeitungsgeräten« (+ 3,1 %) beinflusste das Gesamtergebnis kaum. Darüber hinaus hat diese Branche ihre Investitionen in den vergangenen Jahren massiv zurückgefahren; sie lagen 2002 nur noch bei zwei Drittel des Volumens von 1995.

Der starke Rückgang der Investitionen beruht im Wesentlichen auf den hohen Kürzungen im Bereich »Metallerzeugung/-bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« und im »Maschinenbau«. Um nahezu ein Viertel gingen dabei die Investitionen bei dem Industriezweig »Herstellung von Metallerzeugnissen« zurück. Auch in den Bereichen »Metallerzeugung und -bearbeitung« (- 22,8 %) und »Maschinenbau« (- 13,8 %) kam es zu starken Rückgängen. Zusammen genommen haben diese drei Industriezweige ihre Investitionen um knapp 479 Mill. Euro zurückgefahren und trugen damit knapp zur Hälfte des Rückgangs im Verarbeitenden Gewerbe bei. Noch stärkere Einbrüche gab es in den Bereichen »Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik« (- 53,9 %) und »Glasgewerbe, Keramik; Steine und Erden« (- 45,0 %). In den weiteren Branchen bewegten sich die Rückgänge zwischen 40,6 % (»Textilgewerbe«) und 6,8 % (»Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren«) (Tabelle).

Investitionsrückgang nach siebenjähriger Phase stetigen Wachstums

2002 fand damit der seit 1995 anhaltende Investitionszyklus des Verarbeitenden Gewerbes mit einem konstant steigenden Investitionsvolumen sein abruptes Ende. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2001 wurden von den Industriebetrieben in Baden-Württemberg fast 10 Mrd. Euro für Immobilien und Ausrüstungen aufgewendet. Insgesamt belief sich die Summe der getätigten Investitionen für den Zeitraum 1995 bis 2001 auf 58,3 Mrd. Euro. Auffallend sind die starken Wachstumssprünge. Jahre mit niedrigen Wachstumsraten wie zum Beispiel die Jahre 1997 (+ 3,0 %) und 2000 (+ 2,1 %) wechselten sich ab mit Jahren mit außerordentlich hohen Raten wie zuletzt im Jahr 2001 mit + 10,1 %.

Parallel dazu konnten die Umsätze nach anfänglicher Stagnation stetig gesteigert werden. Gegenüber 1995 wuchsen die Einnahmen der Betriebe der Südwestindustrie 2001 um 35 %. Insgesamt beliefen sich die realisierten Umsätze in diesem Zeitraum auf 1 447 Mrd. Euro. Auf die Entwicklung der Zahl der Beschäftigten wirkte sich dies nur unwesentlich aus. Waren 1995 noch 1 266 000 Menschen in den Betrieben der Südwestindustrie beschäftigt, nahm ihre Zahl kontinuierlich ab, um erst im Jahr 2000 wieder auf das ursprüngliche Niveau zu kommen. 2001 stieg die Zahl der Industriebeschäftigten gegenüber 1995 um 0,6 % an.

Dynamik des Automobilbaus prägte den vergangenen Investitionszyklus

Bestimmend für diese Entwicklung war das Investitionswachstum in der Schlüsselbranche des Landes, der »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«. Mit 14,2 Mrd. Euro tätigte sie über ein Viertel der Investitionen in Baden-Württemberg in dem genannten Zeitraum. Die Dynamik dieser Branche vermochte dabei 1996 und 1997 die Investitionsentwicklung der Südwestindustrie vor einer Stagnation zu bewahren. 1999 hätte sich darüber hinaus ohne die Investitionen des Kraftfahrzeugbaus rein rechnerisch eine rückläufige Entwicklung ergeben.

Allerdings verlief die Entwicklung in dieser Branche nicht stetig nach oben: In den Jahren 1998 und 2000 kam es hier zu Investitionsrückgängen, die jedoch von anderen Branchen so weit ausgeglichen wurden, dass insgesamt ein moderates Investitionswachstum für diese Jahre erreicht und der Investitionszyklus nicht unterbrochen wurde. Die herausragende Stellung des Kraftfahrzeugbaus spiegelt sich auch in der Beschäftigten- und Umatzentwicklung wieder. So stieg die Zahl der Beschäftigten zwischen 1995 und 2001 um 42 000 auf 229 000 Personen (22,6 %). Auch lagen die Umsatzerlöse 2001 mit 58,9 Mrd. Euro doppelt so hoch wie noch 1995. Der Anteil am Gesamtumsatz des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg für diese Zeit lag bei 21 %.

Neben dem »Fahrzeugbau« hat in Baden-Württemberg der »Maschinenbau« ein besonderes Gewicht. Gemessen an der Beschäftigtenzahl stellt diese Branche die bedeutendste innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes dar, auch wenn die Zahl der hier tätigen Personen zwischen 1995 und 2001 leicht rückläufig war. Bei den getätigten Investitionen steht der »Maschinenbau« an zweiter Stelle. Zwischen 1995 und 2001 gab diese Branche 9,1 Mrd. Euro für Gebäude und Maschinen aus und stellte damit 15,7 % der gesamten Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe. 2001 erreichten auch in diesem Wirtschaftszweig die Investitionen mit 1,5 Mrd. Euro die höchsten Werte und stiegen um 35,9 % gegenüber 1995. Ein noch stärkeres Wachstum verzeichnete der Industriezweig »Herstellung von Metallerzeugnissen«, in dem die Investitionen nahezu kontinuierlich zunahmen und 2001 um 62,8 % höher lagen als noch 1995. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum von dieser Branche 4,9 Mrd. Euro investiert, womit 8,4 % der gesamten Investitionen der Südwestindustrie in die Betriebe dieser Branche flossen.

Die vierte maßgebliche Branche im Südwesten ist die »Chemische Industrie«, die in dem gesamten Zeitraum 4,2 Mrd. Euro in Immobilien und Ausrüstungen investierte. Dies entsprach 7,2 % der gesamten Investitionen der Südwestindustrie. Im Verlauf dieser Jahre erreichten die Investitionen in der »Chemischen Industrie« im Jahr 2000 ihren Höhepunkt, in dem die dortigen Investitionen gegenüber dem Jahr 1995 um 48 % höher lagen.

Damit stellten die vier genannten Branchen die Motoren des vergangenen Investitionszyklus dar. Mit 32,4 Mrd. Euro umfasste die Investitionstätigkeit dieser Industriebereiche fast 55,7 % der gesamten Investitionen der Südwestindustrie. Bezogen auf die jährlichen Investitionen blieb dieser Anteil in den einzelnen Jahren relativ konstant; er bewegte sich zwischen 51,8 % (1995) und 57,8 % (1997).

Allerdings fiel das Investitionswachstum bei diesen vier Branchenschwergewichten stärker aus als in der Südwestindustrie insgesamt: Während 2001 im Vergleich zu 1995 das Investitionsvolumen des gesamten Verarbeitenden Gewerbes um 41 % gestiegen war, wuchs es bei diesen vier Branchen um 54 %.

Es wird deutlich, dass die beherrschende Stellung des Kraftfahrzeugbaus in augenfälliger Weise den vergangenen Investitionszyklus dominierte. Damit zeigt sich aber auch, dass die Investitionen des Verarbeitenden Gewerbes nur eine geringe Breitenwirkung erzielen konnten. Im Jahr 2002 konnte sich darüber hinaus das »Paradepferd« der Südwestindustrie wiederum von dem allgemeinen Trend lösen und mit einer nochmaligen Steigerung seiner Investitionen sein Gewicht nochmals erhöhen. Auch die Entwicklungen des Umsatzes und der Beschäftigtenzahlen in diesem Industriezweig unterstreichen diesen Verlauf. Dies könnte für die Zukunft dazu beitragen, dass die weitere wirtschaftliche Entwicklung noch stärker an die Entwicklung der Fahrzeugbaus gebunden ist, wenn das außerordentliche Volumen der Investitionen der vergangenen Jahre als ein Hinweis auf die weitere Entwicklung des Fahrzeugbaus interpretiert wird.

1 Investitionen im Verhältnis zum Umsatz.

2 Investitionen je Beschäftigten.